Protocol of the Session on January 31, 2001

Vielen Dank.

(Beifall im ganzen Haus)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, für die Aussprache über den Bericht des Petitionsausschusses hat das Präsidium gestaffelte Redezeiten mit einer Grundredezeit von fünf Minuten je Fraktion festgelegt.

Ich erteile Herrn Abg. Behringer das Wort.

(Abg. Seimetz CDU: Jetzet! – Abg. Walter Bünd- nis 90/Die Grünen: Aber nicht die gleiche Rede wie beim letzten Mal! – Lachen des Abg. Brecht- ken SPD)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Unsere letzte Aussprache über die Arbeit des Petitionsausschusses fand am 7. Mai 1998 statt. Vieles von dem, was damals gesagt wurde, ist auch heute noch gültig.

(Abg. Walter Bündnis 90/Die Grünen: Sage ich doch: Die gleiche Rede!)

Die Arbeit des Petitionsausschusses ist seither nicht wesentlich weniger geworden, und sie ist vor allem unverändert wichtig. Die rund 8 000 Petitionen, die in dieser 12. Legislaturperiode eingegangen sind, belegen das eindrucksvoll.

Betrachtet man diese 8 000 Petitionen genauer, fällt auf – der Vorsitzende des Ausschusses hat schon darauf hingewiesen –, dass die Arbeit des Petitionsausschusses stark von ausländerrechtlichen Entscheidungen geprägt ist. Ein Viertel aller Petitionen ist diesem Bereich zuzuordnen. Jede zweite davon wurde von einem Petenten aus dem ehemaligen Jugoslawien eingereicht. Entsprechend oft kam es hier zu Auseinandersetzungen über das Ausländerrecht und das Asylrecht des Bundes sowie die Rückführungspolitik der Landesregierung.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich daher auf diesen Bereich vertieft eingehen. Die Bürgerkriege im ehemaligen Jugoslawien haben großes Leid mit sich gebracht. Viele Menschen verließen aus Angst vor Gewalt und Verfolgung ihre Heimat und suchten Schutz in der Fremde. In dieser für die Menschen so wichtigen und schwierigen Zeit haben wir in Deutschland großzügig und unbürokratisch

mehreren Hunderttausend Personen Zuflucht gewährt – mehr als alle anderen westeuropäischen Staaten zusammen. Das war eine große humanitäre Leistung, auf die wir gemeinsam stolz sein können.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Veigel FDP/ DVP)

Zugleich aber war von Anfang an auch klar, dass die Flüchtlinge nur für die Dauer des Bürgerkriegs Zuflucht erhalten und nach dem Ende der Kampfhandlungen wieder in ihre Heimat zurückkehren müssen. Daran ist auch künftig nicht zu rütteln.

Meine Damen und Herren, die CDU-Landtagsfraktion hat sich stets für eine konsequente, mit Augenmaß betriebene Rückführungspolitik eingesetzt.

(Abg. Walter Bündnis 90/Die Grünen: Auweh, au- weh!)

Im Rahmen des rechtlich Möglichen haben wir sowohl die Lage vor Ort, die Interessen der Betroffenen als auch die eigenen Interessen berücksichtigt – eine Politik, die bei den Bosniern in der Vergangenheit auch im Blick auf die Interessen mittelständischer Arbeitgeber zu vernünftigen Ergebnissen geführt hat. Mir ist jedenfalls kein Unternehmen bekannt, das seine Existenz durch Rückführung eines bosnischen Mitarbeiters verloren hätte. In gleicher Weise wird jetzt auch bei der Rückführung in das Kosovo verfahren.

Arbeitskräfte können danach bei berechtigten Interessen eines mittelständischen Arbeitgebers und unter bestimmten Voraussetzungen an das Ende der Rückführungsaktion gesetzt werden oder sogar eine befristete Aufenthaltsgenehmigung nach § 8 AAV erhalten.

(Lebhafter Beifall bei Abgeordneten der FDP/ DVP)

Meine Damen und Herren, dennoch gab und gibt es immer wieder Fälle, in denen sich Betroffene auch dann mit einer Petition gegen eine Rückkehr in die Heimat zur Wehr setzen, wenn die zuvor genannten Voraussetzungen für einen weiteren Aufenthalt nicht vorliegen. So verständlich dies auch aus der Sicht eines Betroffenen oder eines Arbeitgebers sein mag, so wenig kann dem Anliegen entsprochen werden. Der Petitionsausschuss kann sich nicht über geltendes Recht hinwegsetzen.

Meine Damen und Herren, wir im Petitionsausschuss müssen – oder besser: dürfen – uns für die Menschen, die mit ihren Sorgen und Nöten zu uns kommen, einsetzen. Zugleich müssen wir aber davor warnen, unerfüllbare Hoffnungen zu wecken, Hoffnungen, die wir nicht einlösen können. Wir sind nämlich keine Superinstanz und auch kein Gnadenausschuss.

Meine Damen und Herren, die Mitglieder des Petitionsausschusses tragen eine besondere Verantwortung, die sie bei allen sachlichen Differenzen gemeinsam wahrzunehmen haben, nämlich die Verantwortung für eine gelebte Verfassung, für das Gemeinwesen und für die Petenten. Wir bitten alle Kollegen, auch die, die nicht Mitglied des Petiti

onsausschusses sind, uns bei unserer nicht immer einfachen Arbeit zu unterstützen.

Abschließend darf ich den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Petitionsbüros für ihre Arbeit herzlich danken.

(Beifall bei der CDU sowie Abgeordneten der FDP/DVP und des Bündnisses 90/Die Grünen)

In diesen Dank schließe ich unseren Vorsitzenden, Herrn Veigel, den stellvertretenden Vorsitzenden, Herrn Döpper, sowie die Obleute der Fraktionen ein.

(Abg. Walter Bündnis 90/Die Grünen: Danke!)

Wir haben hart in der Sache gerungen und trotzdem gut zusammengearbeitet.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU sowie Abgeordneten der FDP/DVP und des Bündnisses 90/Die Grünen – Abg. Walter Bündnis 90/Die Grünen: Manchmal! – Abg. Wacker CDU: Sehr gut!)

Das Wort erhält Herr Abg. Schmiedel.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Wenn es den Petitionsausschuss nicht gäbe, müsste man ihn erfinden.

(Abg. Walter Bündnis 90/Die Grünen: Auweh, au- weh!)

Denn er ist häufig für Bürgerinnen und Bürger die letzte Chance und die letzte Rettung, wenn sie mit ihren Anliegen nicht weiterkommen. Natürlich dürfen wir nicht Gesetze missachten; aber wir können helfen, dass man in einem konkreten Fall gesetzliche Bestimmungen und Verordnungen so interpretiert, dass die Entscheidung dem Sinn des Gesetzes entspricht.

Häufig kann man das am besten vor Ort machen, wenn man eine Sache in Augenschein nimmt. Ich denke an ein Beispiel aus einem Schwarzwaldtal. Dort wurde ein Neubau nicht genehmigt, weil der Waldabstand nicht eingehalten würde. Beim Augenschein sah man aber, dass es sich bei dem beantragten Neubau um das Ende einer fast endlosen Kette von Gebäuden handeln würde, die alle schon ewig dort stehen,

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: Wohl wahr!)

und dass der Waldabstand dort überhaupt keine Rolle mehr spielt. Wenn alle diese Gebäude Bestandsschutz genießen, fragt sich der Bauherr, weshalb muss die Verordnung dann ausgerechnet bei seinem Gebäude durchschlagen? Es ist gelungen, einen Kompromiss zu finden; jetzt wird dort ein Gebäude errichtet.

(Vereinzelt Beifall)

Manchmal gelingt es auch, widerstrebende Interessen verschiedener Gruppen, beispielsweise die von Kletterern und von Naturschützern im Donautal, unter einen Hut zu bringen. Da wurde eine Kletterkonzeption entwickelt, hinter

der jetzt beide Gruppen stehen und die sogar vom Gericht bestätigt wurde.

Ich glaube, im Petitionsausschuss herrscht ein gutes Klima. Wir betrachten im Petitionsausschuss den Einzelfall und sehen uns nicht als Regierungsfraktion oder als Oppositionsfraktion. Das ist auch gut so; denn nur so können wir den Aufgaben des Petitionsausschusses gerecht werden.

Es gibt aber einen Bereich – von ihm wurde jetzt schon mehrfach gesprochen –, bei dem diese gute Regel im Petitionsausschuss, wie wir feststellen, nicht beachtet wird. Das betrifft den großen Bereich der Petitionen von Ausländern und Bürgerkriegsflüchtlingen. Ich muss schon feststellen, dass es nicht in Ordnung war, dass uns die Regierung über lange Monate hinweg stereotyp erklärt hat, es gebe keinen rechtlichen Spielraum in den einzelnen Fällen, die von Handwerkern an uns herangetragen wurden, sei es aus dem Baubereich, sei es aus dem Landschaftsbau oder sei es aus dem Gärtnerbereich, es gebe keinen Spielraum, den Arbeitgebern, den Handwerkern entgegenzukommen.

Wir bedauern, dass die CDU-Fraktion in solchen Fällen immer stereotyp en bloc die Hand gehoben und die Regierungslinie abgestützt hat, ohne auf den einzelnen Fall zu schauen. Erst im Laufe von Monaten gab es langsam Schritt für Schritt eine Bewegung, und dann hat die Regierung selber, ohne dass sich das Bundesrecht geändert hätte, durch neue Verordnungen Wege gewiesen, wie man den Betroffenen doch helfen kann. Dies wäre nicht möglich – das ist auch unsere Erwartung an die Zukunft –, wenn man sich nicht wirklich von dem Grundgedanken, den Einzelfall zu betrachten, leiten ließe und wenn man sozusagen eine ausländerrechtliche Position einer Fraktion oder einer Regierung zur strikten Richtschnur seines Handelns machen würde.

Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang noch einen zweiten Problemkreis ansprechen. Der Herr Innenminister hat vorhin sehr bewegt zwei Fälle vorgetragen, bei denen es um Opfer von deutschen Straftätern ging. Das waren schlimme Fälle, bei denen Frauen missbraucht, gefoltert oder getötet wurden. Wir haben in dieser Legislaturperiode leider erlebt, dass die Mehrheit im Petitionsausschuss bei Bürgerkriegsflüchtlingen, die ähnliche Schicksale durchlitten haben, und bei Folteropfern diesen einzelnen Fällen nicht gerecht wurde, sondern stereotyp darauf verwiesen hat, dass eine Behandlung der Folteropfer, die dringend notwendig ist, auch im Kosovo und auch in Bosnien möglich sei, obwohl alle Sachverständigen sagen, dass sich das nur Reiche oder Superreiche leisten könnten. Ich hoffe, dass der Ansatz, den der Bund jetzt verfolgt, auch in Baden-Württemberg dafür sorgt, dass wir künftig in diesen einzelnen Schicksalsfällen der Folteropfer genauer hinschauen und versuchen, wirklich dem Einzelfall gerecht zu werden.

Von diesem Bereich abgesehen, glaube ich aber, dass wir insgesamt eine kollegiale Arbeit leisten – das wird auch durch die Vor-Ort-Termine bestätigt, die ja stets durch Vertreter der Regierungsfraktionen und der Oppositionsfraktionen besetzt sind –, dass wir uns am Einzelfall orientieren, dass wir uns als Anwalt der Bürgerinnen und Bürger verstehen, dass wir auch Konflikte mit Regierungsvertre

tern nicht scheuen und dass wir deshalb jeden nur ermutigen können, wenn er berechtigten Zweifel daran hat, dass eine Entscheidung gerecht ist, sich vertrauensvoll an den Petitionsausschuss zu wenden.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen sowie bei Abgeordneten der FDP/DVP)

Das Wort erhält Herr Abg. Walter.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Lieber Kollege Veigel, Sie haben in Ihrer Rede darauf hingewiesen: Wir sind oft ein lästiger Vermittler. Ich denke, das ist die Aufgabe des Petitionsausschusses. Wir müssen aber – hier herrscht ja heute eine ausgesprochene Harmonie; ich will das gar nicht groß stören – schon darüber nachdenken, ob wir tatsächlich immer dieser lästige Vermittler sind oder ob wir nicht teilweise doch zu sehr im Fraktionsdenken verharren, insbesondere natürlich die Abgeordneten der Regierungsfraktionen. Deswegen ist auch der Ansatz, der Ausschussvorsitzende müsse unbedingt von den Regierungsfraktionen gestellt werden, für mich schon immer etwas fragwürdig.

(Abg. Veigel FDP/DVP: Ja, aber er bemüht sich!)

Sie können das in der nächsten Legislaturperiode weiter machen; denn Sie sind ja dann nicht mehr an der Regierung. Ich will Sie jetzt nicht absägen, damit Sie das nicht falsch verstehen.

(Heiterkeit – Abg. König REP: Was träumen Sie bei Nacht?)