Protocol of the Session on August 20, 2020

[Zuruf von Holger Krestel (FDP) – Zuruf von der AfD]

Meine Frage ist: Herr Kollege Luthe, stimmen Sie mir denn zu, dass nach § 102 StPO bei Beschuldigten jederzeit eine Durchsuchung möglich ist, wenn ein Anfangs

verdacht vorliegt, dass er etwa eine aufenthaltsrechtliche Straftat begeht und dass es deswegen nicht erforderlich ist – ich weiß jetzt gar nicht, ob Sie sich auf die Durchsuchung, beziehungsweise das Betreten oder den KBO beziehen –, allgemein auf die Möglichkeit von aufenthaltsrechtlichen Verstößen hinzuweisen, sodass in der Folge – oder würden Sie mir wenigstens diese Aussage abnehmen – die Polizei immer die Möglichkeiten hat –,

[Dr. Robbin Juhnke (CDU): Frage! – Zuruf von den GRÜNEN: Stimmen Sie mir zu? – Das war die Frage! Sie müssen auch einmal zuhören!]

bei Profilen wie der Person des Attentäters vom Breitscheidplatz Wohnungen zu durchsuchen? Denn das wird sie auf jeden Fall haben, und das werden wir Ihnen im Ausschuss auch noch einmal erklären. Ich finde es nur schwierig, –

Konkretisieren Sie die Frage, Herr Lux!

aus Missverständnissen – ja – hier über das Gesetz insinuieren, dass man bei potentiellen Terroristen nicht mehr durchsuchen könnte. Haben Sie damit nicht vielleicht sogar – –

[Zuruf von der FDP: Frage! – Zurufe]

Machen Sie das absichtlich, Herr Kollege, dass Sie hier die Angst davor schüren, oder haben Sie das Gesetz nicht richtig verstanden?

Sie können auf eine Frage antworten.

Nein! – Ich fahre also fort.

[Beifall bei der AfD]

Die von Ihnen vorgeschlagene Änderung des Allgemeinen Gesetzes zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung bringt weniger Sicherheit und noch deutlich weniger Ordnung, als wir bisher haben. Deshalb kann ich sie nur ablehnen.

Das Ganze führt aber vor allem eben noch einmal zu einem, Kollege Lux: Sie können – – Und wir nehmen gerne noch einmal den Fall Anis Amri, den wir auch gerne im Gedenken an die Opfer des Breitscheidplatzes und die Hinterbliebenen fünf bis zehn Mal wiederholen können. Den islamistischen Attentäter Anis Amri und andere hätten Sie nur dann nach § 102 StPO irgendwo finden können, wenn Sie ihn konkret suchen. Das grobe Betreten einer Wohnung, die präventive Maßnahme, die

gefahrenabwehrrechtliche nach dem ASOG, die wollen Sie streichen. Das ist der Unterschied, und deshalb lehne ich diesen Vorschlag ab. – Vielen Dank!

[Beifall bei der AfD]

Der Innensenator hat um die Erteilung des Worts gebeten. – Herr Senator Geisel, bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das hier vorgelegte modernisierte ASOG ist ein richtiges und wichtiges Gesetz für die Sicherheit in unserer Stadt, ein Gesetz, das polizeiliche Befugnisse dort erweitert, wo es nötig ist, das aber auch Befugnisse einschränkt oder abschafft, wenn sie nicht mehr zeitgemäß sind. Es ist ein Gesetz, das dem alarmistisch-konservativen Reflex der reinen Verschärfung von Gesetzen etwas Konstruktives entgegensetzt, ein Gesetz, das die Transparenz polizeilichen Handelns erhöht, aber ohne Abstriche bei der Effektivität der Gefahrenabwehr, ein Gesetz für eine moderne Hauptstadtpolizei, die dann auch ganz offiziell „Polizei Berlin“ heißen wird.

Es ist kein Geheimnis, dass um diesen Gesetzentwurf koalitionsintern lange gerungen wurde. Zu den Zeiten der Beratung ist schon viel gesagt worden. Ja, es ist so. Aber warum ist das so? – Auf keinem anderen Rechtsgebiet kommt es so sehr auf die richtige Balance an wie zwischen Freiheit und Sicherheit, wie zwischen Grundrechtsschutz und Grundrechtseinschränkung. Dafür ist das Polizeirecht einfach exemplarisch. Ich kann sagen, nach einer mehrjährigen Diskussion, die mich – ich bin da offen – zwischendurch schon an den Rand der Verzweiflung gebracht hat, die Koalitionspartner aber auch, beweist die Koalition ihre Handlungsfähigkeit. Das Ergebnis kann sich sehen lassen.

[Zuruf von Tim-Christopher Zeelen (CDU)]

Das möchte ich an einigen Punkten demonstrieren: Erstmals wollen wir der Polizei die Telekommunikationsüberwachung zur Gefahrenabwehr ermöglichen und dies bei terroristischen Gefährdern auch schon im Gefahrenvorfeld, wie es Juristen nennen. Erstmals wird auch die Lokalisierung von Gefährdern mittels Standortabfrage gestattet.

Wir sehen die dreijährige Erprobung von Bodycams für die Einsatzkräfte vor, und zwar nicht nur bei der Polizei, sondern auch bei den Rettungskräften und der Feuerwehr. Ich bin zuversichtlich, dass Gewalt gegen Einsatzkräfte dadurch reduziert werden kann und dort, wo sie geschehen ist, besser aufgeklärt wird. Das sind wir unseren Polizistinnen und Polizisten, aber auch unseren Feuerwehrbeschäftigten und den Rettungsdienstangehörigen

schuldig. Mit den Bodycams erhöhen wir auch die Transparenz polizeilichen Handelns. Wir ermöglichen auf diese Weise auch, unberechtigten Vorwürfen polizeilichen Fehlverhaltens effektiver entgegentreten zu können. Beide Sichtweisen sind richtig.

Ich will das anhand der Black-Lives-Matter-Demonstration am 6. Juni auf dem Alexanderplatz illustrieren. Dort hatten sich 15 000 Menschen versammelt und friedlich demonstriert, und nach Abschluss dieser friedlichen Demonstration kam es beim Abstrom zu Gewalttätigkeiten. Infolge dieser Gewalttätigkeiten gibt es 90 Strafverfahren gegen Demonstrantinnen und Demonstranten wegen Angriffs auf Vollzugsbeamte, es gibt aber auch fünf Verfahren gegen Polizisten wegen womöglich zu starker Gewaltausübung und Überschreitung der Kompetenzen. Alles wird sorgfältig geklärt.

Jetzt ist hier darüber diskutiert worden: Wie gehen wir damit um, wenn solche Bestandteile des Gesetzes zeitlich befristet sind? – Ich will es einmal positiv sagen, gestärkt werden dadurch Ihre Rechte als Abgeordnete mit den neuen Befugnissen zur Telekommunikationsüberwachung und zur Standortbestimmung und auch erstmals bei den kbOs, bei denen Ihnen künftig jährlich ein Bericht über die durchgeführten polizeilichen Maßnahmen vorgelegt wird. Dort, wo neue und besonders grundrechtsrelevante Eingriffsbefugnisse eingeführt werden, also bei der TKÜ, bei der Standortbestimmung von Gefährdern und bei der Bodycam, sieht der Gesetzentwurf eine Befristung und eine Entscheidung nach einer unabhängigen Evaluierung vor. Die Regelungen treten also nach drei oder vier Jahren automatisch außer Kraft, wenn sie nicht gesetzgeberisch verlängert oder entfristet werden. Dieses Verfahren gibt Ihnen die Gelegenheit, die wesentlichen Neuerungen im ASOG einem Realitätscheck zu unterziehen. Es gibt aber auch die Verpflichtung, sich genau diese Realität anzuschauen.

[Burkard Dregger (CDU): Das geht auch ohne Befristung!]

Aufkommende Fragen sollen auf der Grundlage von Sachverständigenberichten von Ihnen in der nächsten Legislaturperiode entschieden werden. Wofür wir als Koalition stehen, wird damit deutlich: Das sind zeitgemäße Befugnisse für eine moderne rechtsstaatliche Polizei.

Am Ende noch ein Wort zum finalen Rettungsschuss, davor will ich mich nicht drücken. Wie Sie wissen, hatte ich mich ausdrücklich für die Zulassung im Gesetz starkgemacht. Der nun gefundene Kompromiss befriedigt mich nicht vollständig, die Polizisten, glaube ich, auch nicht, aber wir setzen damit ein Zeichen, dass wir in diesem äußerst seltenen, menschlich und professionell aber höchst schwierigen Moment hinter unseren Einsatzkräften stehen. Deshalb schreiben wir für diese Fälle klar und deutlich ins Gesetz, dass das Land Berlin als Teil der staatlichen Fürsorgepflicht angemessenen Rechtsschutz

(Marcel Luthe)

zu gewährleisten hat. Wir treten ein für unsere Polizistinnen und Polizisten. Das ist mir sehr wichtig.

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Wir haben als rot-rot-grüne Koalition mit dem ASOG einen soliden Gesetzentwurf vorgelegt, der es schafft, Sicherheit und Grundrechtsschutz zu vereinen. Ich habe für mich abgewogen: Haben wir mit diesem neuen ASOG mehr Sicherheit in Berlin als derzeit? Gewährleistet dieses Gesetz mehr Sicherheit, oder beschneidet es die Sicherheit? – Der Befund ist eindeutig: Es schafft mehr Sicherheit für die Bürgerinnen und Bürger und die Gäste in der Stadt. Das neue ASOG ist gut für unsere Stadt. Davon bin ich überzeugt und bitte Sie um Zustimmung. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Wird nach dem Redebeitrag des Senats eine zweite Rederunde gewünscht?

[Paul Fresdorf (FDP): War ja nichts Neues dabei!]

Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Aussprache. Vorgeschlagen wird die Überweisung des Gesetzesantrages und des Änderungsantrages an den Ausschuss für Inneres, Sicherheit und Ordnung. – Widerspruch dazu höre ich nicht. Dann verfahren wir so.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 3.3:

Priorität der AfD-Fraktion

Tagesordnungspunkt 74

Berliner Geschichte achten, Erinnerung an Minderheiten wahren: Der U-Bahnhof Mohrenstraße muss seinen Namen behalten

Antrag der AfD-Fraktion Drucksache 18/2884

In der Beratung beginnt die AfD-Fraktion. Das Wort hat Herr Abgeordneter Trefzer. – Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Anfang Juli dieses Jahres schockierte die BVG die Berliner mit der Mitteilung, der U-Bahnhof Mohrenstraße solle umbenannt werden. Was dann ablief, kann man mit Fug und Recht als Schmierentheater beschreiben. Die grüne Wirtschaftssenatorin und Aufsichtsratsvorsitzende, die die BVG eben noch angestiftet hatte, die Umbenennung als hausinterne Entscheidung zu verkaufen, bekam kalte Füße und distanzierte sich von der Umbenennung. Schlimm genug, dass Frau Senatorin Pop – ich sehe sie gerade nicht – auf diese Art und Weise Schindluder mit

der BVG getrieben hat, aber dass sie dann noch die Chuzpe hatte, den Schwarzen Peter der BVG zuzuschieben, als der Plan schiefging, schlägt dem Fass den Boden aus.

[Beifall bei der AfD]

So kann man nicht mit dem Tafelsilber dieser Stadt umgehen. So kann man weder mit der altehrwürdigen Mohrenstraße und ihren Anwohnern, noch mit der BVG umgehen.

Die bedauernswerte BVG, so muss man fast sagen, blieb dann tatsächlich auf dem Schaden sitzen, musste sich sogar den Vorwurf des Antisemitismus gefallen lassen, ohne dass sich die BVG der Tragweite ihrer Entscheidung je bewusst gewesen wäre oder auch nur über den historischen Sachverstand verfügt hätte, diese Fragen angemessen zu beurteilen. Der Fall zeigt, diese Form der Auslagerung politischer Entscheidungen an Dritte, funktioniert nicht nur nicht, sie ist auch eine reale Gefahr für unsere demokratischen Entscheidungsprozesse.

[Frank-Christian Hansel (AfD): Richtig!]

Natürlich, das sollte allen Beteiligten klar geworden sein, ist die in Rede stehende Frage einer Umbenennung der Mohrenstraße eine eminent politische Frage, die nicht einfach BVG-intern mit der Aufsichtsratsvorsitzenden ausbaldowert werden kann.

[Beifall bei der AfD]