Wir haben am 6. Juni 2019 bei der Einbringung im Plenum bereits ausführlich zu dem Antrag gesprochen. Im Rechtsausschuss, im Sozialausschuss, im Wirtschafts- und Energieausschuss haben wir alle Argumente hierzu bereits ausführlich ausgetauscht. Deshalb will ich heute nur noch einige Punkte nennen: Wir wollen, dass der Senat aktiv gegen Strom- und Gassperren vorgeht, indem er auf die Energieversorger einwirkt, auch auf Vattenfall, der ja faktisch zu großen Teilen ein Monopolist ist. Die Energieversorger müssen ihrer großen Verantwortung gerecht werden und unzumutbare Härten durch Strom- und Gassperren vermeiden. Dazu gehört zum Beispiel: Die Mahnverfahren müssen umgestellt werden. Sperrandrohung muss der letzte Schritt sein, vorher müssen Zahlungsaufforderungen versendet werden, die auf Informationen zur Energieberatung hinweisen – auch das ist uns sehr wichtig. Wir wollen, dass Zahlungsaufforderungen und Sperrandrohungen leichter lesbar werden. Bei Androhung der Sperre muss auf Hilfemöglichkeiten und Beratungsstellen hingewiesen werden. All das ist im Augenblick nicht der Fall. Das ist ein Skandal. Das muss geändert werden.
[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN – Beifall von Dr. Stefan Taschner (GRÜNE)]
Mahn- und Sperrverfahren sollen ausgesetzt sein, wenn ein Antrag auf Energieschuldenübernahme beim Jobcenter eingereicht wurde. Während der Bearbeitungszeit von Anträgen auf Energieschuldenübernahme durch das Jobcenter – wir wissen alle, das dauert immer eine Weile – müssen die Betroffenen sicher vor hohen zusätzlichen Kosten für Sperrungen und Entsperrungen sein. Insbesondere einkommensschwache Haushalte müssen bei der Anschaffung energiesparender Haushaltsgeräte unterstützt werden, damit ihre Stromkosten sinken. Auch das vermeidet hohe Rechnungen und drohende Zahlungsunfähigkeit. Auch da muss deutlich mehr getan werden, und auch da würden wir uns freuen, wenn sich das ganze Haus dahinterstellt. Deshalb: Strom ist längst ein existenzielles Grundbedürfnis. Ein menschenwürdiges Leben und die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben sind ohne Strom nicht mehr vorstellbar, deshalb hätten wir es ganz gerne, dass alle den Antrag unterstützen, wenn man – wie man immer so schön sagt – die Interessen der Bevölkerung vertreten will, und zwar nicht nur, wenn es die eigenen Mehrheiten hergeben. Das ist ein ernsthaftes Problem, 180 000 Anträge sind 180 000 Anträge zu viel. Ich bitte um Unterstützung dieses Antrags. – Danke sehr!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegen Abgeordnete! Liebe Gäste! Der Antrag „Energiearmut bekämpfen – Strom- und Gassperren vermeiden“ ist einer der am intensivsten beratenen Anträge in diesem Haus. Wir haben ihn bereits im Mai hier im Plenum beraten, dazu in drei Ausschüssen. Durch die gründliche Beratung ist das ein Antrag, der vom Verfahren her am besten bearbeitet worden ist. Dafür müsste man dem Parlament und den Ausschüssen eigentlich ein Lob aussprechen.
Was das Ergebnis betrifft, so muss man dieses Lob jedoch gleich wieder revidieren. Inhaltlich war das nämlich nicht unbedingt eine Beratung. Die beiden Blöcke haben die Argumente ausgetauscht, und die sozialistische Seite, bestehend aus Linkspartei, Bündnis 90 und SPD, hat sich dabei als taub, nicht lernfähig und vernünftigen Argumenten nicht zugänglich gezeigt.
Die bürgerliche Seite, bestehend aus AfD, FDP und CDU, hat sich bereit gezeigt, vernünftige Argumente anzuerkennen, so z. B. den Versand der Zahlungsaufforderung vor dem Versand der Sperrandrohung, die optische Hervorhebung der Sperrandrohung und eine verbesserte Kommunikation zwischen Jobcentern und Grundversorgern. Das ist im ureigensten Interesse der Grundversorger, denn sperren tun die nicht gerne. Das ist die letzte Möglichkeit oder der letzte Schritt, wie Herr Stroedter gerade sagte.
Die sozialistischen Parteien dagegen haben sich ideologisch und beratungsresistent gezeigt. Sie haben ausschließlich Interesse daran gezeigt, dem Kind zu helfen, das bereits in den Brunnen gefallen ist.
Sie haben dabei auch abwegige Vorschläge in den Antrag geschrieben und sind nicht von denen abgewichen. Es steht immer noch etwas von „überzogenen Bonitätsprüfungen“ im Antrag, obwohl in der Wirtschaft Bonitätsprüfungen bei langfristigen Verträgen absolut Sinn machen.
Und sie sind nicht bereit, vorbeugend zu agieren. So zeigte sich die Vertreterin der Verbraucherzentrale, Frau Elß, in der Anhörung im Ausschuss Integration, Arbeit und Soziales sehr aufgeschlossen gegenüber dem Vorschlag der AfD, das Thema Strompreise, Stromrech
Die Verbraucherzentrale würde sogar darüber hinaus gehen und sich eine Verbraucherbildung wünschen – Zitat: Man kann gar nicht früh genug damit anfangen! – Finanzielle Bildung und Verbraucherbildung in der Schule wären vorbeugende Maßnahmen, und damit würden in Zukunft weniger Kinder und Erwachsene überhaupt in den Brunnen fallen.
Außerdem wäre das zusammen mit einer Behandlung des Themas Stromrechnung im Schulunterricht locker auf der Landesebene zu lösen. Bildung ist Ländersache, und da muss ich Dr. Efler widersprechen: Auf Länderebene sind noch nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft. – Nichts dergleichen ist in den Antrag eingegangen. Man könnte meinen, die sozialistischen Parteien brauchen geradezu in den Brunnen gefallene Kinder und Opfer der Berliner Bildungskatastrophe, weil sie daraus ihre Klientel rekrutieren.
Auch auf Bundesebene, über den Bundesrat müsste der Senat das Thema Strompreise angehen. Die Kilowattstunde kostet in Deutschland 30 Cent. Der Strom ist in Deutschland europaweit am teuersten. Der Strompreis, den die Verbraucher zahlen müssen, wird am meisten durch Steuern und Abgaben getrieben: Alleine Stromsteuer, Umsatzsteuer und EEG-Umlage machen zusammen die Hälfte des Strompreises aus. Ein weiteres Viertel des Strompreises machen die Netzentgelte aus, und erst das letzte Viertel des Preises kommt durch Beschaffung und Vertrieb.
Die Netzentgelte sind inzwischen sehr hoch, weil es aufwendiger geworden ist, die Stromnetze stabil zu halten. Die Einspeisung von Strom aus Wind und Sonne ist eben schwerer planbar, und das macht die Netze teurer.
Der Senat müsste sich somit auf Bundesebene für die Abschaffung der Stromsteuer einsetzen, die Senkung der Umsatzsteuer auf 7 Prozent für Strom fordern und sich für die Abschaffung der EEG-Umlage einsetzen.
Das wären geeignete Maßnahmen. Allein das wären die Maßnahmen, um das Ziel zu erreichen, dass Sie in Ihrem Antrag vorgegeben haben. Da dieser Antrag nur die Komponente hat, dem Kind zu helfen, das in den Brunnen gefallen ist – und dieses dazu noch mit teilweise ungeeigneten Mitteln –, und kein Kind vor dem Sturz in den Brunnen schützen will, lehnen wir ihn ab. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt das Wort der Abgeordnete Herr Dr. Taschner. – Bitte schön!
Sehr geehrte Frau Präsidentin1 Liebe Kolleginnen und Kollegen! Jetzt, da die Tage wieder kürzer werden und man merkt, dass es trotz Klimawandel draußen auch ganz schön zapfig kalt werden kann, ist man wirklich froh, wenn man abends heimkommt, das Licht anmacht, die Wohnung wird hell, die Heizung sich aufdreht, und es wird kuschlig warm in der Wohnung. Der eine oder die andere zündet sich vielleicht in der jetzigen Zeit auch noch eine Kerze an und fühlt sich so rundum wohl.
Doch für einige Berlinerinnen und Berliner hat dieses Anzünden einer Kerze überhaupt nichts mit der Adventszeit zu tun. Auch kommt keine heimelige oder romantische Atmosphäre auf, sondern für viele ist diese Kerze einfach die einzige Licht- und Wärmequelle, die noch bleibt: Sie leben in einem Haushalt, der von einer Strom- und Gassperre betroffen ist.
Auch wenn die Zahl schon öfter im Laufe dieses Antragsverfahrens gefallen ist, kann man sie, finde ich, nicht oft genug wiederholen, um es sich einzuprägen: 2018 waren fast 19 000 Stromsperren in Berlin ausgesprochen, und etwas mehr als 2 000 Haushalte waren von einer Gassperre betroffen. Es gab allein über 20 000 Haushalte, die zeitweise von der Energieversorgung abgeschnitten waren. Das können und wollen wir nicht weiter so hinnehmen!
Und wenn man sich mit der Materie genauer beschäftigt – und Sie, Herr Schultze-Berndt haben das offensichtlich nicht getan; sonst hätten Sie hier nicht so viel Unwissenheit präsentiert und hätten es wahrscheinlich auch geschafft, ganze fünf Minuten zum Thema zu reden – und sich wirklich anschaut, welche Menschen eigentlich hinter diesen Energiesperren stecken, dann sind es oft nicht die Zahlungsverweigerer oder diejenigen, die einen großen Energiekonsum haben – vielmehr stecken viele einzelne Schicksale dahinter.
Besonders hart treffen Energiesperren die Schutzbedürftigen – Kinder, alte Menschen, Behinderte oder Pflegebedürftige –, weil sie vom Gesetz nicht besonders geschützt werden. Auch sind es oft Menschen, die eben nicht wie die meisten von uns die Möglichkeit haben, zu einem günstigeren Strom- oder Gastarif zu wechseln, sondern sie müssen in dem aus meiner Sicht vollkommen überteuerten Grundversorgertarif ausharren.
Als Politik dürfen wir das Phänomen der Energiearmut nicht ignorieren und sind aufgefordert, diesen Menschen zu helfen. Wir als Koalition sind bereit, dies auch zu tun, denn seit einiger Zeit gibt es dank der rot-rot-grünen Regierung zum Glück wieder eine Energieschuldnerberatung, eben die Anlaufstelle, wo sich die Betroffenen hinwenden können und Rat und Tat erhalten, und oftmals wird die Energiesperre sogar abgewendet.
Keine Zwischenfrage! – Deswegen, weil die Arbeit so gut ist – Herr Efler hat es schon erwähnt –, werden wir im noch zu verabschiedenden Doppelhaushalt genau diese Beratung weiter stärken, um den Menschen weiter helfen zu können.
Doch das bedeutet nicht, dass wir uns einfach zurücklehnen und sagen können: Hausaufgaben gemacht, das war’s! – Nein, wir müssen einen Schritt weitergehen, und der vorliegende Antrag geht genau diesen Schritt weiter: Wir wollen, dass sich der Senat zusammen mit der Vattenfall und der GASAG, den Grundversorgern, hinsetzt, denn diese beiden Energieversorger sind für den überwiegenden Teil der Energiesperren verantwortlich. Wir wollen, dass wir gemeinsam zu Verbesserungen kommen, die die Zahl der Energiesperren deutlich bis dahin senkt, dass sie letztendlich gar nicht mehr passieren.
Unser Antrag fasst einige wichtige Punkte zusammen, die sich aus der täglichen Praxis dieser Energieschuldnerberatung ergeben – und nicht, Herr Schultze-Berndt, wie Sie immer behaupten, aus einem Symposium der Berliner Stadtwerke. Das können Sie gern im Wortprotokoll nachlesen. – Wir fordern z. B. auf – Herr Efler hat es schon gesagt –, dass Netzbetreiber nicht über Feiertage und Wochenenden sperren. Es gibt EU-Länder, da gibt es sogar ein Verbot von Energiesperren während der Wintermonate. Manche deutsche Städte bieten sogar einen Winter- oder Weihnachtsfrieden an – warum sollte das in Berlin nicht möglich sein? Warum wird eigentlich schon bei so geringen Beträgen gesperrt? – Zusammen mit den anfallenden Gebühren aus Mahnung, Sperrung, Entsperrung sind die Betroffenen häufig in einer Verschuldungsspirale, die dann genau dazu führt, dass die nächste Energiesperre wieder bevorsteht. Und oftmals übersteigen die Folgekosten den eigentlichen Zahlungsrückstand, der 2017 in Deutschland durchschnittlich bei 117 Euro lag. Auch darüber müssen wir mit den Energieversorgern reden und eine sozialverträgliche Lösung finden.
Ja, natürlich wissen wir, dass wir als Land Berlin nicht alles regeln können. Wir können lediglich mit den Berliner Stadtwerken agieren, und da gab es bisher nicht eine einzige Stromsperre. Deswegen ist es ja auch so wichtig, dieses Gespräch zu suchen, und Herr Efler hat schon gesagt, dass man bereits erste Effekte dieses Antrags sieht. Es gibt Gesprächsrunden, und persönlich hatten wir auch schon Gespräche. Die Energieversorger sind bereit, etwas zu ändern. Deswegen hat sich dieser Antrag schon gelohnt.
Abschließend ist noch einmal ganz klar zu sagen: Das Bundesverfassungsgericht hat in seinen beiden Urteilen von 2010 und 2014 eindeutig festgestellt, dass die Versorgung mit Energie Teil eines menschenwürdigen Existenzminimums ist. Dem sollten doch auch die Regelungen von Energiesperren entsprechen. Wir als rot-rotgrüne Koalition sind bereit, unseren Beitrag dazu zu leisten. – Vielen Dank!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Erkenntnisstand hat sich seit der Debatte, die wir im Mai hatten, und auch nach den Ausschusssitzungen eigentlich gar nicht groß geändert. Selbstverständlich gehören Energie und Gas zu den existenziellen Bedarfsgütern der Menschen, und selbstverständlich muss das Interesse aller sein, dass Stromsperren so wenig wie möglich und im besten Fall gar nicht verhängt werden. Wir haben nun diesen Antrag auch im Ausschuss intensiv diskutiert, und es gibt – das habe ich auch im Ausschuss gesagt – Ansätze in diesem Antrag, die wir unterstützen. Dabei ist eine Grundidee richtig, die auch von den Anbietern durchaus im eigenen Interesse befürwortet wird, dass nämlich Informationen so früh wie möglich fließen. Das heißt, wenn klar ist und sozusagen die Befürchtung besteht, dass ein Haushalt oder eine Person zahlungsunfähig ist, dann sollte das so schnell wie möglich mit den Sozialträgern, die meistens mit eingebunden sind – sprich: vor allem Jobcenter –, und mit den Stromanbietern informatorisch ausgetauscht werden, um Stromsperren im Vorfeld zu verhindern. Das ist ein richtiger Ansatz.
Genauso richtig ist der Ansatz in diesem Antrag, einen Runden Tisch zu gründen. Gegen Runde Tische kann man zunächst einmal nichts haben, also wenn sich Leute an einen Runden Tisch setzen. Besonders die Schreiner, die diese runden Tische herstellen, haben nichts dagegen.
[Beifall bei der FDP – Beifall von Jürn Jakob Schultze-Berndt (CDU) – Heiterkeit bei der FDP und der CDU]
Aber wichtig ist, dass dann auch etwas dabei herauskommt. Wohlfeil in diesem Antrag ist, dass man gewissermaßen versucht, die moralische Schuld den Energieversorgern und den Netzbetreibern zuzuschieben und zu sagen, sie müssten generell generöser sein. Die Schwelle für Sperrverfahren soll hochgesetzt werden, und es soll sogar auf eine Bonitätsprüfung verzichtet werden, was nichts anderes heißt, als Informationen, die wichtig sind, um so etwas zu verhindern, nicht zur Kenntnis zu nehmen. Es ist letztendlich eine Maßnahme zulasten Dritter, die Sie hier beschließen wollen, nämlich zulasten der Stromanbieter und der Netzanbieter, oder mit anderen Worten: zulasten der Kunden, die das bezahlen sollen, also der ganz überwiegenden Mehrheit, die ihre Stromrechnung bezahlt. An die müssen wir ja auch denken.
Wenn Sie so einen Antrag stellen, würde ich auch das Prinzip befürworten: Wer bestellt, bezahlt. – Da fehlt, und das habe ich schon im Mai gesagt, das Preisschild. Sie müssen sagen, was dann die Stromanbieter bezahlen sollen, und letztendlich müsste sich der Berliner Senat bereit erklären, das zu finanzieren, denn es ist – und da hat mein Vorredner, Herr Schultze-Berndt, vollkommen recht – vor allem Sozialpolitik, über die wir dann reden, für Menschen, die selbst aus vielfältigen Gründen nicht in der Lage sind, ihre Stromrechnung zu bezahlen, obgleich es auch heute schon Härtefallregelungen und vielfältige Maßnahmen gibt, um es so weit überhaupt nicht kommen zu lassen. Das stört uns an diesem Antrag, denn das ist wohlfeil formuliert, und insofern können wir uns bei der Abstimmung auch nur enthalten. – Herzlichen Dank!