Protocol of the Session on May 23, 2019

[Sebastian Schlüsselburg (LINKE): Beziehen Sie sich noch auf die Rede von Frau Helm? – Zuruf von Sabine Bangert (GRÜNE)]

So sehe ich das. Aber das sei dahingestellt. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der AfD – Beifall von Andreas Wild (fraktionslos)]

Frau Helm! Sie haben die Möglichkeit der Erwiderung, bitte schön!

Vielen Dank Frau Präsidentin! – Sie haben eigentlich nur bestätigt, was wir alle gesagt haben: Es geht Ihnen nur um eine Sache, nämlich dass Sie hier darüber reden können. Es geht Ihnen nicht um die Bekämpfung von Antisemitismus; das haben Sie hier ja noch mal ganz klar gesagt. Selbstverständlich hätten wir nicht so getan, als würde es diesen Marsch nicht geben. Wir hätten, wie jedes Jahr, eine Auswertung im Innenausschuss gemacht. Wir hätten vor Ort gegen Antisemitismus gekämpft, gemeinsam mit unseren Kooperationspartnerinnen und Kooperationspartnern; da gehört der Kampf gegen Antisemitismus nämlich auch hin. Wir haben hier mehrmals eine Aktuelle Stunden zum Thema Antisemitismus gehabt. Dafür brauchen wir Sie nicht. Sie haben hier nur die aktuelle Beschlusslage, die wir in Kooperation mit den Partnerinnen und Partnern, mit den Betroffenen von Antisemitismus herbeigeführt haben, zitiert und mit einem Antrag auf die Tagesordnung gesetzt, der so tut, als wolle er einen Konsens herstellen. Darum ging es aber ganz offensichtlich nicht, denn dann hätten Sie sich um einen Konsens bemüht.

[Frank-Christian Hansel (AfD): Haben wir doch, Mädchen!]

Ach ja? Wenn man einen Antrag vorlegt, der lautet: Antisemitismus konsequent durchsetzen! –, dann werden Sie dafür keinen Konsens mit uns erreichen.

[Sebastian Schlüsselburg (LINKE): Was ist das denn für eine Äußerung? Nennen Sie Frau Helm Mädchen? Was haben Sie denn für eine Kinderstube! Unfassbar! Frau Präsidentin!]

Das ist wirklich keine Methode, das müssten Sie inzwischen schon herausgefunden haben. Sie sollten endlich mal akzeptieren, dass die Partnerinnen und Partner gegen

Antisemitismus nicht mit Ihnen zusammenarbeiten wollen. Sie sollten daran arbeiten, dass Sie denen endlich als glaubwürdiger Partner gegenüber auftreten können. Das wäre doch mal an der Tagesordnung für Sie.

[Frank-Christian Hansel (AfD): Das tun wir auch! – Zuruf von Stefan Franz Kerker (AfD)]

Also mir wäre das den Menschen in der Stadt gegenüber, die von Antisemitismus betroffen sind, peinlich.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Herr Abgeordneter Hansel! Ich verweise darauf, dass Sie hier Abgeordnete vor sich haben, weder Mädchen noch Jungen!

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN – Sebastian Schlüsselburg (LINKE): Da sind Sie noch billig weggekommen! Hätte auch ein Ordnungsruf sein können!]

Für die Fraktion der FDP erhält jetzt das Wort Herr Abgeordneter Krestel. – Bitte schön!

[Frank-Christian Hansel (AfD): Was sollen denn die Merkel sagen?]

Herr Krestel hat jetzt das Wort, meine Herren, und nur Herr Krestel!

Frau Präsidentin! Damen und Herren! Es wird meines Erachtens der Sache nicht gerecht, wenn wir uns bei diesem ernsten Thema jetzt in Streitereien verlieren. Es ist natürlich in der Tat ein Problem, Herr Dr. Bronson, wenn wir hier jetzt jedes Jahr diesen nach und nach immer mehr ritualisierten Antrag bekommen.

[Beifall bei der FDP, der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Ich war schon in diesem Jahr versucht, Ihnen meine Rede vom letzten Jahr vorzulesen – das ist ja auch immer das Gleiche –, aber auch das würde dem Problem nicht gerecht werden. Ich bin der Meinung, wir sollten uns bei diesem ernsten Thema parteipolitische oder interfraktionelle Streitereien ersparen. Wir sollten uns einig sein, dass wir diesen al-Quds-Marsch verurteilen. Der Name ist ja schon eine Lüge. Wenn Sie den Aufruf dazu mal aus dem Arabischen übersetzen, dann steht da unter anderem, man solle die Kinder mitbringen. Welcher vernünftige Mensch schleppt denn Kinder mit auf eine politische Demonstration?

[Katalin Gennburg (LINKE) meldet sich.]

Wir sollten uns einig sein, dass man diesen al-QudsMarsch verurteilen muss, und wir sollten als gesamtes Haus die Berlinerinnen und Berliner zur Teilnahme an

der Gegendemonstration aufrufen. Wir sollten diesen Antrag, bei dem ja im Tenor Texte stehen, die allenfalls in die Begründung gehört hätten, auf die gebotenen Kürze zurückstutzen; das haben wir in unserem Änderungsantrag getan. Das Wichtigste ist, dass in Berlin und in unserem Land keine Form von Antisemitismus irgendeinen Platz haben darf. – Vielen Dank!

[Beifall bei der FDP und der AfD – Beifall von Benedikt Lux (GRÜNE)]

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt das Wort Herr Abgeordneter Lux. – Bitte schön!

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! 70 Jahre Grundgesetz, das bedeutet auch Artikel 5 – Meinungsfreiheit –, das bedeutet auch Artikel 8 – Versammlungsfreiheit. Das sind laut Bundesverfassungsgericht Kernelemente unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Wenn wir uns in der Welt umschauen, sehen wir, dass es viele Demokratien mit freien Wahlen gibt. Es gibt aber kaum Länder, die einen so hohen Standard an Versammlungsfreiheit und Meinungsfreiheit haben.

Darauf können wir ein Stück weit stolz sein. Das Bundesverfassungsgericht hat uns schon häufiger diktiert, dass Versammlungen ein Stück ungebändigter, unmittelbarer Demokratie sind, die auch die Regierenden ein Stück weit ärgern sollen, und dass sie deswegen einen besonderen Schutz genießen. Ich meine nun – zur Versammlungsfreiheit –, ob das jetzt von der AfD oder von der Quds-AG kommt: Das ist natürlich störend, aber man muss sich damit auseinandersetzen, dass es tatsächlich Meinungen gibt, die man schon längst für überkommen geglaubt hat, und dass die in unserem freien Land auch geäußert werden können.

Berlin und Deutschland können dankbar dafür sein, dass es wieder jüdisches Leben in der Stadt gibt. Historisch gesehen ist es eine Dankbarkeit, die nahe an ein Wunder grenzt, weil Berlin und Deutschland jüdisches Leben systematisch vernichtet haben. Das Gedenken daran, die Erinnerung an unsere historische Verantwortung und historische Schuld, die wird von Ihnen, von den Antragstellerinnen und Antragstellern, infrage gestellt. Sie sind diejenigen, die den sekundären Antisemitismus herbeireden. Das sagt nicht nur ein Grüner, sondern das sagt auch der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, das sagen viele zivilgesellschaftliche Organisationen, die sich gegen Antisemitismus einsetzen. Und was machen Sie? – Statt sich damit auseinanderzusetzen, statt kritisch zu reflektieren, wie das eigentlich kommt, stalken Sie die. Sie werden übergriffig. Sie tanzen sie an. Sie wollen unbedingt dazugehören. Aber: Um dazuzugehören, Herr Bronson, wäre es erst einmal wichtig, wenn Sie sich mit

(Anne Helm)

dem auseinandersetzten, was Ihre Kolleginnen und Kollegen im Deutschen Bundestag als Landesvorsitzende anderer AfD-Organisationen vorbringen. Sie wollen einen Schlussstrich unter die deutsche Erinnerungskultur ziehen.

[Marc Vallendar (AfD): Wo denn?]

Sie bezeichnen die deutsche Geschichte während der Nazizeit als Fliegenschiss.

[Thorsten Weiß (AfD): Vogelschiss! Nicht Fliegenschiss!]

Sie bezeichnen das Holocaust-Mahnmal als „Denkmal der Schande“.

[Zuruf von Frank-Christian Hansel (AfD)]

Bis heute gab es nicht eine einzige Distanzierung davon.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Frau Helm von der Linken war da ja noch sehr großzügig zu Ihnen. Sie hat festgestellt, dass Sie – erstens – dazugelernt haben, nämlich dass man Versammlungen nicht einfach so verbieten kann in einem demokratischen Rechtsstaat. Und zweitens, dass Ihnen da ein Fehler unterlaufen ist, als Sie am 20. Mai dem Ältestenrat dieses Hauses einen Antrag zugeschickt haben, um einen überparteilichen Konsens herzustellen – wie Sie behaupten –, der wörtlich die Überschrift enthielt – man höre und staune: „Antisemitismus gezielt und konsequent umsetzen!“ – Das ist meiner Auffassung nach die glaubwürdige Linie der AfD und nicht das, was Sie heute hier vorgespielt haben!

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN]

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Hansel?

Bitte, Herr Hansel, Sie haben das Wort!

Ihnen ist nicht entgangen, Herr Kollege Lux, was wir heute als Aktuelle Stunde beantragt haben?

Ich weiß gar nicht, wovon Sie reden! Ich rede davon, dass Sie den anderen Fraktionen einen Antrag zugestellt haben mit der Überschrift – ich zitiere: „Antisemitismus gezielt und konsequent umsetzen!“ – , dass Sie bis heute diesen

Antrag nicht ein einziges Mal korrigiert haben. Der ist in der Welt.

[Frank-Christian Hansel (AfD): Keine Drucksache!]

Entschuldigen Sie, dass ich die deutsche Rechtschreibung, die deutsche Formulierung ernst nehme!

[Beifall bei den GRÜNEN]

Entschuldigen Sie sich jetzt dafür, dass Sie die Überschrift gewählt haben? Wollen Sie diese klarstellen? Was ist jetzt nun? – Ich glaube, Sie wollen Verwirrung stiften mit Ihrer Haltung zum Antisemitismus.

[Frank-Christian Hansel (AfD): Das ist lächerlich!]