Protocol of the Session on August 20, 2020

Mit dem vorliegenden Antrag wollen wir diesen untragbaren Verhältnissen gegensteuern. Wir wollen mit einem FBB-eigenen Bodenverkehrsdienstleister hohe Qualität an den Flughäfen sichern und durch die Begrenzung auf zwei Lizenzen wie an allen anderen deutschen Flughäfen den Dumpingwettbewerb eingrenzen. Mit verbindlichen detaillierten Vorgaben für den Arbeitsschutz und die Qualifikation stellen wir sicher, dass der Wettbewerb nicht auf Kosten der Beschäftigten, der Qualität und der Sicherheit ausgetragen wird.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Denn begonnen haben all diese Probleme mit der Marktöffnung durch die EU 1996, als Konkurrenzunternehmen und Wettbewerb an den Flughäfen zugelassen wurden. Der überwiegende Teil der Gesamtkosten von Bodenverkehrsdienstleistern sind Personalkosten bis zu 75 Prozent. Einmal für den Flughafen zugelassen, konkurrieren die Anbieter um die Abfertigungsaufträge der Fluggesellschaften. Der daraus resultierende Dumpingwettbewerb kann also hauptsächlich über eben diese Personalkosten auf dem Rücken der Beschäftigten und auf Kosten der Sicherheit an den Flughäfen durch möglichst niedrige Sozial- und Ausbildungsstandards ausgetragen werden, mit den bekannten Folgen: Lohndrückerei, Leiharbeit, Teilzeitarbeit, mangelnder Gesundheitsschutz und niedrigeres Qualifikationsniveau. Da mindestens zwei Dienstleister an den Flughäfen zugelassen werden müssten, reicht eben die Gründung oder der Erwerb eines FBBeigenen Unternehmens allein nicht aus, um gegenzusteuern. Auch diese Unternehmen wären diesem Dumpingwettbewerb ausgesetzt, da die Fluggesellschaften eben diese Dienstleister wählen können.

Wir brauchen daher auch – das betonen wir an der Stelle – die verbindliche Festlegung von Standards, die für

(Christian Gräff)

alle Bodenverkehrsdienstleister gelten müssen. Mit diesem Modell lehnen wir uns an die Vorgehensweise an, die – Herr Stroedter hat es erwähnt – am Münchner Flughafen vereinbart wurde. Dort werden seit 2017 detaillierte Arbeitsschutz- und Qualifikationsvorgaben in das Pflichtenheft für die Ausschreibung aufgenommen, die alle Bewerber erfüllen müssen. Dies trägt dazu bei, Leiharbeit zurückzudrängen, Ausbildungsqualität zu sichern und die Sicherheit am Flughafen zu erhöhen. Diese Maßnahmen, die in diesem Antrag enthalten sind, werden die Probleme für die WISAG-Beschäftigten kurzfristig erst mal nicht lösen können, sie können aber dazu beitragen, dass es künftig für Beschäftigte und Passagiere an den Flughäfen besser und sicherer wird: Begrenzung des Wettbewerbs durch die Begrenzung auf zwei lizensierte Bodenverkehrsdienstleister, weniger Dumping bei Löhnen, Arbeitsschutz für die Beschäftigten auf Basis verbindlicher Standards für alle am Flughafen tätigen Bodenverkehrsdienstleister, höhere Qualität der Leistung für die Fluggesellschaften und Passagiere.

Lassen Sie uns also für bessere Arbeitsbedingungen und eine hohe Qualität bei den Bodenverkehrsdienstleistern am BER sorgen! Bodenpersonal am Flughäfen ist systemrelevant. Ohne sie geht es nicht. – Vielen Dank!

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Für die AfD-Fraktion hat dann der Kollege Hansel das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Abgeordnetenkollegen und liebe Berliner! Was 2008 mit dem Verkauf von Globe Ground, der damals flughafeneigenen Bodenverkehrsdienstleistungsgesellschaft, an die WISAG vollzogen wurde, soll nun rückgängig gemacht werden. Ja, eine flughafeneigene Abfertigungsgesellschaft kann ein gangbarer Weg sein, den Bodenverkehrsdienst ordentlich zu organisieren. München und Frankfurt zeigen das. Wir als AfD, als Partei des politischen Realismus aus der Mitte der Gesellschaft, stehen dafür – –

[Zuruf von Marianne Burkert-Eulitz (GRÜNE)]

Ja, das Mantra wird sich durchsetzen, Frau Kollegin!

[Beifall bei der AfD]

Das muss jeder mindestens hundertmal gehört haben, damit es dann auch begriffen wird, wenn wir dann in den nächsten Jahren regierungsfähig sind.

[Sabine Bangert (GRÜNE): Träumen Sie weiter! – Zuruf von der FDP: Sie fallen wie Atomraketen!]

Herr Kollege, machen Sie sich da mal keine Sorgen! Sie stehen mit Ihren Abgängen schlechter da.

[Zuruf von Georg Pazderski (AfD)]

Wir als AfD stehen dafür, dass gute Arbeit auch gut entlohnt wird und dass man von einem Vollzeitbeschäftigungsverhältnis auch leben kann. Prekäre Beschäftigungsverhältnisse helfen da nicht.

Nun hat Kollege Gräff auf die Unausgegorenheit des bisherigen Koalitionsantrags hingewiesen. Wir werden uns das im Ausschuss in aller Ruhe angucken. Ich glaube, da wäre auch eine Anhörung mit Fachleuten sinnvoll. Da kann die FBB kommen, da kann die Gewerkschaft kommen. Das kann man sich in Ruhe anschauen.

Wenn ich mir aber den Antrag der Linkskoalition genau ansehen, dann stolpere ich über einen Passus. Der steht auf Seite 2 oben im zweiten Absatz. Ich zitiere:

Für unsere Wirtschaftsregion ist ein funktionierender Flughafen eine infrastrukturelle Hauptschlagader. Die Flughafengesellschaft muss ein viel stärkeres Interesse an einem stabilen Flugverkehr entwickeln.

Bingo, liebe Genossinnen und Genossen von der SPD, der Linkspartei und den Grünen, richtig! Diese beiden Sätze sind die Leitlinien unserer Flughafenpolitik, also der AfD, seit uns eine Viertel Million Berliner in dieses Hohe Haus gewählt haben. Wir sind es, die auf das Erfordernis eines zukunftsorientierten, effizienten Flughafensystems für die Metropol- und Hauptstadtregion Berlin-Brandenburg drängen. Wir sind es, die in Sachen zukunftsfähiger Flugverkehr für Berlin längst die Rolle des Oppositionsführers übernommen haben. Wir fordern eine kundenfreundliche Anbindung des BER an das Verkehrsnetz. Bauen Sie endlich die U-Bahn bis zum BER! Sorgen Sie für eine Entgeltstruktur, die attraktiv ist für Fluggesellschaften, die Interkontverbindungen anbieten.

Wer hat denn das Zeitalter des Billigflugverkehrs in Berlin eingeläutet, renommierte Flughafengesellschaften vertrieben und damit erreicht, dass der Flughafenstandort Berlin heute von Easyjet und Ryanair abhängig ist und die FBB damit finanziell als ewiger Kostgänger des Steuerzahlers dauerhaft in der Verlustzone bleiben wird? Wer war denn das? – Das waren Wowereit und Ihre SPD. Sie sorgen doch dafür, dass der Flughafenstandort Berlin international bedeutungslos geworden ist und bei vielen nur noch als Lachnummer taugt. Sie tragen die Verantwortung für einen zu teuren, massiv verspäteten und vor allem falsch, weil zu klein geplanten BER.

Ich muss diese beiden Sätze noch einmal lesen:

Für unsere Wirtschaftsregion ist ein funktionierender Flughafen eine infrastrukturelle Hauptschlagader. Die Flughafengesellschaft muss ein viel stärkeres Interesse an einem stabilen Flugverkehr entwickeln.

(Kristian Ronneburg)

Wie soll das gehen, wenn Teile Ihrer Koalition aus unsinniger Flugscham den Flugverkehr für Normalbürger am liebsten abschaffen oder so verteuern möchten, dass den Berlinern, die nicht Millionäre sind, die Lust aufs Reisen ganz vergeht? Welche internationale Fluggesellschaft soll denn bei so einer Politik wieder nach Berlin kommen? Und jetzt spielen Sie sich als Vertreter der Beschäftigten auf, deren Existenzgrundlage Sie auf der anderen Seite – übrigens auch mit der Schließung Tegels – gerade zugrunde richten. Sie haben es doch nur der Coronapandemie zu verdanken, dass der immense Schaden, den Sie mit Ihrer Flughafenpolitik in Berlin anrichten, in diesem Herbst noch nicht sichtbar wird. Es stellt sich immer wieder die Kapazitätsfrage. Die Passage ist dermaßen abgestürzt – das wissen wir alle, dass die der BER schaffen wird. Aber eines Tages wird wieder geflogen, und es wird wieder mehr geflogen. Es wird eine neue Normalität nicht geben, das wird alles zurückkommen, und es wird bald wieder den Wunsch der Menschen geben, wieder hinaus in die Welt zu fliegen. Das kann ich Ihnen heute versprechen.

Bildlich gesprochen: Mit Ihrem Antrag wollen Sie eine Schramme an einem Auto lackieren, obwohl der Wagen längst einen Totalschaden hat. Den Vertrauensverlust, den gerade Sie als Sozialdemokraten bei Ihrer Wählerklientel zu Recht erlitten haben, wird Ihr Antrag nicht wettmachen, auch nicht das Tarnen Ihres Politikversagens durch eine Art Berliner Doris Day, deren Lack durch ihre erschlichene Doktorarbeit bereits ab ist, bevor sie überhaupt anfängt.

[Beifall bei der AfD]

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat Herr Moritz das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir wollen, dass die Abfertigung der Flugzeuge am BER in guter Qualität und sicher erfolgt. Der Antrag zielt weiterhin darauf ab, dass die Beschäftigten der Bodenabfertigungsdienste gute Arbeitsbedingungen vorfinden, qualifiziert sind und angemessen tariflich bezahlt werden. Der Antrag ist natürlich unabhängig von Corona wichtig, und, Herr Gräff, die Finanzen des Flughafens können wir im Beteiligungsausschuss beim nächsten Mal intensiv beraten und jetzt nicht hier in diesem Zusammenhang.

Die gute Qualität der Abfertigung ist an den Berliner Flughäfen leider nicht immer gesichert. Es ist schon aus der Begründung zitiert worden. Da können Sie die Historie und die aktuelle Situation nachlesen. Das eigene Tochterunternehmen wurde 2008 verkauft, weil möglichst alles privatisiert werden sollte. Seitdem erbringen nur noch Drittdienstleister die Abfertigung, wobei sich in

Schönefeld sogar drei statt der vorgeschriebenen zwei Dienstleister Konkurrenz machen. Das fördert natürlich den Unterbietungswettbewerb, denn die Airlines, die mit den Bodenverkehrsdienstleistern Verträge abschließen, haben zwar ein Interesse an schneller und qualitätsgerechte Abfertigung, aber womöglich ist ihr Interesse an einer billigen Leistung doch größer, zumal in Berlin die Billigflieger die meisten Flüge ausmachen. Die konkurrierenden Dienstleister unterbieten sich gegenseitig. Es ist schon gesagt worden: Einerseits erfolgt das über technisches Gerät, aber noch viel mehr wird am Personal gespart. Es ist auch darauf hingewiesen worden, dass es eine Tarifbindung gibt. Das ist richtig, aber z. B. hat sich die WISAG etwas Schönes einfallen lassen: Sie hat für jedes Tätigkeitsfeld ein eigenes Unternehmen gegründet, und die Beschäftigten müssen nur eine Tätigkeit ausführen können und haben für die anderen Tätigkeiten die Qualifikation nicht. Dann werden sie natürlich nur mit der untersten Gehaltsstufe bezahlt. So kann man auch sparen.

Herr Kollege! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Gräff?

Bitte schön!

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Vielen Dank, lieber Kollege Moritz! Ich bitte darum, dass Sie uns erklären, wie die Löhne, wenn es nicht nur einen Tarifvertrag, sondern auch einen Manteltarifvertrag gibt, angehoben werden sollen.

Meine zweite Frage: Ist Ihnen bewusst, dass die Ausschreibung mit den zwei jetzt dann nur zu nehmenden Bietern schon auf dem Weg ist? Dann wäre der Antrag ja überflüssig.

Eine gute Bezahlung kriege ich natürlich dadurch hin, dass die – – Wollen Sie jetzt eine Antwort hören oder nicht? – Anscheinend nicht! – Dann setze ich meinen Text fort.

[Zurufe]

Unter diesen Bedingungen leiden natürlich nicht nur die schlecht bezahlt Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, sondern auch die Abfertigung, und bei der Praxis der WISAG kommt es im Krankheitsfall immer noch zu

(Frank-Christian Hansel)

weiteren Katastrophen. Wir wollen keinen Unterbietungswettbewerb, sondern hohe Qualitätsstandards in der Ausschreibung festlegen, gut ausgebildetes und motiviertes Personal, das tarifgebunden bezahlt wird. Künftig sollen auch nur noch zwei Lizenzen vergeben werden, und möglichst soll die FBB in ein Dienstleistungsunternehmen einsteigen oder ein eigenes gründen. Dann kann sie nämlich auch noch ökologische Standards im Bodenverkehrsdienst vorgeben. – Danke!

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Vielen Dank! – Für die FDP-Fraktion hat der Kollege Wieberneit das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Berlinerinnen und Berliner! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der vorgelegte Antrag ist erstaunlicherweise an sich zum Teil richtig. Dass bei der Vergabe von Verkehrsdienstleistungen an Flughäfen Arbeitsschutz- und Qualifikationsvorgaben gelten müssen, ist fast selbstverständlich. Auch, dass eine gute Bezahlung für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in allen Bereichen – so auch im Groundhandling – gesichert werden muss, ist ebenfalls ein richtiger Ansatz und natürlich unstrittig. Unstrittig ist aber auch, dass das bisherige Flughafenmanagement der FBB damit überfordert ist, die zuvor genannten Forderungen selbst sicherzustellen.

[Beifall bei der FDP]

Wenn man bedenkt, dass es künftig ein landeseigner Betrieb ist, müssen wir uns eventuell darauf einstellen, dass am Flughafen – in einem sicherheitsrelevanten Bereich – so gearbeitet wird wie derzeit in der Berliner Verwaltung. Ich glaube, damit ist keiner der Berlinerinnen und Berliner glücklich, und sie würden einer FBB, gäbe es die Möglichkeit, sie als Flughafengesellschaft zu wählen, auch nicht ihre Stimme geben.

[Beifall bei der FDP]

Die in der Begründung des Antrags beschriebene Situation an den Flughäfen wurde durch den derzeitigen Flughafenbetreiber herbeigeführt, der von Staatsekretären in Senatsverwaltung und Staatskanzlei gelenkt wird und der jetzt ganz zu Recht in der Kritik steht. Hier stelle ich die bisher gängige Vergabe und das Management der Gesellschaft infrage. Die genannten Dienstleister werden vor allem durch Kostendruck und bürokratische Hürden gegängelt und können nur reagieren und verwalten, aber nicht agieren oder unternehmerisch tätig sein. Zu glauben, diese hochverschuldete, in der Hand BerlinBrandenburgs befindliche Flughafengesellschaft würde in naher Zeit in der Lage sein, eine gewünschte Entlohnung leisten zu können und ihr Missmanagement von einem

Tag auf den nächsten abzustellen, wird wohl lediglich ein Wunschtraum bleiben, der sich länger hinzieht als die Flughafeneröffnung.