Lieber Kollege Friederici! Natürlich muss das sein, denn es muss auch einmal jemand diese Koalition loben.
Herr Kollege Krestel! Ich stimme nicht zu, dass dieses Versammlungsfreiheitsgesetz so, wie es vorgelegt wird, völlig inakzeptabel ist und man nichts Gutes darin finden kann. –
Im Gegenteil! Es gibt durchaus viele gute Punkte, die man finden kann. Aber – und das hat mich gewundert –: Wenn Sie schon im Wesentlichen die Regelungen des Versammlungsfreiheitsgesetzes von Schleswig-Holstein
übernehmen, das ein gutes ist, dann frage ich mich, was Sie dazu getrieben hat, in dieses gute Gesetz ein paar Berliner Besonderheiten einzubauen, die ich für sehr fragwürdig halte.
Zum einen: Mit der Regelung in § 11 haben Sie den Versuch unternommen, die polizeilichen Tatbeobachter rechtlich unmöglich zu machen. Die Tatbeobachter sind ein extrem wichtiges, erfolgreiches, schlicht erprobtes Instrument polizeilicher Arbeit, insbesondere bei der repressiven Kriminalitätsbekämpfung. Das zu streichen, fördert, wie bereits meine Vorredner gesagt haben, eher die Gewalt bei solchen Veranstaltungen und ist meines Erachtens kontraproduktiv.
Zum anderen gibt es die Regelungen zur Vermummung: Es ist mitnichten so, dass die Vermummung eine Straftat bleibe, wie vorhin gesagt wurde, sondern Sie führen die Strafbarkeit ein, aber erst dann, wenn der Polizeiführer das anordnet. – Erstens: Den Gedanken, dass eine Straftat zunächst einmal abgemahnt werden müsse, halte ich für ausgesprochen fragwürdig. Den Ladendieb fordern Sie auch nicht auf, es zu unterlassen, sondern er hat es gefälligst sofort sein zu lassen.
Zweitens führt das dazu, dass Sie gerade durch das Untersagen der Vermummung an den Punkt kommen werden, an dem eine solche Veranstaltung eskaliert, weil Sie durch das Legalitätsprinzip die Polizeibeamten verpflichten, diese Straftat dann auch zu verfolgen. Das ist keine Ordnungswidrigkeit mehr geworden. Dadurch bewirken Sie die Eskalation der Gewalt, und diese wollen Sie meines Erachtens auf den Polizeiführer schieben können, der das Ganze angeordnet hat, und nicht mehr auf den Gesetzgeber. Auch das halte ich für gefährlich.
Ja. Vielen Dank! – Herr Kollege Luthe! Sehen Sie nicht auch wie ich, dass wir hinsichtlich der Regelung zu Zivilkräften der Polizei auf Demonstrationen genau die alte
Regelung aus dem Bundesversammlungsgesetz übernommen haben, und sich insofern nichts am Einsatz von Zivilkräften auf Demonstrationen ändern wird, die auf Grundlage der StPO ja zulässig sind, wie ich es vorhin in meinem Redebeitrag erläutert habe? Erstens.
Und zweite Frage: Sind Sie mit mir der Auffassung, dass wir die Regelung zur Anordnung von der Verfolgbarkeit bestimmter Verbote auch aus dem Versammlungsgesetz Schleswig-Holstein übernommen haben, sodass Polizeiführer, wie es auch unser Anliegen ist, vor Ort mehr Flexibilität im Rahmen des Legalitätsprinzips haben, nämlich Straftaten erst dann zu verfolgen, wenn sie auch geeignet sind, unmittelbare Gefahren für die Demonstrationen herbeizuführen und eben nicht jedes Hühnchenkostüm, jedes Möhrchen, jede Maske auf einer Demo im Sinne des Legalitätsprinzips sofort verfolgen zu müssen, wie es momentan der Fall ist? – Vielen Dank!
Die Frage nach dem Verständnis des Kollegen Luthe der Verwaltungsakzessorietät beim Vermummungs- und Schutzausrüstungsverbot hat der Kollege Lux gerade eben schon so gestellt, dass sie meinerseits nicht mehr ergänzungsfähig ist. – Vielen Dank!
Dann beantworte ich Ihre Zwischenfragen gerne in aller Kürze mit nein und nein und fahre in meinem Beitrag fort.
Sie haben im Übrigen eine weitere bemerkenswerte Regelung darin aufgenommen, nämlich die zu Videoaufnahmen in geschlossenen Räumen in § 25 in Verbindung mit der einzigen Zulässigkeit dann nach § 22, wenn eine unmittelbare Gefahr eines Vergehens bestünde, eines Vergehens, das, ich glaube, Sie haben gesagt, von Amts wegen verfolgt werden müsse. Wenn Sie hier tatsächlich von Verfassung schwadronieren, auch lieber Kollege Schlüsselburg, dann tut ein Blick in das Grundgesetz meines Erachtens ganz gut.
Sie können Versammlungen in geschlossenen Räumen nach Artikel 8 Abs. 1 Grundgesetz nicht einschränken. Sie können nur Versammlungen einschränken, die im freien Raum in der Öffentlichkeit stattfinden. Die geschlossenen Räume sind nicht einschränkbar.
Und deshalb ist Ihre Regelung, Herr Schneider, selbstverständlich mit dem Grundgesetz nicht vereinbar. – Vielen Dank!
[Torsten Schneider (SPD): Ich geh jetzt eine rauchen! – Marcel Luthe (fraktionslos): Das ist eine gute Idee! Kriegen Sie keinen Husten!– Zurufe von Oliver Friederici (CDU) und Torsten Schneider (SPD)]
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Um öffentliche Ordnung soll es in Zukunft nicht mehr gehen, sondern nur noch um öffentlichen Frieden und Sicherheit. Im vorliegenden Gesetzentwurf heißt es dazu, das „Schutzgut der öffentlichen Ordnung“ sei historisch überkommen und solle abgeschafft werden. – Etwa genauso wie der Nationalstaat? – Die Dekonstruktion des Staatswesens nimmt munter ihren Lauf.
Die öffentliche Ordnung ist bei R2G noch deshalb umstritten, weil sie auf der öffentlichen Unordnung ihr politisches Süppchen kochen will. Unordnung scheint die große Überschrift über Rot-Rot-Grün zu sein: Wenig Polizei, wenig Sicherheit, viel Fremdheit, viel Kriminalität, viel Verkehrschaos, viele Vergewaltigungen.
Sie können nach dieser Gesetzesvorlage nach § 14 Abs. 2 Nr. 1 jede Demonstration verbieten, bei der sich eine kleine Bevölkerungsgruppe unwohl fühlt. Man kann dann nicht mehr für die eigentlich selbstverständliche Abschiebung Illegaler demonstrieren, nicht mehr für eine muezzinruffreie Stadt und nicht mehr gegen die Horrorinstanz für junge Eltern, die sogenannten Babylotsen. Ein Kuckucksei, das uns der sich zum Glück bald verabschiedende Herr Müller noch hinterlassen möchte.
Die Antifa will auch, dass Vermummung bei Demonstrationen noch eine Ordnungswidrigkeit darstellt – kein Wunder, denn die Vermummung ist die Uniform des Schwarzen Blocks.
Wie die Kriegsbemalung oder die Mützen des Ku-KluxKlans nimmt sie den Demonstranten das individuelle
Verantwortungsgefühl und senkt die Hemmschwelle für extremistische politische Forderungen und Gewalt. Deeskalation bei der Polizei und Eskalation bei der Antifa, so sieht für den Senat der vorbildliche Staat aus.
Auf einem Open-Data-Portal soll außerdem Ort, Zeit, Thema und Streckenverlauf von Versammlungen unverzüglich veröffentlicht werden. In der Begründung heißt es, staatliche Bekanntgabe solle den vielfältigen öffentlichen Meinungsaustausch ermöglichen, der grundlegend für die Versammlungsfreiheit sei. Aber das Gegenteil ist der Fall. Die vorherige Veröffentlichung von Demonstrationszugverläufen wird die Störungen durch den AntifaTerror verstärken.
Das geplante Gesetz führt einen Mechanismus ein, der das Verbot von Versammlungen aufgrund einer wie auch immer im Voraus festgestellten Gefahr ermöglichen soll. Dabei ist schon die Gefahr von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit, Aufstachelung zu Hass und Gewalttaten ausreichend, um eine Veranstaltung zu verbieten. Aber wer soll diese Gefahr ermitteln? – Danke!
Dann hat der Innensenator um die Erteilung des Wortes gebeten. – Herr Senator Geisel! Sie haben das Wort. Bitte schön!
Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Dregger hat hier am Beginn seines Beitrags die Frage gestellt: Warum machen wir das Ganze? Warum brauchen wir ein Versammlungsfreiheitsgesetz? – Das will ich gerne sagen: Das Versammlungsrecht des Bundes gilt seit 1953, ergänzt durch zahlreiche Rechtsprechungen, und das ist die bisherige Handlungsgrundlage der Polizei in Berlin. Mit der Föderalismusreform von 2006 ist es aber möglich geworden, dass Länder ergänzend zum Versammlungsrecht des Bundes ihre Landesgesetze erlassen. Beispielsweise war es dem Freistaat Bayern wichtig, 2008. Das war dem Freistaat Sachsen wichtig, 2010. Das war Sachsen-Anhalt 2009 wichtig, es war Niedersachsen 2011 wichtig und zuletzt Schleswig-Holstein, 2015.
Nichts gegen Schleswig-Holstein, aber in SchleswigHolstein finden pro Jahr 450 bis 500 Versammlungen statt, und – wie Sie richtig gesagt haben – in Berlin das Zehnfache. Wir sind die Hauptstadt der Demonstration.
Es wird ein deutschlandweites Vorbild für demokratieförderndes und grundrechtsbezogenes Versammlungsrecht sein, denn Versammlungsfreiheit und Meinungsfreiheit sind wesentliche Bestandteile einer lebendigen Demokratie. Das Versammlungsrecht ist dabei grundsätzlich inhalts- und meinungsneutral und gewährleistet insbesondere den Minderheiten Schutz.
Es ist hier mehrfach zu Recht gesagt worden, auch kritische Meinungen müssen geäußert werden können, auch wenn sie nicht der Mehrheitsmeinung in der Bevölkerung oder in der Politik entsprechen. Das werden wir aushalten müssen. Deshalb ist dieser vorgelegte Entwurf des Versammlungsfreiheitsgesetzes von einem Leitgedanken geprägt. Und der Leitgedanke heißt: im Zweifel für die Versammlungsfreiheit. Deswegen heißt das Gesetz ausdrücklich Versammlungsfreiheitsgesetz.
Klar ist aber auch, Meinungs- und Versammlungsfreiheit enden dort, wo strafbare Äußerungen und Taten beginnen. Für menschenfeindliche Parolen und Gewalttaten ist in unserer Gesellschaft kein Platz. Der Entwurf stellt die Balance zwischen einer grundrechtsfreundlichen Ausgestaltung des Versammlungsrechts und den notwendigen Sicherheitsmaßnahmen her. Er berücksichtigt die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und der Verwaltungsgerichtsbarkeit. Bei den Zwischenfragen von Herrn Lux und Herrn Schlüsselburg ist deutlich geworden, dass manche Befürchtungen, was die Einschränkung oder Abschaffung von bisherigen Sicherheitsmaßnahmen angeht, nicht begründet sind, wenn man den Entwurf sorgfältig liest.