Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Abgeordneter Dregger! Solche selbstkritischen Beiträge schätze ich besonders.
Selbstverständlich kenne ich den Zustand der Dienstgebäude der Polizei, gar nicht so sehr aus meiner Eigenschaft als Senator für Inneres und Sport – auch dort habe ich schon Dienststellen besucht, übrigens auch bei der Feuerwehr –, sondern aus meinen vorherigen Tätigkeiten und habe eine sehr genaue Vorstellung davon, wie der bauliche Zustand dieser Dienstgebäude, insbesondere der der Sanitäranlagen ist.
Das Abgeordnetenhaus wird über den Nachtragshaushalt und über den neuen Doppelhaushalt 2018/2019 zu beraten haben und wird dabei auch festzulegen haben, welche Investitionsmittel eingesetzt werden können. Darüber hinaus müssen wir beraten, ob SIWA-Mittel zur Verfügung stehen. Ich gehe im Moment bei der Planung von den Summen aus, die in der Koalitionsvereinbarung zur Verfügung stehen. Ich habe schon darauf hingewiesen: Ein gesunder Realismus bei der Frage, welche Mittel in welchen Zeiträumen umzusetzen sind, ist durchaus angebracht. Denn was die Kolleginnen und Kollegen bei der Polizei und Feuerwehr nicht gebrauchen können, ist es, große Worte zu machen und hinterher das Vertrauen zu enttäuschen. Das wissen Sie am besten.
Ich war vor einigen Tagen im Polizeigebäude Bayernring. Herr Senator, dort zieht es so durch die Fenster, dass sich die Polizeibeamten mit Decken behelfen, die sie über ihren Schoß legen.
Ja! – Möchten Sie eventuell erst einmal Dienstdecken für die Polizeibeamten anschaffen? Das ist preiswert.
Sehr geehrter Abgeordneter! Solche Pläne verfolge ich gegenwärtig nicht. Wir sind im Moment mit einer Bestandsaufnahme befasst und sind uns der Problematik durchaus bewusst.
Der Opfer des Nationalsozialismus gedenken. Erklärung des Abgeordnetenhauses von Berlin zum Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus am 27. Januar 2017
Dringlicher Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion Die Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Annahme einer Entschließung Drucksache 18/0109
Der Dringlichkeit hatten Sie bereits eingangs zugestimmt. In der Beratung beginnt die Fraktion Die Linke und dort die Kollegin Helm. – Bitte schön!
Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Meine Damen und Herren! Liebe Gäste! Liebe Berlinerinnen und Berliner, an die sich unser Aufruf auch richtet! Morgen, am 27. Januar begehen wir gemeinsam den Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus. Das ist keinesfalls so selbstverständlich, wie uns manche heute weismachen wollen. Erst 1996 wurde er vom damaligen Bundespräsidenten Roman Herzog, dessen wir zum Anlass seines Todes in unserer letzten Sitzung gedacht haben, eingeführt und auf den Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz durch die Rote Armee festgelegt.
Bis dahin war es ein langer Weg. Gedenkkultur wurde immer kontrovers diskutiert. Menschen, die das eigene erlittene Unrecht oder jenes, das Angehörige erleiden mussten, anklagten, sahen sich nicht selten erheblichen Widerständen und Anfeindungen ausgesetzt. Oft mussten
Ich erinnere nur beispielhaft an die Debatte um die Ausstellung, die die Beteiligung der Wehrmacht am Holocaust und anderen Kriegsverbrechen dokumentierte. Tatsächlich ist es den Nationalsozialisten in manchen Gemeinden gelungen, das jüdische Leben vollständig aus dem Gesellschaftsbild zu tilgen. Eine Aufarbeitung der begangenen Verbrechen fand danach lange nicht statt. Manchen schien es dadurch wohl leichter, die ungeheuerlichen Gräueltaten zu verdrängen und zu vergessen. Aber auch die lebendige queere Kulturszene in Berlin beispielsweise wurde durch das NS-System vernichtet. Diese kulturelle Lücke ist noch bis heute spürbar.
Präsident Richard von Weizsäcker betonte in seiner Gedenkrede 1985 als erster deutscher Politiker den Charakter des 8. Mai als Tag der Befreiung und brach mit der gängigen Lesart, dass die Kapitulation der Wehrmacht nichts als eine Niederlage der deutschen Nation gewesen sei.
Genau 15 Jahre danach sagte der Bundeskanzler Schröder bei der Gedenkveranstaltung, niemand würde mehr ernsthaft bezweifeln, dass der 8. Mai 1945 ein Tag der Befreiung gewesen ist. Heute wissen wir, dass er sich leider geirrt hat. Aber wir sehen uns auch neuen Herausforderungen gegenüber. Wir werden bald keine Zeitzeuginnen mehr zu Rate ziehen können. Und immer mehr Berlinerinnen und Berliner haben keine Groß- oder Urgroßeltern mit Täter- oder Opferperspektive, weil ihre Familie erst nach den NS-Verbrechen nach Deutschland oder Europa gekommen ist. Sie treten vielleicht mit ganz anderen Fragestellungen an die deutsche Geschichte heran. So bleibt unsere Gedenkkultur eine lebendige, die sich durch Erfahrungen und wissenschaftliche Erkenntnisse immer weiter entwickelt. Es ist geschehen, und folglich kann es wieder geschehen, sagt der Chemiker und Überlebende der Shoah, Primo Levi, und formulierte damit, worin die Aufgabe von Gedenkkultur besteht.
Wenn der Landes- und Fraktionsvorsitzende einer Partei heute wieder öffentlich behauptet, Ziel der Alliierten im Zweiten Weltkrieg sei es gewesen, die Deutschen mit Stumpf und Stiel auszurotten, und zugleich das Grauen des Holocaust unterschlägt, wenn er verschweigt, dass Hitler tatsächlich schon 1920 wörtlich ankündigte, die Juden mit Stumpf und Stiel ausrotten zu wollen, dann verkehrt er die Geschichte des deutschen Faschismus ganz bewusst in ihr Gegenteil.
Aber wir können und wir wollen und wir werden die Shoah in ihrer akribischen Planung, in ihrer bürokratischen Umsetzung unter den Augen unzähliger Schweigender nicht leugnen und nicht vergessen.
Wenn ein Bundestagskandidat und Richter verkündet, er erkläre hier und heute den Schuldkult für beendet, erinnert uns das rhetorisch und ideologisch daran, wie die Deutschen nach dem Versailler Vertrag auf den Krieg eingeschworen wurden. Wenn er behauptet, es würden Mischvölker hergestellt, um eine nationale Identität auszulöschen, dann ist dies die Art, in der später die Nürnberger Rassengesetze begründet wurden. Und wenn eine Fraktion dieses Hauses ethnisches Profiling fordert, dann läuft das allem zuwider, was uns die Geschichte eigentlich lehren sollte. Es ist geschehen, folglich kann es wieder geschehen. Mir und uns allen muss der Schwur der Überlebenden des KZ Buchenwald Verpflichtung sein, dessen wichtigste Herausforderung ohne aktives Gedenken nicht angenommen werden kann: Nie wieder!
Deshalb bitte ich Sie – in tiefem Dank an alle, die bereit waren, ihre Erfahrungen mit unserer Gesellschaft zu teilen, damit sie lernen kann, morgen aktiv den Gedenktag zu begehen –, mit den Berlinerinnen und Berlinern gemeinsam und auch künftig das Gedenken wachzuhalten und weiterzuentwickeln und zu verteidigen. – Danke!
Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Der 27. Januar ist für uns alle ein Tag des Erinnerns und der Trauer. Am 27. Januar 1945 wurde das Konzentrationslager Auschwitz befreit. Auschwitz steht symbolhaft wie kein anderer Ort für die Gräueltaten während der nationalsozialistischen Schreckensherrschaft.
Es steht für den millionenfachen Mord, vor allem an Juden, aber auch an anderen Volksgruppen. Es steht für Brutalität, für Unmenschlichkeit, für Verfolgung und Unterdrückung, für unfassbare Grausamkeit und die Missachtung menschlicher Würde. Es steht für die in perverser Perfektion organisierte Vernichtung von Menschen.
Es war der kürzlich verstorbene Altbundespräsident Roman Herzog – der uns gerade in dieser Woche noch einmal sehr präsent ist –, der den 27. Januar zum Tag des
Er mahnte uns: „Geschichte verblasst schnell, wenn sie nicht Teil des … Erlebens war.“ – Und deshalb bleibt es unsere Pflicht, auch nach 72 Jahren und vielleicht gerade heute, in Zeiten wie diesen die Erinnerung an das dunkelste Kapitel der deutschen Geschichte wachzuhalten, in Zeiten wie diesen, in denen in Dresdner Kellern ein „Ende des Schuldkults“ ausgerufen wird, in denen im lupenreinen Vokabular der Nationalsozialisten der „vollständige Sieg über die Altparteien und ihre Regime“ zum politischen Ziel verklärt wird, in denen Antisemiten wieder in deutsche Parlamente gewählt werden, in denen die „Reinheit des Volkskörpers“ wieder einmal zum rassistischen Ideal einer angeblich neuen Rechten erhoben wird. Wenn die Geschichte nicht Teil des Erlebens war, dann muss es die Erinnerung sein. Und dann braucht es im Herzen unserer Hauptstadt ein Mahnmal unserer Schande, geschaffen, um Erinnerung an den Holocaust lebendig zu halten, vor allem auch bei jungen Menschen.
[Beifall bei der CDU, der SPD, der LINKEN, den GRÜNEN und der FDP – Vereinzelter Beifall bei der AfD]
Dann braucht es eine Erinnerungskultur, die sich nicht auf Rituale beschränkt, die nicht in Parlamentsdebatten verharrt, sondern immer wieder Anstoß gibt, die dazu einlädt, sich mit unserer Geschichte zu beschäftigen. Denn es gibt vieles, worauf wir Deutschen stolz sein dürfen, es gibt vieles, worauf ich stolz bin. Und ganz ausdrücklich gehört unser kritischer Umgang mit unserer Vergangenheit dazu. Denn dabei geht es nicht um Schuld, schon gar nicht um einen Schuldkult. Niemand hier im Saal trägt persönliche Schuld an der Weltkatastrophe, die von deutschem Boden vor 70 Jahren ausging, aber wir tragen Verantwortung dafür, dass diese Geschichte sich nicht wiederholt, nicht hier und auch nirgendwo sonst in dieser Welt.