In diesem Sinne bedanke ich mich für Ihre freundliche Aufmerksamkeit, wünsche Ihnen ein gesegnetes Weihnachtsfest und vor allem Gesundheit. Vielen Dank!
Für die Linksfraktion hat das Wort Herr Abgeordneter Zillich. Und ich bitte wirklich darum, auf Mund-NasenMasken zu achten. Ich weiß, dass es nicht absichtlich war, aber ich bitte wirklich um Aufmerksamkeit an der Stelle.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir ändern hier heute die Verfassung und auch die Geschäftsordnung des Abgeordnetenhauses, um die Beschlussfähigkeit des Parlaments auch in Zeiten der Pandemie, in einer Notlage, zu sichern. Wir tun das auf Antrag von fünf Fraktionen dieses Hauses. Wir tun das nach konstruktiver Debatte und gemeinsam. Ich finde, das ist sehr wichtig.
Wir tun das, indem wir für eine Situation vorsorgen und Regelungen treffen, in der nicht gesichert ist, dass die erforderliche Anzahl von Abgeordneten für die Beschlussfähigkeit, die normalerweise gilt, an einer Plenarsitzung teilnehmen kann, entweder weil Abgeordnete erkrankt sind oder weil sie unter Quarantäne stehen oder Ähnliches. Wir senken diese erforderliche Anzahl unter bestimmten Kriterien, auf die ich noch zu sprechen komme, ab. In dieser Lösung, dass das Beschlussfähigkeitsquorum nicht mehr erforderlich sein soll, liegt natürlich auch zugleich die Problematik: Wir weichen von dem Punkt ab, dass parlamentarische Beschlüsse nur ihre Gültigkeit haben sollen, wenn tatsächlich die Mehrheit der Abgeordneten daran beteiligt sind. Das ist nichts Kleines.
Ich verrate kein Geheimnis, wenn ich sage, dass in meiner Fraktion die Skepsis groß war, überhaupt an diesem Punkt unsere verfassungsmäßigen Spielregeln zu verändern und damit natürlich auch in Rechte von Abgeordneten einzugreifen.
Ich verrate auch kein Geheimnis, dass diese Skepsis auch dadurch begründet war, dass wir nach unserer Diskussion zumindest lieber nach Wegen gesucht hätten, die ein Zusammentreten auf einem anderen, auf einem elektronischen Wege, die Arbeitsfähigkeit erhalten lassen.
Ich will sagen: An diesem Punkt hatten sich dann natürlich auch die Debatten, die wir im Frühjahr hatten, zwischen den Fraktionen etwas verhakt. Der Verlauf der Pandemiegeschichte, vor allen Dingen in den Wochen nach dem Sommer, hat uns allen gezeigt, dass wir nicht darauf hoffen dürfen, dass wir nicht noch mal in irgendeiner Form vor diese Frage gestellt werden, sondern es war allen klar, dass wir hier eine Lösung finden müssen, und es war auch allen klar, dass das nur funktionieren wird, wenn alle in der Sache verantwortungsvoll und auch bereit sind, einen Schritt auf den anderen zuzugehen. Genau das haben wir als fünf Fraktionen gemacht, in einem sicherlich nicht einfachen Prozess. Aber wir haben jetzt ein Ergebnis vorliegen, das genau diesen wichtigen Punkt, die Arbeitsfähigkeit des Parlamentes sichert.
Wir haben viel darüber geredet, warum das wichtig ist. Ich will zwei Aspekte nennen. Der erste Aspekt liegt auf der Hand, denn natürlich müssen Gesetzgebung und Grundrechtseingriffe parlamentarisch legitimiert sein, und wenn das Parlament faktisch nicht mehr handlungsfähig ist, dann kann das nicht erreicht werden. Aber es gibt einen weiteren Punkt, gerade im Hinblick darauf, wenn man auf die Debatte und auf die Ausfälle in dieser Debatte, die wir heute als ersten Tagesordnungspunkt hatten, rekurriert. Es ist extrem wichtig, deutlich zu
machen, wie der Abwägungsprozess verläuft, wenn es darum geht, Regelungen und Grundrechtseinschränkungen zu treffen. Es liegt in der Natur des parlamentarischen Prozesses, dass es in anderer Art und Weise öffentlich passieren kann, als bei einem rein exekutiven Prozess. Deswegen ist dieser Abwägungs- und Entscheidungsprozess wichtig für eine gesellschaftliche Debatte über das Handeln in Pandemiesituationen überhaupt, und es ist essentiell, damit wir die Akzeptanz und die demokratische Legitimation für das, was wir hier tun, erhalten. Das Parlament muss arbeitsfähig sein.
Uns war wichtig – das ist hier schon gesagt worden –, dass wir bei einer solchen Regelung Missbrauch verhindern müssen. Sie muss befristet sein, sie ist befristet. Sie muss hohe Hürden haben, um eingeschaltet zu werden. Dafür haben wir eine sehr gute Regelung gefunden. Es muss einer Minderheit möglich sein, diese Notlage wieder abzuschalten. Auch dafür haben wir eine sehr gute Regelung gefunden. Es kann nicht sein, dass alle parlamentarischen Entscheidungen einer solchen Absenkung der Beschlussfähigkeit zugänglich sind. Dafür haben wir eine Lösung gefunden. Natürlich kann man damit nicht die Verfassung ändern. Natürlich kann man damit nicht das Parlament auflösen und auch nicht den Regierenden Bürgermeister wählen und anderes. Wir haben zudem gesichert, dass alle Gesetzgebungsentscheidungen, die in einer solchen Sondersituation stattfinden, eine zusätzliche Legitimation – ich will sagen: quasi einer Ratifikation – durch ein vollzähliges Parlament nach der Pandemie erfordern. Es ist ein ganz wichtiger Punkt, dass wir das geschafft haben.
Nicht zuletzt – ich habe es angedeutet – war meiner Fraktion wichtig, dass wir auch eine Debatte oder eine Entwicklung in Gang setzen, wo wir eine schwierige Rechtssituation haben –, manche mögen sagen: eine etwas anachronistische aber gleichwohl herrschende Rechtsmeinung haben –, nämlich einen Entscheidungsprozess in die Richtung, dass wir auch elektronische Abstimmungen, soweit es in irgendeiner Form möglich ist und rechtlich vertretbar ist, zulassen. Das haben wir mit den verfahrenden Ausschüssen, soweit es rechtlich vertretbar ist, über die Änderung der Geschäftsordnung hinbekommen. Insofern haben wir hier einen Kompromiss gefunden, der dieses Parlament arbeitsfähig hält und wo tatsächlich alle Fraktionen die Kraft gefunden haben, ihre Bedenken hinten anzustellen und eine gemeinsame Lösung zu finden. – Vielen Dank!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Aussetzung ganzer Grundrechte, Panikmache, Alarmismus und Aktionismus: Das zeichnet das Covid19-Jahr 2020 derzeit aus. Regierungen erlassen eine Rechtsverordnung nach der anderen, das Parlament versagt bei seiner Kontrollfunktion und nickt die Rechtsverordnungen geduldig zur Kenntnisnahme ab. Nun kommt eine Mehrheit in diesem Parlament selbst daher und behauptet, wir müssen unsere Handlungsfähigkeit herstellen und daher die Beschlussfähigkeit dieses Hohen Hauses herabsenken – und das, obwohl seit Beginn dieser Pandemie nicht einmal ein Fall eingetreten ist, bei dem eine solche Herabsetzung notwendig geworden wäre. Vereinzelt wurden Fälle von Covid-19 in den Fraktionen gemeldet. Die Betroffenen sind alle nach kurzer Zeit glücklicherweise wieder genesen. Kostspielig wurde dieses Hohe Haus pandemiefest gemacht: Plexiglaswände in den Ausschüssen, Stühle im Plenum auseinandergestellt, Desinfektionsmittel an jeder Ecke, Veranstaltungsverbote, Maskenpflicht, unverbindliche aber stets eingehaltene Pairing-Vereinbarung in den Ausschüssen. Eine Ansteckung mit Covid-19 innerhalb dieses Hauses ist damit so gut wie ausgeschlossen und hat nach meiner Kenntnis bisher auch nicht stattgefunden.
Handlungsfähigkeit des Parlaments besteht also – aber Untätigkeit. Eine Verfassungsänderung während einer vermeintlichen Notlage oder Pandemie sollte jeden Verfassungsrechtler aufhorchen lassen. Das Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes dieses Hauses weist freundlich aber bestimmt auf die Verfassungsgrundsätze hin, welche zu beachten sind. Ich zitiere mit Erlaubnis der Präsidentin:
Das Prinzip des freien Mandats und der Grundsatz des Rechts der einzelnen Abgeordneten, sich an der Willensbildung und Entscheidungsfindung des Hauses zu beteiligen, darf nicht ohne zwingenden Grund verkürzt werden. Der Übergang zur Entscheidungsfindung in einem wesentlich kleineren Gremium, also unter Ausschluss der meisten MdA, darf nur dann stattfinden, wenn es dafür einen zwingenden, in der Erhaltung der Funktionsfähigkeit des Parlaments liegenden Grund gibt. Denn das sogenannte Homogenitätsgebot des Artikels 28 Abs. 1 Grundgesetz umfasst die tragenden Verfassungsprinzipien, zu denen auch der Status der Abgeordneten gehört, und bindet insofern auch den Berliner Landesgesetzgeber.
Notparlamente kennt die deutsche Verfassung nur im Falle des V-Falls durch den gemeinsamen Ausschuss. Eine Verkürzung der parlamentarischen Rechte aufgrund einer Pandemie oder einer Naturkatastrophe ist den Verfassungen in Deutschland bisher fremd.
Auch wenn die Regelung insgesamt entschärft wurde und sich lediglich auf die Beschlussfähigkeit des Parlaments bezieht, bleiben einige Fragen offen: Wann liegt denn diese Notlage im Sinne der Vorschrift vor, schon wenn der Bundestag gemäß § 5 des Infektionsschutzgesetzes eine epidemische Lage von nationaler Tragweite ausruft? Dann hätten wir jetzt schon diese Notlage und müssten quasi sofort beschließen, dass unsere Beschlussfähigkeit nach unten gesetzt wird. Das kann aber nicht sein, wie ja die Praxis im gesamten vergangenen Jahr gezeigt hat.
Dann ist auch die Frage der Befristung, die hier sehr gelobt wurde, sehr ungewöhnlich, denn normalerweise wird in Verfassungen keine Befristung geschrieben. Verfassungen sind nicht dazu da, um sie zu befristen. Insofern auch hier meines Erachtens ein Punkt, den man zu kritisieren hat!
Vor allem frage ich mich eines: Beabsichtigen Sie nach der Verabschiedung dieser Verfassungsänderung tatsächlich, jetzt sofort die außergewöhnliche Notlage festzustellen, obwohl, wie ich bereits dargelegt habe, überhaupt gar kein Anlass dafür besteht? Das bleibt nämlich zu befürchten.
Man soll ja nicht mit bösen Unterstellungen arbeiten, aber für mein Dafürhalten sind die Gründe für diese Verfassungsänderung vorgeschoben. Einige der hier anwesenden Parlamentarier scheinen Gefallen daran gefunden zu haben, während Plenar- und Ausschusssitzungen gemütlich zu Hause bleiben zu können und trotzdem die vollen Diäten und Sitzungsgelder zu erhalten. Vorgeschoben sind die Gründe, man habe Angst, sich zu infizieren, oder es bestünde die Gefahr, dass das Parlament nicht beschlussfähig ist.
Das Parlament ist systemrelevant, und ähnlich wie Soldaten und Polizisten in Krisenzeiten nicht sagen können, dass sie zum Dienst einfach nicht erscheinen, kann das Parlament nicht für sich selbst feststellen, dass es mit weniger Abgeordneten als der Hälfte den Willen des Volkes repräsentieren kann. Gerade in Zeiten einer Krise sollte das Parlament in voller Stärke tagen, auch um der Bevölkerung Zuversicht zu geben und vor allem um die sich selbst ermächtigende Regierung effektiv zu kontrollieren.
Ich appelliere daher an die Abgeordneten in diesem Haus, dieser Verfassungsänderung, die zwar zulässig sein dürfte, aber eben nicht erforderlich, nicht zuzustimmen.
Nein, keine Zwischenfragen! – Liebe Kollegen und Bürger Berlins! Ich wünsche Ihnen zum Abschluss noch eine schöne Weihnachtszeit und eine besinnliche Weihnachtszeit.
Lassen Sie sich nicht vom Bürgermeister vorschreiben, ob Sie einen Pullover kaufen und mit wem Sie Weihnachten feiern! – Vielen herzlichen Dank!
[Beifall bei der AfD – Beifall von Andreas Wild (fraktionslos) – Zuruf von der AfD: Bravo! – Katina Schubert (LINKE): Der verwechselt das Parlament mit einem Stammtisch!]
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Einige meiner Vorredner haben schon vor einer Gefahr gewarnt, die in politischen Debatten in der Tat virulent ist, nämlich die Gefahr der Redundanz. Als vorletzter Redner ist man sich dieser Gefahr besonders bewusst.
Ich glaube allerdings, dass die Wiederholung in diesem Fall eine wichtige und richtige ist. Wir haben uns als fünf Parlamentarische Geschäftsführer der fünf Fraktionen sehr bemüht, breit darüber zu informieren, was wir unseren Fraktionen bzw. diesem Parlament vorschlagen. Gleichwohl habe ich in dem einen oder anderen Medienbericht Dinge gelesen wie beispielsweise, dass wir hier und heute die Beschlussfähigkeit absenken oder dass wir ein Notparlament einsetzen, wie wir es in der Form nur aus der sächsischen Verfassung kennen. Ich habe Zuschriften bekommen, die beklagt haben, wir würden die Rechte von einzelnen Abgeordneten oder die Rechte der Opposition beschneiden. Deswegen glaube ich, dass die Wiederholung in diesem Fall Sinn macht, zumal solche Missverständnisse, solche Fehlinterpretationen ja von einer Seite in diesem Haus ganz bewusst und vorsätzlich durch Falschinformationen generiert werden.
Herr Vallendar! Zu Ihrer Rede vielleicht nur einen Satz: Ich würde mir wünschen, dass Sie sich bei den Kolleginnen und Kollegen entschuldigen, die aufgrund von Erkrankungen, aufgrund von Quarantäne in den letzten Wochen und Monaten nicht an Sitzungen von Ausschüssen oder Sitzungen dieses Plenums teilnehmen konnten, nicht weil sie keine Lust darauf gehabt hätten, nicht weil sie faul sind, sondern weil es ein Gebot der Vernunft ist, dann zu Hause zu bleiben.
Wir haben in den letzten neun Monaten alle zusammen viele neue Begriffe gelernt, darunter den der Pandemieresilienz, und wir haben gemeinsam mit Erschrecken festgestellt, wie wenig resilient große Teile unseres privaten, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lebens gegenüber einem Virus wie dem Coronavirus und der Covid-19-Erkrankung sind. Ja, das gilt auch für den Parlamentarismus als Eckpfeiler unserer Demokratie. In den letzten Monaten haben viele Menschen dazu beigetragen, dass das Berliner Abgeordnetenhaus trotzdem seiner Verantwortung, Rolle und Funktion gerecht geworden ist, denn funktionierende Parlamente sind in Krisenzeiten wichtiger denn je, als Gesetzgeberin – wir wollen ja u. a. heute einen Nachtragshaushalt beschließen –, als Kontrolleur der Regierung und Verwaltung sowie als Forum der öffentlichen Debatte und Meinungsbildung. Ich bedanke mich deswegen bei all denjenigen, die trotz mitunter schwierigster Bedingungen den Parlamentsbetrieb sichergestellt haben, dem Präsidenten und Direktor, dem Plenar- und Ausschussdienst, den Referentinnen und Referenten, den Protokollantinnen und Protokollanten, der Haustechnik, dem Wachschutz sowie allen anderen, die den Laden AGH am Laufen halten!
Aber trotz all dieser erfolgreichen Anstrengungen können wir den Worst Case bislang nicht ausschließen, nämlich dass die Pandemie und Infektionsentwicklung die Arbeit des Abgeordnetenhauses an der Stelle lahmlegt, wo wir aufgrund unserer Verfassungslage besonders verwundbar sind. Das ist die Frage der Beschlussfähigkeit. Für einen solchen Fall wollen wir nun Vorsorge treffen, in der Hoffnung, dass er niemals eintritt.