Protocol of the Session on October 1, 2020

Ich denke, das können wir uns gerne zu Herzen nehmen.

[Beifall bei der FDP, der SPD, der CDU und der LINKEN]

Ich will – weil wir gerade bei aktuellen Statistiken sind, das habe ich noch mitgebracht, und ich habe noch ein paar Minuten Zeit – auch noch darauf hinweisen, dass die aktuelle Studie der Bertelsmann Stiftung, die heute ganz frisch vorgestellt wird – von der ein paar Tabellen aber schon zugänglich waren – eben durchaus ausweist, dass es noch große Ost-West-Unterschiede gibt, auch bei den Befragungen – die Bertelsmann Stiftung ist keine unseriöse Einrichtung, da kann man wirklich schon eine gewisse Solidität der Erhebungen feststellen. Dazu gehören zum Beispiel auch – darauf hat der Kollege Schatz aus einer etwas anderen Perspektive hingewiesen – die deutlichen Gehaltsunterschiede zwischen Ost und West – das muss ich dann auch in Richtung Koalition sagen: So sehr Sie immer auf das Thema Gender-Pay-Gap hinweisen – das ist auch richtig, 6 Prozent Einkommensunterschiede

[Carsten Schatz (LINKE): In der Verwaltung!]

bei Ost und West sind es – hier in der Studie der Bertelsmann Stiftung nachgewiesen – sind es, wenn man die Berufe bei gleicher Qualifikation, gleicher Bezahlung zugrundelegen würde, 17 Prozent Unterschied. Das kann nach 30 Jahren deutscher Einheit nicht sein, dass die Bäckereiverkäuferin im Osten 17 Prozent weniger verdient als im Westen.

[Beifall bei der FDP, der SPD, der CDU und der LINKEN]

Das ist auch ein Thema, was angegangen werden muss, auch das gehört dazu.

Im Übrigen noch ein bisschen Statistik – ich habe einmal nachgezählt: Wenn man hier im Parlament die ostdeutsche Biografie zugrunde legt, nicht wer für welchen Bezirk im Parlament sitzt, sondern die ostdeutsche Biografie, kommen wir, soweit ich richtig gezählt habe, auf 34 Ossis, aber immerhin auf 50 Frauen, von daher, wenn man jetzt über Benachteiligung, Quoten und Ähnliches reden würde – ich sage es mit einem Schmunzeln – dann müsste man vielleicht auch mal über eine Ostquote im Parlament nachdenken.

[Beifall von Martin Trefzer (AfD)]

Ich will aber auf eine ernste Sache hinweisen: Das hat auch damit zu tun, dass wir im Osten – auch das weisen Statistiken aus – nur 3 Prozent wirklich Ostdeutsche in Führungsfunktionen haben – an Universitäten, an Gerichten, in der Verwaltung. Damit meine ich wirkliche Führungsfunktionen. Das wird mir keiner weismachen können, dass 97 Prozent unqualifiziert und nicht geeignet sind. Ich glaube, auch da muss sich deutlich etwas verändern.

[Beifall bei der FDP, der SPD, der CDU, der LINKEN und den GRÜNEN]

Bei der Bertelsmann Stiftung ärgert mich dann auch, wenn ich lese, dass in dieser Studie immer noch 19 Prozent der Meinung sind, die Ostdeutschen seien weniger leistungsfähig – gerade die, die die ganze Transformation mitgemacht haben. Wie kommt eigentlich man zu einem solchen Weltbild: Die Ostdeutschen seien zu wenig dankbar, dass die Westdeutschen die Einheit bezahlt haben? Haben wir Ostdeutschen keinen Solidaritätszuschlag bezahlt? Man wundert sich manchmal schon, was an einigen Stellen durchaus noch geäußert wird.

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN]

Herr Kollege, ich darf Sie fragen, ob Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Gennburg zulassen?

Bitte schön!

Vielen Dank, Herr Kollege! Ich freue mich, dass Sie jetzt nach 30 Jahren diese Einsichten zu den Lohn- und den Rentenunterschieden, die so unsozial sind, an den Tag legen. Was hat denn die FDP in ihren Zeiten in der Bundesregierung dafür getan, dass genau diese Ungerechtigkeiten auf dem Rücken der Ossis endlich beendet werden?

(Stefan Förster)

Letzten Endes ist das Thema der Angleichung auch der Löhne in Ost und West thematisiert worden, auch als wir in der Bundesregierung waren. Es ist nicht schnell genug gegangen, das sage ich hier auch, es ist letzten Endes gerade in einer Stadt wie Berlin, das haben wir auch immer unterstützt, notwendig gewesen, dass zum Beispiel der Polizeibeamte in Ost und West im selben Streifenwagen fährt und das selbe Geld verdient. Das hat die FDP auch nie infrage gestellt, das gehört zur Wahrheit dazu. Ich sage auch, dass mir bestimmte Sachen nicht schnell genug gehen – das ist in Ordnung.

Aber Kollegin Gennburg, weil Sie die Frage gestellt haben, dann muss ich auch noch mit einer Polemik antworten: Hätten Sie die verbuddelten SED-Millionen zur Verfügung gestellt, dann wäre es mit der Angleichung der Gehälter vielleicht auch schneller gegangen.

[Beifall bei der FDP, der SPD, der CDU und der AfD]

Zum Schluss will ich bei der Bertelsmann-Studie

[Zuruf von Regina Kittler (LINKE)]

noch darauf hinweisen – und da kann ich durchaus zustimmen –, dass die Dinge, die in der DDR gut funktioniert haben oder von denen man durchaus lernen kann, noch besser hätten gewürdigt werden sollen. Da meine ich nicht nur die Polikliniken, die heute Ärztehäuser heißen, oder längeres gemeinsames Lernen in Schulen, sondern sicherlich auch die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf oder die höhere Erwerbsquote bei Frauen. Das sind Dinge, über die man durchaus positiv diskutieren kann. Das ist etwas, was uns weiterhin beschäftigen wird.

[Zuruf von Carsten Schatz (LINKE)]

An der Stelle will ich ausdrücklich darauf hinweisen, dass wir hier über einen Transformationsprozess reden. Ich will den Kollegen Otto nicht zum dritten Mal zitieren,

[Lachen von Carsten Schatz (LINKE)]

aber er hat in dem besagten Interview darauf verwiesen, dass dieser Prozess 50 Jahre andauern werde. Auch bei seinen Kindern – Jahrgang 1987 und 1990 – merke man noch die geografische, aber auch die kulturelle Komponente, die da hineinspielen. – Es ist in Ordnung, wenn es Unterschiede gibt. Mit Unterschieden kann man gut leben. Man muss Unterschiede auch aushalten, sollte aber gucken, was man voneinander lernen kann: Ost von West und West von Ost. Wenn man das verinnerlicht, kann man gemeinsam weiterhin die Zukunft in unserem Gott sei Dank wiedervereinigten Berlin gestalten. Das ist der Appell, den wir heute mitnehmen sollten. Reden wir vor allem über die Dinge – diejenigen, die gut funktioniert haben, und jene, die nicht funktionieren. Arbeiten wir daran, dass sie besser werden! Dann haben alle etwas davon. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der FDP, der SPD, der CDU, der LINKEN und den GRÜNEN]

Für eine Zwischenbemerkung hat noch einmal Herr Pazderski das Wort.

[Zurufe von links: Oh! – Anne Helm (LINKE): Das kann er nicht ertragen! – Zuruf von der LINKEN: Das macht er nur noch schlimmer!]

Herr Förster! Sie haben mich direkt angesprochen. Ich hatte das große Glück, dass ich im freien Teil Deutschlands aufgewachsen, groß geworden bin. Ich habe sehr schnell gemerkt, dass es Freiheit nicht zum Nulltarif gibt. Deshalb bin ich 1971 in die Bundeswehr eingetreten und habe bis 2012 in der Bundeswehr gedient.

[Zuruf von der LINKEN: Wer will denn das wissen?]

Ich kann Ihnen sagen, dass ich von 1982 bis 1987 Kompaniechef in Nordhessen war. Mein Einsatzbereich war an der innerdeutschen Grenze, und zwar bei Bad SoodenAllendorf.

[Ines Schmidt (LINKE): Das interessiert doch keine Sau!]

Fünf Jahre lang haben wir uns dort auf einen möglichen Angriff aus dem Osten vorbereitet. Wir haben das sehr ernsthaft getan. Das heißt, die meisten – nicht jeder – haben auf ihrer Seite das geleistet, was sie leisten konnten.

Im Jahr 1991 – das will ich Ihnen auch sagen – bin ich als einer der Ersten in die neuen Bundesländer gegangen und habe die Bundeswehr im Osten aufgebaut,

[Zurufe von der LINKEN – Zuruf von Christian Gräff (CDU)]

und zwar in Erfurt als Chef des Stabes der Heimatschutzbrigade 39. Dann war ich Bataillonskommandeur im Panzergrenadierbataillon 391 in Bad Salzungen.

[Unruhe]

Dann war ich G 4, –

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bitte um etwas mehr Ruhe.

der Verantwortliche für die Logistik im IV. Korps in Potsdam, und damit unter anderem für den Abzug der sowjetischen Truppen aus Deutschland verantwortlich. –

Ich weiß also nicht, Herr Förster, ob Sie Ihre Lebensbilanz dagegenstellen können.

[Beifall bei der AfD – Oh! bei der LINKEN]

Ich denke, ich habe eine ganze Menge für die deutsche Einheit getan. Ich bin auch stolz darauf, dass ich es da getan habe, wo ich es getan habe. Letzten Endes hat uns der Erfolg, dass wir zu unseren freiheitlichen Werten im Westen gestanden haben, recht gegeben. Deshalb ist es auch zur Einheit gekommen.

[Beifall bei der AfD – Zurufe von der LINKEN]

Herr Förster! Sie haben jetzt die Möglichkeit zu erwidern.

[Unruhe]

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Jetzt hören wir Herrn Förster zu.

Vielen Dank, Herr Präsident, sehr fürsorglich von Ihnen! – Ich bin nicht überrascht über das, was Herr Pazderski hier vorgetragen hat. Man muss sich vergegenwärtigen, dass er im innerparteilichen Wahlkampf enorm unter Druck steht.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD – Lachen von Danny Freymark (CDU)]