Das war Konsens in Deutschland. Alle Bundesländer haben eine derartige Ermächtigungsgrundlage geschaffen, so auch das Land Berlin.
Dann kam der rot-rote Senat des Jahres 2004 auf die Idee, diese gesetzliche Ermächtigung zu streichen. Das war wieder ein Berliner Sonderweg. Heute wissen wir, dass das ein Fehler war. Nicht nur islamistischer Terror in Europa ist grenzüberschreitend. Das gilt auch für die organisierte Kriminalität. Verschiedene Bundesländer haben sehr gute Ermittlungserfolge mit der Schleierfahndung erzielt. Auch Berlin ist Ziel und Durchgangsstation für Gefährder und Großkriminelle.
Daher schlagen wir vor, unserer Polizei diese gesetzliche Ermächtigung zurückzugeben. Sie soll zur vorbeugenden
Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität die Befugnis erhalten, Personen anzuhalten, zu befragen, Ausweispapiere zu prüfen und mitgeführte Gegenstände in Augenschein zu nehmen. Wir sind sicher, dass diese Maßnahme, die einer Anordnung des Polizeipräsidenten bedarf, nur dann eingesetzt wird, wenn sie sinnvoll ist. Wir vertrauen unserer Polizei, dass sie damit verantwortungsvoll umgeht. Dann wird die Sicherheit unserer Bürger auch hierdurch erhöht. – Herzlichen Dank!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sehr verehrter Herr Dregger! Sie haben hier eingangs wieder an einigen Legenden gestrickt, die auch durch Ihre Wiederholungen nicht richtig werden, sondern einfach Behauptungen sind. Dagegen kann ich nur sagen: Bei Abschiebungen wird das Bundesrecht angewendet. Wenn die Pflicht zur Ausreise nicht anders durchzusetzen ist, wird selbstverständlich auch abgeschoben. Also verkünden Sie hier bitte nicht weiter Märchen über die Praxis des rotrot-grünen Senats.
Auch die anderen Einlassungen zu Rechtsgrundlagen für die Polizei sind etwas schräg, Herr Dregger. Deswegen möchte ich zu Anfang gleich eine Sache klarstellen. Wir dürfen uns nicht der Illusion hingegeben, dass wir durch eine Vielzahl von zusätzlichen Befugnissen für die Polizei terroristische Anschläge verhindern oder ausschließen können. Das Restrisiko wird weiter bestehen. Wir können nicht mit allerhand Vorschlägen, die Sie hier unterbreiten, eine Orgie von zusätzlichen Befugnisnormen durchlaufen und damit den Leuten einreden, die Sicherheit würde erhöht. Das ist nicht der Fall, Herr Dregger.
Schleierfahndung ist nur im Zusammenhang mit den offenen Grenzen im Schengen-Raum zu verstehen. Erleichterte, verdachtsunabhängige Kontrollen der Schleierfahndung sind ins Landesinnere verlagerte Grenzkontrollen. Der ursprüngliche Gedanke war und ist, dass in einem Bereich von 30 Kilometern Abstand auch noch Grenzkontrollen hinter der Grenze möglich sein sollen, und zwar auch anlasslos und verdachtsunabhängig. Diese werden tatsächlich auch gemacht. Der Zweck ist nicht, in der ganzen Stadt Berlin verdachtsunabhängige Kontrollen
zuzulassen. Das war von Anfang an nicht der Zweck und kann auch jetzt nicht der Zweck sein, Herr Dregger.
Es wird tatsächlich in den Grenzländern mit diesem Instrument kontrolliert, selbstverständlich in Brandenburg, in Bayern. Das ist auch richtig. Wer in Berlin aber erstmalig deutschen Boden betrifft, tut das über die Flughäfen. Und auf den Flughäfen wird selbstverständlich die Kontrolle durch die Bundespolizei gewährleistet. Das heißt, es ist höchst fraglich, Herr Dregger, ob mit Ihrem Antrag überhaupt ein zusätzlicher Nutzen in Berlin erzielt werden kann.
Deshalb gibt es tatsächlich noch mal den Hinweis auf das Jahr 2004, als wir die Diskussion schon einmal hatten. Und auch damals war es die Auffassung der Praktiker, dass der damalige § 18 Abs. 7 ASOG mit einer vergleichbaren Regel im Grunde nicht effektiv war. Es waren von 1999 bis 2002 insgesamt acht Maßnahmen auf dieser Grundlage vorgenommen worden. Da wurden allerlei Beifänge erzielt, aber nicht der eigentliche Kern, der damit erzielt werden sollte. Auch heute sind keine neuen Erkenntnisse vorgetragen worden – auch Sie, Herr Dregger, haben sie nicht vorgetragen –,
warum diese Norm besser helfen soll, terroristische Anschläge zu vereiteln. Und deswegen sind Sie tatsächlich die Begründung hier schuldig geblieben.
Wir haben Instrumente im ASOG. Wir haben den § 21 Abs. 2 Nr. 4, wir haben die Möglichkeit, über Kontrollstellen – wenn es denn wirklich erforderlich ist –, auch solche Kontrollen durchzuführen, auch verdachtsunabhängig, und wir müssen vor allen Dingen unser Augenmerk darauf legen, dass wir die vorbeugende Verbrechensbekämpfung dort verbessern, wo tatsächlich noch Luft nach oben ist. Das gibt es, das ist zum Beispiel der Zugriff auf Daten, die Vernetzung von Datenbeständen zwischen Bund und Ländern, auch im Schengen-Raum, ein besserer Austausch der erhobenen und bekannten Daten über Gefährder zum Beispiel. Es geht aber auch um eine gezielte Observation, was wir machen. Es geht darum, wirklich die nachrichtendienstlichen Mittel einzusetzen, um Erkenntnisse zu gewinnen, vorbeugend ermittelnd in kriminelle Strukturen einzudringen. All diese Dinge müssen an der richtigen Stelle intensiviert werden. Ihr Antrag wird dazu nichts beitragen. – Danke schön!
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die AfD-Fraktion unterstützt den vorliegenden Antrag, die Schleierfahndung in den Maßnahmenkatalog des ASOG aufzunehmen. An die Kollegen der CDU gerichtet, stellt sich allerdings – nicht zum ersten Mal heute übrigens – die Frage, weshalb sie jetzt, aus der Opposition heraus, beantragen, was sie bis vor wenigen Monaten in der Regierung selbst hätten umsetzen können.
Im Übrigen dient die Schleierfahndung dazu, genau den Risiken vorzubeugen, die Sie mit Ihrer Politik der bedingungslosen Grenzöffnung, welche Sie auf Bundesebene betreiben, selbst deutlich erhöhen.
Nichtsdestotrotz befürworten wir die Maßnahme als einen Mosaikstein, der zu einer verbesserten Sicherheitslage in Berlin beitragen kann. Wie Sie vielleicht wissen – Herrn Zimmermann spreche ich hier auch an –, haben sich anlässlich eines vergleichbaren Gesetzesantrages in NRW die Fachleute der Polizeigewerkschaften im letzten Jahr gerade mit Blick auf die Zunahme der grenzüberschreitenden Kriminalität unisono für eine solche Regelung ausgesprochen.
Thüringen als Binnenstaat hat auch eine solche Regelung. – Und auch der Bundesinnenminister hat in seinen kürzlich veröffentlichten Leitlinien für einen starken Staat die Ausweitung der Schleierfahndung durch die Bundespolizei gefordert.
Mit der Schleierfahndung würden auch spezielle Deliktsfelder wie der jeweils bandenmäßig organisierte Taschendiebstahl und Wohnungseinbruch, die in Berlin besonders virulierend sind, adressiert.
Greifen wir beispielhaft den Wohnungseinbruch heraus! Ausweislich der Kriminalstatistik war hier im Jahre 2015 jeder dritte Tatverdächtige ein sogenannter reisender Täter, und fast 50 Prozent der Tatverdächtigen waren
Eine Ablehnung der Schleierfahndung ließe sich vor dem Hintergrund dieser Lage eigentlich nur rechtfertigen, wenn Sie mit einem tragfähigen Alternativkonzept aufwarten können. Sehen wir also, was Ihr Koalitionsvertrag hierzu sagt: Ich zitiere von Seite 140:
Mit präventiven und repressiven Maßnahmen wird die Koalition die Bekämpfung des oft bandenmäßig organisierten Einbruchs- und Fahrraddiebstahls intensivieren.
Zitat Ende. – Das ist es dann auch schon. Welche repressiven und präventiven Maßnahmen genau Sie ergreifen wollen, verschweigen Sie uns geflissentlich. Mit der soeben zitierten Plattitüde, die jeder Polizeischüler in der ersten Woche seiner Ausbildung hätte formulieren können, hat es für Sie tatsächlich sein Bewenden. Wenn man dies dann noch abgleicht mit der Weitschweifigkeit und Detailverliebtheit an vielen anderen Stellen des Koalitionsvertrages wird eines klar: Sie haben schlicht keinen Plan und behelfen sich deshalb mit einer Allerweltsfloskel.
Ich komme zum Schluss. – Die Schleierfahndung kann ja eine hilfreiche Maßnahme sein, um insbesondere die organisierte Bandenkriminalität wirksamer als bisher zu bekämpfen. Und wer jedweden Lösungsvorschlag aus der Opposition pauschal ablehnt, selber aber über keinerlei Konzept verfügt, hat sich als Regierung schon jetzt schlicht disqualifiziert. – Vielen Dank!
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eine Wiedereinführung der Schleierfahndung würde die Bundeshauptstadt um 18 Jahre zurückwerfen. Das können und dürfen wir in Berlin nicht zulassen!
[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den Grünen – Steffen Zillich (LINKE): Genau! – Georg Pazderski (AfD): Das machen Sie doch schon!]
Die sogenannte Schleierfahndung wurde – für alle, die es noch nicht wissen, die aber noch dazulernen können – in Bayern erfunden und sollte ursprünglich dazu dienen, verdachtsunabhängig beziehungsweise lagebildabhängig im grenznahen Bereich Kontrollen durchzuführen, um die grenzüberschreitende Kriminalität zu bekämpfen.
Sie sah in der Berliner Realität jedoch ganz anders aus: 1999 eingeführt und bis zum Jahr 2002 nur achtmal durchgeführt, wurde sie nur für die Ermittlung von Delikten wie Trunkenheit im Verkehr und Fahren ohne Führerschein eingesetzt. Schönen Dank, aber dafür hätte man sie auch damals nicht gebraucht.