Protocol of the Session on January 26, 2017

In der Beratung beginnt die AfD-Fraktion. Für die Fraktion spricht Herr Woldeit. – Bitte schön, Sie haben das Wort!

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Sehr geehrte Damen und Herren! Man kann es heutzutage gar nicht oft genug sagen – und es ist schon ein paar Mal thematisiert worden –, welche Akzente der Senat aktuell gerade im Bereich innere Sicherheit setzt. Es ist uns allen bekannt, dass es Justizsenator Behrendt gelungen ist nach seinem ersten großen Wurf, seiner Forderung von UnisexToiletten, ein weiteres Mal einen Meilenstein zu formulieren, nämlich mit der Überlegung – jetzt passen Sie auf! – Gefängnisrestaurants zu etablieren.

[Zuruf von den GRÜNEN: Zum Thema!]

Das ist kein Witz – auch für die Gäste auf den Besucherrängen –: Das sind in der Tat die aktuellen Schwerpunkte eines Justizsenators in Berlin.

Frau Senatorin Günther äußerte sich in der vergangenen Woche medial ebenfalls zum Thema Inneres. Ihr genialer Vorschlag: Der stadtweite Einsatz von Polizeibeamten zur Unterstützung von Schülerlotsen.

[Zuruf von den GRÜNEN: Zur Sache!]

Eine prima Idee, weil wir in gerade in Berlin so viele Polizisten haben. Ich stelle mir wahrlich die Frage: Wie kommen solche weltfremden Vorschläge zustande?

[Beifall bei der AfD – Beifall von Marcel Luthe (FDP) – Zuruf von der LINKEN: Zur Sache!]

Ich komme zur Sache, glauben Sie mir. – Selbst wenn man mit reichlich gutem Willen an das Sicherheitspaket des Innensenators Geisel herangeht, wenn man aufrichtig

betrachtet, dass es wahrlich kein Geschenk sein kann, bei einer rot-rot-grünen Regierung ausgerechnet das Innenressort zu leiten, selbst dann komme ich zu der Erkenntnis, dass es sich nur um ein kleines Sicherheitspäckchen handelt, viel zu gering, um der derzeitigen Sicherheitslage im Ansatz Herr zu werden.

[Zuruf von links: Zur Sache!]

Immerhin wird mittlerweile nachgebessert, und AfDForderungen wie die Angleichung der Besoldung der Polizei an das Bundesniveau sollen umgesetzt werden. – Ich höre schon, Sie sind richtig gespannt, was der Inhalt ist. Das finde ich richtig gut. – Da aus Senatskreisen kaum Lösungen kommen, ist mehr denn je gefragt, dass es eine gute und konstruktive Opposition gibt.

Ein Ansatz ist es, mit den Sicherheitsbehörden zu sprechen, wo der Schuh drückt, wo schnelle Hilfe seitens der Politik unmittelbare Früchte tragen kann, und nicht nur mit der Leitungsebene zu reden, sondern auch oder gerade mit der Arbeitsebene, mit den Beamten auf der Straße, dem Ermittler, der seine hohen Papierberge kaum noch bewältigen kann. – Das empfehle ich im Übrigen auch meinem Kollegen Dregger. Das kann mitunter der Sache dienlicher sein, als offene Briefe an unseren Fraktionsvorsitzenden zu schreiben. Aber das nur am Rande.

In solchen Gesprächen erfährt man unter anderem den Unmut seitens der Beamten des LKA über die Einstellung der Gemeinsamen Ermittlungsgruppe Identität, kurz „GE Ident“. Diese Ermittlungsgruppe wurde im Jahr 2000 eingeführt und im Jahr 2008 unter dem Senat Wowereit III wieder eingestellt. Schwerpunktmäßig befasste sie sich mit der Tätergruppe der sogenannten Scheinlibanesen und damit mit der Bearbeitung und Bekämpfung von organisierter Kriminalität, insbesondere der Bandenkriminalität und der Clanstrukturen. In meiner Schriftlichen Anfrage an den Senat im vergangenen Monat bat ich darum, mir über die Arbeit der Ermittlungsgruppe Auskunft zu geben. Insgesamt wurden über 1 000 Personen überprüft, 644 Ermittlungsverfahren geführt und in der Summe nahezu 100 Personen abgeschoben bzw. reisten freiwillig aus. Dabei handelte es sich nicht um die kleinen Fische, sondern um Intensivtäter und Kriminelle aus dem Milieu der organisierten Kriminalität arabischer Familienclans. Hier ist seitens der Ermittlungsbehörden eine Fachexpertise vorhanden, die nicht mehr genutzt wird.

Ich fragte den Senat weiter nach der Bewertung aufgrund des hohen Aufkommens von Asylantragstellern, deren Identität nicht zweifelsfrei feststellbar ist. Sie kennen das: verschwundene Pässe, verschwundene Ausweise, verschwundene sonstige Nachweise und somit schlicht und ergreifend eine illegale Immigration. Ich fragte, ob hier eine Notwendigkeit gesehen wird, die „GE Ident“ für das Land Berlin wieder zum Einsatz zu bringen. Die Antwort empfand ich verblüffend und entlarvend zugleich. Sinngemäß hieß es: Aufgrund der hohen Abschiebehemm

(Vizepräsidentin Dr. Manuela Schmidt)

nisse sieht der Senat hier aktuell keinen Bedarf. – Ein jeder mache sich dazu sein eigenes Bild.

Wir sehen hier sehr wohl einen Bedarf, und zwar einen sehr großen. Ich werbe bei Ihnen für die Zustimmung zu unserem Antrag, den wir gern im Innenausschuss weiter beraten können. Damit einher geht meine dringende Bitte an die Mitglieder der Koalitionsfraktionen: Denken Sie bitte im Sinne der Stadt, nicht im Sinne einer Klientelpolitik, welche ideologisch bestimmt ist! Helfen Sie mit, Ihrem Innensenator die Möglichkeit zu geben, seine Arbeit zu leisten! Wir sind dazu gern bereit. – Ich danke Ihnen!

[Beifall bei der AfD]

Vielen Dank! – Für die SPD-Fraktion hat jetzt Herr Abgeordneter Zimmermann das Wort. – Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Woldeit! Ich will festhalten, dass die Schwerpunkte, die Sie bei Sicherheit und Polizei so vermissen, gerade von der Koalition durch Maßnahmen zur Stärkung der Polizei gesetzt worden sind. Wir haben Maßnahmen zur Verbesserung der persönlichen Ausrüstung eingeleitet, wir verbessern die Infrastruktur für die Polizei – Stichwort Digitalfunk – und wir werden die Besoldung im gesamten öffentlichen Dienst, aber auch für die Polizei, in den kommenden fünf Jahren an das Niveau der anderen Bundesländer angleichen. Das haben nicht Sie erfunden, das haben wir festgelegt, und das werden wir auch durchsetzen.

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN – Karsten Woldeit (AfD): Wir haben es gefordert! Lesen Sie unser Programm!]

Wichtig ist in der Tat, dass die Polizei helfen kann – gemeinsam mit der Ausländerbehörde – bei unklarer Identitätslage die Klärung herbeizuführen. Es ist ganz klar, es muss Identitätsklärung in aufenthaltsrechtlichen Verfahren stattfinden – und zwar so gut es geht und auch, um ggf. auch aufenthaltsbeendende Maßnahmen vornehmen zu können – das ist vollkommen klar. Wenn keine Bleibeperspektive besteht, muss auch das stattfinden. Dazu braucht man die Identitätsklärung, das ist unbestritten. Die Frage ist nur, ob man hier anordnen soll, in welcher Struktureinheit, in welcher Organisationsform das geschehen muss. Ich würde, wir würden dringend appellieren, es der Polizei zu überlassen, in welcher Form und in welcher Organisationsstruktur sie diese Aufgabe erfüllt. Nicht erforderlich ist es jedenfalls, eine bestimmte Struktur anzuordnen. Wir sollten hierbei die Exekutivfunktion beachten und respektieren.

Ich will aber kurz darauf eingehen, was Herr Staatssekretär Krömer im Juni 2015 als Antwort auf die Kleine Anfrage meines Kollegen Tom Schreiber zu dem Thema mitgeteilt hat. Das ist hoch interessant und könnte vielleicht auch Sie noch einmal zum Nachdenken anregen. Da wird nämlich u. a. festgestellt:

Da sich … die Rahmenbedingungen nicht grundlegend verändert haben,

2015 gegenüber dem Zustand von 2008 oder dem davor –

erscheint die Einrichtung einer neuen Ermittlungsgruppe nicht erfolgversprechend. Die Bearbeitung polizeilicher Anteile an aufenthaltsbeendenden Maßnahmen bei Täterinnen bzw. Tätern schwerer Straftaten, unabhängig von ihrer Herkunft, ist innerhalb der Polizei gewährleistet.

Egal wie man sich jetzt also eine bestimmte Struktur vorstellt, wie sie günstig sein könnte oder nicht: Wir haben die Aussage der Polizei und des damaligen Staatssekretärs von vor etwa anderthalb Jahren, dass diese Funktionen gewährleistet sind. Wir müssen nicht in die Organisationsstruktur eingreifen. Deswegen bedarf es auch Ihres Antrags nicht. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der SPD und den GRÜNEN – Zuruf von Karsten Woldeit (AfD)]

Vielen Dank! – Für die Fraktion der CDU hat jetzt das Wort der Abgeordnete Dregger. – Bitte schön!

[Canan Bayram (GRÜNE): Immer schön an die Antwort von Krömer denken! – Benedikt Lux (GRÜNE): Früher war alles besser! Schleierfahndung, Videotechnik! – Zuruf von Anja Kofbinger (GRÜNE)]

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! In Vorbereitung der heutigen Plenarsitzung habe ich Ihren Antrag gelesen und zu verstehen versucht. Es sind noch Fragen offen, die wir sicherlich in der Ausschusssitzung im Detail klären können. Mir war nicht klar, an wen sich der Antrag richtet. Wenn Sie davon sprechen, dass sämtliche Institutionen sowie weisungsbefugte Amtspersonen einen Auftrag erhalten sollen, eine solche gemeinsame Ermittlungsgruppe zu gründen, vermute ich, es richtet sich an die Berliner Polizei, dass sie das tun soll. Das können wir aber vielleicht noch weiter erörtern.

Sie haben auf die Geschichte der GE Ident hingewiesen; das war alles zutreffend. Die diente letztlich dem Ziel, eine bestimmte Personengruppe, die sich in Deutschland aufhielt, ohne ein Aufenthaltsrecht zu besitzen, zu iden

(Karsten Woldeit)

tifizieren, Ermittlungen durchzuführen und die Möglichkeit einer Ausweisung und Abschiebung zu überprüfen. Auch heute ist es natürlich richtig, dass wir die Mittel haben müssen, ungeklärte Identitäten aufzuklären. Grundsätzlich dafür zuständig ist, jedenfalls wenn es sich um Asylbewerber handelt, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, das die Registrierung vorzunehmen, die Asylanträge zu prüfen und im Zuge dessen auch die Identitäten aufzuklären hat. Ich glaube, dass auf Bundesebene sehr viel in den letzten zwölf Monaten geschehen ist, um die personelle, aber auch materielle Ausstattung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge so zu versehen, dass das gewährleistet ist.

Darüber hinaus ist es auch richtig, dass auch die Berliner Polizei, das LKA hier tätig werden müssen, sofern ein Bedarf besteht.

[Karsten Woldeit (AfD): Die sind schon tätig!]

Ja, die sind auch schon aktiv. – Ich habe nur noch nicht gehört, und das können wir vielleicht im Detail klären, dass es vonseiten des LKA oder der Polizei den Bedarf oder den Wunsch gibt, nun eine so geartete Ermittlungsgruppe GE Ident einzusetzen. Ich muss auch sagen, dass das sehr detailliert ist. Ich kann mir auch anderes vorstellen. Das Entscheidende ist doch, dass Identitäten zweifelsfrei geklärt werden, sofern sie zweifelhaft sind. Ich habe überhaupt keinen Zweifel, dass die Berliner Polizei mit allem Nachdruck daran arbeitet. Sollte es dort Handlungsbedarf geben, bin ich für alles aufgeschlossen. Bisher kann ich ihn nicht erkennen. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der CDU und der SPD]

Vielen Dank! – Für die Fraktion Die Linke hat jetzt das Wort der Abgeordnete Taş. – Bitte!

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Als ich das letzte Mal hier stand und einen Antrag der AfDFraktion auseinandernahm, fuchtelten die Herrschaften mit Händen und Füßen

[Lachen bei der AfD]

und beschimpften mich. Ihre Handlanger in den sozialen Netzwerken ließen nicht lange auf sich warten; Beschimpfungen und Drohungen folgten übrigens im Minutentakt. Nun bin ich mal gespannt, welche Reaktionen ich heute ernten werde.

[Zuruf von Marc Vallendar (AfD)]

Aber gut, wir müssen uns leider auch an diese Zeiten gewöhnen.

[Zuruf von Stefan Franz Kerker (AfD)]

Nun zum Antrag: Es handelt sich hierbei um einen klassischen Scheinantrag der AfD-Fraktion, der selbstverständlich abzulehnen ist. Ziel dieses Antrags ist es keineswegs, ein Instrument einzuführen, das die Identitätsfeststellungsverfahren in Berlin voranbringen könnte. Ganz im Gegenteil!

[Zuruf von Georg Pazderski (AfD)]

Es geht lediglich darum, Geflüchtete unter Generalverdacht zu stellen, damit die AfD wieder ihrer Berufung nachkommen kann – hetzen, hetzen, hetzen.

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – He! von der AfD – Stefan Franz Kerker (AfD): 80 Prozent haben keine Papiere!]

Sie können vielleicht ein bisschen zuhören lernen, dann können Sie auch noch etwas dazulernen! – Wenn sich die AfD-Fraktion tatsächlich mit der Geschichte und den Erfahrungen mit der GE Ident beschäftigt hätte, hätte sie den Antrag in dieser Form sicherlich nicht gestellt.