Der Kollege Rissmann redet die ganze Zeit über den Justizsenator. Der steht überhaupt nicht in Ihrem Antrag. In dem Antrag fordern Sie einen Sonderbeauftragten, damit er die Ursachen, Auswirkungen und Verantwortlichkeiten hinsichtlich der schweren Sicherheitslücken in der IT-Ausstattung erforscht. Dass Sie hier den Justizsenator dafür verantwortlich machen, wie Sie es gerade in der Rede getan haben, entnehme ich dem Antrag nicht. Da haben Sie das Ziel meines Erachtens deutlich verfehlt.
Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Vielen Dank, Herr Kollege Kohlmeier! – Als wir die Reihe der Gefängnisausbrüche hatten, haben Sie im Rechtsausschuss gesagt: So ein Gefängnisausbruch ist für einen Justizsenator der größte anzunehmende Unglücksfall. – Gerade haben Sie gesagt, dass dieses IT-Desaster am Kammergericht einer der größten anzunehmenden Unglücksfälle ist. Und Sie haben offen die Frage gestellt, was denn der Senator dafür könne. Ich könnte Sie dementsprechend gegenfragen: Wer trägt denn die Verantwortung für das Haus und die Justizverwaltung?
Sie kennen mich doch, liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn ich jemanden kritisieren möchte und einen Rücktritt fordere, mache ich das relativ klar. In diesem Fall wird es nicht passieren, und ich sage Ihnen auch gleich, warum.
Es ist kein Wunder, dass das am Kammergericht passiert ist, und diejenigen, die Justizpolitik schon ein paar Jahre machen, Kollege Behrendt, Kollege Rissmann, meine Wenigkeit, wissen, dass sich das Kammergericht – ich sage es mal ganz offen – in den letzten Jahren für was Besseres gehalten hat und der Meinung war, sie könnten IT besser als Rechtsprechung. Sie haben da ihre Einzellösungen gepflegt. Sie wollten nicht zum ITDZ wechseln.
Und es war der CDU-Justizsenator, der es fünf Jahre lang vertreten hat, dass das Kammergericht genau so einen Unfug macht, wie sie ihn jetzt gemacht haben.
Wir können gerne einen Untersuchungsausschuss machen und bei solchen Fragen den jetzigen Bundestagsabgeordneten Herrn Heilmann fragen, großer Digitalexperte. Der hat es nämlich versaut, dass das Kammergericht bisher immer eine Einzellösung hatte.
Und wenn ich das ITDZ erwähne, möchte ich mich beim ITDZ bedanken. Das sind diejenigen gewesen, die letztendlich diesen Virus festgestellt und hervorragend reagiert haben. Es ist kein Geheimnis, dass zwischen ITDZ und Justiz die eine oder andere Differenz besteht. Kollege Dregger hat das erlebt, als wir das E-Government-Gesetz gemacht haben, wie sich die Justiz mit Händen und Füßen dagegen gewehrt hat, unter das Dach des ITDZ zu wechseln. Wir sehen jetzt, dass das ITDZ nicht nur besser ist als sein Ruf, sondern offenbar auch in der Lage ist, das Kammergericht schnell wieder an die Netze anzuschließen und überhaupt eine Grundarbeitsfähigkeit herzustellen.
Vielen Dank, geschätzter Kollege Kohlmeier! – Mit Verlaub: Es ist auch die erste und nicht eine weitere Zwischenfrage von mir. – Ich wollte Sie fragen, lieber Kollege Kohlmeier: Ist das Kammergericht gegenüber dem Parlament, gegenüber dem Berliner Abgeordnetenhaus rechenschafts- und informationspflichtig, oder ist das der Senator für Justiz? Und ich frage Sie, ob Sie sich nach dem Verlauf der gestrigen Rechtsausschusssitzung gut informiert fühlen und in der Lage sind, einen beständigen und unstreitigen Sachverhalt zur Grundlage Ihrer politischen Entscheidungen machen zu können.
Danke, lieber Kollege Rissmann, für diese großartige Frage, die mir nämlich die Möglichkeit gibt, darüber mit Ihnen zu diskutieren, wie man eigentlich mit dem Vorfall umgeht; ob man in diesem Fall – üblicherweise fordern Sie immer den Rücktritt, das haben Sie, glaube ich, auch gemacht, ich bin mir unsicher. – Dann könnte man einen Untersuchungsausschuss einrichten. Da haben Sie sich ein bisschen verzockt, weil Sie schon ein paar eingerichtet haben und jetzt nicht noch einen neuen machen können. Das wäre jedenfalls eine Möglichkeit gewesen, um so einen Fall zu machen. Und zur Frage des Sonderermittlers: Ich glaube jedenfalls, dass die Fragen, die Sie hier aufgeworfen haben, was in den letzten Monaten passiert ist und was hätte besser passieren müssen, jedenfalls vom Sonderermittler nicht geklärt werden sollen. Was soll denn der machen? Glauben Sie, der ist besser als die IT-Forensik, die uns von T-Systems vorliegt? Glauben Sie, der Sonderbeauftragte wird in irgendeiner Weise
eine Verantwortlichkeit von Dr. Pickel oder Dr. Behrendt feststellen und Ihnen irgendeine Möglichkeit geben, den Rücktritt zu fordern?
Wenn Sie der Meinung sind, dass Kollege Behrendt eine politische Verantwortung dafür hat und hier eine politische Verantwortung übernehmen muss, dann müssten Sie das auch so deutlich sagen. Ich bin da tatsächlich anderer Auffassung als Sie. Ich finde, dass die Informationspolitik des Kammergerichts mit dem gesamten Sachverhalt bei aller Hochachtung vor der Rechtsprechung, bei aller Hochachtung vor dem Kammergerichtspräsidenten, mit diesem Vorfall unterirdisch ist. Das muss man mal deutlich sagen. Die kann deutlich verbessert werden.
Und da ist bestimmt die Frage, die wir im Ausschuss seit mehreren Monaten miteinander diskutieren – im KTDatAusschuss, im Rechtsausschuss fragen wir immer wieder nach und lassen uns immer wieder informieren, auch von Dr. Pickel. Und da muss man mal deutlich sagen, eins ist jedenfalls deutlich geworden: IT-Experten sitzen da jedenfalls nicht im Kammergericht; weder von Herrn Dr. Pickel ist da ein IT-Experte noch irgendjemand anderes, der den Sachverhalt so darstellen kann, dass auch Sie den verstehen, lieber Kollege Rissmann.
Was macht SenJust? – Na ja, ein bisschen IT-Kenntnisse muss man schon haben. Ich will es mal vorsichtig sagen: So voll wie der Raum hier ist, zeigt jedenfalls, dass ein Großteil keine IT-Kenntnisse hat. Und die Fragestellung, die bisher hier kam, zeigt auch, dass relativ viele keine Kenntnis davon haben und hier in dem Fall am besten den Mund halten sollten. Was macht die Justizverwaltung – dafür bin ich dankbar –? Erstens: Sie hat sich deutlich dazu committed und dazu entschieden, dass zukünftig das Kammergericht vom ITDZ versorgt wird und die Rechner von dort bereitgestellt werden.
Ich finde, da kann man tatsächlich applaudieren. Wir hatten da eine andere Diskussionslage in den letzten Monaten. Ich habe es gerade gesagt, ich finde das ITDZ macht eine hervorragende Arbeit, mit allen Schwierigkeiten, die auch beim ITDZ bestehen. Die sind aber jedenfalls in der Lage, eine Infrastruktur zur Verfügung zu stellen, die von einem Virus, der so neu nicht ist, nicht sofort lahmgelegt wird.
Zweitens: Der Justizsenator hat – dafür bin ich ihm dankbar – gestern angekündigt, dass er noch im Februar einen IT-Sachverständigen hinzuziehen möchte, der sich die Dinge anschaut. Das finde ich hochgradig vernünftig. Wir sollten mal die Ergebnisse abwarten, lieber Kollege Rissmann, dann können wir ja weitere Forderungen stellen. Es wird Notfallübungen geben, und die Ursache wird untersucht. Ich glaube nicht, liebe Kollegen von der
CDU, dass ein unabhängiger Sonderbeauftragter – wie Sie den hier genannt hatten – in irgendeiner Weise höhere Aufklärung erreichen wird als ein Sachverständiger. Wir werden dieses Thema als Koalition – das sehen Sie an den verschiedenen Anträgen – im KTDat und im Rechtsausschuss immer wieder auf die Tagesordnung heben. Wir wollen die Antworten dazu haben, erst dann werden wir entscheiden, wer dafür verantwortlich ist und welche Konsequenzen sich daraus ergeben. Beim Justizsenator sehe ich die jedenfalls derzeit nicht. – Herzlichen Dank!
Frau Präsidentin! Lieber Kollege Kohlmeier! Sie haben erstens meine Frage nicht beantwortet, ob Sie sich durch den politisch verantwortlichen Vertreter der Senatsverwaltung für Justiz im Rechtsausschuss gestern und überhaupt ausreichend informiert fühlen. Das spricht für sich.
Zweitens: Sie haben mich offensichtlich falsch verstanden oder – wie ich Sie kenne und schätze – versucht, anhand von Formalien erklären zu können, warum Sie diesem Anliegen der Union nicht folgen wollen, weil es Ihnen, glaube ich, in der Sache schwerfällt. Natürlich geht es mir ausdrücklich darum festzustellen, dass ich mich – und meine Fraktion – nicht ausreichend informiert sehe durch den Senator für Justiz. Ich denke, ich habe das auch belegt. Darüber hinaus haben ich und meine Fraktion nicht das Vertrauen in Herrn Behrendt, dass er den Willen und das Interesse hat, diesen schwerwiegendsten Vorfall aller Zeiten – Sie selbst sprechen vom SuperGAU, das ist vollkommen zutreffend – mit der nötigen gebotenen Schärfe, mit der richtigen politischen Schwerpunktsetzung und mit der Offenheit so aufzuklären, dass wir nach allen Kräften für die Zukunft vermeiden können, dass es eine Wiederholung gibt. Ich habe darüber hinaus begründete Zweifel daran, dass Herr Behrendt die Sensibilität hat, die betroffenen Beamten, die betroffenen Richter, u. U. die betroffenen V-Leute, die betroffenen Prozessbeteiligten in dem Maße zu informieren und ggf. zu schützen, dass für diese Personen keine Gefahren aus diesem Hackerangriff entstehen.
Ich habe bisher nicht vernommen, dass Herr Behrendt überhaupt ein Interesse daran hat zu ergründen, woran dieser Hackerangriff eigentlich liegt, also wer der oder die Täter waren. Er lässt es zu, dass in der Öffentlichkeit von organisierter Kriminalität bis hin zu einem Angriff
Russlands oder Chinas oder was auch immer spekuliert wird. Das alles ist weder für einen funktionierenden Rechtsstaat gut, noch dient es einer sachlichen Aufklärung. Und schließlich, Herr Kollege Kohlmeier, fehlt mir Ihre Erklärung dafür, warum Sie als langjähriges Rechtsausschussmitglied mit mir gemeinsam schon zahlreiche Sonderermittler und Beauftragte erleben durften – angefangen hat das mal bei der Senatorin von der Aue im Jahr 2006, als da nämlich MODESTA, ein IT-System der Staatsanwaltschaft, kostspielig, mit einem Schaden von weit über 1 Million Euro in den Sand gesetzt wurde; da wurde auch ein externer Sonderermittler eingesetzt. Da hat übrigens der Abgeordnete Behrendt auch diesen Vorgang sehr aktiv begleitet. Ich hatte bisher keine Zeit, aber ich suche mir noch mal raus, was er damals von 2006 bis 2011 dazu gesagt hat. Mal gucken, ob er sich daran messen lassen will als jetziger Senator.
Wir haben kürzlich erst beide frierend an der JVA Plötzensee gestanden, als es da zu spektakulären Ausbrüchen kam. Da hat der Senator aktiv einen Sonderermittler eingesetzt, extern, einen Abteilungsleiter aus einem anderen Bundesland, der einen Abschlussbericht vorgelegt hat, auf dessen Basis wir im Rechtsausschuss diskutiert haben. Und wollen Sie mir jetzt als IT-affiner Mensch sagen, dass dieser Angriff auf unser Kammergericht mit all den Folgen, die wir bis heute nicht übersehen können, weniger schwerwiegend ist als die Entweichung aus der Jugendstrafanstalt z. B. oder die Geschichte MODESTA, um nur zwei Beispiele zu nennen? Das werden Sie sicher nicht wollen.
Herr Lux, nicht so aufregen, sonst fallen Ihnen noch die letzten Haare aus, das wollen wir nicht! Ruhig bleiben! – Und dass der Senator anders als – –
Für die AfD-Fraktion hat der Abgeordnete Vallendar das Wort. – Entschuldigung, ich habe die Möglichkeit des Kollegen Kohlmeier, zu erwidern, übersehen. – Bitte schön!
Herzlichen Dank, Frau Präsidentin! – Sehr geehrte Damen und Herren! Lieber Kollege Rissmann! Zu der Verantwortung und zur politischen Verantwortung habe ich mich deutlich geäußert. Ich habe dazu gesagt, dass, so leid es mir tut für unseren Koalitionspartner, die politische Verantwortung selbstverständlich der Justizsenator hat. Wie soll es denn auch anders sein? Dr. Pickel ist es jedenfalls nicht. Nur, wovor ich hier warnen möchte und was ich bisher nicht tue: Aus irgendwelchen Affekthandlungen und aus irgendwelchen Übersprungshandlungen hier sofort losrennen und eine vorläufige Bewertung des Sachverhalts treffen, die wir alle so noch nicht kennen. Wir haben gestern im Rechtsausschuss zum ersten Mal gehört, wann wer welches Gutachten gesehen hat. Wir haben diese Gutachten vor drei Tagen bekommen. Ich bin immer wieder erstaunt, in welcher Schnelligkeit Sie hier Entscheidungen treffen können und in welcher Schnelligkeit Sie irgendwelche Rücktitte usw. und politische Verantwortlichkeiten festmachen können. Da hätte ich mir tatsächlich gewünscht, dass das in unserer letzten wunderbaren rot-schwarzen Koalition öfter von Ihnen erfolgt wäre, so wie es jetzt erfolgt.
Zweite Anmerkung: Die organisatorische Hoheit für das Kammergericht – da mögen mich alle berichtigen – liegt doch nun aber auch beim Präsidenten des Kammergerichts. Nun ist aber der Präsident der Kammergerichts auch unabhängig. Und ich habe gerade eben deutlich gemacht: Bei aller Hochachtung vor dem Präsidenten und bei aller Hochachtung und Wertschätzung für ein unabhängiges Gericht: Wir werden jedenfalls als Koalitionsfraktionen nicht den Kammergerichtspräsidenten hier verantwortlich machen, weil er letztendlich nicht die Person ist, mit der wir zu reden haben, sondern das ist der Justizsenator, der uns Auskunft geben muss und geben wird. Ich habe gestern im Rechtsausschuss gesagt, dass genau das passiert.