Protocol of the Session on March 5, 2020

Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, lassen Sie uns zur Tagesordnung zurückkehren! Auch von mir noch einmal herzlichen Glückwunsch, Frau Prof. Dr. Lembke, zu Ihrer Wahl!

Wir kehren zurück zur Reihenfolge der Tagesordnungspunkte, und ich rufe jetzt auf

lfd. Nr. 3:

„Bucht für Alle“

Dringliche Empfehlung des Hauptausschusses vom 26. Februar 2020 Drucksache 18/2526

zur Volksinitiative gemäß Artikel 61 Abs. 1 der Verfassung von Berlin Drucksache 18/2298

hierzu:

Entschließungsantrag der Fraktion der SPD, der Fraktion Die Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Annahme einer Entschließung Drucksache 18/2298-1

Der Dringlichkeit haben Sie bereits eingangs zugestimmt. Der Entschließungsantrag der Koalitionsfraktionen liegt Ihnen als Tischvorlage vor.

Die Anhörung der Vertrauenspersonen der Volksinitiative ist gemäß Artikel 61 Abs. 1 Satz 3 der Verfassung von Berlin in einer gemeinsamen Sitzung des Ausschusses für Stadtentwicklung und Wohnen und des Hauptausschusses erfolgt.

Wir kommen nun zu der nach § 9 Abs. 2 Satz 2 Abstimmungsgesetz vorgesehenen Aussprache im Plenum. Für die Besprechung in der Reihenfolge der Fraktionsstärke steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die Fraktion der SPD. Es hat das Wort Frau Abgeordnete Spranger. – Bitte schön!

Verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Unterstützerinnen und Unterstützer der Bürgerinitiative! Bei, sage ich mal, normalen Anträgen debattieren wir hier zwischen den Fraktionen, zwischen Opposition und Koalition – bei einer Volksinitiative ist die Ausgangslage eine andere. Hier geht es um den Austausch zwischen Zivilgesellschaft und Parlamentarierinnen und Parlamentariern. Hier treffen direkte Demokratie und repräsentative Demokratie aufeinander, und nicht ohne Grund ist das hier in der Tagesordnung – Frau Präsidentin hat es schon gesagt – vor den entsprechenden Prioritäten der einzelnen Fraktionen angesiedelt.

Wenn wir also heute über die Rummelsburger Bucht und die Forderung der Bürgerinitiative „Bucht für Alle“ sprechen, so geschieht dies natürlich mit großem Respekt für das enorme Engagement der Bürgerinitiative und aller Beteiligten.

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Die Initiative hat sowohl auf Bezirksebene als auch auf Landesebene ihre Positionen mit Sachkompetenz vertreten, und viele ihrer Vorschläge wurden aufgegriffen und verhandelt.

Ich möchte eines noch mal sehr konkret sagen: Was entsteht? – Es entstehen zum Beispiel 170 barrierefreie Wohnungen der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft

(Präsident Ralf Wieland)

HOWOGE, gleichfalls natürlich auch mietpreisgebundene Wohnungen von privaten Vermietern. Das heißt, wir haben ein durchmischtes Wohngebiet. Es entstehen viele Kita- und Schulplätze, Grünflächen sowie ein durchgehender Uferweg.

Damit stellt sich trotzdem die Frage: Was spricht dagegen, die Planung noch einmal neu zu überdenken? Warum geht das in diesem Falle nicht? – Mit diesen Fragen haben wir uns sehr intensiv in einer gemeinsamen Sitzung des Stadtentwicklungsausschusses und des Hauptausschusses und gestern auch noch mal im Stadtentwicklungsausschuss beschäftigt, und Senatorin Lompscher hat zu den Forderungen, die aufgestellt worden sind, sehr klare und zutreffende Antworten gegeben. Ich darf sie zitieren:

Wenn wir Ende 2016 den Entwicklungsstand des Entwicklungsgebietes Rummelsburger Bucht gehabt hätten, wie beispielsweise beim Dragonerareal, dann wäre hier eine andere Entwicklung möglich und auch zwingend gewesen. Wir haben aber eine andere Situation vorgefunden, wo 1994 der Senat als Entwicklungsgebiet beschlossen hat...

Und ich darf noch weiter sagen – jetzt von mir –: 2016 war natürlich längst nicht mehr die Mehrheit der Flächen in Landesbesitz.

Auch zu den Forderungen der Initiative, die Genehmigung von Bauanträgen zu stoppen, hat Frau Senatorin Lompscher richtigerweise erklärt – ich zitiere wieder- um –:

Das ist eine Forderung, die man schlicht rechtlich nicht umsetzen kann.

Meine sehr verehrten Damen! Meine sehr verehrten Herren! Der Beschluss des B-Plans ist rechtlich bindend, alles andere würde uns zu hohen Schadensansprüchen verpflichten. Senatorin Lompscher hat ganz eindeutig recht, und wir müssen ehrlich zur Initiative sein.

Zwei Drittel des Geländes waren in den Neunzigerjahren noch in privater Hand; dass es heute öffentlich zugänglich ist, verdanken wir der Entwicklungsmaßnahme. Ohne diese wären viele Flächen heute vielleicht Standorte von Einkaufs- und Baumärkten. Zur Wahrheit gehört auch Folgendes: Wenn die Stadt eine Entwicklungsmaßnahme vornimmt, kann sie die Flächen nicht einfach behalten. Das ist gesetzlich im Baugesetzbuch vorgeschrieben, daran kann auch keine Unterschriftensammlung und leider natürlich auch kein zivilgesellschaftliches Engagement etwas ändern.

Genauso bindet uns aber auch das Baugesetzbuch bei städtebaulichen Entwicklungsmaßnahmen. Man kann solch ein gravierendes Verfahren nicht einfach auf halber Strecke abbrechen. Es gibt klare Entscheidungen der BVV und des Bezirksamtes Lichtenberg – dort soll es natürlich auch bleiben. Wir sind überzeugt: Das, was dort

entsteht, wird gut auch in die Region eingepasst sein, und es wird für die Bürgerinnen und Bürger, denke ich, annehmbar sein. Unsere Verantwortung als rot-rot-grüne Regierungsparteien besteht darin, transparent zu machen, warum die Forderungen der Initiative für diesen Ort in Berlin nicht erfüllbar sind. Falsche Versprechungen zu machen, die rechtlich nicht gehen, wäre keine Anerkennung direkter Demokratie, sondern ihre Verhöhnung. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Für die Fraktion der CDU hat das Wort Herr Abgeordneter Goiny. – Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! – Lieber Herr Kollege Schneider! Ich freue mich, dass Sie auch zum Kreise der Zuhörer gehören, die sich heute hier mit dem Thema beschäftigen und will gleich formal an die Verantwortlichen der Koalitionsfraktionen adressieren: Es ist natürlich kein besonders guter Stil, wenn wir uns mit großem Aufwand in Hauptausschuss und Stadtentwicklungsausschuss mit der Volksinitiative und ihren Anliegen befassen, um dann vonseiten der Koalition eine Stellungnahme als Tischvorlage zu unterbreiten, die im Inhalt gar nicht in den Fachausschüssen diskutiert werden konnte, und zwar nicht mal unter den Fraktionen. Ich glaube, das spricht auch für den Umgang mit diesem Thema an dieser Stelle, den wir ausdrücklich bedauern.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Schneider?

Herr Schneider, Sie haben das Wort. – Bitte!

[Stefan Förster (FDP): Jetzt wird es spannend!]

Weil Sie, wertgeschätzter Herr Kollege Goiny, mich so überrascht sehen: Wir hatten angekündigt, dass es eine Stellungnahme gibt, und ich habe die auch verschicken lassen, und zwar sehr frühzeitig, vor drei Tagen, an alle Fraktionen. Und gestern ist das im Stadtentwicklungsausschuss thematisiert und besprochen worden. Von Ihnen

(Iris Spranger)

kenne ich gar keine Stellungnahme. Wie sollen wir denn das jetzt einordnen?

Herr Kollege Schneider, es ist jedenfalls nicht Gegenstand der Diskussion im Ausschuss gewesen.

[Iris Spranger (SPD): Doch! – Zuruf von Daniela Billig (GRÜNE)]

Das lag so nicht vor, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, und ich will Ihnen grundsätzlich etwas dazu sagen: Man kann so eine Formulierung, wie Sie sie hier vorgeschlagen haben, machen. Wir haben davon Abstand genommen – ich will Ihnen auch gleich sagen, warum: Weil wir glauben, dass das, was Sie hier aufgeschrieben haben, nicht besonders zielführend ist, weil es relativ wenige Perspektiven für den weiteren Umgang mit vergleichbaren Fällen gibt.

[Torsten Schneider (SPD): Dann sagen Sie lieber gar nichts! – Stefanie Remlinger (GRÜNE): Sie hätten ja etwas anderes schreiben können!]

Wir haben an dieser Stelle nämlich deutlich machen müssen, dass in der Tat das Engagement der Initiative ehrenwert ist, auf der anderen Seite aber natürlich auch ein Stück zu spät gekommen ist. Darauf hat Frau Kollegin Spranger schon hingewiesen. Die Frage ist – und das wäre aus unserer Sicht ein Auftrag, den wir mal grundsätzlich im Bereich der Stadtentwicklungspolitik diskutieren müssten –: Haben wir noch mehr solche alten B-Pläne, die möglicherweise heute in die falsche Richtung laufen? – Ich denke nur an das, was rund um die East-Side-Gallery entstanden ist und an die Rummelsburger Bucht, wo wir im Grunde genommen die heutigen Erkenntnisse im Bereich Stadtplanung und Stadtentwicklung gar nicht richtig abbilden und wo wir Jahre alte BPläne diskutieren, die im Grunde genommen nicht mehr zeitgemäß sind.

Wir bekennen uns, was diesen B-Plan anbetrifft, ausdrücklich zu dem, was das Thema Wohnungsbau umfasst, weil wir auch glauben, dass das ein wichtiger Beitrag zur Entwicklung Berlins ist, und insofern stehen wir dazu. Was uns allerdings ein bisschen mehr umtreibt, ist die Frage, wie man mit dem, was dort verdrängt wird, umgeht, nämlich mit kleinem Gewerbe, mit Kunst, Kultur und Kunsthandwerk. Und dazu, muss man einfach sagen, bietet Ihr Antrag nicht mal eine Stellungnahme. Wir hätten von Ihnen als Vertreterinnen und Vertreter des Senats, die hier auch den Bereich Stadtplanung zu verantworten haben, schon erwartet, dass Sie sich zumindest mit diesen Punkten, die hier verdrängt werden, auch inhaltlich anders auseinandersetzen. Das fehlt aus unserer Sicht leider völlig.

[Torsten Schneider (SPD): Kommt jetzt ein Änderungsantrag, oder wie?]

Ein Bekenntnis zur Neuordnung der Liegenschaftspolitik, das Sie hier reinschreiben, ist immerhin gut, aber es fehlt an der Stelle die Anwendung dessen, was Sie hier machen. Und dass Sie die Ersatzstandorte, die Sie hier vorschlagen, im Grunde genommen nur auf die privaten Grundstückseigentümer adressieren, halten wir auch für zu kurz gegriffen.

Sie haben allerdings auch durchaus ein paar Aspekte in diesem Papier, die wir unterstützen, weswegen wir uns am Ende des Tages bezüglich dieses Antrags enthalten. Aber wir glauben, dass dieser Fall insbesondere für den Bereich der Stadtentwicklung ein gutes Beispiel dafür ist, wie wir den Themenbereich Umgang mit Liegenschaftspolitik – was ja auch einen haushälterischen Hintergrund hat – und die Frage der Anwendung mit dem Thema Stadtraum und Stadtentwicklung noch einmal neu diskutieren und insbesondere gucken müssen, welche Konsequenzen wir daraus auch für andere laufende Bebauungsplanverfahren ziehen. Es ist auch auffällig gewesen, dass es Ihnen sehr wichtig war, die Zuständigkeit beim Bezirk zu halten, wo Sie an anderer Stelle bei dem Ansichziehen von Bebauungsplanverfahren und dem Eingriff in bezirkliche Rechte einen durchaus anderen Umgang pflegen.

Deswegen bleibt das, was Sie hier vorgelegt haben, deutlich hinter den Anforderungen an moderne Stadtentwicklungspolitik zurück. Sie haben sich hier herausgemogelt aus einer Diskussion, die Ihnen unangenehm war, wo Sie auch aufseiten Ihrer Zuständigkeit und Verantwortlichkeit im Bereich der Stadtentwicklung aus unserer Sicht zu wenig gemacht haben. Deswegen ist das etwas, was insgesamt nur enttäuschen kann. Wir hoffen allerdings, dass bei der Umsetzung insbesondere des Wohnungsbaupotenzials an dieser Stelle möglichst zügig die entsprechenden Schritte eingeleitet werden, damit wenigstens dieser Teil des Bebauungsplanes hier noch zu etwas Gutem wird. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU]

Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Gennburg? – Dann hat jetzt das Wort für die Linksfraktion Frau Abgeordnete Gennburg. – Bitte!

[Stefan Förster (FDP): Da sie heute Geburtstag hat, darf sie fünf Minuten länger reden! Das halten wir aus!]

Ich nehme den Vorschlag von Herrn Förster gerne auf, dass ich länger reden darf, weil ich Geburtstag habe. – Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Damen und Herren! Wir reden heute über die Volksinitiative zur Rummelsburger Bucht und damit auch über den Stand des stadtpolitischen Paradigmenwechsels, den sich diese Koalition vorgenommen hat und damit auch darüber, wie