Protocol of the Session on August 20, 2020

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Für die CDU-Fraktion hat der Kollege Gräff das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich muss schon sagen, es ist ein Thema – das will auch schon etwas heißen, an dieser Stelle – mit dem sich die Koalitionsfraktionen selten so wenig beschäftigt haben. Das habe ich auch selten erlebt. Ich werde Ihnen auch erklären, warum.

Erstens: Zur Analyse der Situation der WISAG und der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gehört zur Ehrlichkeit erst einmal dazu, dass sie zwei große Aufträge verloren hat, nämlich die zwei größten Gesellschaften, WISAG und Lufthansa, am Standort und dann in der Tat coronabedingte Dinge dazukommen. Daraus, und nur daraus, dass sie zwei Ausschreibungen verloren hat und es der andere Anbieter gewonnen hat, resultiert der Arbeitsplatzabbau, der uns alle, gar keine Frage, für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der WISAG, schmerzt. Vielleicht gibt es aber auch das eine oder andere Problem, das man hätte möglicherweise vorher lösen können.

Zweitens: Es gibt einen Flächen- und Manteltarifvertrag, den es in der ganzen Bundesrepublik sonst für die Beschäftigten in dieser Branche nicht gibt, nicht in München, nicht in Hamburg, nicht in Frankfurt, nicht in Düsseldorf, den selbstverständlich auch die WISAG erzielt und erfüllt. Das bedeutet beispielsweise bei jemandem, der steinharte Arbeit leistet, nämlich das Gepäck aus dem Flugzeug auspackt, ungelernt ist, 13 Euro, eben auch, wenn er ungelernt ist.

Dann gibt es ein drittes großes Paket, das zeigt, dass Sie sich überhaupt nicht damit beschäftigt haben und ich glaube auch nicht einmal mit der Flughafengesellschaft. Ich lese Ihnen gleich vor, was die dazu aufgeschrieben hat. Sie haben nicht immer Rücksprache gehalten. Das Beispiel Hamburg ist ein sehr schönes. Da ist die Flughafengesellschaft de facto der einzige Abfertiger, und sie wird von den Airlines erpresst, weil da nämlich klar ge

sagt wird: Ihr könnt zwar nichts bei den Start- und Landegebühren machen, gerade bei den genannten Billigairlines, von denen im Übrigen Berlin sehr viel profitiert und Arbeitsplätze und Steuerkraft generiert hat, zum Glück in der Region. Da wird sie nämlich erpresst, weil gesagt wird: Ihr könnt bei den Start- und Landegebühren nichts machen, aber dafür drücken wir euch bei der Abfertigung. Da ist die Abfertigung nämlich noch sehr viel billiger pro Passagier, weil es der einzige Hebel ist, um den einen oder anderen Anbieter an den Standort zu bekommen.

Jetzt lese ich Ihnen einmal vor, was uns vorgestern die FBB dazugeschrieben hat. In der Tat, ja, das wissen Sie wahrscheinlich, soweit haben Sie sich erkundigt, tief ins Thema eingestiegen sind Sie nicht, was das eigentlich für die Flughafengesellschaft bedeutet, aber der Aufsichtsrat wird sich im Januar damit beschäftigen, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ganz vorneweg: Aufsichtsrat – eine Prüfung eines partiellen Insourcings von Teilleistungen der Bodendienstler, von Teilleistungen. Auch ein FBB-eigener BVD stünde vor den gleichen Herausforderungen wie der unabhängige Anbieter und müsste sich mindestens gegen einen hochspezialisierten und effizienten Mitbewerber behaupten. Um im preisgetriebenen Segment der Bodenabfertigungsdienste wettbewerbsfähig zu sein, müsste der FBB BVD unter den gleichen tariflichen Konditionen operieren wie alle anderen Bodendienstleister. Nicht näher betrachtet, aber zumindest erwähnt sei an dieser Stelle zudem, dass der Kauf oder die Gründung eines BVD für die FBB in der aktuellen Situation – Covid 19, massiver Ertragseinbruch, Inbetriebnahme BER – ein erhebliches Kosten- und Ressourcenrisiko darstellt. – Frau Broich-Franz von vorgestern, Flughafengesellschaft uns gegenüber zu Ihrem Antrag.

Welches Desaster wollen Sie eigentlich am FBB noch anrichten, finanziell und dem Steuerzahler auflasten, meine Damen und Herren von der Koalition?

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Sie, die SPD, Berlin hat gerade Milliarden am BER versenkt, und jetzt schieben Sie einfach noch ein paar Hundert Millionen Euro hinterher? Sie haben sich nicht einmal mit der Geschäftsführung der FBB darüber unterhalten und bekommen es schwarz auf weiß ins Stammbuch geschrieben, was das eigentlich für eine Schwachsinnsidee ist.

Jetzt die letzte Bemerkung dazu: Was machen wir eigentlich mit den Beschäftigten, die in Berlin nicht 13 Euro bekommen und jetzt unter der Pandemie zu leiden haben? Wir haben es gerade diskutiert mit den Beschäftigten im Einzelhandel, den im Handwerk, in der Hotellerie und in der Gastronomie. Das ist auf jeden Fall eine Branche, die auch extrem unter Druck ist, ja, auch die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer unter Druck sind. Wollen Sie die auch verstaatlichen? Wer soll das eigentlich bezahlen an dieser Stelle, obwohl hier die FBB selbst sagt, es ist

(Jörg Stroedter)

wirtschaftlich nicht sinnvoll, es droht sogar, um das Beispiel Hamburg zu nehmen, eine Gefahr, die auf der FBB liegt? – Ich rate Ihnen noch einmal, unterhalten Sie sich vielleicht noch einmal mit denen, übrigens auch mit den Gewerkschaftern, die sich mit dem Thema etwas länger beschäftigt haben als Sie. Das jedenfalls ist eine absurde Idee für den Steuerzahler, nachdem Sie schon mit der FBB und dem BER, insbesondere die SPD Berlin, Milliarden versenkt hat. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU und der FDP – Zuruf von Steffen Zillich (LINKE)]

Für eine Zwischenbemerkung hat jetzt der Abgeordnete Stroedter das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident! – Herr Kollege Gräff! Dass nun ausgerechnet der Chefkritiker der FBB, Kollege Gräff, die FBB als Kronzeugen für eine solch arbeitnehmerfeindliche Politik hier ansetzt, da muss ich sagen, dass es genau Ihr Zustand ist, Herr Gräff. Ich muss sagen, es ist ein Skandal, was Sie hier erzählen.

[Beifall bei der AfD – Beifall von Lars Düsterhöft (SPD) und Carsten Schatz (LINKE)]

Sie kritisieren in jeder Sitzung, wenn Sie anwesend sind, im Beteiligungsausschuss oder im Untersuchungsausschuss – ich betone noch einmal, wenn Sie anwesend sind – die FBB in großem Maße. Hier wollen Sie uns die FBB jetzt vorhalten. Wir sind als SPD-Fraktion, wir sind als Koalition absolut anderer Meinung als die FBB. Ich will Ihnen auch einmal sagen warum.

[Christian Gräff (CDU): Weil Sie keine Ahnung haben!]

Wir beschäftigen uns mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, Herr Gräff. Ich habe, das habe ich vorhin schon gesagt, Mails ohne Ende von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die mir von den skandalösen Arbeitsbedingungen bei der WISAG berichten. Für die Koalition ist das ein Anlass, das zu überprüfen. Deshalb gibt es die Aufforderung an den Senat, die Aufforderungen an die Gesellschafter, Aufforderungen an die FBB, dort zu handeln. Deshalb haben wir hier diesen Antrag eingereicht, und der ist sinnvoll, und der ist richtig, weil es uns darum geht, dass an einem solchen Standort, wo auch noch Sicherheitsfragen berührt sind, das ist sicherlich auch aus Sicht der CDU unstrittig, vernünftige Arbeitsschutzbedingungen herrschen. Und die herrschen jetzt nicht. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, das ganze System dort ist skandalös und kann nicht in der Form bleiben. Ich hätte von einer Partei, die ein „C“ wie christlich im Namen hat allerdings einmal den Ansatz gehört, das entsprechend zu unterstützen.

Die Probleme bei der FBB, finanziell, hängen übrigens, das ist übrigens auch so eine typische Gräff-Logik, mit Sicherheit nicht mit der SPD zusammen. Die SPD hat an diesem Flughafen nicht gebaut. Da haben die Unternehmen gebaut,

[Zurufe von der CDU]

die Firma Siemens, die Firma Caverion, die Firma Bosch, all diese Firmen, die Sie im Ausschuss ja gar nicht gerne hören wollen, die müssen wir immer alle schonen, weil das sozusagen die Global Player sind, die haben das nicht hinbekommen. Die haben bis zum heutigen Tag extreme Nachforderungen. Das wird alles auf dem Rücken nicht nur der Fluggäste, sondern der Beschäftigten dort ausgetragen, und das wird die Koalition nicht länger zulassen.

Es ist schlimm genug, Herr Gräff, deshalb sind Sie als CDU nicht regierungsfähig, dass Sie sich nicht auf die Seite der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer stellen, sondern hier die Position der Billigairlines Ryanair und Easyjet verteidigen. Das ist genau die Politik, die wir die ganze Zeit mit Ihnen erleben, und die wollen wir eben nicht mehr länger haben. Deshalb wollen wir vor Ort vernünftige Bedingungen haben.

[Beifall bei der SPD und der LINKEN]

Ich nehme an, Herr Gräff, Sie wollen erwidern. – Dann haben Sie auch gleich das Wort. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das ist ja echt mutig in diesen Zeiten, wo die Regierungskoalition und gerade die SPD sich mit nichts anderem beschäftigt als mit der Aufstellung ihrer Bundestagsliste und die Stadt sozusagen ganz andere Probleme hat, anderen Fraktionen vorzuwerfen, sie wären schlecht organisiert.

[Zurufe von der SPD]

Das ist mutig. Das ist schon Chuzpe.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Sie beschäftigen sich nicht mit den Problemen der Stadt, sondern mit Ihrer Bundestagsliste. Wowereit, Müller, Lüdtke Daldrup reihen sich ein. 850 Millionen Euro für den BER in den letzten Jahren noch mal obendrauf, und da wollen Sie mir erzählen, die Berliner SPD ist nicht dafür verantwortlich, was sie da angerichtet hat. Das können Sie alles später erzählen. Da bin ich sehr gespannt, ob Ihnen die Berlinerinnen und Berliner das glauben, wenn Schulen, Kitas und Straßen nicht repariert oder gebaut werden können. Das werden wir alles sehen.

Aber Sie haben recht, in der Tat, ich schätze Herrn Lüdtke Daldrup. Das habe ich an dieser Stelle auch schon oft

gesagt. Ich glaube, dass er sehr viele Fähigkeiten hat, aber ich bin anders als Sie nicht sein Sprecher.

[Beifall bei der CDU und der FDP – Lachen von Iris Spranger (SPD)]

Das ist auch der Grund, warum ich als Parlament – – Es ist ja auch im Beteiligungsausschuss, das kann man an dieser Stelle sagen, das hat nichts mehr mit kritischer Nachfrage zu tun. Deswegen würden wir ja endlich gerne mal Herrn Lüdtke Daldrup genau zu diesen Punkten im Untersuchungsausschuss Face to Face hören.

[Zuruf von Carsten Schatz (LINKE)]

Ja, er war schon da, aber wir bekommen jeden Tag Neuigkeiten, nicht mehr zu Dübeln, sondern zur finanziellen Schieflage der FBB.

[Zurufe von Carsten Schatz (LINKE) und Iris Spranger (SPD)]

Insofern, ja, absolut, gar keine Frage! Ich bin kritisch bei dem, was da in Bilanzen so geschrieben und gemauschelt wird und wo im Moment Geld von den Tochtergesellschaften hergefunden wird. Genau deswegen bin ich auch so kritisch. Es gibt überhaupt keinen Grund. Wissen Sie, wie viele Mails wir von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von Unternehmen bekommen, die sich natürlich darüber beschweren? Das ist gar keine Frage, nicht nur der WISAG. Nur weil Sie mal fünf Mails bekommen, sage ich ganz ausdrücklich, das ist überhaupt kein Grund,

[Zuruf von Iris Spranger (SPD)]

für den gleichen Lohn, wenn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei der FBB angestellt werden, zu sagen: Das machen wir nicht mehr am Markt. – Diese Logik hatten wir an der einen oder anderen Stelle bei Ihnen schon mal.

[Zuruf von Jörg Stroedter (SPD)]

Es hat nicht funktioniert, und deshalb warnen wir, übrigens auch im Sinne der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, vor einem finanziellen Desaster, das Sie da anrichten. Ich hoffe jedenfalls, dass die FBB das verhindern wird. Wir sind nicht immer einer Auffassung, wir sind auch nicht immer anderer Auffassung, weder mit Ihnen, Herr Stroedter, noch mit Herrn Lüdtke Daldrup, aber in der Tat fragen wir kritisch nach, und wir fragen vielleicht auch mal drei, vier andere und reden nicht nur mit ein, zwei Leuten, die uns möglicherweise zu Munde reden. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU – Zurufe von Lars Düsterhöft (SPD) und Steffen Zillich (LINKE)]

Für die Fraktion Die Linke hat jetzt der Kollege Ronneburg das Wort.

[Zurufe von Sven Kohlmeier (SPD) und Iris Spranger (SPD)]

Ich mache nur darauf aufmerksam, solange kein Mikro an ist, kommt das sowieso nicht ins Protokoll, was Sie da sagen. – Herr Kollege Ronneburg jetzt!

[Steffen Zillich (LINKE): Ich reiche es schriftlich nach!]

Vielen Dank für das Wort! – Sehr geehrter Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Lage bei den Bodenverkehrsdienstleistungen an den Berliner Flughäfen ist ein Dauerthema. Das hat der Kollege Stroedter ja erwähnt: miese Löhne, prekäre Arbeitsbedingungen, Leiharbeit und Teilzeit für die Beschäftigten, Verspätungen und Gepäckchaos für die Passagiere. Und als wäre das alles nicht genug, geht das alles auf Kosten der Sicherheit in diesem sensiblen Bereich. Der jüngste Akt war hier das sogenannte Schutzschirmverfahren für die WISAG-Tochter Ground Service Tegel und die angekündigte Entlassung Hunderter Beschäftigter.

Mit dem vorliegenden Antrag wollen wir diesen untragbaren Verhältnissen gegensteuern. Wir wollen mit einem FBB-eigenen Bodenverkehrsdienstleister hohe Qualität an den Flughäfen sichern und durch die Begrenzung auf zwei Lizenzen wie an allen anderen deutschen Flughäfen den Dumpingwettbewerb eingrenzen. Mit verbindlichen detaillierten Vorgaben für den Arbeitsschutz und die Qualifikation stellen wir sicher, dass der Wettbewerb nicht auf Kosten der Beschäftigten, der Qualität und der Sicherheit ausgetragen wird.