[Sebastian Schlüsselburg (LINKE): Beziehen Sie sich noch auf die Rede von Frau Helm? – Zuruf von Sabine Bangert (GRÜNE)]
Vielen Dank Frau Präsidentin! – Sie haben eigentlich nur bestätigt, was wir alle gesagt haben: Es geht Ihnen nur um eine Sache, nämlich dass Sie hier darüber reden können. Es geht Ihnen nicht um die Bekämpfung von Antisemitismus; das haben Sie hier ja noch mal ganz klar gesagt. Selbstverständlich hätten wir nicht so getan, als würde es diesen Marsch nicht geben. Wir hätten, wie jedes Jahr, eine Auswertung im Innenausschuss gemacht. Wir hätten vor Ort gegen Antisemitismus gekämpft, gemeinsam mit unseren Kooperationspartnerinnen und Kooperationspartnern; da gehört der Kampf gegen Antisemitismus nämlich auch hin. Wir haben hier mehrmals eine Aktuelle Stunden zum Thema Antisemitismus gehabt. Dafür brauchen wir Sie nicht. Sie haben hier nur die aktuelle Beschlusslage, die wir in Kooperation mit den Partnerinnen und Partnern, mit den Betroffenen von Antisemitismus herbeigeführt haben, zitiert und mit einem Antrag auf die Tagesordnung gesetzt, der so tut, als wolle er einen Konsens herstellen. Darum ging es aber ganz offensichtlich nicht, denn dann hätten Sie sich um einen Konsens bemüht.
Ach ja? Wenn man einen Antrag vorlegt, der lautet: Antisemitismus konsequent durchsetzen! –, dann werden Sie dafür keinen Konsens mit uns erreichen.
[Sebastian Schlüsselburg (LINKE): Was ist das denn für eine Äußerung? Nennen Sie Frau Helm Mädchen? Was haben Sie denn für eine Kinderstube! Unfassbar! Frau Präsidentin!]
Das ist wirklich keine Methode, das müssten Sie inzwischen schon herausgefunden haben. Sie sollten endlich mal akzeptieren, dass die Partnerinnen und Partner gegen
Antisemitismus nicht mit Ihnen zusammenarbeiten wollen. Sie sollten daran arbeiten, dass Sie denen endlich als glaubwürdiger Partner gegenüber auftreten können. Das wäre doch mal an der Tagesordnung für Sie.
Also mir wäre das den Menschen in der Stadt gegenüber, die von Antisemitismus betroffen sind, peinlich.
Herr Abgeordneter Hansel! Ich verweise darauf, dass Sie hier Abgeordnete vor sich haben, weder Mädchen noch Jungen!
[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN – Sebastian Schlüsselburg (LINKE): Da sind Sie noch billig weggekommen! Hätte auch ein Ordnungsruf sein können!]
Frau Präsidentin! Damen und Herren! Es wird meines Erachtens der Sache nicht gerecht, wenn wir uns bei diesem ernsten Thema jetzt in Streitereien verlieren. Es ist natürlich in der Tat ein Problem, Herr Dr. Bronson, wenn wir hier jetzt jedes Jahr diesen nach und nach immer mehr ritualisierten Antrag bekommen.
Ich war schon in diesem Jahr versucht, Ihnen meine Rede vom letzten Jahr vorzulesen – das ist ja auch immer das Gleiche –, aber auch das würde dem Problem nicht gerecht werden. Ich bin der Meinung, wir sollten uns bei diesem ernsten Thema parteipolitische oder interfraktionelle Streitereien ersparen. Wir sollten uns einig sein, dass wir diesen al-Quds-Marsch verurteilen. Der Name ist ja schon eine Lüge. Wenn Sie den Aufruf dazu mal aus dem Arabischen übersetzen, dann steht da unter anderem, man solle die Kinder mitbringen. Welcher vernünftige Mensch schleppt denn Kinder mit auf eine politische Demonstration?
Wir sollten uns einig sein, dass man diesen al-QudsMarsch verurteilen muss, und wir sollten als gesamtes Haus die Berlinerinnen und Berliner zur Teilnahme an
der Gegendemonstration aufrufen. Wir sollten diesen Antrag, bei dem ja im Tenor Texte stehen, die allenfalls in die Begründung gehört hätten, auf die gebotenen Kürze zurückstutzen; das haben wir in unserem Änderungsantrag getan. Das Wichtigste ist, dass in Berlin und in unserem Land keine Form von Antisemitismus irgendeinen Platz haben darf. – Vielen Dank!
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! 70 Jahre Grundgesetz, das bedeutet auch Artikel 5 – Meinungsfreiheit –, das bedeutet auch Artikel 8 – Versammlungsfreiheit. Das sind laut Bundesverfassungsgericht Kernelemente unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Wenn wir uns in der Welt umschauen, sehen wir, dass es viele Demokratien mit freien Wahlen gibt. Es gibt aber kaum Länder, die einen so hohen Standard an Versammlungsfreiheit und Meinungsfreiheit haben.
Darauf können wir ein Stück weit stolz sein. Das Bundesverfassungsgericht hat uns schon häufiger diktiert, dass Versammlungen ein Stück ungebändigter, unmittelbarer Demokratie sind, die auch die Regierenden ein Stück weit ärgern sollen, und dass sie deswegen einen besonderen Schutz genießen. Ich meine nun – zur Versammlungsfreiheit –, ob das jetzt von der AfD oder von der Quds-AG kommt: Das ist natürlich störend, aber man muss sich damit auseinandersetzen, dass es tatsächlich Meinungen gibt, die man schon längst für überkommen geglaubt hat, und dass die in unserem freien Land auch geäußert werden können.
Berlin und Deutschland können dankbar dafür sein, dass es wieder jüdisches Leben in der Stadt gibt. Historisch gesehen ist es eine Dankbarkeit, die nahe an ein Wunder grenzt, weil Berlin und Deutschland jüdisches Leben systematisch vernichtet haben. Das Gedenken daran, die Erinnerung an unsere historische Verantwortung und historische Schuld, die wird von Ihnen, von den Antragstellerinnen und Antragstellern, infrage gestellt. Sie sind diejenigen, die den sekundären Antisemitismus herbeireden. Das sagt nicht nur ein Grüner, sondern das sagt auch der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, das sagen viele zivilgesellschaftliche Organisationen, die sich gegen Antisemitismus einsetzen. Und was machen Sie? – Statt sich damit auseinanderzusetzen, statt kritisch zu reflektieren, wie das eigentlich kommt, stalken Sie die. Sie werden übergriffig. Sie tanzen sie an. Sie wollen unbedingt dazugehören. Aber: Um dazuzugehören, Herr Bronson, wäre es erst einmal wichtig, wenn Sie sich mit
dem auseinandersetzten, was Ihre Kolleginnen und Kollegen im Deutschen Bundestag als Landesvorsitzende anderer AfD-Organisationen vorbringen. Sie wollen einen Schlussstrich unter die deutsche Erinnerungskultur ziehen.
Frau Helm von der Linken war da ja noch sehr großzügig zu Ihnen. Sie hat festgestellt, dass Sie – erstens – dazugelernt haben, nämlich dass man Versammlungen nicht einfach so verbieten kann in einem demokratischen Rechtsstaat. Und zweitens, dass Ihnen da ein Fehler unterlaufen ist, als Sie am 20. Mai dem Ältestenrat dieses Hauses einen Antrag zugeschickt haben, um einen überparteilichen Konsens herzustellen – wie Sie behaupten –, der wörtlich die Überschrift enthielt – man höre und staune: „Antisemitismus gezielt und konsequent umsetzen!“ – Das ist meiner Auffassung nach die glaubwürdige Linie der AfD und nicht das, was Sie heute hier vorgespielt haben!
Ich weiß gar nicht, wovon Sie reden! Ich rede davon, dass Sie den anderen Fraktionen einen Antrag zugestellt haben mit der Überschrift – ich zitiere: „Antisemitismus gezielt und konsequent umsetzen!“ – , dass Sie bis heute diesen
Entschuldigen Sie sich jetzt dafür, dass Sie die Überschrift gewählt haben? Wollen Sie diese klarstellen? Was ist jetzt nun? – Ich glaube, Sie wollen Verwirrung stiften mit Ihrer Haltung zum Antisemitismus.