Wir erleben Berlin im Jahr 2019, die Flächenkonkurrenzen werden immer größer. Wir alle erleben, dass im wahrsten Sinne des Wortes der Boden knapp wird, auf dem wir hier leben, auf dem wir uns bewegen. Wir haben akuten Flächenbedarf, für neuen Wohnungsbau, für Erholungsflächen, für Grünflächen, für viele andere Nutzungen, für soziale und technische Infrastruktur. Wir erleben das, weil wir auch umgesteuert haben bei der Liegenschaftspolitik. Wir verkaufen keine Flächen mehr, sondern wir kaufen Flächen von Privaten, wann immer das machbar und darstellbar ist. Wir sind für gestapelte Nutzungen, denn da, wo bisher nur eine Etage mit einem Supermarkt oder einer Kita oder Schule war, machen wir heute möglichst mehrere Etagen mit anderen Nutzungen drüber, zum Beispiel Wohnungen.
Jetzt haben wir im Jahr 2019 eine unglaubliche Chance. Ich finde und glaube, wir alle sollten sie für das Land Berlin und uns alle gemeinsam nutzen, denn wir können hier Fehler der Stadtplanungen aus den 1950er-, 1960er- und 1970er-Jahren gemeinsam korrigieren, indem wir sagen: Das, was an großen Verkehrsflächen, insbesondere für Autobahnen, in großen, riesigen Betonbauwerken in Trogbauweise, errichtet wurde, was an großen Schienenverkehrswegen in Berlin errichtet wurde, das können wir jetzt in einem wirklich großen Akt, indem wir eine Jahrhundertchance nutzen, ändern. Wir sagen: Wir wollen neuen Stadtraum schaffen, indem wir diese großen Verkehrsflächen überdeckeln, überbauen und damit neuen Raum für Berlin schaffen.
Die Chancen waren nie besser als heute, denn der Bund ist gerade dabei, zum Beispiel bei der Autobahn A 100, wo wir mit unserem Koalitionsantrag den Senat auffordern, prioritär daran zu gehen, dort ganz große Abschnitte neu zu bauen, weil sie schlichtweg marode sind. Das gilt für die Rudolf-Wissell-Brücke, das gilt für das Autobahndreieck Funkturm, das gilt für die Westendbrücke in diesem Bereich in Charlottenburg. Dort werden viele, viele Millionen Euro, wahrscheinlich hunderte Millionen Euro, verbaut werden. Es wäre fahrlässig, jetzt nicht einen Moment innezuhalten und zu sagen: Wir schauen, was wir eigentlich in diesem Abschnitt, zum Beispiel bei der Autobahn, viel besser machen als früher, als die autogerechte Stadt geplant wurde. Wo können wir heute Stadträume wieder zusammenführen, wo können wir durch eine Überdeckelung von diesen riesigen Autobahnabschnitten und auch Bahnabschnitten tatsächlich neuen Raum gewinnen? Dieser Stadtraum bedeutet, dass wir für die Stadtplanung Flächen gewinnen, um dort zum Beispiel Grün- und Erholungsanlagen zu errichten, um dort zum Beispiel Kleingärten zu errichten, Spiel-, Sport- und Erholungsflächen zu errichten und ja, sogar Wohnungsbau zu machen. Vielleicht nicht direkt auf diesen Flächen, aber durch die Verlagerung und Kombination mit anderem wird das möglich sein. Denn die überdimensionierten Verkehrswege trennen ganze Stadtteile, sie trennen Menschen, gerade in den hochverdichteten Innenstadtbezirken, wo wir diese Freiflächen viel dringender brauchen als noch an vielen anderen Stellen.
Ich weiß, wir beraten heute über mehrere Anträge. Wir hatten sowohl im Umwelt- als auch im Stadtentwicklungsausschuss schon die intensive Diskussion: Wer hat denn nur die Idee als Erster gehabt, so etwas zu überdeckeln und zu überbauen?
Ja, darüber könnten wir jetzt noch zwei Stunden reden. Alle sagen „wir“ und „hier“. – Ich kann ihnen sagen, es waren Expertinnen und Experten in der Stadtentwicklungsverwaltung, in der Bauverwaltung vor über 20 Jahren, bevor wir alle wach geworden sind. Da gab es nämlich schon erste Machbarkeitsstudien dafür. Umso wichtiger ist heute – das finde ich so faszinierend –, dass die Idee so viele Befürworter gefunden hat. Praktisch alle Fraktionen im Berlin Abgeordnetenhaus sind dafür, als Einzige überlegt noch die AfD-Fraktion. Sie wird sich wohl enthalten, wie in den Fachausschüssen.
Wir erleben, dass jetzt sogar aus den Bezirken zusätzliche Initiativen kommen, neben dem, was in Charlottenburg möglich ist, neben dem, was bei der A 100 möglich ist, zum Beispiel aus der BVV oben im Norden, in Reinickendorf, Überbauung vorzunehmen, aus TempelhofSchöneberg, aus Steglitz-Zehlendorf. Da gibt es viele Initiativen. Ich darf auch einmal verraten: Nicht wir hier im Parlament waren es, die sich das zuerst ausgedacht haben. Es kam aus der Stadtgesellschaft. Es waren
Bürgerinitiativen, die vor Ort gesagt haben: Können wir Autobahnabfahrten verkleinern, umlegen, sodass tatsächlich neuer Raum für uns und alle hier gewonnen werden kann? Das sollten wir tatsächlich aktiv annehmen.
Ich freue mich sehr, dass wir in einer gemeinsamen Anstrengung auch im Fachausschuss zum Beispiel mit einer Klarstellung, Präzisierung von der FDP-Fraktion diesen Antrag weiter schärfen konnten. Ich darf den einen Satz, den wir als echten politischen Auftrag sehen, nochmal hier zitieren:
Der Senat wird aufgefordert, als erstes Pilotprojekt im Zuge der Planungen für Neu- und Ersatzbauten an der Stadtautobahn (BAB 100) in Charlottenburg vor Festlegung auf eine Vorzugsvariante unverzüglich mit einer Masterplanung für diesen Bereich zu beginnen.
Das bedeutet, der Senat hat einen klaren Arbeitsauftrag, der heißt: Nicht einfach den Bund machen lassen, nicht einfach Hunderte von Millionen Euro in neuen Beton verbauen, ohne diese große Jahrhundertchance zu nutzen. Das wäre wirklich fatal, denn wir können zeigen, dass wir als Stadt Berlin dazugelernt haben. Wir haben gelernt, dass es nicht nur gut ist, große Schneisen in die Stadt zu schlagen und dann zu denken, alle seien glücklich damit, wenn die Autos auf der Autobahn fahren oder Fahrzeuge auf Schienenwegen. Wir haben eine unglaubliche Chance.
Dazu können sich alle, nicht nur wir hier im Parlament, äußern. Die Kollegin Ülker Radziwill hat eine Bürgerpetition gestartet. Daran können sich alle, die das wollen, online beteiligen. Ich hoffe sehr, dass der Senat, liebe Frau Senatorin, durch tatkräftiges Handeln gegenüber dem Bund entsprechend auftritt. Eine solche Jahrhundertchance erlebt man als Politikerin oder als Politiker wahrscheinlich nur einmal im Leben. Darum sollten wir jetzt aktiv werden, gemeinsam handeln und zeigen: Mit einer Überbauung von vorhandenen Verkehrswegen können wir viel neuen Stadtraum für viele neue tolle Nutzungen schaffen. Lassen Sie uns das gemeinsam voranbringen! – Vielen Dank!
Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Daniel Buchholz! Sie haben von einer Jahrhundertchance gesprochen. Wir haben ja schon die eine oder andere hier im Haus verstreichen lassen. Vielleicht ist es tatsächlich eine, bei der wir als Abgeordne
tenhaus einen Impuls in die richtige Richtung geben, und das weitgehend parteiübergreifend. Warum die AfD meint, uns auf der rechten Überholspur noch etwas einpflanzen zu müssen, sei dahingestellt, aber im Großen und Ganzen waren wir uns in der Zielrichtung im Fachausschuss einig.
Ich will jetzt auch nicht daran anschließen, wer wann in der langen Historie dieses Themas zuerst die Idee hatte. Es wurde ja richtig beschrieben, dass es eine Geschichte ist, die noch etwas weiter in die Vergangenheit reicht als Fachausschussberatungen und Wahlprogramme, wann auch immer wir sie geschrieben haben. Das wurzelt tief in stadtplanerischen Überlegungen vergangener Jahrzehnte.
Deswegen ist es aber trotzdem nicht zu spät, das hier im Abgeordnetenhaus aufzugreifen und zu einem Zeitpunkt zu benennen, an dem wir mehr Raum in der Stadt brauchen. Das ist ein Aspekt von vielen. Wir werden auch über andere zu diskutieren haben. Wir haben hier im Haus auch schon andere miteinander verabschiedet. Wenn wir z. B. bezüglich des Umbaus des Breitenbachplatzes in einem spannenden überparteilichen Konsens zueinandergefunden haben, dann ist das ein weiteres Beispiel dafür, dass wir sicherlich keine autofeindliche Politik betreiben, wenn wir das städtebauliche Erbe der sogenannten autogerechten Stadt auf das Potenzial hin überprüfen, heute Stadtqualität auch da zurückzugeben, wo frühere Überlegungen entweder in eine falsche Richtung liefen oder unvollendet blieben, was ja vielfach der Fall ist.
Fürs Protokoll: Das ist ein seltener Sachverhalt. – Beim Breitenbachplatz wird es sicher nicht bleiben. Wir werden uns sicherlich noch den einen oder anderen Schwerpunkt hier im Abgeordnetenhaus vornehmen, an dem wir diese Potenziale benennen und den Senat zum Handeln auffordern.
Damit will ich aber gleichzeitig meiner Sorge Ausdruck verleihen. Ich will hoffen, dass wir hier eine Jahrhundertchance ergreifen. Ich will hoffen, dass insbesondere der Senat diesen Anschub aus dem Parlament ernst nimmt und die Chance ergreift. Wir fordern den Senat zum Handeln auf. Wir tun das nicht selbst, wir tun das übrigens auch nicht nassforsch, sondern in einer sehr überlegten Art und Weise. Natürlich möchten wir, dass die Potenziale untersucht werden, dass die Machbarkeit überprüft wird, dass man uns hier im Haus auch anhand von realisierbaren Vorschlägen ein Bild davon gibt, wann, in welcher zeitlichen Reihenfolge und insbesondere auch abgestimmt auf die Baumaßnahmen, die der Bund ohnehin schon terminiert hat, Maßnahmen der Überbauung von Autobahnen, der Deckelung von Troglagen entlang der Stadtautobahn realisiert werden können. Da bin ich ganz bei Ihnen, Herr Buchholz. Ich bin sehr gespannt auf das Resultat.
Ich gestehe, in der Ausschussberatung klang mir die Verkehrsverwaltung da noch etwas zurückhaltend, und zwar nicht im Sinne von „haben wir noch nie gesehen“ und „wo kommen wir denn da hin“, sondern im Sinne von „das haben wir uns schon vor 20 Jahren angeguckt, das war damals schon schwierig, und dann wird es das heute auch sein“. Diese Auffassung teile ich nicht. Ich glaube, dass gerade wir hier in Berlin heute auch eine andere Kraft, andere PS auf die Straße bringen können, wenn es um Innovationskraft, um innovative Ansätze der Stadtplanung und städtebauliche Konzepte geht und das gerade bei einer solchen Kombination von Verkehrsraum, der wohnraumorientierten oder grünraumorientierten Überbauung oder wie auch immer gearteten gemischten Nutzung. Da sind wir auch beieinander, dass wir uns da nicht zu sehr einengen, sondern uns ganz offen und ohne Scheuklappen ansehen sollten, wie zusätzliche Fläche für die Stadt gewonnen werden kann und was am jeweiligen Standort der Stadt am meisten nützt. Das ist jedenfalls unser Ansatz, und darum nehmen wir es Ihnen auch nicht übel, dass Sie unseren Impuls und Anschub brauchten, um Ihren Antrag etwas zu beschleunigen. Unter dem Strich nutzt es der richtige Sache, nämlich unserer Stadt, wenn der Senat liefert.
Das möchte ich hier jetzt noch einmal ausdrücklich an die Adresse der Senatorin richten. Diese Erwartung habe ich schon. Ich möchte nicht, dass das dilatorisch angegangen wird. Ich wünsche mir auch, dass im Haushalt entsprechende Vorsorge für eine solche Machbarkeitsstudie getroffen wird. Ich bin mir sehr bewusst, dass das zeitlich anspruchsvoll sein kann, wenn wir belastbare Resultate haben wollen. Aber insbesondere dann kommt es darauf an, jetzt sofort anzufangen, nicht zu warten, damit wir die Ergebnisse der Machbarkeitsstudie noch vor dem Ende dieser Legislaturperiode erleben. Ansonsten stirbt das wieder einen langsamen Tod, und das habe ich in der Berliner Stadtentwicklung und Stadtplanung ehrlicherweise schon zu häufig erlebt. Also, Frau Senatorin, nehmen Sie diesen Auftrag des Hauses ernst, tragen Sie das gerne auch an die Kollegen, die im Fachausschuss vorgetragen und sich etwas zurückhaltend gezeigt haben, weiter. Wir glauben an dieses Potenzial und fordern die Koalition und den Senat auf, hier Mut zum großen Denken zu beweisen, nicht im Kleinteiligen zu verhaften, sondern Berlin mal eine Vision davon zu geben, was wir aus dem städtebaulichen Erbe vergangener Jahrzehnte zu machen verstehen, obwohl wir an der einen oder anderen Stelle sicherlich noch in Konflikt geraten werden. Das sehe ich in der weiteren Diskussion vorher, aber wir sollten gemeinsam den Anstoß dazu geben. Das ist auch einmal ein Ausweis von Handlungsfähigkeit und des Selbstverständnisses des Parlaments, wie es uns parteiübergreifend gut ansteht.
Vielen Dank, lieber Kollege Evers, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. Das ist ja nicht bei allen Rednern in diesem Haus üblich.
Ich bin Ihnen besonders dankbar, dass Sie das tun. – Lieber Kollege Evers! Wie würden Sie denn einen realistischen Zeitrahmen einschätzen, in dem wir Deckelungen, mehr Qualität im Stadtbild, vielleicht auch mehr Wohnraum und vor allem auch Grünflächen, die die Verweildauer an diesen schönen Orten erhöhen, schaffen könnten?
Wir haben ja schon bei kleinen Baustellen große Probleme, was das Einhalten von Terminen angeht. Insofern will ich auch bei den großen Baustellen keine allzu optimistischen Zielvorgaben ausrufen. Für mich ist entscheidend, dass wir insbesondere die Grundlage für eine politische Entscheidung dieses Hauses, an welchen Orten wir die bauliche Realisierung angehen wollen, bis zum Ende der Legislaturperiode vorliegen haben. Wenn wir von einer Jahrhundertchance sprechen, dann möchte ich sie in dieser Legislaturperiode auch ergreifen und nicht bis zur nächsten Legislaturperiode warten.
Dass das in der Umsetzung sicherlich noch ein paar Tage länger dauern wird, dessen sind wir uns bewusst. Aber wir machen hier Städtebau für eine Zukunft Berlins, die hoffentlich Jahrzehnte und Jahrhunderte überdauern wird, und insofern sage ich: Deckel drauf, und dann wird es gut! – In diesem Sinne vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Berlinerinnen und Berliner! Wir geben Ihnen und euch die Stadt zurück. Wir deckeln nicht nur die Mieten, wir deckeln auch den Straßenraum, weil wir ihn zum Leben brauchen. Es ist heute ja schon ein bisschen später, deshalb bin ich froh, dass der Antrag hier noch zur Beratung kommt. Ich bin wirklich sehr glücklich, denn ich habe hart für die Machbarkeitsstudie und für den Treptower Deckel gekämpft.
Am 9. Mai fragte der „Berliner Kurier“: Macht Berlin die Autobahn zur Parkzone? – Ich ergänze: Ja, bitte! Denn wir brauchen noch viel mehr Platz für Gärten, für Spielplätze, für „Modal Space“, wie die Clubkommission vorschlägt, usw.
Ganz ehrlich: Wir wollen die stinkende Betonwanne, die unseren Lebensraum zerschneidet, abdeckeln. Barcelona, Hamburg und andere Städte machen es vor, und insofern ist das gar kein Problem.
Vielen Dank, Frau Kollegin! – Nur für das gemeinsame Verständnis: Wir sprechen schon von einer Überbauung und Deckelung der Autobahn, insbesondere in Troglage, und nicht vom Rückbau der Stadtautobahn. Nicht, dass da Missverständnisse aufkommen! Es klang gerade danach, als würden Sie diesen stinkenden Stadtraum in seiner Gänze beseitigen wollen. Nicht, dass wir hier in Dissens verfallen, wo wir eigentlich weitgehend schon Einigkeit vorausgeschickt hatten.
Wir haben natürlich hier eine ganz klare unterschiedliche Auffassung, und Sie nehmen mein Redemanuskript ge
Also auch hier geben wir den Menschen die Stadt zurück, und mit den heute zu beschließenden Deckeln kümmern wir uns endlich wieder mehr um den öffentlichen Raum.