Vielen Dank, Herr Kollege! – Stimmen denn Berichterstattungen, dass es mehrere Versionen, auch frühere Versionen dieses Gutachtens gegeben hat, und sind diese Versionen, ist das Gutachten autoaktiv und transparent seitens der Senatsverwaltung und des Senators an die Parlamentarier weitergegeben worden?
Nach meinem Eindruck ist das nicht so, lieber Kollege Stettner! – Herr Kollege Kohlmeier! Sie können auch noch eine Frage stellen.
Sie sind ja bekannt dafür, dass Sie ein großes Aufklärungsinteresse haben. – Zum Kollegen Stettner: Es ist vollkommen inakzeptabel und bestenfalls Ausdruck eines gefährlichen Desinteresses des Justizsenators an Justiz,
dass der sich nicht für Justiz interessierende Herr Behrendt das Parlament eben nicht proaktiv über diesen veränderten Sachverhalt informiert hat, obwohl ihn unsere Verfassung zur Information des Parlaments verpflichtet.
Mal wieder haben Sie alle, auch Sie, lieber Kollege Kohlmeier, soweit mir bekannt ist, erst aus den Medien erfahren müssen, dass es diese Diskrepanz, die nicht unerheblich ist, gibt.
Dann kommt gestern, lieber Kollege Stettner, eher zufällig im Rechtsausschuss heraus, dass das Gutachten, das uns der Senator erst nach der Medienberichterstattung gnädigst überlassen hat, angeblich nicht vom 23. Dezember 2019 sei – dieses Datum trägt das Gutachten, das uns vom Büro des Senators überlassen wurde –, sondern es soll angeblich erst vom 23. Januar 2020 sein.
Das wird im Übrigen erst auf Nachfragen verschiedener Abgeordneter, übrigens auch des Kollegen Kohlmeier, erläutert, und es kommt dann heraus, dass es mehrere Gutachten geben soll.
Nun beginnt die Quadratur des grünen Kreises: Es gibt nicht nur mehrere Gutachten, sondern es soll auch Arbeitsentwürfe von Gutachten geben. Wie viele, ist bis heute nicht bekannt.
Herr Behrendt behauptet nun, dass er dieses Gutachten, das das Datum 23. Dezember 2019 trägt, das eigentlich vom 23. Januar 2020 sein soll, erst am 27. Januar 2020 erhalten und dann umfassend und sofort das Parlament informiert hat.
Maßgeblich kann nämlich nur sein, wann der dem Parlament gegenüber verantwortliche Senator von diesen drastischen Inhalten erfahren hat. Dabei spielt es ganz sicher keine Rolle, ob es ein erstes Gutachten mit richtigem Datum, ein zweites Gutachten mit falschem Datum, ein drittes Gutachten, das wir noch nicht kennen, ein Entwurf oder irgendein Arbeitsentwurf ist, ob es mündlich oder sonst wie erfolgt ist oder welche sprachliche Verschränkung sich die grüngeführte Justizverwaltung noch ausdenkt. Maßgeblich ist: Wann hat der Senator von der veränderten Sachlage erfahren? – Diese Frage ist bis heute unbeantwortet. Und selbst die für Herrn Behrendt beste Interpretation ist vernichtend und stellt seine Eignung für dieses Amt erneut infrage.
Wenn es nämlich tatsächlich so ist, wie er nun behauptet oder behaupten könnte, dass er erst Anfang dieser Woche von den Inhalten des Gutachtens erfahren haben sollte,
dann stellt sich doch folgende Frage: Im September gab es diesen nicht zu unterschätzenden und nicht kleinzuredenden Angriff auf unser Kammergericht. Dieser hat zur Lahmlegung des Gerichts geführt und zur Beschränkung seiner Funktionsfähigkeit bis heute. Und da will der Senator nicht im Oktober nachgefragt haben: Wie ist denn der Sachstand? – Er will auch nicht im November nachgefragt haben: Wie ist der Sachstand?
Er hat auch angeblich nicht im Dezember nachgefragt: Wie ist der Sachstand? – Und er will auch nicht im Januar nachgefragt haben, wie der Sachstand ist.
Unabhängig davon, ob Sie das als glaubhaft empfinden, frage ich Sie: Wenn er tatsächlich so passiv ist und gewartet hat, bis er irgendwann ungefragt ein Gutachten erhält, dann kann ich nur feststellen: Unsere Berliner Justiz hat keinen passiven und desinteressierten Justizsenator verdient, sondern braucht jemanden, der voranschreitet, der aufklärt, der uns informiert und mit uns Lösungen erarbeitet und die durchsetzt. Davon ist hier gar nichts gegeben.
Erkennbar hat Herr Behrendt weder das erforderliche Einsehen noch das nötige Interesse. Der Umbau der Justiz wird viele Millionen Euro kosten, Geld, das wir für diese Digitalisierung zu bewilligen haben werden. Dafür brauchen wir aber auch erst mal einen aufgeklärten Sachverhalt und eine auskömmliche Information. Das ist offenbar nicht durch die Senatsverwaltung für Justiz zu gewährleisten. Darum braucht es diesen heute von uns vorgeschlagenen externen und unabhängigen Sonderbeauftragten. Bedenken Sie bitte, verehrte Kollegen der Regierungskoalition – ich komme damit zum Ende, Frau Präsidentin –: In der Vergangenheit haben wir in dem Geschäftsbereich der Justiz häufiger, im Übrigen von den jeweiligen Senatoren –
aktiv ausgehend, bei Vorfällen, die in ihrer Dramatik bei Weitem nicht mit dem gegenwärtigen Vorgang mithalten können, Sonderermittler eingesetzt.
Das war bei MODESTA so. Das war kürzlich bei Entweichungen aus Haftanstalten so. Jetzt fragen Sie sich bitte: Schreit dann nicht erst recht dieser Sachverhalt danach, dass wir hier auch einen externen Sonderermittler brauchen? – Vielen Dank!
[Oliver Friederici (CDU): Jetzt wird der Rücktritt gefordert! – Stefan Evers (CDU): Der kuscht doch wieder!]
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU! Nach der Rede kann sich der Justizsenator ganz entspannt zurücklehnen. Meine Rede wird dagegen entspannt sein. So hoch haben Sie den Level ja nicht gelegt.
Na ja, wenn sie selbst Zwischenfragen machen müssen, damit Herr Rissmann noch eine Minute mehr bekommt, um irgendwas zu erzählen, das ist schon ein Schauspiel, das ich bisher so nicht erlebt habe.
Tatsache ist, um auf Ihren Antrag zurückzukommen, da steht „IT-Desaster am Berliner Kammergericht – Aufklärung durch einen Sonderbeauftragten sicherstellen“: Es ist der größte anzunehmende Unfall, der bei einem Gericht passieren kann und bedauerlicherweise bei dem obersten Gericht des Landes Berlin passiert ist. Das kann man so feststellen. Nur eine Frage sei dann erlaubt: Was hat denn bitte der Justizsenator
damit zu tun, und warum soll es dafür – lassen Sie mich mal ausreden! – einen Sonderbeauftragten geben?
Der Kollege Rissmann redet die ganze Zeit über den Justizsenator. Der steht überhaupt nicht in Ihrem Antrag. In dem Antrag fordern Sie einen Sonderbeauftragten, damit er die Ursachen, Auswirkungen und Verantwortlichkeiten hinsichtlich der schweren Sicherheitslücken in der IT-Ausstattung erforscht. Dass Sie hier den Justizsenator dafür verantwortlich machen, wie Sie es gerade in der Rede getan haben, entnehme ich dem Antrag nicht. Da haben Sie das Ziel meines Erachtens deutlich verfehlt.