Vor diesem Hintergrund werden wir sicherlich das Thema im Ausschuss gründlich beraten, vielleicht auch eine Anhörung durchführen. Der vorgelegte Antrag kann dazu eine Gedankenstütze sein. Die Maßnahmen, die dort benannt sind, sind aus meiner Sicht nicht unbedingt logisch, aber wir werden sicherlich das Thema aufgreifen, weil es eben wichtig ist. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Fassungslos haben wir in der Silvesternacht einmal mehr erlebt, wie unsere Sicherheitskräfte, Polizei und Feuerwehr, angegriffen worden sind, und deshalb möchte ich zu Beginn meiner Rede noch einmal klar und völlig unmissverständlich sagen: Wer Rettungskräfte, Polizisten, aber auch Soldaten angreift, also diejenigen, die uns schützen, der muss die gesamte Härte des Rechtsstaates zu spüren bekommen.
In dieser Legislaturperiode hat der Bundestag bereits höhere Strafen für Angriffe auf Polizisten, ermittelnde Staatsanwälte, Feldjäger und andere Sicherheitskräfte beschlossen, und für solche Angriffe drohen seitdem fünf Jahre Haft. Ebenso geschützt sind auch hauptamtliche und nebenamtliche Kräfte der Feuerwehr und des Katastrophenschutzes, und ich finde, dass die Politik hier einen ganz wichtigen und richtigen Schritt im Deutschen Bundestag gegangen ist.
Dass Angriffe gegen Ärzte keine Fiktion sind, haben wir im November des letzten Jahres erlebt. Die Ermordung von Fritz von Weizsäcker hat uns tief geschockt. Die Stadt Berlin hat einen großartigen Arzt und einen tollen Menschen verloren. Diese Gewalt spüren auch immer mehr die Krankenhäuser und Arztpraxen in unserem Land. Allein Vivantes bringt im Jahr bis zu 2 Millionen Euro auf, um ihr Personal und die Liegenschaften zu schützen, und auch darauf hat die Bundesregierung im vergangenen Jahr bereits reagiert. Das medizinische Personal wird künftig unter dem gleichen strafrechtlichen Schutz stehen, wie er inzwischen für Rettungskräfte gilt. Auch das ist ein ganz starkes Zeichen der Politik und der Bundesregierung von CDU und SPD.
Wir erleben während der Coronakrise aktuell, wie verletzlich unsere vernetzte Welt ist. Ärzte und Pflegekräfte sind in diesen Tagen in dauerhaftem Einsatz für unseren Schutz, und deshalb gilt natürlich, dass jeder Angriff einer zu viel ist, und insofern ist es richtig, dass dieses Thema ernsthaft und mit der nötigen Seriosität besprochen wird.
Herr Kollege, ich darf Sie fragen, ob sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Mohr von der AfD-Fraktion zulassen?
Vielen Dank, Herr Kollege! – Wer soll sich denn Ihrer Meinung nach an den 2 Millionen Euro Sicherheitskosten – Sie haben die Zahl gerade genannt – beteiligen, nur die Krankenhäuser selbst, oder sehen Sie da tatsächlich auch Teile des Staates in der Verantwortung?
Natürlich sehe ich den Staat in der Verantwortung. Wir hatten gerade Haushaltsberatungen, und wir haben auch sehr viel Kontakt mit den Krankenhäusern gehabt. Es gab viele Wünsche, die die Krankenhäuser geäußert haben, auch zu baulichen Fragen. Darauf komme ich nachher in meiner Rede noch. Das Thema des expliziten Schutzes und des weiteren Schutzes über Maßnahmen hinaus ist allerdings nicht vorgetragen worden. Insofern will ich das Thema nicht kleinreden, aber es ist auch nicht so, dass die Krankenhäuser es jetzt zum großen Thema gemacht haben. Trotzdem finde ich es richtig, darüber zu reden, was wir gemeinsam tun können, damit die Aufwendungen für die Häuser wie Vivantes, aber auch für die kleineren Häuser in Zukunft nicht steigen. Ich will das gar nicht in Abrede stellen, und natürlich ist es eine besondere finanzielle Belastung für die Häuser. Darauf habe ich in meiner Rede auch hingewiesen.
Aus aktuellem Anlass bekommen wir täglich Meldungen aus Krankenhäusern unserer Stadt, dass Desinfektionsmittel und Schutzkleidungen gestohlen werden. Ich verstehe zwar die Verunsicherung der Berliner aktuell durch das Coronavirus, aber es ist natürlich fatal, dass gerade den Mitarbeitern der Krankenhäuser diese Schutzausrüstung entwendet wird. Ärzte und Pflegepersonal in Berlin sind auf unseren Schutz angewiesen, und deswegen, lieber Herr Geisel – Frau Kalayci, vielleicht geben Sie es ihm freundlicherweise weiter –, auch der konkrete Aufruf an Sie: Schützen Sie in diesen Tagen unsere Krankenhäuser, dass nicht weitere wichtige Mittel, die die Ärzte und Pflegerinnen in den Krankenhäusern brauchen, aus den Häusern entwendet werden!
Eine systematische Erfassung von Gewalttaten findet bereits in der polizeilichen Kriminalstatistik statt. Die CDU-Fraktion hat in den Haushaltsberatungen einen Antrag zur Stärkung von Notaufnahmen eingebracht. Den hat die Koalition abgelehnt. In diesen sensiblen Bereichen kommt es nämlich besonders häufig zu Übergriffen, und deshalb wollten wir auch die Bereitstellung finanzieller Mittel für zusätzliche bauliche Veränderungen in Notaufnahmen gerne vorantreiben. Wie gesagt, die Koalition hat unseren Antrag in den Haushaltsberatungen leider abgelehnt.
Ich habe selbst in einer parlamentarischen Anfrage abgefragt, wie es sich mit Diebstählen in Krankenhäusern verhält. Ich will die Zahlen einfach nur nennen: In den Jahren zwischen 2014 und 2018 gab es fast 9 000 Fälle, in denen ein Gesamtschaden von 5,8 Millionen Euro eingetreten ist. Natürlich ist das ein weiterer Beleg dafür, Herr Mohr – aber auch an uns alle –, dass die Beschäftigung mit diesem Themen lohnt, auch wenn die CDUgeführte Bundesregierung bisher bei diesem Thema eine Menge erreicht hat. Ich freue mich auf die weiteren Beratungen und hoffentlich weitere konstruktive Ideen, worin der Beitrag Berlins zur Lösung des Problems liegen kann. – Herzlichen Dank!
Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine Damen, meine Herren! Ja, Gewalt gegen Rettungskräfte ist zunehmend zu einem Problem unserer Zeit geworden. Betroffen sind Polizisten, Feuerwehrleute, ehrenamtliche Helfer der Rettungsdienste und eben auch medizinisches Personal in Krankenhäusern und in Arztpraxen. Als Hauptursache für Gewalt geben die Kliniken nach der neuesten, noch unveröffentlichten Befragung durch das Deutsche Krankenhausinstitut an, dass die Patienten unter Schmerz oder Alkoholeinfluss stehen – 83 Prozent – oder zu einem speziellen Patientenklientel gehören, die beispielsweise an Demenz erkrankt sind – 68 Prozent. Auch lange Wartezeiten – 56 Prozent –, Konflikte mit Mitpatienten – 26,1 Prozent –, Verschiebung von diagnostischen oder therapeutischen Maßnahmen – 17,2 Prozent – oder die Verweigerung von Medikamenten – 16,4 Prozent – werden als Gründe für Gewalt angegeben. Ob da die Verschärfung des Strafgesetzes wirklich greift, wird man sehen. Ich bin da sehr skeptisch.
Die Komplexität dieses Themas ist hier nicht in drei Minuten abzuhandeln. Ich würde sagen, wir machen das, was der Kollege Isenberg vorgeschlagen hat. Wir nehmen uns das Problem in den Ausschuss und sprechen dort mit denen, die vor Ort tagtäglich mit dieser Situation zu tun haben, und gucken dann, wie man ihnen durch politische Maßnahmen möglicherweise helfen kann. Die dicke Lippe hier zu riskieren, hilft den Menschen in der Ersten Hilfe überhaupt nicht. – Danke!
Vielen Dank, Herr Präsident! – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, es gibt in diesem Haus gar keinen Zweifel daran, dass alle Fraktionen, wirklich alle Fraktionen, es auf das Schärfste ablehnen, wenn es Gewalt gegenüber Ärzten, Pflegekräften usw. in dieser Stadt gibt.
[Beifall bei der FDP – Beifall von Joschka Langenbrinck (SPD), Stefanie Remlinger (GRÜNE) und Frank Scheermesser (AfD)]
Deshalb will ich ganz konkret auf den Antrag eingehen. Wir hatten ja vorhin das Thema Clubkultur. Herr Mohr, der Antrag liest sich leider so, als hätten Sie ihn abends in einem Club zusammengeschustert. Sie wollen nämlich im Punkt 1 darauf hinwirken, dass der verstärkte Bedarf an Sicherheits- und Schutzmaßnahmen festgestellt wird. Es müsste wahrscheinlich „ob“ heißen – ob es einen verstärkten Schutz gibt –, denn Sie wollen schon auf eine Sache hinwirken – dass das festgestellt wird, was noch gar nicht feststeht –, und fordern dann im zweiten Punkt – um zu überprüfen, ob das überhaupt feststeht – eine landesweite Erfassung des Ausmaßes an Gewalt usw. Es müsste eigentlich umgekehrt sein. Wir müssten erst mal mit Zahlen, Fakten und Statistiken belegen, ob es wirklich ein erhöhtes Sicherheitsrisiko gibt.
Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Gefühlt nehmen wir das, glaube ich, alle so wahr. Wir hören immer wieder die Meldungen, dass es zu Übergriffen kommt. Ich weiß aber nicht, ob es die nicht auch früher schon gegeben hat, sie aber nicht so an die Öffentlichkeit gekommen sind. Also müsste man erst einmal diese Zahlen erfassen und dann, wenn man den Bedarf feststellt, darauf reagieren. Deswegen ist es auch vollkommen richtig, das, wie es Herr Isenberg und Herr Dr. Albers gesagt haben, in einer Anhörung mit den Akteuren im Ausschuss zu besprechen, denn es ist in der Tat ein wichtiges Thema.
Der vierte Punkt in Ihrem Antrag, dass Sie im Rahmen einer Bundesratsinitiative darauf hinwirken wollen, dass
hier die Personen besonders hart bestraft werden, also ein Sonderstrafrecht einführen wollen, lehnen wir natürlich aufgrund des Gleichheitsgrundsatzes ab, weil jede Form von Gewalt, egal, gegen wen sie geht, schlecht ist. Die Gewalt gegen die Bäckerin ist genauso zu verurteilen wie die Gewalt gegen einen Arzt. Das macht keinen Unterschied, und dann sollen die Leute auch gleich hart dafür bestraft werden. Noch mal zu den Beispielen, denn ich habe Ihren Antrag gelesen: Dass Sie das, was Sie hier in den Antrag reingeschrieben haben, mit Ihren Maßnahmen wirklich erreichen würden, glaube ich nicht. Zum Beispiel haben Sie von einem Fall von einem 72-jährigen geschrieben, der aufgrund der Vermutung, dass seine Frau einen Behandlungsfehler hatte, den Arzt in der Charité erschossen hat – da wäre vielleicht eine psychologische Begleitung für die Angehörigen in so einem Fall, wenn eine Person stirbt eine bessere Prävention gewesen als das, was Sie hier in Ihrem Antrag fordern.
Auch das Beispiel des Attentats auf Fritz von Weizsäcker damals, das hier erwähnt wurde – auch das würde mit Ihrem Antrag nicht zu verhindern sein, denn wenn Leute psychisch oder psychiatrisch erkrankt sind und so eine grausame Tat begehen wollen, dann ist das völlig unabhängig davon, ob das im Krankenhaus passieren kann oder auf der Straße. Da muss man mit psychologischer und psychiatrischer Hilfe entgegenwirken. Da haben wir auch schon oft Vorschläge gegenüber der Senatorin gemacht, wie man das in Berlin verbessern könnte. Und so sollten wir das auch machen, den Antrag können wir von daher leider nur ablehnen. – Vielen Dank!
Vielen Dank, Herr Präsident! – Ich hatte kurzzeitig überlegt, Herr Kollege Kluckert, ob ich das im Rahmen einer Zwischenfrage mache, aber dafür gibt es ja das schöne Mittel der Zwischenintervention hier im Abgeordnetenhaus. Ich weiß nicht, ob ich Sie jetzt richtig verstanden habe, dass wir in Zweifel ziehen, dass es eine Steigerung gibt. – Das ziehen wir nicht in Zweifel, aber wir möchten, dass erst mal offiziell festgestellt wird, dass es eine Steigerung an Gewalt gibt. Und wenn es diese Steigerung gibt, dann möchten wir natürlich auch, dass das Ganze ordentlich und systematisch statistisch erfasst wird, das wird es nämlich derzeit nicht.
Und wenn man dann eine statistische Erfassung hat, dann kann man natürlich auch nach einer gewissen Zeit sehen, wie sich die Fallzahlen wo entwickeln und kann dann entsprechend weiter reagieren. Mehr wollen wir nicht. Wir wollen auch auf gar keinen Fall einen Sonders
traftatsparagrafen, da spielen wir eher auf die Richtung an, die der Kollege der CDU, Zeelen, letztendlich vorgeschlagen hat. Wir weisen es von uns, dass wir jetzt einen Sonderstraftatsbestand in dieser Hinsicht einführen wollen.
Nur, weil Sie gesagt haben: Gibt es so viele Fälle, oder gibt es sie nicht? – Ich habe mir in Vorbereitung auf diese Rede die jüngste Presseberichterstattung angeguckt, ich kann sie Ihnen auch gerne geben, einfach ein paar Schlagzeilen des letzten Dreivierteljahres, dann sind Sie schlauer. Im Übrigen weise ich entschieden von mir, dass ich diesen Antrag im Club zusammengeschustert habe. – Vielen Dank!
Das mit dem Club wollte ich Ihnen auch nicht wirklich unterstellen. – Aber es ist gerade nicht besser geworden. Sie haben es gerade tatsächlich noch mal so wiederholt, wie ich es gesagt habe: Sie wollen erst mal feststellen, dass es diese Erhöhung gibt und wollen dann statistische Daten abfragen. Es muss umgekehrt sein – Sie müssen erst statistische Daten erfassen, um dann Feststellungen zu treffen. Dass Sie so viele Presseberichte ausgedruckt haben, hat doch noch lange nichts zu sagen. Ich weiß sehr gut, wie Statistik funktioniert, und alleine die Anzahl der Presseberichterstattungen heißt natürlich noch lange nicht, dass es auch mehr Taten gibt. Ich bin gefühlt bei Ihnen, dass es wahrscheinlich so ist, ich glaube auch, dass diese Straftaten zugenommen haben, und das ist ein ernstes Problem. Aber wir müssen erst feststellen, ob es tatsächlich in der Realität so ist und dann feststellen, dass es einen Handlungsbedarf gibt – und nicht umgekehrt.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch ich bin froh, dass gerade in diesen Tagen die Situation des medizinischen Personals hier zur Sprache kommt. Die Arbeit der Mitarbeitenden in den Rettungsdiensten gehört in den Mittelpunkt unserer Aufmerksamkeit.
Für sie sind extreme Ausnahmesituationen Alltag, und sie meistern diesen Alltag mit bewundernswerter Kraft. Es stimmt: Es häufen sich Berichte von Angriffen auf Rettungskräfte und der gewaltsame Tod von Fritz von Weizsäcker, den Herr Zeelen und Herr Kluckert hier und Sie in Ihrem Antrag erwähnen, hat uns alle erschüttert. Als Beispiel für die von Ihnen behauptete Sicherheitslücke ist der Fall von Weizsäcker allerdings denkbar schlecht geeignet. Dieses Attentat eines psychisch schwer erkrankten Mannes hätte man nicht verhindern können, es sei denn, Sie machen alle öffentlichen Orte, Notaufnahmen, Normalstationen, Vortragsräume – in einem solchen ist von Weizsäcker bekanntlich erstochen worden – genauso wie Schulen, Sportanlagen und Rathäuser zu Hochsicherheitstrakten. Das will kein Mensch, und das ist vor allem der tatsächlichen Bedrohungssituation überhaupt nicht angemessen.
Die ist nämlich nicht so, wie Sie sie in Ihrem Antrag darstellen. Ja, es gibt Menschen, die mit ihrem aggressiven Verhalten auf herausfordernde Lebenssituationen reagieren, und für viele Menschen ist die Situation, wenn sie erkrankt sind, sehr herausfordernd. Bei den Hessen ist es vielleicht etwas anders, aber nach einem Anruf meinerseits bei der Berliner Krankenhausgesellschaft – das ist ja keine Glaubensfrage, da liegen Zahlen vor –, ist von einer Zunahme von Gewalt nichts bekannt gewesen. Wo eine Lücke beim Schutz vor Hass und Hasskriminalität besteht, hat der Bund bereits gehandelt. Das Kabinett hat einen entsprechenden Gesetzesentwurf auf den Weg gebracht.