Protocol of the Session on May 9, 2019

Zweitens: Brücken bauen ins Quartier, in die Institutionen. Das heißt: verstärkt Angebote der Sprachförderung, der Elternberatung, des Jobcoachings in den Institutionen dieser Stadt, in Kitas, Schulen, Familienzentren.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Ubbelohde?

Danke, nein! – Und drittens: das Regelsystem interkulturell weiter öffnen. Zentral dafür ist die Sprachmittlung, denn die Krankenkassen zahlen keine Dolmetscherkosten, und dafür braucht es eine einfache, unbürokratische Lösung aus Landesmitteln, wie sie die Clearingstelle hat – für die Verfügbarkeit von speziell geschulten Dolmetscherinnen und die Abrechnung der Dolmetscherkosten, für die PIAs, für die Zentren des Berliner Netzwerks, für die ambulante Behandlung in Krankenhäusern und bei niedergelassenen Ärzten und Psychotherapeutinnen.

Außerdem braucht es mehr interkulturelle Kompetenz an den PIAs. Die meisten arbeiten mit gemischten multiprofessionellen Teams, und manche haben sogar schon spezialisierte Behandlungsangebote in unterschiedlichen Herkunftssprachen entwickelt und werden deswegen von Patientinnen aus dem gesamten Stadtgebiet aufgesucht.

Da wollen wir ansetzen und noch mehr PIAs zu solchen spezialisierten Behandlungszentren für die verschiedenen Bevölkerungsgruppen dieser Stadt machen. Auch die Erfahrungen der Clearingstelle können dafür genutzt werden. Wenn wir so etwas hinbekommen, dann schaffen

wir zugleich Zugänge für viele andere Menschen, die schon lange in Berlin leben, gerade für Zugewanderte der ersten Generation. So verstehen wir Integration. Darum geht es nämlich: um das Wegräumen von Barrieren für alle, denen Zugänge fehlen oder denen sie verbaut sind. Das sind bei Weitem nicht nur Geflüchtete. Die Öffnung der Regelstrukturen kommt deshalb auch anderen zugute. So wird dann auch die Integration von Geflüchteten zu einer Chance für Innovationen in der Einwanderungsstadt Berlin. Der Antrag ist ein Baustein dafür. – Vielen Dank!

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Für die CDU-Fraktion hat jetzt das Wort der Abgeordnete Zeelen. – Bitte schön!

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Jarasch! Völlig richtig, ein großer Teil der Menschen, die aus den Kriegsgebieten dieser Welt zu uns geflüchtet sind, haben traumatische Erfahrungen gesammelt. Sie haben es gesagt, Frau Jarasch. Es ist davon auszugehen, dass 10 Prozent dieser Menschen sehr manifeste psychiatrische Störungen wie Depressionen, Angst- und Panikstörungen, Psychosen oder Traumafolgestörungen haben. Hinzu kommt eine große Anzahl von Flüchtlingen, die wegen zum Teil schwerer psychosomatischer Störungen eine ärztliche Behandlung brauchen oder in einer solchen sind, aber keine adäquate psychiatrische oder psychotherapeutische Versorgung in Berlin finden. Unbehandelte Traumata haben eine gravierende Auswirkung auf die Integration – Sie haben es angemerkt. Deshalb glauben wir, dass es wichtig ist, an diesem Punkt anzusetzen, denn Integration ist wichtig, und sie kann nur gelingen, wenn Körper und Psyche am Ende auch gesunden.

Aus diesem Einzelschicksal heraus gilt es deshalb eben auch, auf das Gemeinwohl aller Berlinerinnen und Berliner zu achten und das Beste herauszuholen. Wie die aktuellen Zahlen in Berlin aber aussehen, wissen wir nicht genau, weil sie uns schlichtweg nicht vorliegen. Zahlen und Erfahrung sind aber wichtig, um bestehende Modelle evaluieren zu können, und auch darüber müssen wir bei der Beratung im Ausschuss reden.

Tatsächlich leisten die freien Träger aktuell eine tolle Arbeit im Umgang mit traumatisierten Flüchtlingen. Was wird mit ihnen künftig geschehen? Die in diesem Bereich bereits aktiven Träger und Initiativen sind in ihrer Arbeit nicht hoch genug einzuschätzen und zu unterstützen. Auch ihnen gilt der Dank der CDU-Fraktion.

[Beifall bei der CDU]

Wir sollten die Beratungen auch nutzen, um die Überlegung dieser Träger einzubeziehen und die wichtigen

(Bettina Jarasch)

Erkenntnisse und Erfahrungen in diesem Prozess der letzten Jahre zu berücksichtigen oder sie sogar einzubinden. All das gilt es, in der Beratung zu besprechen.

Viel zu kurz – auch wenn Sie darauf gerade eingegangen sind – kommt mir das Thema der Sprachmittlung. Gerade im medizinischen und psychologischen Bereich ist es extrem wichtig, dass wir Dolmetscherleistungen vorhalten, denn die Behandlung wird zweifelsohne nicht ohne diese auskommen und eine erfolgreiche Behandlung nicht ohne Dolmetscher möglich sein. Deswegen ist beispielsweise ein Dolmetscherpool, wie er beispielsweise in Hamburg möglich ist, einzurichten. Aber auch das gilt es zu finanzieren, und man muss die entsprechenden Fachpersonen dafür gewinnen.

Wir sollten im Ausschuss allerdings die psychosoziale Versorgung aller Berlinerinnen und Berliner noch einmal insgesamt beleuchten, denn allein auf Geflüchtete zu gucken, wird dem Thema nicht gerecht. Einen entsprechenden Besprechungspunkt werden wir als CDUFraktion in den Ausschuss einbringen.

[Carsten Ubbelohde (AfD): Sind Sie in der SPD?]

Bis zu einer Behandlung bei einem Kassentherapeuten in Berlin dauert es nämlich im Schnitt bis zu drei Monate. Um schneller an Hilfe zu kommen, konsultieren viele Berlinerinnen und Berliner deshalb erst einmal Privattherapeuten und versuchen dann, die Kosten rückwirkend über die Krankenkassen erstattet zu bekommen. Jeder zweite Antrag wird unterdessen abgelehnt, was teilweise erhebliche finanziellen Folgen für die Betroffenen hat. Der Bedarf an psychotherapeutischen Behandlungen hat sich laut einer Studie des Robert-KochInstituts in den letzten 20 Jahren verdoppelt. Auch deswegen müssen wir die Ausbildung stärker in den Fokus nehmen. Wie gewinnen wir die Menschen, die nachher therapeutisch tätig sind? Menschen in psychischen Krisen können zwar heute schneller einen Termin für das Erstgespräch bekommen. Das ist Ergebnis aktiven Handelns der Politik der letzten Jahre. Aber bis zum Beginn einer ambulanten Regeltherapie vergehen oft mehrere Monate.

Strukturelle Defizite werden in diesem Antrag aus meiner Sicht nicht angegangen. Dies wäre aber Voraussetzung für ein funktionierendes System. Nur wenn es uns gelingt, das zu verbessern, können wir eine effiziente und erfolgreiche Versorgung für alle in Berlin lebenden Menschen garantieren. – Vielen herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Weil ich noch eine Restzeit von einer Minute und 30 Sekunden habe: Auch von dieser Stelle, liebe Frau Senatorin, alles Gute zur Hochzeit!

[Beifall bei der CDU und der FDP – Beifall von Bettina Jarasch (GRÜNE) – Senatorin Dilek Kalayci: Danke!]

Für die SPD-Fraktion hat jetzt das Wort Frau Dr. BöckerGiannini. – Bitte schön!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Meine Vorrednerrinnen und Vorredner haben es bereits gesagt: Die vielen Menschen, die in den letzten Jahren nach Deutschland geflüchtet sind, haben Traumatisches erlebt. Krieg, Vertreibung, Folter und der Tod naher Angehöriger zählen dazu. An die Flucht schließen sich oft Probleme in den Flüchtlingsunterkünften, die unsichere aufenthaltsrechtliche Situation, der aufreibenden Marsch durch die Instanzen, Arbeitsverbote und Integrationsschwierigkeiten aller Art an. Die Heimat und mit ihr alle sozialen Bindungen zu verlieren und sich an neue unvertraute Lebensverhältnisse anpassen zu müssen, kann Geflüchtete ebenfalls dauerhaft belasten.

Sehr geehrter Herr Zeelen! Die Bundespsychotherapeutenkammer geht sogar davon aus, dass mindestens die Hälfte aller Flüchtlinge psychisch erkrankt ist. Die häufigsten Krankheitsbilder sind demnach posttraumatische Belastungsstörungen und Depressionen. Behandelt wird in Berlin jedoch nur ein Bruchteil der Fälle, da der Zugang zum Gesundheitssystem für traumatisierte Geflüchtete erschwert ist. Damit Geflüchtete genauso behandelt werden können wie alle anderen Patientinnen und Patienten, müssen wir die Regelversorgung entsprechend stärken. Sie muss auch für diese Zielgruppe bedarfsangemessen und frei von Diskriminierung sein. Deshalb fordern wir, die vorhandenen Übergangsstrukturen bei der psychosozialen Versorgung Geflüchteter abzusichern und zu prüfen, wie sie ins Regelsystem überführt werden können.

Psychische Erkrankungen müssen frühzeitig erkannt werden. Da Geflüchtete nur selten von sich aus Hilfsangebote aufsuchen, erfolgt Hilfe oftmals erst in der höchstmöglichen Dosierung und damit in Krisensituationen als Zwangseinweisung in die Klinik. Das darf nicht sein. Deshalb fordern wir in unserem Antrag den Senat auf darzustellen, wie die frühzeitige Diagnose und eine gestufte Begleitung und Behandlung traumatisierter Geflüchteter verbessert werden kann.

Das Hauptproblem in der psychosozialen Versorgung Geflüchteter ist die sprachliche Barriere. Bei zwei Dritteln der Behandlungen wird eine Sprachmittlung benötigt, aber 90 Prozent der Krankenhäuser, Ärztinnen und Ärzte und Gesundheitsämter finden keine passenden Dolmetscherinnen und Dolmetscher, weil es nicht genug gibt, oder sie gehen davon aus, dass Geflüchtete ihre Dolmetscherinnen und Dolmetscher selbst mitbringen. Das funktioniert so nicht.

(Tim-Christopher Zeelen)

[Beifall bei der SPD und den GRÜNEN – Beifall von Katina Schubert (LINKE)]

Probleme gibt es auch bei der Finanzierung von Dolmetscherkosten. Sie werden nicht durch die gesetzliche Krankenversicherung übernommen. Auch die Finanzierung nach rechtlich vorgesehener Einzelfallprüfung über das Asylbewerberleistungsgesetz, die Sozialhilfe oder Arbeitslosengeld II findet in der Praxis nicht statt. Hier brauchen wir eine Lösung. Der Zugang in die Regelversorgung muss auch für Geflüchtete schneller möglich sein. Deshalb fordern wir in unserem Antrag, eine zentral organisierte Sprachmittlung aufzubauen.

Da die unterschiedlichen kulturellen Hintergründe eine große Herausforderung in der Behandlung darstellen, fordern wir die interkulturelle Öffnung des öffentlichen Gesundheitsdienstes durch Fachkräfte aus dem Sprach- und Kulturkreis der Geflüchteten weiter auszubauen.

[Beifall von der SPD]

Qualifizierte Sprach- und Kulturmittlerinnen und -mittler müssen in Zukunft unkompliziert und ohne bürokratische Hürden für die psychiatrischen Institutsambulanzen, die stationären Behandlungseinrichtungen und ebenso für niedergelassene Therapeutinnen und Therapeuten zur Verfügung stehen.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Ubbelohde?

Nein, danke! – Inwieweit Laienhelfer die Beratung in der psychosozialen Versorgung Geflüchteter sinnvoll unterstützen können, muss evaluiert werden. Auch dies fordern wir in unserem Antrag.

Die gesundheitliche Versorgung ist ein Menschenrecht. Sie darf nicht vom Status, der Herkunft oder anderen Faktoren abhängig sein. Deshalb muss sie allen in Berlin lebenden Menschen diskriminierungsfrei gewährt werden. Dafür leisten die etablierten Träger bereits eine hervorragende Arbeit. Dafür gilt Ihnen mein Dank.

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Deshalb fordern wir auch in unserem Antrag, die psychosoziale Versorgung Geflüchteter zu verbessern, Übergangsstrukturen zu stärken und Regelsysteme zu öffnen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Vielen Dank! – Für die AfD-Fraktion hat der Abgeordnete Mohr das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegen Abgeordnete! Werte Gäste! Die Grünen lassen heute in ihrer Priorität einen Antrag beraten, in welchem sie eine bessere psychosoziale Versorgung von Asylbewerbern fordern. Hierzu soll – wir haben es gerade gehört – unter anderem geprüft werden, wie diese in unser Regelsystem überführt werden können. Mit Regelsystem ist eine Überführung in die gesetzliche Krankenversicherung hinein gemeint. Auch wird eine sogenannte interkulturelle Öffnung des öffentlichen Gesundheitsdienstes gefordert, und das hieße noch mehr Arbeit für den bereits überlasteten sozialpsychiatrischen Dienst. Den bestehenden defizitären Zustand des Berliner ÖGD haben unsere Schriftlichen Anfragen schon mehrfach dargelegt.

Eigentlich kann man beim Lesen des Antrags an vielen Stellen nur noch fassungslos den Kopf schütteln. Denn sollten die darin enthaltenen Forderungen tatsächlich ihre Umsetzung finden, würden im Ergebnis abermals derzeit noch explizit auszuweisende Kosten der ungezügelten Massenimmigration verschleiert. Sie sollen schlicht und einfach in den 217 Milliarden Euro der gesetzlichen GKV-Gesamtausgaben untergehen.

Überhaupt geht aus dem Antrag mit keinem Wort hervor, wer nun alles in die GKV überführt werden soll. Sind automatisch alle Migranten der letzten Jahre, völlig unabhängig vom Aufenthaltsstatus, gemeint? Davon muss leider ausgegangen werden, denn im Antrag wird legale und illegale Einwanderung an keiner Stelle voneinander getrennt. In der Begründung ist nämlich vereinfachend nur die Rede von – Zitat:

Menschen, die in Berlin Zuflucht und eine neue Heimat suchen.

Dabei wird bereits heute der Berliner Steuerzahler allein für die direkten Asylkosten mit jährlich über

900 Millionen Euro zur Kasse gebeten, und das bei einem bestehenden Schuldenberg von sage und schreibe 58 Milliarden Euro für Berlin.

[Ronald Gläser (AfD): Unfassbar!]

Wenn also diese Koalition allen Migranten, die sich über tausende Kilometer und sichere Länder hinweg bis nach Berlin flüchten konnten, nun eine dem langjährigen Beitragszahler gleichwertige, gesundheitliche Versorgung ermöglichen möchte, inklusive Kosten für Sprachvermittlung versteht sich, dann sollte es eine Selbstverständlichkeit sein, dass die dafür notwendigen finanziellen Aufwendungen für jedermann klar ausgewiesen werden.

[Beifall bei der AfD]

(Dr. Nicola Böcker-Giannini)

Überhaupt stellt sich mir die Frage, wieso versicherungsfremde Dolmetscherleistungen, wie im Antrag gefordert, als GKV-Leistungen anerkannt werden sollen. Gemäß rot-rot-grüner Logik müsste der Anspruch übrigens auch auf alle Ausländer ohne Deutschsprachkenntnisse ausgeweitet werden. Kalkulationen zum Kostenaufwand würden mich spätestens an dieser Stelle brennend interessieren. Aber im Geldausgeben sind die Sozialisten von dunkelrot bis grün schon immer gut gewesen, und falls die finanziellen Mittel an irgendeiner Stelle mal nicht reichen sollten, wird im Zweifel laut über Enteignung nachgedacht. Von einer verantwortungsbewussten Politik für die Berliner Bürger, die diese Stadt durch ihre Steuern finanzieren, hat sich Rot-Rot-Grün schon lange verabschiedet.

Wir als AfD sind der Auffassung, dass der gesundheitliche Versorgungsanspruch nach dem Asylbewerberleistungsgesetz ausreichend ist. Darüber hinaus benötigt nicht jeder Betroffene gleich eine vollwertige psychotherapeutische Behandlung. Dem Positionspapier der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie ist zu entnehmen, dass viele Asylbewerber – und jetzt hören Sie einmal zu – Zitat –