Protocol of the Session on February 20, 2020

Gerade die Sonderstellung der Beamten auf Zeit und die damit verbundenen Gestaltungsmöglichkeiten des Landes Berlin bieten sich daher für eine erste Öffnung an. Dabei darf eine zukünftige, etappenweise Erweiterung auf die Beamten mit anderem Status nicht ausgeschlossen werden. Dies ist umso dringender, da bei Gott sei Dank gestiegener allgemeiner Lebenserwartung und der Situation, dass ein Drittel der öffentlichen Bediensteten demnächst aus dem Amt ausscheidet, so verfahren werden muss.

Nun ist die Diskussion dazu ja nicht ganz neu. In anderen Bundesländern, wie z. B. in Hessen, wurde sie bereits erfolgreich geführt. In Baden-Württemberg können die kommunalen Wahlbeamten seit ca. drei Jahren bis zum 68. Lebensjahr gewählt werden und bis zum 73. Geburtstag das Amt ausführen. Mit der von der AfD-Fraktion beabsichtigten Änderung des Dienstrechts für Beamte auf Zeit müsste keiner der Benannten mehr wegen der aktuellen starren Altersgrenze aus dem Amt ausscheiden. Wir alle wünschen uns doch hoffentlich, dass das Alter nicht der Maßstab sein darf, um die Leistungsfähigkeit von Menschen einzuschätzen und diesen Menschen die Wahrnehmung einer Tätigkeit zu untersagen.

[Beifall bei der AfD– Beifall von Andreas Wild (fraktionslos)]

Wir alle wollen, dass in unserer alternden Gesellschaft die Jungen nicht alleingelassen werden und die breiten Erfahrungen und Erkenntnisse der im Alter schon fortgeschrittenen Kollegen nicht verloren gehen. Mit unserem Antrag, die Altersgrenze zunächst einmal für Beamte auf Zeit zu öffnen, wollen wir ein wesentliches Stück dazu beitragen, die öffentliche Hand damit zum Vorbild und positiven Maßstab für die anderen Arbeitsbereiche in unserem Land zu machen.

Aktuell ist es so, dass sich die Betroffenen bereits jetzt bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres wählen lassen dürfen. Bei einer Zustimmung durch die Bezirksverord

netenversammlung dürfen sie nach Erreichen dieses Alters gegebenenfalls auch noch die Wahlperiode beenden, danach aber nicht mehr kandidieren oder sich wählen lassen. Beantworten Sie doch einmal ehrlich und ernsthaft die Frage, warum beispielsweise ein 68-Jähriger grundsätzlich nicht mehr in der Lage sein soll, ein entsprechendes Amt auszufüllen. Glaubt irgendjemand hier ernsthaft, dass zum Beispiel ein Heinz Buschkowsky, um ein prominentes Beispiel zu nennen, nach seinem Ausscheiden nicht mehr in der Lage gewesen wäre, sein Amt in Neukölln ordnungsgemäß auszufüllen? Glaubt irgendjemand ernsthaft, dass die amtierende Bezirksbürgermeisterin von Marzahn-Hellersdorf dazu in wenigen Jahren nicht mehr in der Lage wäre? Wir wissen nicht, wie sich die beiden entschieden hätten oder entscheiden würden; die Wahl sollten sie doch aber haben.

Herr Kollege! Ich darf Sie fragen, ob Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Swyter von der FDP zulassen.

Vielen Dank, Herr Kollege, für die Möglichkeit der Zwischenfrage! – Ich habe eine Frage schlichtweg aus Interesse. Ich habe Ihren Antrag mit Interesse gelesen, und Sie heben dort auf das Europarecht, sogar auf das EuGH und die Europarechtrichtlinie, also schlichtweg auf die Antidiskriminierungsrichtlinie ab. Verstehe ich Sie richtig, dass Sie damit die Antidiskriminierungsrichtlinie begrüßen?

[Beifall von Carsten Schatz (LINKE)]

Vielen Dank, Herr Swyter! Selbstverständlich begrüßen wir Antidiskriminierungsbestrebungen sämtlicher Art. Wir sehen aber auch, dass es in diesem Land sehr viele Menschen gibt, die unsere Grundrechte, das Grundgesetz und das, was uns alle als Demokraten auszeichnet, auch diskriminieren. Gegen diese Menschen wenden wir uns als AfD-Fraktion. Das ist vielleicht der Unterschied.

[Beifall bei der AfD – Beifall von Andreas Wild (fraktionslos)]

Ich fahre gerne fort: In Hessen war es die schwarz-grüne Landesregierung, die diesen richtigen Schritt ging, über den wir hier sprechen. In einer Debatte im kleinen Saarland vor fünf Jahren führte ein Landtagsabgeordneter der Grünen kritisch aus – ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten –: Bundeskanzler kann man mit 18 werden, Beigeordneter nicht. – Warum erwähne ich das so deutlich? – Weil es bei diesem Antrag nicht um sich im Parlament

widerspiegelnde, parteipolitisch geprägte Auseinandersetzungen gehen darf, sondern allein darum, gemeinsam zukünftige Altersdiskriminierung zu verhindern, der möglichen Leistungsfähigkeit auch der Älteren angemessen Rechnung zu tragen, Erfahrungen zu erhalten und die Vorbildfunktion wahrzunehmen, die die öffentliche Hand hat. Meine Hoffnung ist, dass sich auch in diesem Haus eine vernunftorientierte Mehrheit findet, der es um die Sache und nicht um parteipolitisches Kleinklein geht.

[Beifall bei der AfD – Beifall von Andreas Wild (fraktionslos)]

Ich danke Ihnen sehr für die Aufmerksamkeit und wünsche uns eine sachliche und gute Debatte.

[Beifall bei der AfD – Beifall von Andreas Wild (fraktionslos)]

Für die SPD-Fraktion hat jetzt Frau Abgeordnete Becker das Wort. – Bitte schön!

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die AfD will die Altersgrenze für Beamtinnen und Beamte auf Zeit, also bezogen auf die Wählbarkeit in öffentliche Ämter, in Berlin abschaffen. Wir befürworten weder eine entsprechende gesetzliche Änderung im Landesabgeordnetengesetz noch im Bezirksamtsmitgliedergesetz. Die Streichung der Altersbegrenzung und die Einführung eines neuen Satzes im Landesbeamtengesetz hätte für alle Beamtinnen und Beamten auf Zeit die Abschaffung der allgemeinen Altersgrenze zur Folge. Verfassungsrechtlich ist die bestehende Regelung der allgemeinen Höchstaltersgrenze für die Wählbarkeit in Hinblick auf öffentliche Ämter gerechtfertigt. Begründet wird das unter anderem damit, dass die mit dem angestrebten Amt verbundenen Aufgaben durch geeignete Amtsträgerinnen und Amtsträger bewältigt werden müssen, womit altersbedingte Zulassungsbeschränkungen gerechtfertigt wären, also der Ausschluss von Personen von der Wählbarkeit. Schützenswerte Gemeinwohlgründe, die etwa mit den Anforderungen an den Zugang zum öffentlichen Dienst verbunden sind, stehen hier über der individuellen Freiheit des Einzelnen. Effektivitätsverluste – etwa durch Ausfälle bei vorzeitigem Ausscheiden durch Krankheit oder Beeinträchtigung – sollen damit verhindert werden.

Davon unberührt bleibt das Hinausschieben des Ruhestandsalters wegen der Altersgrenze bis maximal zum vollendeten 68. Lebensjahr. Diese Grenze zu streichen, hätte zur Folge, dass die Systematik innerhalb des § 38 Landesbeamtengesetz nicht mehr vorhanden wäre, da gegebenenfalls keine Altersgrenze oder eine Altersgrenze, die über 68 Jahren liegt, gelten würde. Demnach wäre ein Hinausschieben des Eintritts in den Ruhestand für die

betreffende Gruppe nicht mehr möglich, da § 38 Abs. 2 Landesbeamtengesetz nicht für Bezirksamtsmitglieder gilt. Der § 3a Abs. 1 Bezirksamtsmitgliedergesetz regelt für den Fall, dass die Amtszeit eines Bezirksamtsmitglieds bei Vollendung des 65. Lebensjahres noch nicht beendet ist, ergänzend, dass die Bezirksverordnetenversammlung beschließen kann, dass die Dienstbehörde den Eintritt in den Ruhestand wegen Erreichens der Altersgrenze bis zum Ablauf der Amtszeit hinausschiebt. Insofern wird eine Kontinuität in der Aufgabenwahrnehmung während der jeweiligen Amtszeit gewährleistet.

Durch die Festlegung einer Altersgrenze für den Eintritt in den Ruhestand nach § 38 Abs. 1 Landesbeamtengesetz sichert das Land Berlin eine ausgewogene Altersstruktur und eine hohe Arbeitsqualität in seiner Verwaltung. Die von der Fraktion der AfD vorgesehene Streichung von § 3a Abs. 1 Bezirksamtsmitgliedergesetz steht dem entgegen. Ich kann nicht erkennen, inwiefern hier eine gesetzlich geregelte Altersgrenze, die für alle Beamtinnen und Beamte gleichermaßen gilt, einer individuellen Einzelfallgerechtigkeit entgegenstehen bzw. eine Benachteiligung durch Altersdiskriminierung im Sinne des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes darstellen sollte.

Für mich ist nicht nachvollziehbar dargelegt, inwiefern positive fiskalische Effekte zu erwarten wären, wenn die Altersgrenze aufgehoben und damit eine Erweiterung des in ein Bezirksamt wählbaren Personenkreises beschlossen werden würde. – Alles in allem lehnen wir die Abschaffung der allgemeinen Altersgrenze für Wahlbeamte ab. Der Antrag ist weder sachgerecht, noch vertritt er die Interessen des Landes Berlin. – Vielen Dank!

[Vereinzelter Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN]

Für die CDU-Fraktion spricht jetzt der Kollege Goiny.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Frage einer älter werdenden Gesellschaft und wie wir damit im Berufsleben umgehen, ist in der Tat eine Frage, der wir uns stellen müssen. Die CDU-Fraktion hat schon vor einiger Zeit einen Antrag eingebracht, der sich mit der Frage beschäftigt, wie wir im öffentlichen Dienst Anreizmodelle schaffen können, um in bestimmten Bereichen Mitarbeiter über die reguläre Beschäftigungszeit hinaus im Dienst zu halten. Wir wollen den Senat dazu auffordern, das für die einzelnen Aufgabenfelder zu analysieren. Der Antrag ist leider noch nicht beschlossen.

Insofern haben wir uns schon vor geraumer Zeit mit der Frage beschäftigt. Wir glauben nicht, dass der Ansatz, den die AfD-Fraktion gewählt hat, einer ist, der uns zum Ziel führt, weil er sehr auf einzelne Berufsgruppen be

(Carsten Ubbelohde)

schränkt ist und gar nicht differenziert, ob es eine Notwendigkeit dafür gibt. Ob eine Abschaffung der Altersgrenze richtig ist, weiß ich auch nicht. Ich glaube nicht, dass die Neuköllner SPD froh gewesen wäre, wenn Heinz Buschkowsky jetzt noch im Amt wäre.

[Lachen von Andreas Otto (GRÜNE)]

Insofern birgt so etwas immer Risiken in sich. Wir plädieren dafür, das Thema einmal grundsätzlich anzugehen, und stehen dem Antrag deshalb ablehnend gegenüber. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU]

Für die Fraktion Die Linke hat jetzt Herr Zillich das Wort.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist in der Tat kein Anliegen, das zum ersten Mal diskutiert wird, sondern in unterschiedlichen Konstellationen vorgebracht wird. Die Kolleginnen und Kollegen Vorrednerinnen und Vorredner haben durchaus schon differenzierte Argumente vorgebracht. Bei der Frage ist es sicher wichtig, zunächst zu entscheiden, ob man generell gegen Altersgrenzen im Beamtenrecht ist. Ist das quasi ein erster Schritt, oder will man auf besondere Konstellationen abstellen? – Ich glaube, dass einiges dagegen spricht, generell gegen Altersgrenzen in Bezug auf das Beamtentum zu sein. Auch die alternde Gesellschaft ist kein gutes Argument.

Zum Zweiten will ich, zumal in der Begründung mit viel Verve über Altersdiskriminierung und Demokratie geredet wird, sagen, dass die legislativen Funktionen unabhängig vom Alter – zumindest oberhalb eines Alters von 18 Jahren – zur Verfügung stehen und insofern das passive Wahlrecht nicht eingeschränkt ist. – Das möge man diskutieren. Da gibt es sicherlich ganz unterschiedliche Zugänge.

Den Rest meiner Redezeit will ich nutzen, um mich beim Kollegen Swyter, der offensichtlich gleich seine letzte Rede hier halten wird, ganz herzlich für die Zusammenarbeit zu bedanken und ihm alles Gute zu wünschen – vielen Dank!

[Allgemeiner Beifall]

Der genannte Kollege hat jetzt das Wort – Herr Swyter, bitte schön!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lieber Herr Zillich! Zunächst einmal vielen Dank für die freundlichen Worte! Ich sage dazu später noch etwas mehr. Es ist in der Tat eine besondere Rede – besonders vielleicht auch deshalb, weil die AfD ihr Herz für die Antidiskriminierungsrichtlinie entdeckt hat.

[Lachen von Carsten Schatz (LINKE)]

Das ist eine neue Erkenntnis; das hätte man gar nicht geglaubt.

[Steffen Zillich (LINKE): Ja, bemerkenswert!]

Ich finde allerdings – da schließe ich sozusagen an; wir stehen dem Antrag nicht so ablehnend gegenüber –, hier wurde eine richtige Diskussionsgrundlage gesetzt. Denn man sollte schon insgesamt – wir haben nun einmal eine entsprechende demografische Entwicklung – Altersgrenzen auf den Prüfstand stellen. Wenn es einen Appell gibt, auch von der Antidiskriminierungsrichtlinie der EU, dann ist es der, dass starre Altersgrenzen auf den Prüfstand gehören. Das sollten wir dann auch ernsthaft diskutieren. Für Wahlbeamte gibt es die Besonderheit, dass man im Gegensatz zu einem auf Lebenszeit ernannten Beamten immer wieder die Wahl hat, ob man eine ältere Person in ein Wahlamt wählen möchte oder nicht. Dann wird es wahrscheinlich andere Gründe geben – oder nicht das Alter – ob jemand gewählt wird oder nicht. Das hätte dann auch auf Herrn Buschkowsky zugetroffen. – Ich würde es dann schlichtweg dem Ausschuss überlassen, darüber zu diskutieren.

In der verbleibenden Redezeit möchte ich mich bei Ihnen, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, ganz herzlich für die munteren, intensiven und für mich auch lehrreichen Debatten bedanken. Ich verabschiede mich früher als gedacht – natürlich war es mein Ziel, die ganze Legislaturperiode dem Haus anzugehören –, aber die beruflichen Veränderungen sind nicht immer so planbar. Die neue Herausforderung, die ich annehme, lässt ein Mandat nicht mehr zu. Insofern ist es jetzt Zeit für mich zu gehen.

Ich möchte aber noch zwei Dinge hinterlassen. Erstens bin ich ein großer Fan der Demokratie; das Wort fiel heute immer wieder. Das Gute an der Demokratie ist nicht, dass sie fehlerfrei ist; sie macht in meinen Augen viele Fehler – natürlich bin ich der Auffassung, dass besonders viele Fehler von der Regierung ausgehen; Sie werden das umgekehrt sehen –, aber das Interessante und Spannende an der Demokratie ist die Korrekturfähigkeit. Das ist jedem anderen System überlegen. Das finde ich großartig.

[Allgemeiner Beifall]

Ich finde es großartig, dass die Demokratie im Zusammenhang mit dem Rechtsstaat noch die fairsten Ergebnis

(Christian Goiny)

se hervorbringt. Sie ist die zivilisierteste Form der Auseinandersetzung. Es gibt für mich keine zivilisiertere Form der Auseinandersetzung als eine gepflegte Debatte.

Damit komme ich zur Debatte – und das ist sozusagen mein Wunsch im Abgang –: Die gepflegte Debatte hängt am guten Diskurs, nicht an Pöbeleien.

[Allgemeiner Beifall]