Protocol of the Session on February 2, 2000

Zum einen sind die erneuerbaren Energien die Basis einer umweltverträglichen Energieversorgung. Sie sind zudem ein wichtiger Beitrag zum Klimaschutz. Wer sich die Schäden durch den Orkan Lothar einmal konkret angesehen hat, weiß, dass allein schon das Argument Klimaschutz ausreichen müsste, um für erneuerbare Energien wesentlich mehr zu tun.

(Zuruf von den Republikanern)

Hinzu kommen noch eine Reihe von Gründen für die erneuerbaren Energien, die speziell einen Wirtschaftsminister interessieren müssten. So ist Baden-Württemberg bei den Forschungsinstituten zur Solarenergie derzeit Spitze. Aber wir laufen Gefahr, dass diese Forschungsinstitute abwandern, wenn wir nichts für die Umsetzung dieser Forschungen tun.

Die Technik der erneuerbaren Energien ist zudem in weiten Teilen hoch innovativ. So haben zum Beispiel bei der Windkraft die Leistungen der einzelnen Anlagen in den letzten Jahren ähnlich stark zugenommen wie bei den PCs. Solche innovativen Produkte bilden die Grundlage für zukunftssichere Arbeitsplätze hier in Baden-Württemberg, und sie stellen auch Exportchancen dar, die wieder hier im Lande Arbeitsplätze sichern.

Ein Gutachten, das für unsere Landtagsfraktion erstellt wurde, zeigt zudem, dass jede Mark, die zur Förderung von erneuerbaren Energien eingesetzt wird, das Zehnfache an Investitionen zur Folge hat.

Meine Damen und Herren, Sie sehen: Es gibt eine ganze Reihe von Gründen für den Ausbau der erneuerbaren Energien, speziell für einen Wirtschaftsminister und nicht nur auf umweltpolitischer Seite, aber die Bilanz von fast vier Jahren Wirtschaftsminister Döring ist in diesem Bereich deprimierend.

(Abg. Kluck FDP/DVP: Was?)

Herr Döring, Sie haben die erneuerbaren Energien in Baden-Württemberg schlicht und einfach an die Wand gefahren. Sie haben mit Ihrer Ankündigungspolitik der Branche Schaden zugefügt, und Sie haben es trotz Ihrer großen Ankündigung nicht geschafft, in diesem Haushalt substanziell Geld dafür einzustellen. Ich möchte dies Punkt für Punkt belegen.

Vor der letzten Landtagswahl standen zur Förderung der erneuerbaren Energien im Haushalt jeweils 25 bis 30 Millionen DM zur Verfügung, was dann auch zu ersten Erfolgen führte. Unter Ihrer Regie wurden diese Mittel auf unter 10 Millionen DM gesenkt, und prompt sank zum Beispiel die geförderte Sonnenkollektorfläche zwischen 1995 und 1997 um über 50 %, und das in einer Zeit, in der die Solarenergie bundesweit Zuwächse von 20 % und mehr pro Jahr aufwies. Das meine ich, wenn ich sage: Sie haben die erneuerbaren Energien in Baden-Württemberg gegen die Wand gefahren.

1998 kam dann auch bei Ihnen die Einsicht, dass es so nicht weiter geht. Sie taten das, was Sie sonst auch gern tun: Sie traten vor die Presse und kündigten etwas an. 200 Millionen DM, so Ihre Botschaft Ende 1998, sollten für die erneuerbaren Energien bereitgestellt werden, aber – und das war der Pferdefuß – erst ab dem Jahr 2000. Sie hatten vielleicht gedacht, dass das ein Aufbruchsignal sei, aber die Branche hat es als ein Signal für die Ankündigung einer Durststrecke verstanden. Denn wer investiert heute in eine Solaranlage, wenn Sie für nächstes Jahr einen Zuschuss versprechen? Für manch eine junge Firma hätte das den wirtschaftlichen Ruin bedeutet, wenn nicht im letzten Jahr die rot-grüne Bundesregierung die Förderung von Solaranlagen massiv hochgefahren hätte. Herr Döring, das meine ich, wenn ich sage: Sie haben mit Ihrer Ankündigungspolitik der Branche Schaden zugefügt.

Jetzt hat das Jahr 2000 begonnen, und es wäre an der Zeit, Ihre Ankündigung von 1998 umzusetzen. Aber in diesem Haushalt ist in Ihrem Bereich davon nichts zu finden. Um den Anteil der erneuerbaren Energien bis zum Jahr 2010 zu verdoppeln – und das ist ja auch das Ziel der Landesregierung; das kann ich nur unterstützen –, müssten pro Jahr 30 bis 40 Millionen DM Landesförderung fließen. Das hat ein Gutachten gezeigt, das im Auftrag der Bündnis 90/Die Grünen-Landtagsfraktion erstellt wurde und das wahrscheinlich von Ihnen hier auch nicht bestritten wird. Wir legen daher einen entsprechenden Antrag vor, und ich bin gespannt, Herr Döring, ob Sie sich bei der Abstimmung über diesen Antrag noch an Ihre Ankündigungspolitik von 1998 erinnern.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Das Wort erhält Herr Abg. Kurz.

Herr Präsident, meine verehrten Kolleginnen, liebe Kollegen! Herr Dr. Hildebrandt sprach in seinem Statement davon, dass die baden-württembergische Wirtschaft durchaus eine leistungsfähige und effiziente Wirtschaft darstelle. Auf der anderen Seite sprach er, was die Politik anbelangt, von „durchwursteln“. Sie müssen sich meines Erachtens schon entscheiden.

Die baden-württembergische Wirtschaftspolitik ist durchaus eine handwerklich hervorragende und qualifizierte Politik,

(Beifall des Abg. Kiel FDP/DVP)

die im Ergebnis eine leistungsfähige Volkswirtschaft hervorbrachte.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Herr Dr. Witzel, „erneuerbare Energien“, „Politik an die Wand gefahren“: Wir müssen uns einmal von der Vorstellung trennen, dass in einem Land nur das laufe, was vom Staat gefördert werde.

(Abg. Hans-Michael Bender CDU: So ist es!)

Wenn Sie im Handwerk und in der gesamten Industrie all das sehen, was an innovativen Technologien, die mit erneuerbaren Energien zusammenhängen, auf den Weg gebracht wurde, dann stellen Sie fest, dass wir in BadenWürttemberg einen sehr hohen Standard in Wirtschaft und Wissenschaft haben, der sich durchaus sehen und mit all dem messen lassen kann, was sich in anderen Bundesländern der Republik abspielt.

Noch einen Punkt möchte ich ansprechen; das ist der Wohnungsbau. Im Ausschuss und auch hier wird durch verschiedene Redner dargestellt, das Land Baden-Württemberg wolle sich jetzt vom sozialen Wohnungsbau völlig verabschieden.

(Abg. Kiel FDP/DVP: Das wäre recht!)

Darüber kann man diskutieren, verehrter Kollege Kiel, denn der Markt hat sich positiv im Interesse der Mieter entwickelt. Der Markt hat vieles von dem ausgeglichen, was früher noch Mangelerscheinung war. Er hat aber ausgeglichen, weil sich Angebot und Nachfrage weitgehend angeglichen haben. Aber auch hier ist es so, dass nicht alles, was vom Staat gefördert wird, das allein selig Machende ist. Wir haben in der Vergangenheit nur etwa 20 % aller fertig gestellten Wohnungen gefördert. Also werden 80 % mehr Wohnraum zur Verfügung gestellt, als der Staat durch finanzielle Förderung wirklich beeinflusst.

(Abg. Dr. Witzel Bündnis 90/Die Grünen: Was heißt das für den, der eine bezahlbare Wohnung sucht? Dem sagen Sie: 80 % werden privat finan- ziert! Gerade die kann er nicht bezahlen! Mietwoh- nungsbau wird praktisch in diesem Programm ein- gestellt!)

Genau für diesen Personenkreis haben wir ein Programm, Herr Dr. Witzel, durch bundesgesetzliche Grundlage, nämlich das Wohngeld, geschaffen, die so genannte Subjekt

förderung – an sich ein fürchterliches Wort, aber es trifft den Kern der Sache. Hier kann eine Familie entsprechend ihrem Bedarf, ihrer Größe, der Zahl der Familienangehörigen, am freien Markt eine Wohnung unter Berücksichtigung des Familieneinkommens mieten, und dies zu tragbaren Bedingungen. Das bringt sehr viel mehr Lebendigkeit in den Wohnungsmarkt. Ich meine, das ist auch der richtige Weg. Für das Wohngeld, Herr Dr. Witzel, sind im Haushalt pro Jahr etwa 140 Millionen DM mehr eingesetzt. Diese direkte Förderung des einzelnen Wohnungsuchenden bringt sehr viel mehr Möglichkeiten und eine sehr viel höhere Flexibilität.

Was ich noch ansprechen will – ich mache jetzt eine Tour d’Horizon – ist das Kapitel „Risikokapital“, weil mir die erkennbare Entwicklung etwas Sorge macht. Es ist die Tatsache, dass wir über die EU eine Richtlinie bekommen, die die Kreditfähigkeit der einzelnen Unternehmen einem neuen Rating unterzieht. Das ist der so genannte Baseler Akkord. Wir kennen die Eigenkapitalausstattung unserer Unternehmen, insbesondere die Ausstattung der kleinen Familienbetriebe, der Personengesellschaften, die ja im europäischen Vergleich doch etwas nachhinkt. An was das liegt, kann man separat untersuchen. Aber nach dieser neuen Rating-Methode fallen viele kleine Handwerksbetriebe, viele Familienbetriebe aus der Kreditwürdigkeit bei den örtlichen Banken heraus.

(Abg. Hans-Michael Bender CDU: Das ist ein rie- siges Problem!)

Das ist ein gewaltiges Problem, das die Strukturen innerhalb unseres Landes, in dem der Mittelstand wesentlich zur wirtschaftlichen Blüte beiträgt, durcheinander bringen kann. Deshalb möchte ich die Landesregierung bitten, sich in dieser Frage sehr konzentriert mit der EU auseinander zu setzen, damit wir in der Zukunft nicht nur noch von Risikokapital sprechen müssen.

Wie ist heute die Kreditvergabe? Wenn einmal ein Bankangestellter etwas zu großzügig die Richtlinien auslegt und nach eigener Überzeugung entscheidet und dann etwas schief geht, dann kommt sofort der Staatsanwalt, und der Angestellte hat mit ernsthaften Konsequenzen zu rechnen. Deswegen findet man kaum mehr einen Bankbeamten, der auch noch etwas Risiko auf sich nimmt. Das ist meines Erachtens völlig katastrophal.

Meine Redezeit geht zu Ende. Aber ich möchte vielleicht ganz am Schluss doch auch noch etwas zur Steuerreform sagen. Das Steuerentlastungsgesetz – Herr Präsident, ich hoffe, dass Sie mir noch einen kleinen Spielraum geben – brachte tatsächlich für den gewerblichen Mittelstand 4,5 Milliarden DM Mehrbelastung. Diese Mehrbelastung wird hauptsächlich von den kleinen Betrieben aufgebracht. Da 80 % unserer Betriebe in Baden-Württemberg weniger als 20 Mitarbeiter haben und in der Rechtsform von Einzelinhabern oder Personengesellschaften geführt werden, können sie eben nicht für den günstigeren Steuersatz optieren, weil sie Gefahr laufen, zum Zeitpunkt der Auflösung in eine Steuerfalle zu laufen.

Herr Abg. Kurz, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage, bevor Sie abschließen?

Wenn es nicht auf meine Redezeit angerechnet wird, Herr Präsident.

(Abg. Drautz FDP/DVP: Auf welche Redezeit?)

Sie haben schon keine Redezeit mehr. Sie haben Ihre Redezeit schon um über eine Minute überzogen. – Bitte schön, Herr Abg. Brinkmann.

Herr Kollege Kurz, wenn Sie diesen Betrag der Mehrbelastung nennen, sind Sie dann auch bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass nach dem Konzept, das der Bundesfinanzminister am 23. Dezember 1999 vorgestellt hat, der Mittelstand mit 17 Milliarden DM entlastet wird?

(Abg. Rosely Schweizer CDU: Ja, wo denn?)

Das ist allenfalls Zukunftsmusik, wenn sich all dies bewahrheiten würde, was der Finanzminister plant. Aber sehen Sie, allein die Einschränkung der AfA, dieser degressiven AfA von 30 % auf 20 %, ist eine enorme Belastung für die Betriebe, die Abschreibungsminderung von vier auf drei Jahren für Betriebsgebäude.

Frau Fauser führte vorhin die unterschiedliche Behandlung bei Betriebsveräußerungen an. Alles eine Katastrophe! Der Schuldzinsenabzug wird entgegen der bisherigen Rechtsprechung angelegt. Ich habe 32 Punkte, die zu echten Nachteilen des gewerblichen Mittelstands und zu komplizierten Steuersachverhalten führen werden.

Ich stelle mir unter einer Steuerreform vor: Vereinfachung statt Verkomplizierung, Systematisierung statt Chaotisierung, Steuerentlastung statt Umbuchung und Belastung – und vielleicht zur Vorbereitung mehr Sachverstand und weniger Ideologie.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Das Wort hat Frau Abg. Fauser.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte nur noch ganz kurz bemerken: Ich halte es für relativ unseriös, wenn einerseits dauernd gefordert wird, wir sollten den Haushalt konsolidieren, und andererseits dann Beträge von 200 Millionen DM allein für regenerative Energien in den Raum gestellt werden.

(Abg. Dr. Witzel Bündnis 90/Die Grünen: Pro Jahr 40 Millionen DM, und das ist gedeckt, Frau Fau- ser!)

Sie dürfen versichert sein, Herr Dr. Witzel: Nichts würden wir lieber tun, als hierfür mehr Geld auszugeben, wenn wir schon diese hervorragende Technik haben.

Was ich aber auch noch betonen möchte: Da Sie massiv für den Ausstieg aus der Atomenergie plädieren und Sie ganz genau wissen, dass wir bei einem raschen Ausstieg ungefähr 160 Millionen Tonnen Kohlendioxid mehr verkraften müssten, sollten Sie eigentlich dafür eintreten, dass man Überlegungen für einen langsamen Ausstieg anstellt, um diese höhere Belastung der Umwelt zu vermeiden.

(Abg. Dr. Witzel Bündnis 90/Die Grünen: Dazu liegen unsere Konzepte vor! Sie müssen nur lesen können!)

Ich halte es für ganz wichtig – das ist auch eher der Ansatz der FDP –, ein verbessertes Marketingkonzept zu entwickeln, sprich weitere Demonstrationsobjekte in BadenWürttemberg zu installieren, um die neuen, regenerativen Energien, die ja einen Markt haben, richtig zu präsentieren, damit sie vom Markt abgenommen werden.

Ich möchte noch einmal sagen: Seit Jahren wird die regenerative Energie durch das Einspeisegesetz massiv gefördert. Das wird auch in Zukunft gemacht. Dafür werden die Milliarden massiv erhöht. Wir haben für Geothermie 14,5 Pfennig, für die Windenergie 14,5 bis 17,5 Pfennig. Das trägt sich, weil wir inzwischen moderne Energietechniken haben. Ich darf Ihnen versichern, die Geothermie läuft ohne Subventionen, seit wir in Baden-Württemberg die „Windfibel“ herausgegeben haben, weil es möglich ist, die Genehmigungsverfahren erheblich zu beschleunigen.

Ich halte es für wichtig, dass Herr Witzel demnächst seine Kollegen vom Naturschutz etwas zurückpfeift, wenn es darum geht, Windräder auch tatsächlich zu bauen und die Genehmigung zu bekommen. Da scheint es auch intern erhebliche Auseinandersetzungen zu geben.