Protocol of the Session on May 23, 2019

Noch bevor am 1. Juli 2017 die Reform des Vermögensabschöpfungsrechts in Kraft getreten ist, hat sich Berlin darauf gut vorbereitet und bundesweit beachtliche Ermittlungserfolge erzielt. Seit Februar 2017 gibt es in der Justizverwaltung eine Arbeitsgruppe „Vermögensabschöpfung“ mit der Staatsanwaltschaft und der Strafgerichtsbarkeit, die sich intensiv auf das neue Recht vorbereitet hat. Im aktuell gültigen Doppelhaushalt haben wir zusätzliche Stellen für den Bereich der Vermögensabschöpfung geschaffen und diese auch besetzt. Im Juli 2018 gelang es, 77 Immobilien im Wert von fast 10 Millionen Euro zu beschlagnahmen – ein Ermittlungserfolg, der bundesweit für Schlagzeilen sorgte, der aber auch eine Zeitenwende im Kampf gegen die organisierte Kriminalität eingeläutet hat.

Im Oktober 2018 hat Rot-Rot-Grün das Thema zum Schwerpunkt im Rechtsausschuss gemacht, und im Dezember 2018 haben wir die Koordinierungsstelle „Organisierte Kriminalität“ auf Basis des Fünfpunkteplans der Senatoren Behrendt und Geisel an den Start gebracht. Zuletzt Ende April 2019 erwirkte die Staatsanwaltschaft 62 richterliche Beschlüsse zum Einzug auch der Mieteinnahmen der erwähnten Immobilien.

Ich möchte an diesem herausgehobenen Punkt unserer Tagesordnung die Gelegenheit nutzen und der Staatsanwaltschaft, dem LKA und dem Finanzamt für Strafsachen im Namen der Koalition und hoffentlich auch im Namen des ganzen Hauses herzlich für ihre tägliche Arbeit danken. Wir stehen hinter Ihnen, und wir unterstützen Sie!

[Beifall bei der LINKEN, der SPD, den GRÜNEN und der FDP]

Das erkennen Sie an dem heutigen Antrag der Koalition. Uns geht es vor allem um zwei Punkte: Nach der bisherigen Praxis werden rechtssicher abgeschöpfte Wertgegenstände und Immobilien nach gegebenenfalls erfolgreichem Opferausgleich meistbietend versteigert. – Das wollen und werden wir ändern, ganz besonders dann, wenn es sich um Immobilien handelt. Bereits im Oktober 2018 haben wir vorgeschlagen, die Immobilien für das Gemeinwohl zur Verfügung zu stellen.

Zweitens machen wir jetzt schon deutlich: Rot-Rot-Grün wird die Ermittlungsbehörden personell weiter verstärken, um die Geldwäsche mit Immobilien zu bekämpfen. Wir handeln, wo die CDU fünf Jahre gepennt hat.

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Ich komme auch noch kurz zum Antrag der CDU: Dieser Antrag ist wieder ein gutes Beispiel dafür, wie man einen fahrenden Zug verpasst, sich also nicht nur dahinterwirft,

(Vizepräsidentin Cornelia Seibeld)

sondern ihn wirklich verpasst. Die CDU steht alleine auf dem Bahnhof, der Zug ist schon längst abgefahren. Ich glaube, Sie sehen nicht einmal mehr die Rücklichter, so weit ist der weg.

[Benedikt Lux (GRÜNE): Die fahren gar keinen Zug!]

Genau! Die fliegen wahrscheinlich. – Das erkennt man auch daran, dass Sie Ihren Antrag einen Tag nach unserem Antrag eingereicht, mit der heißen Nadel gestrickt haben und so versuchen, von Ihrer substanzlosen Arbeit der letzten fünf Jahre abzulenken. Ich finde das ziemlich peinlich.

[Beifall von Benedikt Lux (GRÜNE)]

Kurz zum Inhalt: Ihr Antrag atmet einmal mehr den Geist der Gesetzesverschärfung. Sie schlagen vor, zum Abschöpfen der Mieteinnahmen das Gesetz zu verschärfen. – Es ist gerade erst verschärft worden. Die Staatsanwaltschaft hat sehr intensiv geprüft, ob das auf der Grundlage geht. Sie ist zu dem Ergebnis gekommen, dass das der Fall ist. Wir müssen jetzt den Gerichten die Frage überlassen, ob die gesetzliche Grundlage ausreicht oder nicht. Da wieder einmal vorauseilenden Gehorsam an den Tag zu legen und einfach nur Gesetzesverschärfung zu fordern, das mag Ihre Rechtspolitik sein – das ist nicht unsere.

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN]

Zum letzten Punkt: Sie schlagen vor, ein zentrales Immobilienregister einzuführen. – Der Vorschlag ist nicht ganz neu. Wir als Koalition prüfen seit drei Monaten genau, wie wir das machen. In den Beratungen im Rechtsausschuss werden wir dazu auch einen Vorschlag unterbreiten.

In diesem Sinne: Die Kriminalität in dieser Stadt muss sich warm anziehen. – Rot-Rot-Grün ist euch auf den Fersen!

[Lachen von Holger Krestel (FDP)]

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Vielen Dank! – Für die CDU-Fraktion hat der Kollege Rissmann das Wort.

[Frank-Christian Hansel (AfD): Viel Spaß!]

Ich muss das Pult hier erst einmal ein bisschen hochfahren.

[Holger Krestel (FDP): Das bringt das Leben so mit sich, Kollege!]

Nicht immer nach den Äußerlichkeiten gehen!

Verehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Dieser großrhetorische Auftritt des Herrn Schlüsselburg hat nur vereinzelte Genossinnen und Genossen aufgeweckt. Das hat Gründe. Es ist nämlich wenig glaubhaft, darzustellen, dass das Thema Vermögensabschöpfung und die Bekämpfung der organisierten Kriminalität für die rot-rot-grüne Koalition so wichtig ist, wenn der eigene Justizsenator nicht einmal anwesend ist. Das ist schon sehr peinlich.

[Beifall bei der CDU – Benedikt Lux (GRÜNE): Der ist entschuldigt!]

Wenn man dann darüber hinaus meint, feststellen zu müssen,

[Benedikt Lux (GRÜNE): Erst mal ein Foul spielen!]

dass wir mit unserem Antrag nachziehen müssten, und einfach ins Blaue hinein behauptet, dieser Antrag sei einen Tag später gestellt worden, so kann jeder, den es interessiert, nachlesen, dass unser Antrag dasselbe Datum trägt wie der Ihre. Ich glaube, Sie haben da nachgezogen. Vieles spricht jedenfalls dafür.

Besonders amüsant ist es aber, wenn man sich Folgendes vor Augen führt: Herr Schlüsselburg hat darauf hingewiesen, dass die Basis in der rechtlichen Betrachtung der Bekämpfung organisierter Kriminalität durch Vermögensabschöpfung in einem am 1. Juli 2017 in Kraft getretenen Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung liegt. Dieses Gesetz hat die große Koalition im Bund auf den Weg gebracht, und zwar auf Initiative der Bundestagsfraktion der CDU/CSU. Ich freue mich, dass die linke Koalition in Berlin diese Politik der Union im Bund stützt.

[Benedikt Lux (GRÜNE): Warum beantragen Sie jetzt eine Bundesratsinitiative?]

Darüber freue ich mich insbesondere deshalb, weil ein Abgeordneter der Linkspartei – er heißt Jörn Wunderlich – im Bundestag zu diesem Gesetz damals geredet hat. Dabei hat er ganz viel Unfug erzählt; das erspare ich Ihnen. Aber ich lese Ihnen einmal vor, wie seine Rede zu diesem Tagesordnungspunkt endete. Das können Sie nachlesen auf Seite 22 656 der Protokolle des Deutschen Bundestages. – Sie merken, dort wird noch mehr geredet als bei uns. Jedenfalls endet seine Rede wie folgt – ich zitiere:

Alles in allem bleibt zu konstatieren: Das Gesetz wird seinem Ziel nicht gerecht, es begünstigt das Großkapital und belastet Gerichte und Staatsanwaltschaften über Gebühr, ohne für einen personellen Ausgleich zu sorgen oder entsprechende Regelungen zu treffen, und ist verfassungsmäßig zumindest bedenklich.

[Holger Krestel (FDP): Freundschaft! – Sebastian Schlüsselburg (LINKE): Keiner klatscht, Herr Rissmann!]

(Sebastian Schlüsselburg)

Ich denke auch, mein lieber Herr Kollege Vorsitzender des Rechtsausschusses, da muss man schon in besonderer Weise über sozialistische Dialektik

[Lachen von Holger Krestel (FDP)]

verfügen, um hier so einen Auftritt zu liefern.

[Beifall bei der CDU und der FDP – Beifall von Karsten Woldeit (AfD) – Zuruf von Sebastian Schlüsselburg (LINKE)]

Eigentlich ist es auch schade, denn ich wollte meine Rede ganz anders beginnen, aber wenn man sich hier so danebenbenimmt, dann muss man eben auch einpacken.

[Sebastian Schlüsselburg (LINKE): Sie machen sich hier einen schmalen Fuß!]

Eigentlich wollte ich nämlich damit anfangen, dass die organisierte Kriminalität, die sich durch mafiöse Strukturen, durch Clans, aber auch durch andere Erscheinungen äußert, eigentlich ein gutes Thema ist, bei dem Demokraten, bei dem ein Parlament einmal zusammenstehen kann

[Lachen von Benedikt Lux (GRÜNE)]

und dieses Klein-Klein sein lassen muss. Aber dieses Niveau haben Sie von der ganz linken Seite eben nicht,

[Zuruf von Sebastian Schlüsselburg (LINKE)]

weil Sie sogar unsere Aktuelle Stunde heute zur 70-JahrFeier unseres Grundgesetzes pervertiert haben für kleine ideologische Streitigkeiten.

[Beifall bei der CDU, der AfD und der FDP – Unruhe links]

Eigentlich ist das ein Thema, bei dem man sagen muss: Man kann links stehen, man kann rechts stehen, man kann in der Mitte stehen, aber eines geht nicht, nämlich dass man den Rechtsstaat in besonders dreister und unverschämter Weise versucht, aufs Kreuz zu legen, sich darüber lustig macht und sich auf strafrechtlich relevant erworbenem Vermögen ausruhen kann, ohne dass etwas passiert. Da muss man mit einer guten Staatsanwaltschaft, mit guten Gerichten und vor allem mit einer Allianz aller hier vertretenen politischen Parteien sagen: Mit uns nicht! Wenn ihr euch mit uns anlegt, werdet ihr den Rechtsstaat in seiner ganzen Härte kennenlernen.

[Beifall bei der CDU und der FDP – Beifall von Dr. Hugh Bronson (AfD)]