Immer! – Liebe Frau Präsidentin! Liebe Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dass es die AfD mit einem differenzierten Blick immer ein bisschen schwer hat, das wissen wir. Zu behaupten, dass sich dieser Senat, der Vorgängersenat, die Bezirke mit dem Thema Kindertagespflege nicht beschäftigt haben, ist ein Märchen, etwas, das Sie hier erzählen, aber das nicht stimmt. Auch als ich noch in der Opposition war, haben sich durchaus die damalige Regierung und die Bezirke mit dem Thema Tagespflege beschäftigt.
Da reicht ein Blick auf die Seite der Senatsverwaltung, und da finden Sie dann zum Beispiel, dass das Thema Kindertagespflege gar nicht so einfach ist, denn wir haben verschiedene Arten von Kindertagespflege. Das sind, wenn man nachzählt, sechs verschiedene Modelle. Da gibt es die Kindertagespflege für ein bis drei Kinder, bis hin zur Ergänzung von Kindertagespflege, Kindertagespflegestellen für neun bis zehn Kinder im Verbund. Das heißt: Wir haben ein differenziertes Feld. Wir haben sehr viele verschiedene Themen. Die sogenannten Kinderta
gesgroßpflegen sind etwas, das sich im Land Berlin entwickelt hat. Das ist etwas, das auch in andere Bundesländer exportiert wurde. Dort ist es so, dass es Erzieherinnen und Erzieher sind, die dort arbeiten und die qualifiziert sind.
Und ja: Die klassische Kindertagespflege ist heutzutage, in Zeiten des pädagogischen Fachkräftemangels, nicht gerade das attraktivste Arbeitsfeld, wenn sie früher als Hausfrau im Nebenjob – das haben die Kollegen bereits erläutert –, neben ihrem eigenen Kind, noch andere Kinder mit betreut haben. Das ist heute nicht mehr das Modell, das wir haben wollen, aber wir wollen, dass Eltern unterschiedliche Wahlmöglichkeiten haben. Und ja: Es gibt Bereiche, wo man sich noch mal verbessern kann.
Wenn Sie auch noch weiter auf die Website geguckt hätten, hätten Sie auch gefunden, was überhaupt die Voraussetzungen sind, um eine Pflegeerlaubnis zu erhalten. Es ist so, dass Sie entsprechende Voraussetzungen erfüllen müssen, unter anderem auch, ein gewisses Sprachniveau im Deutschen haben müssen. Das wird geprüft, das wird nachgeprüft. Im Gegensatz zur AfD – ich bin gespannt, wie Sie dieses verhindern wollen – wollen wir auf jeden Fall, dass selbstverständlich Menschen mit Fluchthintergrund Teil unseres pädagogischen Fachpersonals werden.
Die brauchen wir; das wollen wir, und deswegen werden wir auch entsprechende Modelle entwickeln, um die Wege dorthin zu vereinfachen.
Dass sich da auch noch die Bezirke ein bisschen besser aufstellen müssen, da können Sie noch mal in Ihre Bezirke schauen und nicht immer nur auf dem Land herumhacken: Wenn man sich mal die Zahlen anschaut – die hat, glaube ich, Herr Luthe mal erfragt –, Stand 31. Dezember 2016, so gab es in Marzahn-Hellersdorf fünf Tagespflegepersonen, in Pankow waren es 87. Also, da ist durchaus noch Potenzial in den einzelnen Bezirken, in den Jugendämtern, vielleicht auch die Koordinierung frühkindlicher Bildung und Erziehung voranzutreiben, das in den Jugendhilfeausschüssen und BVVen miteinander zu diskutieren.
Und ja: Das Land Berlin nimmt auch an den Bundesprogrammen teil – das steht auch auf der Website. Manchmal hilft es, ein bisschen mehr zu recherchieren, dass es am Bundesprogramm Kindertagespflege teilnimmt. Wir haben den mobilen Kinderbetreuungsservice – MoKiS –, das haben wir in der letzten Legislaturperiode diskutiert und dann in dieser umgesetzt. Es ist auch richtig, dass wir inhaltlich mit zum Beispiel der CDU nicht so weit auseinander sind. Das haben wir immer gemeinsam diskutiert. Das hat ein bisschen länger gedauert, das wissen Sie auch, wie das so ist, wenn man mit Menschen spricht, wenn man noch mal genauer hinschaut, sich auch mit anderen Ressorts unterhält, wer was wie tun kann. Das mit den Räumen ist auch nicht so einfach; das kann die Jugendverwaltung nicht einfach mal ebenso entwickeln.
Ich denke, wir haben einen guten Antrag entwickelt, sowohl was die Bezahlung angeht – das kann immer noch besser sein – als auch hinsichtlich einer differenzierten Weiterentwicklung der Kindertagespflege in Berlin. Das ist eine gute Grundlage. Auch den Antrag der CDU werden wir im Ausschuss besprechen und diskutieren und dann gemeinsam schauen, wo vielleicht noch Stellschrauben sind, die Sie noch nicht so ganz weit ausgeführt haben. Vielleicht können wir darüber noch ein bisschen differenzierter sprechen. Das werden wir im Ausschuss besprechen. Die AfD kann ihr Hinterwäldlerisches, nach hinten Gewandtes für sich behalten. Das brauchen wir hier nicht. Wir werden weiter nach vorne schauen. Mit denen, die mit uns diskutieren wollen, werden wir das tun, und deswegen freue ich mich auch auf die Ausschussauseinandersetzung. – Danke!
[Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN – Zuruf von der AfD: Vorwärts immer, rückwärts nimmer!]
Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Am 13. Mai, das ist der Montag der nächsten Woche, ist der Tag der Kinderbetreuung. Ich denke, dass wir schon bereits heute, an diesem Tag, aus diesem Hohen Hause heraus all denen Dank sagen sollten, die die Tränen unserer Kinder trocknen, wenn sie traurig sind, die ihre kleinen Auas versorgen, die sie in den Arm nehmen, wenn sie Kummer haben und wir es nicht selber können. Das sind die Erzieherinnen und Erzieher, aber es sind halt auch die Tagespflege-Einzelpersonen in dieser Stadt. Vielen Dank, dass Sie sich um unsere Kinder kümmern, wenn wir es nicht können, danke, dass Sie dies mit so viel Herzblut tun! Ich denke, es ist auch mal angebracht, das an dieser Stelle zu sagen.
Es ist wirklich höchste Zeit, dass wir in diesem Hohen Haus über dieses Thema reden, denn die Kindertagespflege, ob es Einzelpersonen sind oder ob es in der Großtagespflege passiert, macht jeden Tag einen tollen Job – und das unter Umständen, die gerade im finanziellen Bereich nicht besonders erstrebens- oder lohnenswert sind. Und wenn wir ganz ehrlich sind, Frau Senatorin Scheeres, dann waren es doch gerade die Personen der Kindertagespflege, die uns in den letzten Jahren wirklich geholfen haben, die Kinderbetreuung in dieser Stadt aufrechtzuerhalten, angesichts der Kitakrise und allem, was da war.
Daher ist es auch nur angebracht, hier bessere Rahmenbedingungen zu schaffen. Wir werden Sie dabei unterstützen, dies zu tun. Wir haben seit längerer Zeit einen Antrag dazu in Bearbeitung, den wir dann in der Ausschussberatung mit einbringen werden, vielleicht können wir das gemeinsam zusammenführen und das Thema Kindertagespflege weiter nach vorne bringen.
Wir haben Auswüchse in dieser Stadt, wo Menschen über Ebay bis zu 5 000 Euro für einen Betreuungsplatz bieten. Darum müssen wir diesen Job viel attraktiver gestalten, wir müssen dafür sorgen – und das wurde auch von meinen Vorrednerinnen und Vorrednern gesagt –, dass dafür auch Raum zur Verfügung steht, bezahlbarer Wohnraum für die familiennahe Betreuung in der Kindertagespflege, denn die Tagesmütter und Tagesväter haben es verdient, diese Tätigkeit auch in einer vernünftigen Umgebung auszuführen; und dafür sollten wir uns alle gemeinsam einsetzen, liebe Kolleginnen und Kollegen!
Das Thema Bezahlung, das Thema Wohnraum, das ist das Eine. Natürlich ist aber auch Perspektive etwas, worüber man nachdenkt, wenn man einen Beruf wählt, und über Perspektiven haben wir in diesem Haus noch nicht so richtig gesprochen. Es gibt viele Erzieherinnen und Erzieher, die am Ende ihrer Karriere überlegen, ach, es ist mir ein bisschen zu viel, mit so vielen Kindern in der Kita zu arbeiten, ich arbeite in der Kindertagespflege, gehe aus der Kita raus und mache das zu Hause im familiennahen Umfeld. Das finde ich sehr schön als Überlegung, wir haben aber keinen Austausch in die andere Richtung.
Lassen Sie uns doch gemeinsam auch in der Ausschussberatung darüber nachdenken: Welche Perspektive können wir den Kindertagespflege-Einzelpersonen anbieten, wenn diese fünf, zehn, 15 Jahre im Job sind und den schon so lange machen, die in ihren Einrichtungen zu Hause nach den Bildungsprogrammen arbeiten und die Kinder fördern? Warum sollen wir ihnen nicht auch einen Quereinstieg in die Kitas ermöglichen? Lassen Sie uns doch auch mal darüber reden, denjenigen eine Perspek
tive zu bieten, zu sagen: Wir geben euch die Möglichkeit, einen Qualifizierungsrahmen zu schaffen, sodass ihr dann auch als Quereinsteiger in der Kindertagesstätte arbeiten könnt. Ich denke, damit können wir es noch attraktiver machen, wir können uns für den Markt zusätzliche Fachkräfte schaffen und können den Austausch in beide Richtungen öffnen. Ich glaube, das bringt unsere Stadt voran, das bringt die Kindertagesbetreuung in dieser Stadt voran.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. – Vorgeschlagen wird die Überweisung des Antrags auf Drucksache 18/1816 betreffend die Verbesserung der Rahmenbedingungen für Kindertagespflege und des Änderungsantrages der CDU-Fraktion dazu auf Drucksache 18/1816-1 federführend an den Ausschuss für Bildung, Jugend und Familie und mitberatend an den Ausschuss für Stadtentwicklung und Wohnen sowie an den Hauptausschuss. – Widerspruch höre ich nicht – dann verfahren wir so.
Zum Antrag auf Drucksache 18/1817 betreffend die Erhöhung der Vergütung von Tagespflegepersonen wird die Überweisung an den Ausschuss für Bildung, Jugend und Familie sowie an den Hauptausschuss empfohlen. – Widerspruch höre ich nicht, dann ist auch diese Überweisung so beschlossen.
Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion Die Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 18/1819
In der Beratung beginnt die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. – Es hat das Wort Frau Abgeordnete Jarasch, bitte schön!
Sehr geehrte Präsidentin! Werte Abgeordnete! 55 000 Geflüchtete kamen 2015 nach Berlin, viele mit traumatischen Erfahrungen aus der Zeit vor oder während der Flucht. Damals war das Regelsystem überfordert, und damit meine ich nicht nur den LAGeSo-Skandal. Auch die medizinische und psychologische Betreuung war
Um das zu überbrücken, wurde an der Charité eine zentrale Clearingstelle eingerichtet, mit einer unkomplizierten, raschen Terminvergabe, unabhängig vom Status – mit Dolmetschern und Ärztinnen, die direkt vom Senat finanziert wurden. Das Angebot hat damals eine Lücke geschlossen, gerade für Menschen im Asylverfahren, denn deren Behandlungsbedarf wird durch das Asylbewerberleistungsgesetz normalerweise nicht abgedeckt. Dort wurde und wird diagnostiziert und je nach Bedarf überwiesen – an die psychiatrischen Institutsambulanzen der Krankenhäuser in den Bezirken oder auch an die Behandlungszentren der Stiftung Überleben und
Xenion für Folteropfer und Opfer politischer Gewalt. Überall dort wurde wichtige Arbeit geleistet, der Bedarf war allerdings größer; vieles blieb weiter unentdeckt.
Im Jahr 2017 kamen dann nur noch 8 300 und im letzten Jahr 7 300 Geflüchtete hier an. Der Behandlungsbedarf hat sich verändert, gesunken ist er allerdings nicht. Und das hat ernstzunehmende Gründe. Zum Einen kommen traumatische Erfahrungen meistens erst dann an die Oberfläche und machen sich auch körperlich bemerkbar, wenn Menschen nicht mehr akut um ihr Überleben kämpfen müssen. Zum anderen wächst die Zahl der Depressionen und posttraumatischen Erkrankungen an, weil das Ankommen in vielen Fällen eben schwieriger ist als erhofft.
Geflüchtete bleiben oft jahrelang in Unterkünften, weil es zu wenige Wohnungen gibt. Wir haben in diesem Haus schon oft über dieses Problem diskutiert. Zwar werden die neuen Unterkünfte nicht mehr als Gemeinschaftsunterkünfte gebaut, sondern nach Vorgaben des sozialen Wohnungsbaus. Wir alle in diesem Haus haben das begrüßt, weil dadurch perspektivisch mehr bezahlbarer Wohnraum entsteht. Aber Geflüchtete bleiben in diesen Unterkünften unter sich – das erschwert natürlich Integration. Die Reduzierung des Personalschlüssels in den Unterkünften, die als GU 2 und GU 3 eingestuft werden, geht natürlich auch auf Kosten der sozialen und der Kinderbetreuung.
Viele Kinder haben keinen Kitaplatz, Mütter und ältere Schwestern übernehmen ihre Betreuung. Das bedeutet dann aber, dass viele Frauen keine Zeit haben, selbst einen Deutschkurs zu besuchen oder gar einen Job zu suchen. Viele der Töchter stellen ihr eigenes Vorankommen in der Schule zurück, weil sie sich um Geschwister kümmern müssen. Aber auch Väter sind mit der neuen Situation überfordert, Jungs bleiben ihren Handys überlassen. Noch schwieriger ist die Situation für Familien in Hostels, in denen es überhaupt keine Betreuung und meistens auch keinen Einblick gibt.
Die dringlichste Aufgabe einer psychosozialen Versorgung ist deshalb die Stabilisierung und Stärkung von
Kindern und Familien. Bei einem Fachgespräch zum Thema bei uns in der Fraktion hat sich eine junge Frau zu Wort gemeldet, die mit ihrem siebenjährigen Sohn allein aus Afghanistan geflohen ist. Sie musste ein Jahr lang auf ihren Deutschkurs warten, weil Geflüchtete aus Afghanistan ja von den BAMF-Kursen ausgeschlossen sind. Jetzt darf sie einen Kurs machen, Arbeit hat sie nicht. Ihr Tag hat keine Struktur, und ihr Sohn, so hat sie es uns selbst erzählt, ist oft der einzige Grund, weshalb sie sich zwingt, aus dem Haus zu gehen. Und sie will, dass ihr Leben endlich weitergeht.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist Zeit für einen Perspektivwechsel und für die nächsten Schritte, die wir hier in dem heute vorgelegten Antrag einfordern – weg von den Übergangslösungen und hinein ins Leben.
Das heißt erstens: Rein in die Unterkünfte, damit die Menschen rauskommen aus den Unterkünften; durch Peer-to-Peer-Angebote, durch aufsuchende Arbeit, vor allem in Hostels, durch niedrigschwellige psychosoziale Angebote in den Gemeinschaftsunterkünften.
Zweitens: Brücken bauen ins Quartier, in die Institutionen. Das heißt: verstärkt Angebote der Sprachförderung, der Elternberatung, des Jobcoachings in den Institutionen dieser Stadt, in Kitas, Schulen, Familienzentren.