Protocol of the Session on January 16, 2020

[Zuruf von Steffen Zillich (LINKE)]

Zweitens: Grundsätzlich haben wir Bedenken oder Fragen, die wir hoffentlich nicht nur im Ausschuss für Stadtentwicklung und Wohnen, sondern auch im Ausschuss für Verfassungs- und Rechtsangelegenheiten, Geschäftsordnung, Verbraucherschutz, Antidiskriminierung erklärt bekommen. Der erste, aber wichtigste Punkt ist, dass Sie vor allem die Kosten auf Wohnungsvermieter und Wohnungseigentümer sowie Wohnungsverwalter, die damit ihr Geld verdienen, die also davon abhängig sind, abwälzen wollen. Das ist etwas, was wir sehr kritisch betrachten und uns sehr genau anschauen werden.

Drittens – das ist vielleicht der wichtigste Punkt, bei dem wir mit Sicherheit auch unterschiedlicher Auffassung sind –: die Bewertung, in welchem Zustand sich die Berliner Verwaltung befindet. Wir können hier alles miteinander beraten und beschließen, aber dafür braucht es eine Umsetzung in einer modernen, digitalen Verwaltung in Stadtentwicklungsämtern. – Sie, Herr Dr. Nelken, waren selbst einmal, sicherlich zu einer ganz anderen Zeit, Baustadtrat im Bezirk Pankow; das ist schon ein paar Jahre her. Die Bezirksämter sehen nach zehn Jahren Rot-Rot inzwischen anders aus, und ich sage Ihnen nur, der Zustand ist nicht gut. Es ist keine Frage – oder sagen wir ehrlicherweise: nicht nur – von neuen Gesetzen und gesetzlichen Möglichkeiten, sondern vor allem von personellen Ressourcen. Ich sehe überhaupt nicht, wie die Stadtentwicklungsämter, also die Bauaufsicht innerhalb des Stadtentwicklungsamts, in der Lage sein soll, diesem Problem mit dem derzeitigen Personalbestand Herr zu werden. Wir werden keine neuen, zusätzlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für den öffentlichen Dienst in Berlin finden. Auch das ist, glaube ich, ein Hirngespinst von Ihnen. Insofern bin ich auf die konkrete Umsetzung sehr gespannt.

[Steffen Zillich (LINKE): Jetzt wurde über viele Sachen geredet, die nicht in dem Antrag stehen!]

Lieber Herr Zillich! Ich weiß, Sie sind über den Abgang von Herrn Wolf genauso traurig wie ich, denn damit verlässt der letzte Realpolitiker Ihre Fraktion.

[Lachen von Dr. Michail Nelken (LINKE) und Paul Fresdorf (FDP)]

Nichtsdestotrotz werden wir uns dieses Gesetz ganz genau anschauen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU]

Für die SPD-Fraktion hat jetzt Frau Spranger das Wort.

Sehr verehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bedauere natürlich auch, dass Herr Wolf geht – daraus mache ich keinen Hehl –, weil er ein toller Abgeordneter ist

[Beifall von Anne Helm (LINKE)]

und ein toller Senator war. Von daher: Alles gut!

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN – Beifall von Christian Gräff (CDU)]

Wir hatten vorhin eine Debatte zum Mietendeckel. Da wurde uns gesagt, dass wir neue Wohnungen brauchen. – Das ist richtig. In Zeiten der angespannten Mietsituation in Berlin geht es natürlich vor allem darum, neue Wohnungen zu schaffen – das stimmt – und die Mietpreise im Zaum zu halten. Dabei dürfen wir aber auch eine zweite Sache nicht außer Acht lassen: Es geht aber auch darum – das wurde schon gesagt –, dass wir es ebenfalls als wichtig erachten, in der angespannten Lage Wohnraum auch zu erhalten, und zwar in angemessener Qualität. Wir müssen also den Bestand nicht nur erweitern, sondern auch die bereits existierenden zwei Millionen Wohnungen erhalten. Denn es ist klar, dass niemand dauerhaft in einer beispielsweise durch Schimmel gesundheitsgefährdenden Wohnung bleiben will und darf – womöglich noch mit Kindern. Das ist natürlich uns allen bewusst. – Sie, Herr Gräff, sprachen an, dass Sie durchaus Verständnis haben für das Treuhändermodell. Die Kosten sollen natürlich auf die Eigentümer umgelegt werden. Als Erstes hat das ein Bezirk mit einem CDU-Bürgermeister – hallo, Herr Gräff! – gemacht. Von daher denke ich, dass die Kostenumwälzung auf die Eigentümer völlig richtig ist. Aber dass wir das machen müssen, ist auch wichtig.

Also: Zum einen konnte durch eine Umformulierung eine mögliche Unsicherheit beseitigt werden, nämlich ob und wann das Gesetz auf leer stehende Wohnungen anwendbar ist oder nicht. Ganz klar, es ist anwendbar, und zwar grundsätzlich, also nicht nur in Zeiten der angespannten Wohnungssituation. Das schafft für alle Seiten Klarheit.

Neu ist, dass in Zeiten des angespannten Wohnungsmarktes die Behörde nicht mehr das überwiegende öffentliche Interesse im Einzelfall darlegen muss, um sofortigen Vollzug zu ermöglichen. Das ist sehr wichtig, denn eins

(Christian Gräff)

ist klar: Es kann nicht von öffentlichem Interesse sein, weitere Wohnungen durch Unbewohnbarkeit für das Wohnungsangebote zu verlieren. Insgesamt sind das sinnvolle Lösungen, die zum Erhalt von Wohnraum durch effektives Handeln der Verwaltung beitragen können. Selbstverständlich werden wir uns auch um zusätzliches Personal kümmern. – Danke schön!

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Vielen Dank! – Für die AfD-Fraktion hat der Abgeordnete Laatsch das Wort.

[Christian Gräff (CDU): Jetzt wird der Kommunismus gebrandmarkt!]

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der letzten Verschärfung des Wohnraumaufsichtsgesetzes hatten wir als AfD ja noch zugestimmt. Was Sie aber jetzt vorhaben, das hat eine ganz neue Qualität. Ihnen ist das Privateigentum derart verhasst – es quillt aus allen Ritzen Ihre Politik.

Schauen wir mal auf die Details. In Ihrem Entwurf wollen Sie den üblichen Rechtsweg der Verursacherfeststellung zum Beispiel bei Schimmelbefall über die Gerichte in die Willkür eines bezirklich berufenen Treuhänders legen. Zu welchem Ergebnis der bei Ihrer Politik kommen wird, das habe ich Ihnen vorhin aus dem Verfassungsschutzbericht vorgelesen; dafür werden Sie schon sorgen.

Für von Mietern verursachten Lärm wollen Sie in Zukunft den Vermieter haftbar machen. Dabei haben die Vermieter dank Ihrer Politik kaum eine Handhabe, gegen ihre Mieter bei Lärmbelästigungen vorzugehen. Bei dieser Gelegenheit wollen Sie ihm die Hoheit über sein Eigentum entreißen. Einsparungen durch Mietendeckelung werden zwangsläufig zu Zustandsverschlechterungen führen – da kommt Ihr Zwangsverwalter ins Spiel. Der wird dem Vermieter die Rechnung für eine Leistung präsentieren, die er selbst nicht beauftragt hat und die ihn in den Ruin führen wird.

Kommen wir zu den Überbelegungen. Bei den bekannten Fällen handelt es sich um osteuropäische Zuwanderer, die als Geschäftsmodell zunächst das Betteln betrieben haben und später dank diverser Sozialverbände und Anwälte per Scheinselbstständigkeit in Hartz IV übergesiedelt sind. Dass sich unter den Vermietern ein schwarzes Schaf findet, welches die Vergewaltigung des Sozialstaates durch Senatskombattanten für sich selbst entdeckt, ist doch eigentlich Ihr Ziel. Wo sonst sollten die Leute unterkommen, die Sie aus aller Herren Länder in dieses

Land schleusen lassen? Der Missbrauch des Sozialstaates und damit der Missbrauch der hart arbeitenden Bevölkerung ist von Ihnen gewollt. Sie verursachen gezielt Chaos in dieser Stadt, um daraus Gewinn zu ziehen. Damit Ihr Ziel der Enteignung auch sicher erreicht wird, haben Sie in § 13 festgeschrieben, die Ordnungsgelder des von Ihnen selbst festgestellten Fehlverhaltens des Vermieters zu verzwanzigfachen, und das in einem Staat, in dem schwerstkriminelle Gewalttäter in der Gesellschaft herumlaufen.

Mit Ihrer Vorlage wollen Sie Vermieter kriminalisieren, dabei sind sie es – und nur sie –, die Wohnraum zur Miete zur Verfügung stellen.

Ich fasse noch mal zusammen: Mieten werden gedeckelt. Entstehen dadurch Erhaltungsprobleme, kommt Ihr Treuhänder, erteilt Aufträge, die durch kein Gericht legitimiert sind und die der Vermieter zu zahlen hat. Des Weiteren erheben Sie Zwangsgelder, die ihn in den Ruin führen, um einen verhassten Vermieter enteignen zu dürfen. Wir werden diese Machenschaften nicht mittragen.

[Beifall bei der AfD –

Beifall von Jessica Bießmann (fraktionslos),

Kay Nerstheimer (fraktionslos) und

Andreas Wild (fraktionslos) –

So läuft das? –

So läuft das! Herr Zillich! Sie

kennen sich aus! Lesen Sie den

Verfassungsschutzbericht! –

Ganz sicher? –

Ganz sicher!]

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat die Abgeordnete Dr. Kahlefeld jetzt das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Im Jahr 2017 hat die „taz“ einen Artikel überschrieben mit „Ein dreckiges Geschäft“. In diesem Artikel ging es um die Vermietung von verwahrlosten Wohnungen zu horrenden Preisen. Es geht hier um eine ganz besonders ekelhafte Spielart der Spekulation mit Wohnraum. Berlin wird da jetzt tätig. Nordrhein-Westfalen hat das Wohnungsaufsichtsgesetz schon vor einigen Jahren überarbeitet, Hamburg ebenso. Dort gibt es das gleiche Geschäftsmodell von Spekulanten, und das funktioniert so: Investoren kaufen heruntergekommene Häuser, vermieten den unbewohnbaren Wohnraum zu astronomischen Preisen an Menschen,

[Zuruf von Marcel Luthe (FDP)]

die sonst keine Wohnungen finden und nicht wissen, dass man Wohnungen ohne Heizung, ohne warmes Wasser, mit Schimmel an den Wänden und vergammelten Toi

(Iris Spranger)

letten nach geltendem Recht eigentlich nicht vermieten dürfte. Ich habe viele solcher Häuser gesehen; der Schimmel geht oft durch bis ins Nachbarhaus. Ganze Familien können sich heißes Wasser nur mit einem Wasserkocher machen. Auf Dachböden werden Matratzen vermietet. Es gibt zu wenige Mülltonnen, Flure sind unbeleuchtet. Ein Besitzer mehrerer solcher Häuser in Berlin war übrigens ein Mitglied der CDU, was, das sage ich ganz ohne Ironie, dazu geführt hat, dass ich schon in der letzten Legislaturperiode mit vielen Ihrer Kollegen sehr konstruktiv über dieses Problem reden konnte, weil auch sie das völlig inakzeptabel fanden.

Das Problem ist, dass die allermeisten Besitzer dieser Immobilien anonym sind, dass man nicht an sie herankommt. Deswegen brauchen wir unter anderem die Neufassung des Wohnungsaufsichtsgesetzes. Wir müssen vor allen Dingen die Bezirke unterstützen. So war es bisher kaum möglich, die Wohnungen von innen anzusehen, weil sich die Vermieter darauf verlassen konnten, dass die verzweifelten Mieterinnen und Mieter weder das Gesundheitsamt noch die Wohnungsaufsicht in die Wohnung lassen, zu groß war die Angst, die Wohnung dann verlassen zu müssen.

Das vorliegende Gesetz nimmt die Vermieter in die Pflicht, selbst zu Sachstandsermittlung beizutragen. Es bricht damit dieses Abhängigkeitsverhältnis auf. Besonders wichtig ist es, dass die den Bezirken entstandenen Kosten als öffentliche Last im Grundbuch vermerkt werden können. Damit ist es nicht mehr möglich, dass die Besitzer Haus und Grundstück einfach abstoßen, wenn sie genug verdient haben oder wenn der Druck zu groß geworden ist. Kriminelles Verhalten, das derart massiv auf Kosten der Allgemeinheit geht, darf sich nicht lohnen.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Die Wohnungsaufsichtsbehörde kann einen Treuhänder einsetzen, der Instandsetzungen zur Bewohnbarkeit der Immobilie verantwortet und durchführen lässt. Auch diese Kosten können zulasten des Besitzers im Grundbuch eingetragen werden.

In der Vergangenheit waren es immer wieder Familien und Saisonarbeiter, die in diesen unbewohnbaren Immobilien leben und oft unvorstellbar hohe Mieten pro Tag oder pro Zimmer bezahlen mussten. Wir hoffen, dass die Bezirke zukünftig nicht mehr teure ASOG-Unterbringungen anmieten müssen, um diesen Familien einen gesunden und einigermaßen zumutbaren Wohnraum zu ermöglichen.

Ich hoffe, dass das Gesetz schnell durch den Ausschuss geht und dann auch die Ausführungsbestimmungen schnell erstellt werden, damit wir dem dreckigen Geschäft mit Diskriminierung, Unwissenheit und Armut ein Ende machen können.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Beifall von Frank Zimmermann (SPD)]