Protocol of the Session on November 19, 2020

zur Vorlage – zur Beschlussfassung – Drucksache 18/3041

Zweite Lesung

Der Dringlichkeit haben Sie eingangs bereits zugestimmt. Ich eröffne die zweite Lesung der Gesetzesvorlage und rufe auf die Überschrift, die Einleitung, die Artikel 1 bis 4 und schlage vor, die Beratung der Einzelbestimmungen miteinander zu verbinden. – Widerspruch höre ich dazu nicht. Eine Beratung ist nicht vorgesehen.

Zu der Vorlage auf Drucksache 18/3041 empfiehlt der Hauptausschuss einstimmig – bei Enthaltung der Fraktion der FDP – die Annahme. Wer die Vorlage gemäß der Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/3161 annehmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen Die Linke, Bündnis 90/Die Grünen, die SPD, die CDU, AfD und die beiden fraktionslosen Abgeordneten Wild und Nerstheimer. Wer enthält sich der Stimme? – Das ist die FDP. Damit ist das Gesetz beschlossen, denn es kann damit auch keine Gegenstimmen mehr geben.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 9:

Gesetz zur Einführung der Verwendungsbeförderung

Dringliche Beschlussempfehlung des Hauptausschusses vom 11. November 2020 Drucksache 18/3162

zur Vorlage – zur Beschlussfassung – Drucksache 18/3042

Zweite Lesung

Der Dringlichkeit haben Sie eingangs bereits zugestimmt. Ich eröffne die zweite Lesung der Gesetzesvorlage. Ich rufe auf die Überschrift, die Einleitung, die Artikel 1 bis 5 und schlage vor, die Beratung der Einzelbestimmungen miteinander zu verbinden. – Widerspruch höre ich dazu nicht. Eine Beratung ist nicht vorgesehen.

Zu der Vorlage auf Drucksache 18/3042 empfiehlt der Hauptausschuss einstimmig – mit allen Fraktionen – die Annahme. Wer die Vorlage gemäß der Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/3162 annehmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Das sind alle Fraktionen und auch die beiden fraktionslosen Abgeordneten Wild und Nerstheimer. Damit kann es weder Enthaltungen noch Gegenstimmen geben. Damit ist das Gesetz beschlossen. – Und es gibt hier einen kurzen Wechsel.

Tagesordnungspunkt 10 steht auf der Konsensliste.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 11:

14. Gesetz zur Änderung der Verfassung von Berlin

Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 18/3096

Erste Lesung

Ich eröffne die erste Lesung des Gesetzesantrags. In der Beratung beginnt die Fraktion der CDU und hier der Kollege Evers. – Bitte schön!

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zeit für Grundsätzliches: Was sich hinter diesem Gesetz zur Änderung der Verfassung von Berlin verbirgt, ist ein Thema, das uns hier im Hause nicht erst seit gestern beschäftigt. Politisch sind sogenannte Volksgesetze, also durch Volksentscheid zustande gekommene Gesetze, und die Möglichkeit, sie auf die eine oder andere Art zu ändern, immer wieder Thema. Aktuell ist es nicht zuletzt, weil selbstverständlich immer wieder Ideen diskutiert werden, das Tempelhofer Feld weiterzuentwickeln – der klassische Anwendungsfall, in dem ein durch Volksent

scheid zustande gekommenes Gesetz geändert werden müsste. Selbstverständlich hat das Abgeordnetenhaus, Stand heute, jederzeit die Möglichkeit, auch ein durch Volksentscheid zustande gekommenes Gesetz zu ändern, und das ist auch der Grundgedanke der direkten Demokratie, wie er in der Verfassung von Berlin angelegt ist. Das haben wir bei diesem Gesetz ja auch schon getan. Wir haben seinerzeit nicht den Wesensgehalt berührt, aber wir haben dieses Gesetz an einigen Ecken, an denen es der Not gehorchend erforderlich war, bereits angepasst. Schon damals haben wir enormen Widerstand erlebt. Es gab sehr heiße Debatten darüber, ob und in welcher Weise es dem Abgeordnetenhaus eigentlich zusteht, ein durch das direkte, unmittelbare Votum des Souveräns zustande gekommenes Gesetz zu ändern.

Wir haben damals gemerkt, es fehlt uns ein Instrument für eine solche Entscheidung, und erst recht, wenn wir dem Wesensgehalt eines solchen Gesetzes nähertreten, fehlt uns ein Instrument, unserer Entscheidung eine zusätzliche Legitimation zu verschaffen. Darauf kann man reagieren, wie es aktuell die FDP tut. Ich finde es nur etwas befremdlich, dass, wenn wir ein solches Gesetz anfassen wollen – und vielleicht auch gemeinsam und in Mehrheit zu der Überzeugung kommen, dass das erforderlich ist und guten Zwecken gehorchend –, erst mal eine Parlamentsfraktion, die ein oder andere hier vertretene Partei oder vielleicht auch mehrere gemeinsam anfangen, Unterschriften für einen neuen Volksentscheid zu sammeln, mit all den Stufen, Erforderlichkeiten, Zeitverläufen, die damit verbunden sind. Wir sind uns sehr bewusst, dass mitunter auch ein gewisser Zeitverzug drohen kann, wenn es darum geht, ein solches Gesetz zu ändern oder anzupassen.

Aus dieser Diskussion heraus, die wir sehr intensiv geführt haben bei uns in Partei und Fraktion, folgt ein Vorschlag, den wir heute hier und demnächst in den Ausschüssen zur Diskussion stellen, und ich bitte darum, ihn ganz ausdrücklich als Denkanstoß und Diskussionsgrundlage zu verstehen. Denn ich hoffe, dass wir darüber vielleicht auch zu einem Konsens gelangen können. Das muss nicht dieser Vorschlag, das kann auch ein anderer sein, der aber dem Erfordernis Rechnung trägt, dass dem Parlament ein zusätzliches Mittel an die Hand gegeben wird, das an Legitimation zu verschaffen, und das so befriedend wirkt, dass nicht eine Änderung des durch Volksentscheid zustande gekommenen Gesetzes als solche zu Verwerfungen in der Stadt führt, denn ich glaube, das ist nicht in unser aller Interesse. Wir erleben ohnehin zu viel an Polarisierung, zu viel an Spaltung. Es stünde uns gut zu Gesicht, hier als Parlament zurückzutreten und zu sagen: Hey, wir haben eine feste Überzeugung, wir wollen ein Gesetz ändern, wir wollen es vielleicht außer Kraft setzen, es in seinem Wesenskern an Notwendigkeiten anpassen, aber dann holen wir uns auch ein Votum, dann holen wir uns den Rückhalt des Volkes von Berlin, dann führen wir – und so ist unser Vorschlag – eine

(Vizepräsidentin Dr. Manuela Schmidt)

Volksbefragung durch, die entweder unser Vorgehen bestätigt oder ablehnt!

Es gibt andere Bundesländer, die bereits in ähnlicher Weise verfahren. Wir haben uns sehr genau das Beispiel des Bundeslands Hamburg angeschaut. Das ist uns ja durchaus struktur- und seelenverwandt. Dort ist das System ein anderes: Dort führt die Änderung eines solchen Gesetzes zum Lauf verschiedener Fristen, die sozusagen mit abgesenkten Quoren dazu führen, dass Unterschriften wieder gegen die Initiative des Parlaments gesammelt werden können, aber die Latte wird nicht ganz so hoch gehängt, wie es beim Zustandekommen von Volksentscheiden der Fall ist. Auch das hat aber wieder viel mit Zeitverzug und Verläufen zu tun, die wir für ausgesprochen komplex halten. Wir hielten es für das einfachere, flexiblere Herangehen, dass das Parlament in diesen Fällen, und nur in diesen Fällen, zum Instrument einer Volksbefragung greifen kann – ein Instrument übrigens, dem ich ansonsten eher kritisch gegenüberstehe. Es darf nicht sein, dass wir als Parlament uns selbst infrage stellen und unsere Rolle dadurch herabsetzen, dass wir zu jeder denkbaren Frage eine solche Befragung durchführen. Ich finde es aber richtig, dass wir es dann tun können, wenn wir ein Volksgesetz, ein durch Volksentscheid zustande gekommenes Gesetz, ändern wollen.

Ich hoffe, dass dieser Impuls auf fruchtbaren Boden fällt. Ich freue mich sehr auf die Diskussion über Partei- und Fraktionsgrenzen hinweg. Das Thema Tempelhofer Feld wird uns alle bereits im Wahlkampf herausfordern – inhaltlich allemal. Darüber wird es möglicherweise in der nächsten Legislaturperiode auch zu Veränderungen des Gesetzes kommen, in welcher Art auch immer. Dann wünsche ich mir, dass nicht das Parlament einsam und alleine eine solche Entscheidung trifft, sondern dass der Souverän hierüber auch das letzte Wort haben kann. Das ist unser Anliegen. Wir wünschen uns darüber eine gute Diskussion. Ich freue mich, wenn diese dann auch zu einem guten Ergebnis führt. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU]

Vielen Dank! – Für die SPD-Fraktion hat der Kollege Dörstelmann das Wort.

Staatsrecht in drei Minuten! – Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Antrag bietet eine gute Gelegenheit, einmal wieder die Stärkung der direkten Demokratie zu erörtern, und das ist ein Feld, das sich diese Koalition vorgenommen hat. Ich stelle auch erfreut fest, dass auch die CDU-Fraktion in diese Richtung Überlegungen anstellt. Die Frage ist, ob man das mit dem hier vorgeschlagenen Vorgehen, mit der Methode erreichen kann. Das ist nicht ganz einfach zu beant

worten. Es müssen ja, jedenfalls dem Antrag folgend, Elemente der direkten Demokratie gemischt werden mit denen der repräsentativen Demokratie. Das ist nicht ganz einfach.

Sie schlagen eine Volksbefragung zur Schaffung zusätzlicher Legitimation vor. Ich will mal damit anfangen: Die Legitimation für ein Gesetz entsteht, wenn es vom Parlament verabschiedet wird, aus Artikel 60. Aus Artikel 62 ist es möglich, einen Volksentscheid mit Gesetzesinhalt zur Abstimmung zu stellen, der angenommen werden kann. Beide Wege führen zu gleichwertigen Gesetzen; das muss man hier mal ganz kurz voranstellen, weil man ansonsten möglicherweise auf einem Abweg landet, der dann nicht zum Ziel führt. Das heißt, eine zusätzliche Legitimation, wie Sie es in Ihrem Antrag geschrieben haben, können Sie auf diesem Wege mit einer Volksbefragung nicht erreichen. Das muss klar sein. Das heißt aber nicht, dass man nicht darüber nachdenken kann, ob man sie aus anderen Gründen möchte.

Wir werden das in den Ausschüssen sicherlich intensiv beraten, aber es gibt schon ein paar Dinge, über die man sich vorher Gedanken machen muss. Sie haben diese Volksbefragung erstens darauf bezogen, dass nur Gesetze, die durch einen Volksentscheid entstanden sind, damit abgefragt werden können sollen. Da muss man überlegen, ob das zulässig ist, denn die Gesetze haben wie gesagt alle gleiche Qualität in ihrer Geltungswirkung; sie haben nur ein unterschiedliches Zustandekommen. Das ist also eine Überlegung, mit der wir uns werden befassen müssen.

Das Zweite ist: Sie haben, jedenfalls im bisherigen Entwurf, die Möglichkeit fakultativ ausgestaltet. Das ist die Frage, ob das Parlament berechtigt ist, quasi nach eigenem Gutdünken eine solche Befragung auszuwählen, oder ob man dann nicht hingehen und sagen müsste: Für einen bestimmten Bereich, in dem eine Änderung eines bestimmten Gesetzes begehrt wird, muss eine Volksbefragung durchgeführt werden. – Das ist eine Überlegung, mit der wir uns auseinandersetzen müssen, wenn wir in die Beratung im Ausschuss gehen. Ich will dem auch nichts vorwegnehmen. Methodisch habe ich da eine bestimmte Skepsis, die habe ich hier jetzt geäußert. Aber natürlich kann man mal überlegen, welche sinnvollen Maßnahmen man zur Stärkung der direkten Demokratie hier gemeinsam überlegt und verabschiedet. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN]

Vielen Dank, Herr Kollege! – Für die AfD-Fraktion hat der Abgeordnete Trefzer das Wort.

(Stefan Evers)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Gesetzentwurf der CDU-Fraktion zur Änderung der Verfassung von Berlin entspringt einem berechtigten Anliegen, das steht außer Frage. Denn die Tatsache, dass in Berlin ein durch Volksentscheid zustande gekommenes Gesetz jederzeit wieder durch das Abgeordnetenhaus aufgehoben oder geändert werden kann, führt in der Tat zu einer Schieflage zwischen Parlaments- und Volksgesetzgebung, die dringend korrigiert werden muss.

Die CDU macht jetzt dazu einen bemerkenswerten Vorschlag: Das Abgeordnetenhaus soll die Möglichkeit bekommen, mit der Mehrheit seiner Mitglieder eine Volksbefragung anzuordnen, sofern es ein durch Volksabstimmung zustande gekommenes Gesetz ändern oder aufheben will. – Das heißt, das Abgeordnetenhaus könnte das Volk dazu befragen, es könnte es aber auch genauso gut bleiben lassen.

Genau an der Stelle, lieber Herr Evers, liegt der Schwachpunkt Ihres Antrages. Denn mal ganz ehrlich: Warum sollte die Mehrheit des Hauses, die beabsichtigt, ein Volksgesetz zu revidieren, gleichzeitig darüber entscheiden können, ob das Volk zu der Änderung befragt werden soll oder nicht? – Das ist aus unserer Sicht nicht sinnvoll.

[Beifall bei der AfD – Zuruf von Torsten Schneider (SPD)]

Wir halten es jedenfalls für unrealistisch anzunehmen, dass das Abgeordnetenhaus freiwillig Volksbefragungen anordnen wird, bei denen abzusehen ist, dass die Mehrheit der Wähler gegen die Mehrheit des Abgeordnetenhauses steht. Denn welche Parlamentsmehrheit – das wissen Sie so gut wie wir – wäre freiwillig bereit, sich diesem politischen Risiko auszusetzen?

Die Folgen Ihres Vorschlags für das politische Alltagsgeschäft sind also unschwer zu erahnen, und sie wären wie folgt: Entweder die änderungswillige Mehrheit im Abgeordnetenhaus ist der Überzeugung, dass die Wähler die Änderung befürworten; dann, aber nur dann, wird sie die Volksbefragung sicherlich gern anordnen, um dem Vorhaben plebiszitäre Weihen zu geben. Im umgekehrten Fall aber, und auf den kommt es hier allein an, also dann, wenn keine Zustimmung zu erwarten ist, wird sie einfach davon Abstand nehmen. Dann werden sich mit Sicherheit unzählige Gründe finden lassen, warum gerade in diesem einen Fall eine Volksbefragung nun ausgerechnet nicht angebracht sei.

Sie selbst, liebe Kollegen von der CDU, geben ja in Ihrem Antrag schon einen Fingerzeig darauf, wie dann argumentiert werden wird, wenn Sie schreiben, eine Volksbefragung sei nicht immer erforderlich, da ja

ein breiter gesellschaftlicher Konsens … auch anderweitig erkennbar

sei. Nur, wie dieser gesellschaftliche Konsens anderweitig erkennbar sein soll – die Antwort auf diese Frage bleiben Sie schuldig. Ich finde es ehrlich gesagt ziemlich vermessen, eine solche Beurteilung der Mehrheit des Abgeordnetenhauses zu überlassen, die diese Änderung anstrebt, denn ob ein Änderungsantrag letzten Endes mehrheitsfähig ist oder nicht, steht ja erst am Ende des Wahltages fest und keinen Tag früher. Das ist jedenfalls unser Demokratieverständnis.

Ihr Entwurf ist daher nicht zu Ende gedacht und geht in seiner vorliegenden Form am Ziel der Stärkung der direkten Demokratie vorbei. Aus diesem Grund werden wir Ihnen in den vor uns liegenden Ausschussberatungen einen einfachen, aber, wie wir finden, logischen und zwingenden Alternativvorschlag unterbreiten, nämlich den, dass aus einer Kann-Bestimmung ganz einfach eine Muss-Bestimmung wird. Das heißt, nach unserer Auffassung sollte das Volk in jedem Fall, in dem ein durch das Volk erlassenes Gesetz substanziell geändert oder aufgehoben werden soll, auch dazu befragt werden. Es ist für uns eine Selbstverständlichkeit, dass der Wähler auch befragt wird, wenn ein Volksgesetz wieder geändert werden soll.

Und auch das ist ein entscheidendes Argument: Nur so können wir eine Instrumentalisierung der Regelung im parteipolitischen Meinungskampf vermeiden. Was wir jedenfalls nicht brauchen in der Verfassung von Berlin, ist zusätzliche Manövriermasse im politischen Meinungskampf in diesem Hause. Was wir aber sehr wohl brauchen, sind echte Verbesserungen für direkte Demokratie, und dazu sind wir gern bereit. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der AfD]

Vielen Dank! – Für die Linksfraktion hat der Abgeordnete Dr. Efler jetzt das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Hamburg, der 29. Februar 2004: In einem Volksentscheid stimmten circa 77 Prozent der Abstimmenden gegen die Privatisierung der landeseigenen Krankenhäuser. Was hat die Hamburger CDU-Alleinregierung unter dem damaligen Ersten Bürgermeister Ole von Beust getan? – Sie verkaufte 75 Prozent der Krankenhäuser an einen privaten Krankenhauskonzern und hebelte den Volksentscheid damit komplett aus. Was folgte, war ein großer Proteststurm, der letztlich zu einer Verfassungsänderung führte, mit der erfolgreiche Volksentscheide nicht mehr so leicht ausgehebelt werden können.