In der Beratung beginnt die Fraktion der FDP. Es hat das Wort Herr Abgeordneter Sebastian Czaja. – Bitte schön!
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich freue mich, dass die Wirtschaftssenatorin gerade den Saal betritt, weil sie in den letzten Tagen zusammen mit der DEHOGA einen Gipfel abgehalten hat und sich über die Frage ausgetauscht hat: Wie bringen wir die Gastronomie über die Herbst- und Wintermonate in unserer Stadt. Nun kann man große Erwartungen an solch einen Gipfel haben, Frau Pop, aber wenn dieser Gipfel nach Stunden der Beratung mit einer unverbindlichen Verabredung endet, dann ist das relativ wenig und schwach für unsere Stadt Berlin.
Wenn Sie sich mal erinnern, wann Sie bei einer letzten unverbindlichen Verabredung erfolgreich waren – ich kann mich zumindest nicht an unverbindliche Verabredungen erinnern –, dann ist das am Ende nichts anderes gewesen als ein loser Austausch, der keine einheitlichen Verabredungen, und vor allem fest verbindlichen Verabredungen, für die Gastronomie und Verlässlichkeit bringt.
Wir legen Ihnen deshalb heute einen Antrag vor, der mit einer ganz kleinen politischen Maßnahme ganz viel erreichen kann. Es geht um nichts Geringeres als um die Rettung von Jobs und zahlreichen Existenzen in unserer Stadt. Dass der Gipfel nicht dazu beigetragen hat, die Jobs in der Gastronomie und vor allen Dingen aber die gastronomischen Betriebe in Berlin zu sichern, das will ich Ihnen noch einmal deutlich machen anhand einer Schriftlichen Anfrage, die gerade heute zugegangen ist. Der Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf genehmigt – also duldet – Heizpilze bis 31. 3. 2021. FriedrichshainKreuzberg: keine Genehmigungsfähigkeit, Lichtenberg: keine Genehmigungsfähigkeit, Marzahn-Hellersdorf:
keine Genehmigungsfähigkeit, Neukölln: keine Genehmigungsfähigkeit, Pankow: derzeit keine Genehmigungsfähigkeit, Reinickendorf: Genehmigungsfähigkeit liegt vor bis 31. 3. 2021, Spandau: keine Genehmigungsfähigkeit, Steglitz-Zehlendorf: Genehmigungsfähigkeit liegt vor, Tempelhof-Schöneberg: keine Genehmigungsfähigkeit, Treptow-Köpenick: keine Genehmigungsfähigkeit. Wenn das kein Flickenteppich ist und eine Ungerechtigkeit für unsere Wirtschaftsbetriebe in der Stadt, dann frage ich Sie, was das dann ist und wieso es unseren
Antrag nicht braucht. Den braucht es mehr denn je, dass wir eine einheitliche Regelung in unserer Stadt finden.
Wenn Sie hier am Morgen, hier im Parlament und heute an diesem Tag, diesen Antrag ablehnen, dann bringt es eben auch nichts, wenn Sie sich am Abend unter diejenigen mischen, die dann vor ihren Existenznöten stehen, sich in die Reihen einreihen und denen über den Kopf streicheln, die jetzt kurz vor einer Arbeitslosigkeit stehen, sondern dann ist das Ausdruck Ihrer Politik, nämlich des Versäumens, wo Sie einfach nur handeln könnten, um unserer Stadt etwas zu tun. Eine wirtschaftsfördernde Maßnahme wäre jetzt genau die richtige mit dieser Maßnahme.
Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Vielen Dank, Herr Kollege Czaja! Das war hochinteressant mit den Genehmigungsverfahren. Hat denn der Senat auch beantwortet? Ich weiß es wirklich nicht, deswegen frage ich ganz konkret, nach welcher Rechtsgrundlage die jeweiligen Bezirke gehandelt haben. Denn es ist für mich widersprüchlich, dass Bezirk A eine Genehmigungsfähigkeit sieht, da muss es eine Rechtsgrundlage geben, und Bezirk B sieht keine Rechtsgrundlage. Wie wird das in der Schriftlichen Anfrage des Senats beantwortet?
So, wie das immer in Berlin ist, und so wie es heute Morgen auch in der Debatte um 100 Jahre Groß-Berlin dargestellt wurde, beantwortet es jeder Bezirk unterschiedlich: aus Brandschutzgründen, aus Umwelt- und Klimaschutzgründen oder mit der tatsächlich noch nicht abgeschlossenen Entscheidungsfindung, also überall unterschiedliche Begründungen. Die Anfrage ist noch nicht veröffentlicht. Man kann dann sehr detailliert für jeden Bezirk im Detail nachlesen. Aber es zeigt doch eins: dass es völliger Quatsch ist und dass es ungerecht ist, wenn ich in Charlottenburg-Wilmersdorf meine Pasta auf der Straße essen kann, und der Gastronom überlebt, und in Mitte kein Gastronom die Chance hat, über den Herbst und den
Die Gastronomen stehen hier wirklich vor einer schwierigen Lage. Das Jahr 2020 ist ein Horrorjahr für die Gastronomie und für viele andere auch. Deshalb ist es für uns so unverständlich, dass Sie an dieser Stelle nicht handeln wollen. Im grünen Bezirk widersetzt sich die Bürgermeisterin ja grundsätzlich den allgemeingültigen Regeln des Miteinanders. Sie hat sich jüngst auch dem in den Weg gestellt und hat deutlich gesagt, den Einsatz der Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr zur Unterstützung der völlig überlasteten Gesundheitsämter würde sie ablehnen. Ich glaube, dass wir in diesen Zeiten so etwas nicht hinnehmen müssen und sollten,
weil die Wichtigkeit besteht, dass wir für unseren Gesundheitsschutz etwas tun, dass wir für unsere Wirtschaft etwas tun,
und vor allen Dingen eins in Zeiten der Pandemie machen, und zwar die Ideologie vor der Tür lassen. Darauf haben doch alle ein absolutes Recht.
[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der AfD – Beifall von Burkard Dregger (CDU) und Christian Gräff (CDU)]
Hier geht es auch nicht – das will ich noch einmal all jenen sagen, die glauben, hier geht es um Umsatzmaximierung – nein, es geht darum, am Ende einen gewissen Umsatz zu ermöglichen, um nicht mehr und nicht weniger: Umsatz zu ermöglichen und das, was wir alle immer wieder einfordern, womit die Gastronomie verantwortungsvoll umgeht, in dieser Stadt umzusetzen, nämlich die Außenbereiche, die Freiflächen so zu ertüchtigen, dass die Gehsteige genutzt werden können, dass Genehmigungsverfahren erteilt werden für Bezeltungen, für Planen, und dass Genehmigungsverfahren für Heizpilze, für Elektrostrahler, für Gasheizstrahler erteilt werden, damit am Ende tatsächlich die Möglichkeit besteht, in unserer Stadt Jobs zu retten.
Die stadtweite Erlaubnis von Heizpilzen wäre daher ein Zeichen der Fairness, des vertraglichen Vertrauens, der Solidarität und der Verlässlichkeit. Es wäre vor allen Dingen ein Zeichen dafür, dass unsere Kiezkultur, das Besondere in Berlin, das Besondere, das unsere Kieze auszeichnet, auch weiterhin bei Ihnen Wertschätzung erfährt. Von uns erfährt das Wertschätzung. Wir werden keine Sekunde lockerlassen, bis in allen zwölf Berliner Bezirken die Außengastronomie tatsächlich ermöglicht wird, die Gastronomen über den Herbst und über den
Winter kommen, und zumindest die Duldung bis 31. 3. 2021 in allen zwölf Berliner Bezirken durchgesetzt ist. Denn wir sind es unseren Jobs in der Stadt, den Gastronomen und unseren Kiezen schuldig. – Vielen Dank!
Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Ich kann so ein bisschen Ihre Sorge verstehen, Herr Czaja, aber Ihre Rede trotzdem nicht, denn ich finde, dass die Wirtschaftssenatorin mit dem Gastrogipfel einen klares Zeichen gesetzt hat. Sie hat sich mit den Betroffenen hingesetzt, es gibt eine Menge weitere Gespräche, die laufen. Wir als SPD-Fraktion unterstützen ausdrücklich die Haltung von Frau Pop, die Heizpilze in diesem Winter zuzulassen. Ganz klar gesagt.
Dass das alles nicht einfach ist, auch für Klimapolitiker, zu denen ich ja auch zähle, dass man so etwas in der Vergangenheit nicht mehr haben wollte, insbesondere, wenn das gasbetrieben ist, ist auch richtig. Aber die Lage für die Gastronomie und die Hotellerie ist sehr ernst. Die Branchen stehen enorm unter Druck. Das sind die Branchen, die für Berlin von entscheidender Bedeutung sind.
Wenn man sich einmal die Entwicklung der letzten fünfzehn Jahre anguckt, kann man feststellen, wo sehr viel in dieser Stadt passiert ist. Viele Restaurants haben eine enorm schwierige Situation. Deshalb haben auch der Gaststättenverband DEHOGA und die IHK recht mit ihrer Forderung, das Verbot der Heizpilze im Herbst und im Winter auszusetzen, damit die Gäste ohne belastende Aerosole – denn die Gefahr ist eben innen viel größer als draußen – im Freien sitzen können. Wir müssen als Land Berlin alles tun, um weitere Insolvenzen abzuwenden. Da ist vieles noch nicht sichtbar, weil man erst ab Oktober, wenn die Insolvenzregelung ausläuft, sehen wird, was alles passiert. Der Hotel- und Gaststättenverband hat eine Umfrage gemacht: 82 Prozent der befragten Unternehmer in dieser Branche in der Hauptstadt fürchten um ihre Existenz, und 40 Prozent der Berliner Gastrobetriebe haben den größten Teil ihres Umsatz mit Touristen. Das kann man übrigens in der Innenstadt gut sehen. Während es in den Außenbezirken relativ gut läuft mit dem Stammpublikum, ist es in der Innenstadt sehr schwierig. Die Verluste sind schon da. Die Insolvenzen können und müssen wir gemeinsam verhindern.
Kollege Stroedter! Was tun Sie denn, außer heute Lippenbekenntnisse abzugeben, dafür, dass dieser Flickenteppich, den ich beschrieben habe, tatsächlich aufgelöst wird und die Duldung in allen Bezirken erfolgt, und wir nicht nur weitere PR-Shows der Wirtschaftssenatorin zur Kenntnis nehmen müssen?
Erst einmal haben wir am Mittwoch eine Sondersitzung des Wirtschaftsausschusses. Da werden wir uns über das ganze Thema Gastronomie und Hotellerie unterhalten. Da haben wir gemeinsam eine Anhörung als Sondersitzung vereinbart.
Ich höre gerade, Sie sind leider nicht anwesend, aber es wäre sehr schön, wenn wir da zu einer gemeinsamen Position kommen, denn der Branche muss dringend geholfen werden. Ich will Ihnen gerne auch Ihre Fragen im Lauf meiner Rede beantworten. Es ist so, dass es nicht die Position dieser Koalition ist, die Bezirke zu entmachten. Das will ich ganz deutlich sagen. Das mag aus Sicht einer kleinen Partei wie der FDP wichtig sein, aber bei uns ist das nicht so. Die Verwaltungsstruktur ist eine andere, und das Verhältnis zwischen Senat und den Bezirken ist eben auch nicht so, wie Sie es beschrieben haben.
Zuständig für die Erlaubnis der Heizpilze sind die Bezirke, nicht der Senat. Aber natürlich werden wir entsprechende Vorgaben machen. Ich will aber darauf hinweisen, dass die Heizpilzverbote von den Bezirken über das Straßengesetz begründet werden. Die Gastronomen bekommen seit etwa zehn Jahren eine Sondernutzungserlaubnis für Straßenland nur dann, wenn sie auf Heizpilze verzichten. Das war aus Klimaschutzgründen auch absolut richtig und wichtig.