Protocol of the Session on May 9, 2019

hören Sie hin, es geht jetzt auch um Sie! – das mit starken Sprüchen, mit einer falschen Männlichkeitsideologie und besonders großen Waffen auszugleichen zu suchen.

Das Prinzip der Abschreckung – das ist quasi die konstante Drohung, Völkermord zu begehen – basiert auf dem Gedanken, dass die stärksten Waffen in den

(Vizepräsidentin Dr. Manuela Schmidt)

richtigen Händen gut für die Menschheit sind. Ich glaube, angesichts all dieser Typen da draußen ist dieser Irrglaube Quatsch, und damit muss Schluss sein! Die Welt ist nur sicher ohne Atomwaffen. Irgendjemand muss den ersten Schritt gehen. Ich bin den Koalitionspartnern dankbar, dass wir jetzt die Bundesregierung drängen wollen, endlich diesen ersten Schritt mitzugehen. – Vielen Dank!

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Für die Fraktion der CDU hat jetzt das Wort der Abgeordnete Herr Jupe. – Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Kollegen! Ich darf zu der vorliegenden Beschlussempfehlung und dem zugrunde liegenden Antrag wie folgt vortragen – erstens: Ich halte es nicht für richtig, dieses Landesparlament mit den dafür berufenen Bundesorganen zu einer Bühne zu machen für bestimmte Anliegen von Außenpolitik, die natürlich jede Partei haben kann.

[Beifall bei der CDU]

Zweitens: Es ist natürlich zu einfach, eine ICANKampagne zur Abschaffung von Atomwaffen wörtlich mit einem parlamentarischen Beschluss unseres Landesparlaments, dem Abgeordnetenhaus von Berlin zu unterstützen. Sie lassen dabei bewusst außer Acht, dass für diesen Fall unsere gesamte westliche Verteidigungsstrategie, auf die wir, zumal in Europa, nach 70 Jahren Frieden angewiesen sind, betroffen wäre. Schließlich würden wir dadurch schutzlos werden, und ich füge hinzu, dass ich ausdrücklich und dankbar auf den Schutz durch den Atomwaffenschirm der USA hinweise.

[Beifall bei der CDU]

Nebenbei: Wenn wir darauf verzichten würden oder sich das erübrigen würde aus irgendwelchen Entwicklungen heraus, dann würden wir sicherlich in den Zwang kommen – wie es derzeit ja in Verhandlungen erforscht wird – eine europäische Verteidigungsgemeinschaft zu machen. Gespräche mit einigen Ländern, u. a. mit Frankreich, laufen.

Drittens: Geschichtlich und rechtlich gesehen schießen Sie natürlich völlig am Ziel vorbei. Denn Deutschland hat bereits auf Atomwaffen verzichtet. Ich möchte in Erinnerung rufen, dass es 1954 den Vertrag über die Westeuropäische Union gegeben hat, und da hat Deutschland auf eigene atomare, biologische und chemische Waffen ausdrücklich und wortwörtlich verzichtet. Wenn man das außer Acht lässt, muss ich sagen, kann ich Sie politisch eigentlich nicht ernst nehmen.

[Beifall bei der CDU und der AfD]

Lassen Sie mich zum Abschluss – weil wir eine vollständig andere Auffassung dazu haben – noch vier Bemerkungen machen, die ich in Anlehnung an Herrn von Marschall gerne vortragen würde. – Gut, dann muss ich es wegen der Redezeit zu Protokoll geben. – Sie beziehen sich im Wesentlichen darauf, dass die gegenseitige Abschreckung, die wir 70 Jahre lang gehabt haben, die beste Garantie war und heute auch noch ist, dass eben Atomwaffen nie eingesetzt werden. Das setzt aber ein Abschreckungsvolumen voraus, und deswegen können wir nicht einfach abrüsten. – Danke!

[Beifall bei der CDU und der AfD – Beifall von Kay Nerstheimer (fraktionslos), Andreas Wild (fraktionslos) und Jessica Bießmann (fraktionslos)]

Für die Fraktion der SPD hat jetzt das Wort der Abgeordnete Zimmermann. – Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir haben hier eine Reihe und eine Bandbreite von Ansichten zu diesem Thema, sodass man hier durchaus auf Details gucken muss, und das wollen wir hiermit tun.

Zunächst einmal finde ich die Anmerkung von Herrn Jupe sehr gut, dass die Bundesrepublik Deutschland dauerhaft auf Atomwaffen verzichtet hat. Das ist verbindliches Völkerrecht geworden, und darauf sollten wir rekurrieren. Das ist eine Errungenschaft und natürlich auch ein Ergebnis des Zweiten Weltkriegs, an der wir festhalten müssen.

Wir haben aber weltweit dramatische Entwicklungen – ich will nur nennen die Aufkündigung des INF-Vertrags durch die USA, die Aufkündigung des Iran-Atomabkommens, zunehmende Konflikte zwischen den USA und Russland, Machthaber, die mit ihren Raketen herumfuchteln wie in Nordkorea. Wir haben weltweit eine Erosion des Völkerrechts festzustellen, und wir haben eine Aufwertung der Gewalt in den internationalen Beziehungen. All das fordert geradezu eine klare Stellungnahme für Abrüstung und Rüstungskontrolle heraus, die wir hiermit abgeben.

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Eine solche Stellungnahme kann auch das Landesparlament abgeben. Es ist vollkommen richtig: Das regelt die Sache nicht, sondern wir geben eine Entschließung in die Debatte hinein, und das ist völlig angemessen. Aber wir haben die Grenzen eines solchen Beschlusses zu beachten, und wir haben die eklatanten Schwächen des Atomwaffenverbotsvertrags zu beachten, wie er jetzt vorliegt.

(Georg Kössler)

Denn dieser Vertrag fordert ein Komplettverbot von Atomwaffen. Eine solche Regelung hat kaum Aussicht auf Erfolg, je wirklich relevantes, verbindliches Völkerrecht zu werden, denn der Vertrag wird von den Atommächten nicht ratifiziert werden. Er ist von ihnen noch nicht einmal mitverhandelt worden. Deswegen ist er in seiner Bedeutung doch arg begrenzt. Weder die Atommächte noch die übrigen NATO-Staaten – außer Holland – haben sich auch nur beteiligt, auch Deutschland nicht. Es ist also mehr als fraglich, welche Wirkung der Vertrag überhaupt haben kann, wenn die Atommächte ihn boykottieren.

Es ist vor allen Dingen noch etwas zu beachten: Wenn wir als Reaktion auf gewachsene Unsicherheit und Unzuverlässigkeit woanders das Ziel haben, gemeinsam in der Europäischen Union, gemeinsam mit den EU-Partnern eine engere Außen- und Verteidigungspolitik zu entwickeln, dann müssen wir uns auch mit den Atommächten Großbritannien und Frankreich arrangieren, und wir werden das wohl kaum können, wenn wir das mit Forderungen garnieren, die sie niemals erfüllen werden.

[Vereinzelter Beifall bei der FDP]

Deswegen braucht man hier eine realistische Betrachtung, was die Außen- und Verteidigungspolitik der Bundesrepublik überhaupt leisten kann und was nicht. Deswegen in aller Vorsicht eine Relativierung der Wirkung dieses völkerrechtlichen Vertrags – aber ein Signal für mehr Rüstungskontrolle und Abrüstung ist allemal richtig. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Für die Fraktion der AfD hat jetzt das Wort Herr Abgeordneter Pazderski. – Bitte schön!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich hätte nicht geglaubt, dass wir uns hier im Abgeordnetenhaus einmal über Außen- und Sicherheitspolitik unterhalten würden. Aber nun ja, tun wir das!

Solange es Atomwaffen gibt, besteht auch die Angst vor ihrer Wirkung. Nach den furchtbaren Ereignissen in Hiroshima und Nagasaki kann man diese Angst auch durchaus nachvollziehen. Deutschland – das wurde schon mehrfach gesagt – hat sich dafür entschieden, keine Atomwaffen zu produzieren oder zu besitzen, und ist 1969 dem Atomwaffensperrvertrag, der die Nichtverbreitung von Kernwaffen vorsieht, beigetreten. Ob allerdings das Verbot von Kernwaffen unsere Welt wirklich sicherer machen würde, das muss man schon mit Blick auf Süd- und Ostasien bezweifeln.

Zudem gilt – das muss man hier auch noch einmal deutlich sagen –: Unser Land hat gerade auch in schwierigen Zeiten sehr wohl vom nuklearen Schutzschild der USA profitiert. Einzig die USA als unser NATO-Verbündeter sind in der Lage, Deutschland aktuell vor nuklearer Erpressung zu schützen. Dazu sind nämlich weder Frankreich noch Großbritannien in der Lage.

Wir in der AfD sind nun einmal nicht dafür bekannt, die Bundesregierung übermäßig zu loben. Wir gehen davon aus, dass die Bundesregierung wie alle anderen 28 NATO-Staaten gute Gründe hat, den Atomwaffenverbotsvertrag nicht zu unterzeichnen. Bislang haben diesen bezeichnenderweise nur nukleare Habenichtse unterzeichnet, einschließlich dubioser Länder wie der Iran oder Saudi-Arabien, die ihre eigenen, gegen Israel gerichteten Motive haben. Diese nuklearen Habenichtse fordern von denen, die Atomwaffen besitzen, auf alles zu verzichten, was mit diesen Waffen zusammenhängt. Das Ergebnis: null. Keine der Atommächte hat zugestimmt, ebenso wenig die Mitgliedstaaten der NATO. – Ich frage Sie: Warum sollten sie auch zustimmen?

Die rot-rot-grünen Global Player hier im Abgeordnetenhaus möchten nun, dass Deutschland sich aus der engen Abstimmung der westlichen Staaten einseitig herauslöst. Deutschland soll einen Sonderweg gehen ohne Rücksicht auf Amerikaner, Briten, Franzosen, Polen, die baltischen und skandinavischen Staaten oder Südeuropa. Deutsche Sonderwege haben stets zu europäischen Krisen oder gar zu Schlimmerem geführt. Das wird glücklicherweise diesmal nicht geschehen, nicht einmal unter dem Außenminister Maas oder einer Jamaika-Koalition. Da werden sich der Senat und die rot-rot-grüne Koalition die Zähne ausbeißen.

Was soll also dieser offensichtlich sinnlose Antrag, der etwas zur Entscheidung stellt, worauf Berlin so gut wie keinen Einfluss hat?

[Beifall bei der AfD – Beifall von Andreas Wild (fraktionslos)]

Ich denke, es geht einmal mehr darum, dass die einen Aktivisten den anderen Aktivisten auf die Schulter klopfen. Man will sich gegenseitig versichern, wie toll man ist. Letztendlich öffnet man auch den Weg zur Staatskasse – und damit zu Staatsgeldern. Ich sage Ihnen: Das ist der eigentliche Zweck.

Der Internationalen Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen wird applaudiert, obwohl sie bislang nicht eine einzige Atomwaffe verhindert hat. Stattdessen wird, wie es im Antrag heißt, seitens der ICAN – International Campaign to Abolish Nuclear Weapons – engagiert mit nationalen und internationalen Akteuren gesprochen, die ebenfalls bislang absolut nichts bewirkt haben. Allerdings – das muss man auch sehen –: Es schafft gut bezahlte Jobs, und macht teure Konferenzen wie auch schöne Urlaubsreisen nötig, zu denen man dann hinjettet. Man

(Frank Zimmermann)

schafft neue Versorgungspöstchen für den einen oder anderen, auch abgehalfterten Funktionär. Letztlich bringt es aber nichts. Da kann auch kein Friedensnobelpreis etwas helfen.

Es spricht nichts dagegen, wenn sich jemand bei der ICAN privat engagiert, aber es gibt sehr viele Probleme, die uns in dieser Stadt auf den Nägeln brennen und einer Lösung harren. Ich kann Ihnen versichern: Atomwaffen gehören nicht dazu.

[Beifall bei der AfD]

Die Zeit zur Beratung von Anträgen in diesem Haus ist knapp bemessen, wie wir alle jedes Mal um 19 Uhr wieder feststellen müssen. Lassen Sie uns unsere Plenarsitzung bitte sinnvoll nutzen, orientiert an den wirklichen Bedürfnissen der Berliner, und nicht an wirkungslosen Schaufensterresolutionen zur Weltpolitik!

[Beifall bei der AfD]

Für folgenlose Bekenntnisse hat man keinen von uns gewählt. Dafür haben wir nun wirklich keine Zeit. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der AfD]

Für die Fraktion Die Linke hat jetzt der Abgeordnete Herr Schatz das Wort. – Bitte schön!

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Meine Damen und Herren! – Dafür haben Sie aber ziemlich lange geredet, Herr Pazderski! – Meine Rede möchte ich mit einem Glückwunsch an den Initiativkreis gegen Atomwaffen und an die Kampagne „Büchel ist überall! atomwaffenfrei.jetzt“, die gestern den Friedenspreis der Stadt Aachen zuerkannt bekommen haben, beginnen. Ich glaube, ihre Arbeit zeigt Wirkung. Wenn wir im April die Umfrage des Instituts YouGov zur Kenntnis genommen haben, dann sind 59 Prozent der Menschen in Deutschland für einen Abzug aller Atomwaffen aus Deutschland. Zudem sind immerhin 53 Prozent der Befragten für einen Beitritt Deutschlands zum Atomwaffenverbotsvertrag. Dieser Mehrheit wollen wir mit dem Beschluss heute eine Stimme geben.

Frau Präsidentin! Mit Ihrer Erlaubnis würde ich gern Albert Einstein zitieren, der mit Blick auf den Kalten Krieg sagte:

Welch triste Epoche, in der es leichter ist, ein Atom zu zertrümmern als ein Vorurteil!

Eigentlich schien diese Epoche des Kalten Krieges vorbei zu sein, doch spätestens – der Kollege Zimmermann hat es erwähnt – mit der Kündigung des INF-Vertrages wird unsere heutige Epoche wieder trister. Ein neues atomares

Wettrüsten droht: Die Amerikaner haben bereits neue nukleare Raketen in Auftrag gegeben; die Russen werden es sicher auch tun. Andere Staaten rüsten ebenso weiter nuklear auf.