Erst drei, dann viele Polizistinnen und Polizisten haben sich der Menge in den Weg gestellt und sie ganz schnell zurückgedrängt. Sie haben gezeigt, dass unser Rechtsstaat funktioniert, dass unsere Polizei die Symbole unserer Demokratie schützt. Das muss die Lehre vom Wochenende sein – mir ist es eine Lehre.
Wir Demokratinnen und Demokraten sollten uns nicht kleiner machen, als wir sind, dafür gibt es keinen Grund. Ja, die Demokratie wird von den Rändern her immer schamloser infrage gestellt.
Ja, die Extremisten grölen immer lauter. Das sollte uns beunruhigen, aber nicht verängstigen, denn Angst ist ein schlechter Ratgeber.
[Andreas Wild (fraktionslos): Mut zur Wahrheit, Herr Senator! Zurücktreten! – Ülker Radziwill (SPD): Klappe halten!]
Wir leben in Deutschland seit Jahrzehnten in Frieden und Freiheit, so lange wie seit Jahrhunderten nicht mehr. Wir haben starke Parlamente, selbstbewusste Regierungen, eine unabhängige Justiz,
eine freie Presse, kritische Öffentlichkeit. Das alles sollte uns Selbstvertrauen geben – Selbstvertrauen, mutig für unsere offene, tolerante, vielfältige Gesellschaft einzustehen. Wir sind mehr als 40 Flaggenträger. – Vielen Dank!
Nun können mündliche Anfragen an den Senat gerichtet werden. Die Fragen müssen ohne Begründung, kurz gefasst und von allgemeinem Interesse sein, sowie eine kurze Beantwortung ermöglichen. Sie dürfen nicht in Unterfragen gegliedert sein, sonst müssten sie zurückgewiesen werden.
Zuerst erfolgen die Wortmeldungen in einer Runde nach der Stärke der Fraktionen mit je einer Fragestellung. Nach der Beantwortung steht mindestens eine Zusatzfrage dem anfragenden Mitglied zu, eine weitere Zusatzfrage kann auch von einem anderen Mitglied des Hauses gestellt werden. Fragen und Nachfragen werden von den Sitzplätzen aus gestellt. – Für die SPD-Fraktion beginnt der Abgeordnete Schneider. – Bitte schön, Herr Kollege!
Vielen Dank, Herr Präsident! – Ich frage den Senat: Wie bewertet der Senat die Entwicklung der Anzahl der Ver
kehrstoten in Berlin, die mit 38 fast die Anzahl des gesamten vergangenen Jahres erreicht hat, nachdem sie sich in den Jahren nach 2000 fast linear halbiert hatte?
Vielen Dank! – Sehr geehrte Abgeordnete! Sehr geehrter Herr Präsident! In der Tat, wir haben eine besorgniserregende Entwicklung. Im Jahr 2019 hatten wir 40 Verkehrstote, augenblicklich liegen wir bei 39. Davon sind 14 Radfahrer. Die Hälfte der Radfahrer ist durch abbiegende Lkw getötet worden.
Augenblicklich haben wir drei Instrumente an der Hand: Nummer 1: Wir bauen die Infrastruktur um. Das machen wir, in großer Geschwindigkeit, manchen ist es mittlerweile zu schnell geworden. Nummer 2: Wir müssen die Fahrzeugtechnik schnell einbauen, das liegt an der StVO. Das Land Berlin hat hier sehr große Bemühungen unternommen, um beim Bund zu intervenieren, dass wir in die Lage versetzt werden, sehr viel schneller diese Abbiegeassistenten in die Lkws zu bringen, als es momentan geplant und möglich ist. Nummer 3: Überwachung und Kontrolle und schärfere Sanktionen. Hier besteht die schnellste Möglichkeit, Abhilfe zu schaffen. Wir brauchen mehr – das müssen wir so sagen – Blitzer, mehr Kontrollen, um die Raser abzuschrecken. Erst dann bekommen wir kurzfristig solch ein Problem in den Griff.
Natürlich bin ich nicht dafür, dass die StVO wieder abgeschwächt wird. Wir als Land Berlin haben uns so aufgestellt, dass wir gesagt haben: Wir lehnen das, was momentan auf Bundesebene geplant ist, hart ab.
Wir sind dafür, wenn jemand 26 Stundenkilometer schneller fährt als zugelassen, dass er beim ersten Mal den Führerschein verliert.
[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN – Beifall von Daniel Buchholz (SPD) und Frank Zimmermann (SPD)]
Das wird diejenigen abschrecken, die natürlich das Auto als Prestigeobjekt, als Privileg sehen. Das müssen wir ihnen nehmen.
Herr Kollege Schneider! Wünschen Sie eine Nachfrage zu stellen? – Dann bekommen Sie das Wort, bitte schön!
Vielen Dank, Herr Präsident! – Welche Ursachen hat der Senat für den Umstand erkannt, dass wir mit bereits 15 verkehrstoten Radfahrern in diesem Jahr eine Verdreifachung der Toten im Vergleich zum Vorjahr erreichen werden, angesichts der Tatsachen, dass die Verkehrserziehung- und -überwachung ausgebaut, die Anzahl der zugelassenen Fahrzeuge bis auf drei Stellen hinter dem Komma gleich geblieben sind und die Zahl der Radfahrer lediglich um 5 Prozent zugenommen hat?
Vielen Dank! – Die Zahl der Radfahrer hat nicht um 5 Prozent zugenommen, die hat in Coronazeiten um 25 Prozent zugenommen.
Ich habe es ausgeführt: Die Hälfte ist durch rechtsabbiegende Lkw ums Leben gekommen. Wenn wir hier nicht schnell Abhilfe schaffen – – Ich habe vorgeschlagen, dass wir gar keine Lkw mehr nach Berlin reinlassen,
die nicht mit solchen Assistenzsystemen ausgestattet sind. Dafür würde ich mir mehr Unterstützung auch von Ihrer Partei wünschen.
Die zweite Nachfrage wird jetzt von Herrn Moritz von den Grünen gestellt werden. – Bitte schön, Herr Kollege!
Danke schön! – Meine Nachfrage geht dahin, dass zum Teil die Infrastruktur, aber auch – das ist schon angesprochen worden – die Kontrollen wichtig sind. Seit einiger Zeit müssen ja rechtsabbiegende Lkw Schritt fahren. Deshalb meine Frage: Wie viel Kontrollen sind bisher durchgeführt worden, um diese Vorschrift einzuhalten?
Die Kontrollen liegen beim Innensenator. Ich müsste die Frage rüber verweisen, das kann ich Ihnen nicht sagen.
Dann kommen wir jetzt zur nächsten Frage, von der CDU-Fraktion. Frau Kollegin Seibeld – bitte schön!
Vielen Dank, Herr Präsident! – Ich frage den Senat: Welche Konsequenzen zieht der Senat aus dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts in der vergangenen Woche zum Berliner Neutralitätsgesetz und für den Schulfrieden, und bekennt sich der Senat nach wie vor zur Neutralität des Staates?
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, dass wir uns dazu schon deutlich geäußert haben, dass wir natürlich nicht zufrieden sind mit dem Urteil der letzten Woche, und dass uns das Neutralitätsgesetz in Gänze sehr wichtig ist, gerade im Bereich Schule. Es geht auch hier nicht generell um ein Kopftuchverbot, sondern um ein Verbot religiöser Zeichen, weil wir es wichtig finden, dass der Schulfrieden im Allgemeinen gewahrt bleibt, und weil wir keine inhaltlichen Konflikte am Ort Schule haben wollen, sondern dass eben Kinder neutral miteinander umgehen, lernen können und nicht beeinflusst werden durch religiöse Zeichen einer Lehrkraft, die vor Ort unterrichtet.
Wir haben die Begründung noch nicht vorliegen. Die warten wir ab, um das weitere Vorgehen zu beraten.
Ich möchte an dieser Stelle auch noch einmal ganz deutlich aussprechen, weil das von dem einen oder anderen kommuniziert worden ist, dass das Neutralitätsgesetz nicht verfassungsgemäß sei, dass es verfassungswidrig ist. Das ist definitiv nicht so vonseiten des Gerichts ausgesprochen worden. Es ging vielmehr darum, dass eine andere Auslegung vorgenommen wurde. Das Gericht akzeptiert nicht, dass allgemein der Schulfrieden gestört ist, sondern möchte im konkreten Fall belegt haben, dass der Schulfrieden gestört ist. Das ist ein wesentlicher Punkt, der dort angesprochen worden ist.
Ich kann dazu nur sagen, dass vonseiten der Schulleitungen, es gibt da ja auch Zusammenschlüsse, die sich geäußert haben, dieses Urteil als fatal empfunden worden ist. Ich kann nur empfehlen, vor Ort in die Schulen zu gehen.
Wir haben dort in bestimmten Kiezen, in bestimmten Bezirken genügend Auseinandersetzungen, die alltäglich sind. Ich sehe es so, nicht nur die einzelne Lehrkraft zu betrachten, sondern, wenn es Konflikte gibt, dann hat das Auswirkungen auf die pädagogische Arbeit des ganzen Kollegiums und nicht nur auf eine Person, und es hat auch Auswirkungen auf die einzelnen Kinder und die inhaltlichen Auseinandersetzungen unter den Kindern. Ich bekomme täglich Zuschriften von Lehrkräften und Schulleitungen, dass wir an dieser Linie festhalten sollen.
Ich kann nur sagen, vorgestern kam eine E-Mail von einer Referendarin, die im Rahmen des Referendariats einiges erlebt hat. Es ist eine Muslima, die kein Kopftuch getragen hat, darf sie auch nicht, hat sie in diesem Fall aber bewusst nicht, an einer weiterführenden Schule in Neukölln, die massive Konflikte mit Schülern hatte, die ihr vorgeworfen haben, dass sie ungläubig wäre.