Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Herr Luthe! Die Sachverhalte im Zusammenhang mit dem Attentäter Anis Amri sind ausführlich in verschiedenen Sitzungen des Innenausschusses erörtert worden. Sie kennen die Bewertungen, die damals vorgenommen wurden. Sie sind ausführlich diskutiert und in mehreren Sitzungen dargestellt worden. Die Bewertungen zur Gefährlichkeit von Anis Amri, die sich mit Wissen von heute selbstverständlich als fehlerhaft herausgestellt haben, sind damals gemeinsam getroffen worden. Die entsprechenden Protokolle im GTAZ, in dem die Bundes- und Landesbehörden gemeinsam sitzen und den Fall
Ich hatte in den Erörterungen im Innenausschuss schon mehrfach darauf hingewiesen, dass Beobachtungen über Gespräche von Amri mit anderen Islamisten durchaus vorlagen, dass aber die observierenden Kräfte nicht in den Kopf des Attentäters und der entsprechenden handelnden Person schauen können. Und Sie erinnern sich sicherlich noch an die Sitzung des Innenausschusses vom Montag, als dort die Leiterin des polizeilichen Staatsschutzes geschildert hat, dass die Observation zwar feststellen kann, wer mit wem spricht, aber nicht, worüber gesprochen wird. Deshalb, sehr geehrter Herr Luthe, sind solche Videoaufnahmen, die Gespräche zeigen oder dass sich Anis Amri im Zusammenhang mit der FussiletMoschee auf dieser Straße aufgehalten hat, Hinweise, die im vergangenen Jahr so gewertet worden sind, dass ein Islamist eine Moschee besucht oder ein Islamist mit anderen Islamisten spricht. Das ist noch kein Haftgrund und noch kein Grund gewesen, dort entsprechend einzuschreiten.
Mit Sicht von heute stellt sich das selbstverständlich anders dar. Das haben wir mehrfach betont. Die damalige Einschätzung ist außerordentlich zu bedauern. Ich sage noch einmal: Sie war im Rückblick falsch. Aber uns liegen gegenwärtig keine Erkenntnisse vor, dass auf Grundlage der damals vorliegenden Erkenntnisse andere Entscheidungen hätten rechtlich fundiert getroffen werden können.
Ob das so ist und ob das abschließend so ist, vermag ich mit Wissensstand von heute auch noch nicht zu sagen. Aus genau diesem Grunde habe ich einen Sonderbeauftragten berufen, den ehemaligen Bundesanwalt Jost, um genau diese Fragen zu klären und die internen Untersuchungen, die wir in den vergangenen Monaten vorgenommen haben, noch einmal extern zu evaluieren. Herr Jost hat volles Akteneinsichtsrecht, arbeitet völlig weisungsfrei, kann nicht nur Akten einsehen, sondern auch handelnde Personen ohne Ansehen der Person bis in die politische Spitze hinein befragen. Herr Jost wird sich, glaube ich, am 15. Mai in der Innenausschusssitzung vorstellen und noch vor der Sommerpause einen entsprechenden Zwischenbericht vorlegen. Wir werden sehen, welche Erkenntnisse dann gewonnen werden können. – Vielen Dank!
Vielen Dank! – Ich hatte gefragt – und so war ja auch die offizielle Begründung, die uns im Innenausschuss gegeben wurde –, weshalb die Observierung eingestellt wurde
mit der Begründung, dass Amri sich nicht mehr im Umfeld radikaler Islamisten aufgehalten habe und man deshalb davon ausging, dass er nicht dem Islamismus zuzurechnen sei. Ich habe gerade dargelegt, dass er sechs Tage vor der Einstellung der Observierung mit radikalen Islamisten gefilmt worden ist, also sich sehr wohl in deren Umfeld aufgehalten hat. Insofern frage ich noch einmal: Warum ist uns im Innenausschuss diese Begründung genannt worden? Und warum ist die Tatsache, dass Amri sechs Tage vorher gefilmt wurde, nicht proaktiv im Innenausschuss mitgeteilt worden, warum müssen wir stattdessen so etwas alles selbst herausfinden?
Ja, Herr Abgeordneter Luthe! Es ist die Eigenschaft von solchen Untersuchungen, dass sie ein dynamischer Prozess sind und immer wieder neue Erkenntnisse gewonnen werden. Das hatte ich auch schon mehrfach im Innenausschuss berichtet, dass die Sachstände, die wir jeweils den Ausschussmitgliedern, der Öffentlichkeit und den innenpolitischen Sprechern zur Kenntnis geben, immer die jeweiligen Sachstände der Untersuchung darstellen. Das ist dann der Transparenz immanent, dass neue Erkenntnisse gewonnen werden. Insofern halte ich unser Vorgehen an dieser Stelle für vollkommen korrekt.
Die Bewertung – wiederhole ich noch einmal – ist damals genau so vorgenommen worden. Mir ist wichtig, an dieser Stelle noch einmal zu sagen und zu betonen: Wir haben an keiner Stelle erklärt, dass Anis Amri für ungefährlich oder Ähnliches eingestuft wurde. Er ist nie als Gefährder ausgestuft worden. Die Frage, die damals zu beurteilen war, war: Ist, obwohl er den Status als Gefährder hat, zu befürchten, dass ein Anschlag unmittelbar bevorsteht, oder ist das nicht zu befürchten? Die Einschätzung, die damals getroffen worden ist, kennen Sie. Die hat sich mit Wissen von heute als falsch herausgestellt. Ob bei der Untersuchung Fehler passiert sind, auch aus damaliger Sicht Fehler passiert sind, ob auch aus damaliger Sicht andere Entscheidungen hätten getroffen werden können oder müssen, das herauszubekommen, ist Aufgabe des Sonderermittlers Bruno Jost. Dann verweise ich auf die Ergebnisse dieser Untersuchung, denen ich auch mit Spannung entgegensehe, weil es nicht nur darum geht, aufzuarbeiten, ob Fehler passiert sind, sondern vor allem auch darum, daraus zu lernen, um solche Fehler, wenn es sie gegeben hat, in Zukunft zu vermeiden.
Ich sehe keine weiteren Nachfragen. Insofern ist die Runde nach Stärke der Fraktionen damit beendet. Nun können die weiteren Meldungen im freien Zugriff getätigt
und berücksichtigt werden. Ich werde diese Runde mit einem Gongzeichen eröffnen. Schon mit dem Ertönen des Gongs haben Sie die Möglichkeit, sich durch Ihre Ruftaste anzumelden. Alle vorher eingegangenen Meldungen werden hier nicht erfasst und bleiben unberücksichtigt.
Ich lese gleich die ersten zehn vor und stoppe die Anmeldung, weil ich davon ausgehe, dass jeder die Möglichkeit zur Anmeldung hatte.
Ich verlese die Liste der ersten zehn Namen: Herr Kollege Rissmann, Frau Burkert-Eulitz, Herr Friederici, Herr Buchholz, Frau Seibeld, Herr Freymark, Herr SchultzeBerndt, Herr Ubbelohde, Frau Demirbüken-Wegner und Herr Schatz. Es gibt noch weitere, aber ich glaube, bis dahin reicht es erst einmal. – Herr Kollege Rissmann! Sie haben als Erstes das Wort. Nach vorne kommen für die erste Frage, bitte!
Danke, Herr Präsident! – Meine Damen und Herren! Ich frage den Senat: Teilt der Senator für Justiz die gerade hier getroffene Äußerung des Abgeordneten Lux, dass Bundestagskandidaten einer hier im Hause vertretenen Partei besser in Haft zu nehmen seien?
Die Fragestellung, Kollege Rissmann, bezieht sich, glaube ich, auf einen hier noch offenen Vorgang. Sie haben einen Namen ins Spiel gebracht bezüglich eines Zwischenrufs, der mir hier im Präsidium bisher noch nicht bestätigt ist. Ich hatte vorhin angesagt gehabt, dass ich das Protokoll dazu auswerten will.
[Sven Rissmann (CDU): Das ist eine politische Meinungsäußerung, die ich bewerten zu lassen wünsche!]
Das war nur, weil ich den Zusammenhang zu einem bestimmten Namen bisher noch nicht bestätigt bekommen habe. – Wer würde im Senat dazu antworten?
Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Abgeordneter Rissmann! Sollte diese Äußerung tatsächlich gefallen sein, so bewerten wir diese als geschmacklos und inakzeptabel. Aber da das bisher nicht bestätigt worden ist, sehen wir keine weitere Veranlassung, uns dazu zu äußern.
[Torsten Schneider (SPD): Er wollte doch gar keine Antwort hören! – Zuruf von Sven Rissmann (CDU) – Weitere Zurufe von der CDU]
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich frage den Senat: Welche Maßnahmen ergreift der Berliner Senat, um die Begabung von Kindern und Jugendlichen in dieser Stadt besser zu fördern?
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Burkert-Eulitz! Der Senat bzw. die Koalition hat im Koalitionsvertrag den Schwerpunkt auf die Inklusion gelegt. Wir sind eben der Auffassung, dass alle Kinder entsprechend ihren Fähigkeiten gefördert werden sollen. Wir verstehen unter Inklusion, dass alle Kinder einen Platz in der Berliner Schule haben, dass wir Kinder unterstützen, die einen besonderen Unterstützungsbedarf haben – z. B. leistungsschwächere Schülerinnen und Schüler. Aber wir wollen auch Kinder mit Behinderungen fördern und integrieren, sehen aber genauso Kinder, die eine besondere Begabung haben. Diese bedürfen auch einer besonderen Förderung.
Unser Ansatz ist es, Begabungsförderung in allen Schulformen vorzusehen. Hier möchten wir ein Konzept erarbeiten, werden eine Expertenrunde einberufen. Es geht darum, einerseits Strategien und Maßnahmen zu entwickeln, die dem Unterricht dienen, aber uns ist auch wichtig, dass wir außerschulische Partner miteinbeziehen. Also, wenn wir über Begabungsförderung sprechen, meinen wir nicht nur den Fächerkanon, sehen eben auch den künstlerischen, musischen, sportlichen Bereich, dass diese Talente auch gefördert werden können, und Kinder, die z. B. drei, vier Mal die Woche den Musikunterricht besuchen, weil sie eine besondere Begabung, ein besonderes Talent haben, letztendlich keine Nachteile im Unterricht haben. Also die Verzahnung der unterschiedlichen Bereiche, um Talente zu fördern, das ist ein Weg.
Es geht aber auch um die Qualifizierung der Lehrkräfte, nämlich das Entdecken von Talenten im Unterricht, wo wir auch ganz stark Kinder aus sozial benachteiligten Familien sehen, weil wir der Auffassung sind, dass die Eltern an der einen oder anderen Stelle einfach nicht in der Lage sind, bestimmte Talente zu entdecken oder diese zu fördern, weil sie zwei, drei Jobs haben und ihre Kinder überhaupt nicht unterstützen können. Also das Entdecken von Talenten auch gerade im Bereich der sozialen Brennpunkte über alle Schulformen hinweg, ist auch Aufgabe der Förderzentren. Es kann gut sein, dass ein autistisches Kind eine besondere Begabung hat. Es geht darum, diese zu entdecken, aber auch Maßnahmen zu entwickeln, diese Dinge zu fördern.
Vielen Dank! – Ich möchte gerne wissen, ob sich dieser Ansatz, den Sie gerade formuliert haben, inklusiv Kinder zu fördern und zu gucken, was noch neben schulischen Belangen in allen Kindern steckt, auch in der Zusammensetzung der Expertinnen-/Expertenkommission widerspiegelt, und was das Besondere daran ist.
Zum einen konnte ich Herrn Prof. Trautmann aus Hamburg gewinnen, der dieses Expertengremium leitet, der spezialisiert ist auf das Thema Begabungsförderung, aber auch den inklusiven Gedanken in den letzten Jahren wissenschaftlich untersucht hat, bestimmte Dinge entwickelt hat. Das ist das eine. Es sind vertreten Wissenschaft, alle Schulformen, aber auch außerschulische Partner wie der
Landessportbund oder andere Bereiche. Wir haben versucht, eine sehr gute Mischung der Expertinnen und Experten zusammenzusetzen. Es sind aber auch SIBUZe vertreten, die Beratung durchführen oder thematische Diagnostik, gerade was Talente angeht. Schulpsychologie ist vertreten, aber auch die Schulaufsicht, also alle Menschen, die mit diesen Themen im Rahmen der Schule befasst sind.
Danke schön! – Frau Scheeres! Sehen Sie denn die Begabungsförderung auch im Zusammenhang mit der Verstärkung des gebundenen Ganztagbetriebs?