Und der dritte Punkt, Herr Isenberg: Wir reden nicht über eine generelle Impfpflicht, wie Ihr Bundesjustizminister Heiko Maas sie 2015 befürwortet hat, nein, wir reden über eine freiwillige Leistungsinanspruchnahme, einen Kitaplatz. Und da sind kleine Kinder auch unter elf Monaten, die schutzlos sind. Jetzt können Sie sagen, wir reden über eine abstrakte Gefahr. Ja, wir reden über eine abstrakte Gefahr. Wir wollen, dass ein Säugling oder ein Kleinkind, das schutzlos ist, nicht durch Kinder angesteckt wird, die von fanatischen Impfgegnern nicht geimpft werden und diesen Virus dorthin bringen, damit wir wieder einen Todesfall in Berlin haben. Wenn Sie meinen, das sei nur abstrakt: Herzlichen Glückwunsch! Wir meinen, wir wollen unsere Kinder vor dieser abstrakten
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegen Abgeordnete! Liebe Gäste! Einige Infektionskrankheiten, darunter auch die Masern, sollen laut den Zielen der WHO bis 2020 ausgerottet werden. In den USA konnte dieses Ziel bereits erreicht werden. Dort ist die Masernimpfung für Kinder in der Form vorgeschrieben, dass Eltern sie in der Schule und im Kindergarten nachweisen müssen. In Deutschland und insbesondere in Berlin liegen Anspruch und Wirklichkeit bei der Durchsetzung der WHO-Ziele noch sehr weit auseinander. Aber woran liegt das? – Ein Hauptgrund ist vermutlich die Angst vor möglichen Impfreaktionen. Zur Entkräftung dieser Sorgen sei angeführt, dass die Masernimpfung sich jahrzehntelang bewährt hat und als gut verträglich gilt. Lediglich bei etwa fünf von 100 Geimpften kommt es in den ersten Tagen nach der Impfung durch die Anregung der körpereigenen Abwehr zu abgeschwächten Krankheitssymptomen, die aber nichts sind im Vergleich zur Symptomatik einer echten Maserninfektionen.
Vielleicht handeln einige Eltern aber auch getreu dem Motto: Die große Mehrzahl der Kinder wird schon geimpft sein, das Infektionsrisiko ist also sehr gering, da muss ich mein Kind nicht auch noch impfen lassen. – Hierbei sollte aber beachtet werden, dass die sogenannte Herdenimmunitätsschwelle bei Masern bei 83 bis 94 Prozent liegt. Aber wer kann das Erreichen dieser Schwelle kontrollieren? Niemand! Insbesondere Säuglinge, die noch nicht geimpft werden können, sind aber auf die Herdenimmunität angewiesen. Deshalb halten wir eine bloße Impfempfehlung für zu wenig, sollte sich die Anzahl der Maserninfektionen nicht anderweitig in ausreichendem Maße eindämmen lassen. Wenige Einzelfälle pro Jahr sind tolerabel. Aber zurzeit scheint es ja eher so, als dass wir das WHO-Ziel der Krankheitseliminierung vollends aus den Augen zu verlieren drohen. Insofern ist der Vorschlag, ein jährliches wiederholendes Informations- und Impfangebot an Kindergärten und Schulen zu etablieren, aus Sicht der AfD-Fraktion begrüßenswert und richtig.
Ich erinnere mich noch gut an die jährlichen Zahnstatusuntersuchungen in der Grundschule. So ungeliebt die bei einigen Schülern auch gewesen sein mögen, haben sie niemandem geschadet, sondern waren schlicht ein Teil der Gesundheitsvorsorge.
Ob sich allerdings durch eine weitere zusätzliche und teure Informationskampagne à la „Deutschland sucht den Impfpass“ die Impfrate weiter steigern lässt, darf getrost bezweifelt werden, da selbst eine eigens von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung in Auftrag gegebene Befragung ergeben hat, dass trotz intensiver Werbung genannter Kampagne der erreichte Bevölkerungsanteil bei lediglich 26 Prozent liegt. Die rechtlichen Voraussetzungen für eine Druckerhöhung seitens des Staates sind klar in § 20 Abs. 6 u. 7 des Infektionsschutzgesetzes geregelt. Die CDU-Fraktion ist an dieser Stelle herzlich aufgefordert, gegebenenfalls auch den Druck auf Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe zu erhöhen.
Eine ergebnisoffene Diskussion der vorliegenden Anträge im Gesundheitsausschuss mit der Anhörung von Impfexperten dürfte in jedem Fall interessant werden. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Meine Damen, meine Herren! Die Nachricht mag ja, Herr Ludewig, für manchen Kollegen von der CDU vielleicht etwas überraschend kommen, aber Sie haben – die Älteren unter Ihnen werden sich sicher vielleicht auch noch erinnern – gerade fünf Jahre lang den Gesundheitssenator in dieser Stadt gestellt. Und nun gehen Sie allen Ernstes in der 8. Sitzung der neuen Legislaturperiode hin und machen einen Antrag zu Ihrer Priorität, für den Sie fünf Jahre Zeit hatten, ihn in eigener Regierungsverantwortung politisch umzusetzen. Haben Sie das Ding gerade erst in irgendeiner verstaubten Schublade wiedergefunden?
2013 und 2015 hatten wir einen deutlichen Anstieg der Masernfälle in der Stadt. Warum haben Sie die Diskussion damals nicht aufgemacht? – Sie begründen Ihren Antrag mit 32 aktuellen Fällen in diesem Winter. Sie hatten von der 41. Woche in 2014 bis zum 26. Februar 2015 33,8 Fälle pro Woche, 643 Fälle insgesamt. Das ist die höchste wöchentliche Meldezahl seit Einführung der Meldepflicht gewesen.
Und wo sind Sie da mit Ihrem Antrag geblieben? Ihr Gesundheitssenator wird wohl gewusst haben, warum er den in der Schublade gelassen hat. Der hilft uns in der Sache nämlich nicht wirklich weiter. Das Problem damit ist, dass die Verfasser selbst gar nicht so genau wissen, was sie da nun eigentlich wollen. Da ist von der Impfung
als zwingender Voraussetzung für die Vergabe von Kitaplätzen die Rede. Ihre zwingende Voraussetzung als Quasi-Zugangsbeschränkung zur Kita kollidiert dann allerdings mit dem gesetzlich verbrieften Rechtsanspruch eines jeden Kindes auf einen Kitaplatz.
Es wäre interessant zu erfahren, wie Sie diesen juristischen Konflikt politisch auflösen wollen. Aber dazu haben Sie nichts gesagt.
Und Sie definieren in Ihrem Antrag auch nirgendwo, was Sie eigentlich unter Impfpflicht verstehen. Was bedeutet das denn nun? – Und – das wird Ihnen auch der Ärztekammerpräsident bestätigen –: Wer immer eine Impfpflicht fordert, muss dann bitte auch erklären, wie er denn diese Pflicht in der Praxis durchsetzen will. Sie haben da ganz einfach ein Vollzugsproblem. Das ist auch einer der Gründe, warum man von einer solchen Impfpflicht in der Vergangenheit wieder weggekommen ist. Da weigert sich nun jemand, sich impfen zu lassen, warum auch immer. Wie wollen Sie denn nun Ihre Impfpflicht durchsetzen, Herr Ludewig? Brummen Sie dem eine Geldbuße auf? Nehmen Sie den in Erzwingungshaft? Wollen Sie ihn zwangsbehandeln? Zwei Polizisten halten fest, der Arzt spritzt durch die Hose?
Das ist doch abstrus! Wenn Sie eine Impfpflicht fordern, dann müssen Sie auch sagen, wie sie diese im Konfliktfall durchsetzen wollen. Wir haben in Berlin mittlerweile nach dem Robert-Koch-Institut und den aktuellen Zahlen eine Durchimpfungsrate von ca. 92 Prozent. Eine 95prozentige Durchimpfung braucht man, um die Masernerkrankung epidemiologisch wirksam zu bekämpfen. Wir sollten uns also darauf konzentrieren, die noch fehlenden 3 bis 4 Prozent durch Aufklärung und niederschwellige Angebote auch des öffentlichen Gesundheitsdienstes vom Sinn und Nutzen einer solchen Impfung zu überzeugen. Die ca. 3 Prozent der notorischen Impfgegner werden wir nicht überzeugen, aber die fallen dann epidemiologisch auch nicht mehr ins Gewicht.
Der beste Schutz gegen eine Maserninfektion ist, sich selber und seine Kinder impfen zu lassen. Zwei Impfungen zwischen dem 11. und dem 14. Lebensmonat und spätestens am Ende des zweiten Lebensjahres, und das Kind ist weitestgehend vor einer Ansteckungsgefahr geschützt, unabhängig davon, ob ein anderes Kind geimpft ist oder nicht.
Nicht geschützt wären dann lediglich noch jene 3 Prozent der überzeugten Impfgegner. Aber die nun vor den Folgen des eigenen Handelns mit einer Zwangsimpfung schützen zu wollen, funktioniert schon aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht. Da hilft Ihnen auch der Absatz 6 in § 20 Infektionsschutzgesetz nicht weiter. Der schließt nämlich durch seinen Wortlaut eine generelle Durchimpfung der Bevölkerung gerade aus und setzt
einem möglichen Impfzwang, weil er einen Eingriff in das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit nach Artikel 2 Grundgesetz darstellen würde, engste Grenzen. Das hehre Ziel, die Masern auszurotten, reicht danach für die Rechtfertigung eines solchen Eingriffs in das Persönlichkeitsrecht verfassungsrechtlich genauso wenig wie das Bestreben, die Impfquote zu erhöhen. Gesundheitspolitisch ist es Unsinn, weil Sie einen Impfzwang oder eine Impfpflicht niemals durchsetzen können. Wir werden Ihren Antrag deshalb ablehnen. Vielleicht hätten Sie schon in der Ära Czaja über diesen Antrag diskutieren müssen, aber dann hätte möglicherweise Ihr Senator Grieben bekommen.
Vielen Dank! – Für die Fraktion der FDP hat jetzt der Abgeordnete Herr Fresdorf das Wort. – Bitte schön!
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Es gibt gute Anträge, es gibt schlechte Anträge, und es gibt gut gemeinte Anträge, und ich denke, der Antrag der CDU, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist ein gut gemeinter Antrag.
Wir stehen mal wieder vor dem Phänomen, dass die Lösung eines politischen Problems einfach ist, aber nicht leicht. Es geht darum, dass wir verhindern, dass sich der Masernvirus in ganz Europa verbreitet. Man könnte ganz einfach frühzeitig und ausreichend impfen, und schon wäre das Problem gelöst.
Was ist das Ziel des Antrags der CDU? – Den Senat aufzufordern, die Verbreitung von Masern zu bekämpfen, und zwar als zwingende Voraussetzung für die Vergabe von Kitaplätzen. Warum sollte der Senat das eigentlich tun? – Ein paar Fakten dazu: Masern ist keine harmlose Kinderkrankheit. Heute sind vor allem Jugendliche erkrankt, und die Krankheitsverläufe einer Maserninfektion sind in diesem Alter besonders ernsthaft bis tödlich. Laut WHO muss die Impfrate bei 95 Prozent liegen, das haben wir schon gehört, damit dieser Virus ausgerottet wird. Anderenfalls breitet sich das Masernvirus wieder aus. Bevor 1970 die Impfung eingeführt wurde, waren fast alle Kinder einmal in ihrem Leben infiziert. Also klingt „frühzeitig ausreichend impfen“ nicht nur einfach, sondern auch durchaus einleuchtend. Also wo ist das Problem mit Ihrem Antrag? Das Problem ist, auch mit Masern allgemein, dass in einigen Berliner Bezirken die Impfrate deutlich unter 90 Prozent liegt. Auch wenn wir im Bevölkerungsschnitt bei 95 Prozent liegen sollten, werden wir in Berlin immer wieder einzelne Bezirke haben, wo wir sehr deutlich darunter liegen werden. Verantwortlich
Die Gründe dafür sind mannigfach. Meistens haben sie Angst vor den Risiken und Nebenwirkungen der Impfsubstanz. Gegen das Nichtimpfen sollte und kann man etwas tun, aber nicht mit den Konsequenzen, welche dann die Kinder tragen müssten, die Sie in Ihrem Antrag beschreiben, nämlich dass sie eine Kindertagesstätte nicht aufsuchen dürfen.
In meiner Fraktion gibt es schon bei dem Thema Krawattenzwang Probleme. Stellen Sie sich vor, wir reden jetzt über einen Impfzwang. Das würde mit Liberalen grundsätzlich nicht funktionieren.
Aber darauf läuft Ihr Antrag, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, hinaus. Wer sein Kind nicht impfen lässt und damit den Zugang zu einem dringend gesuchten Kitaplatz verliert, wird zum Impfen gezwungen. Das ist aber nicht unser Ansatz. Unser Ansatz dagegen zielt mehr auf Aufklärung und soziale Verantwortung von Individuen auf die Kooperation der Mitglieder einer Gemeinschaft. Wir setzen eher auf Aufklärung und Vernunft. An beidem fehlt es in Zusammenhang mit der Angst vor Nebenwirkungen einer Impfung gegen das Masernvirus. Ich will nicht das Fass mit der Aufschrift Fake-News aufmachen, aber manches Argument der Antiimpfdiskussion scheint genauso fundiert zu sein, wie das Wissen von Homer Simpson über Kernkraftwerke.
Aber es geht hier jetzt um die Pflichten für das Gemeinwohl im Spannungsfeld mit den Rechten des Einzelnen, und hier und jetzt ist es unser Job, dafür zu sorgen, dass für das Wohl aller das Bestmögliche getan wird.
Wo es ein individuelles Recht auf einen Kitaplatz gibt, besteht auch eine soziale Pflicht zum Impfen im Sinne der Gemeinschaft. Es geht um die eigene Freiheit des Einzelnen, die da endet, wo die eines anderen Menschen anfängt. Das ist der springende Punkt. Wir vertrauen aber darauf, dass durch Aufklärung und seriöse Informationen die Vernunft über die Angst vor den Nebenwirkungen der Masernimpfung siegt.
Denn, liebe Impfgegner, Sie bzw. Ihr Kind sind quasi auch Kitakunden, und da sehen wir keine gesetzliche Forderung der Impfpflicht. Aber damit nehmen Sie die Krankheit von anderen Menschen in Kauf, von älteren, sehr jungen und schwangeren und auch von schon durch andere Krankheit geschwächten Menschen. Das ist meiner Meinung nach nicht sozial, sondern egoistisch.
Das können Sie auch gerne sein, aber dann bitte in Ihren eigenen vier Wänden. Bedenken Sie bitte eines: Was sagen Sie Ihrem Kind, wenn es mit 14 oder 18 Jahren lebensbedrohlich an Masern erkrankt, weil Sie als verantwortlicher Erwachsener entschieden haben, es als Kind nicht impfen zu lassen? – Die Antwort auf diese Frage ist dann allerdings auch ganz allein Ihr Problem. – Vielen Dank!
Vielen Dank, Her Abgeordneter! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht jetzt Frau PierothManelli. – Sehr geehrte Frau Abgeordnete, Sie haben das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir alle wollen offenkundig einen möglichst guten Impfschutz für die Menschen in unserem Land, in unserer Stadt.