Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion Die Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 18/1626
In der Beratung beginnt die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Das Wort hat die Abgeordnete Schillhaneck. – Bitte schön!
Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Meine Damen und Herren! Es steht immer mal wieder in der Zeitung, wenn ein Bezirk sein Vorkaufsrecht wahrnimmt, wenn eine landeseigene Wohnungsbaugesellschaft in größerem Umfang die Gelegenheit wahrnimmt, die Kehrtwende einzuleiten, die Wohnungsbestände des Landes wieder aufzufüllen. Was weniger Beachtung findet, ist, dass sich die Koalition schon vor einiger Zeit entschlossen hat, zunächst mit dem Ankaufsfonds im SIWANA auch in den strategischen Flächenankauf zu gehen. Wir haben bereits im letzten Jahr einen relevanten Betrag ins SIWANA zurückgelegt, wie man so schön sagen könnte, um für alle relevanten stadtentwicklungspolitischen Zwecke auch endlich eine vorausschauende Politik betreiben zu können.
Da möchte ich Ihr Augenmerk auf ein ganz wichtiges Wort in unserem Antrag lenken. Es ist die strategische Grundstücksreserve. Wir wollen und müssen endlich weg davon kommen, dass Ankaufpolitik in der Vergangenheit – notgedrungen an vielen Stellen – viel zu oft eher ein Gelegenheitsgeschäft war, viel zu oft nur dann stattfinden
konnte, wenn zufälligerweise alle Vorzeichen positiv waren, ohne dass wir tatsächlich mit dem lang- und mittelfristigen Blick herangehen konnten: Wo brauchen wir in fünf oder zehn Jahren z. B. Flächen für Verwaltungsnutzung, Kitas, Sport, aber auch Wohnen oder Gewerbe? Auch um das Gewerbe geht es in diesem Zusammenhang. Diese Abschätzung konnten wir in der Vergangenheit nicht betreiben. Deswegen wollen wir jetzt den zweiten Schritt machen. Wir gehen mit dieser Koalition in Richtung einer aktiven Ankaufspolitik zum Aufbau einer strategischen Grundstücksreserve.
Ein Beispiel kann man sich da sicherlich auch an der Stadt Wien nehmen. Wien betreibt das zu einem ganz bestimmten Zweck seit über 30 Jahren. Der explizite Zweck der Ankaufspolitik in Wien ist der soziale Wohnungsbau. Sie können sich vorstellen, dass es für diese Koalition ebenfalls einer der zentralen Zwecke ist. Dabei geht es durchaus auch um innerstädtische Flächen. Dabei geht es darum, Flächen aufzukaufen, nicht nur Gebäude, nicht nur das, was jetzt gebaut ist, sondern Flächen. Es geht darum, die entsprechenden Partner zu finden, die dort dann sozialen Wohnungsbau betreiben, und nicht nur dann, wenn es zu einem städtebaulichen Vertrag kommt, die Gesamtentwicklung eines Kiezes im Blick zu haben, sondern die Gemeinbedarfe, die anderen Bedarfe eines zu entwickelnden oder sich entwickelnden Quartiers. Dafür brauchen wir diese strategische Flächenreserve, und die werden wir Stück für Stück ausbauen.
Das ist nichts grandios Neues, wenn man den politischen Umgang anderer Städte in der Bundesrepublik mit solchen Fragen anschaut. Selbst Hamburg oder München, aber auch kleinere Städte wie Göttingen, Ulm oder Münster haben ähnliche Ansätze, haben sich zum Teil schon vor über zehn Jahren für entsprechende sozialverträgliche, sozialpolitisch formulierte Ansätze einer Flächennutzungspolitik entschieden. Diese sagt ganz klar: Wir müssen für ein gesundes Wachstum der Stadt, der Entwicklung der Stadt und der Stadtquartiere, eben sowohl den Kampf gegen Verdrängung im Blick haben als auch z. B. eine sinnvolle Ansiedlungspolitik von Gewerbe, von Wirtschaft, aber auch von Verwaltungssitzen und Ähnlichem in der Zukunft. Sie betreiben so etwas längst, und es ist Zeit für Berlin – gerade nach den Erfahrungen der letzten Jahre –, das ebenfalls selbst zu tun.
Was brauchen wir dafür? – Wir brauchen zunächst vor allem einen Kriterienkatalog. Denn eins ist klar: Natürlich ist in einer Stadt wie Berlin derzeit der Preisdruck hoch, und wir werden keine Mondpreise zahlen – das kann ich Ihnen klipp und klar sagen. Auch einer strategischen Ankaufspolitik muss immer eine Abwägung der Wirtschaftlichkeit der Bevorratung gegenüberstehen.
Sie schütteln so schön den Kopf, Frau Kollegin! Doch genau darum geht es! Denn eine strategische Grundstückspolitik muss das im Blick haben: Was würde es uns kosten?
Erst in fünf oder zehn Jahren festzustellen: Oh Gott, oh Gott, da muss ja eine Kita hin! – Nein! Wir müssen das jetzt im Blick haben. Deshalb kann es sein, dass wir jetzt das Grundstück kaufen müssen, um für solche Zwecke Bevorratung zu betreiben, damit dort, wo sich unsere Stadt entwickelt, jetzt bevorratet werden kann. Sie können dreimal sagen: Das würden wir derzeit nicht tun! – Ich weiß nicht, ob Sie diesen Antrag gelesen haben, Frau Kollegin. Es geht hier um etwas in die Zukunft Gerichtetes. Wir wollen eine aktive Ankaufspolitik für eine strategische Grundstücksreserve betreiben. Wenn Sie sagen, „Das betreiben Sie ja gar nicht!“ –, dann haben Sie, glaube ich, ein kleines Problem mit der Grammatik der Zeiten im Deutschen. Es tut mir sehr leid, aber das ist das, was wir zu tun beabsichtigen! Das ist das, wofür wir die Verwaltung brauchen, wo wir von den Senatsverwaltungen die Vorlage eines entsprechenden Kriterienkatalogs und des Verfahrens erwarten und wir parlamentarisch sagen: Dafür soll das sein. So soll das betrieben werden, und das wollen wir umgesetzt haben. Was Sie dagegen haben, können Sie ja gleich ausführen. – Vielen Dank!
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Während Ihre Ankaufspolitik im Bereich der Wohnungswirtschaft aus unserer Sicht im Wesentlichen willkürlich, intransparent und Steuergeldverschwendung ist, kommen wir, was das Thema des vorliegenden Antrags betrifft, tatsächlich zu einem differenzierten Ergebnis.
Erwähnen muss man an dieser Stelle allerdings auch, dass das, was der Senat in seiner Presseerklärung vom 19. Februar zum Thema transparente Liegenschaftspolitik herausgegeben hat, ein wenig erstaunt. Wenn der Senat jetzt verkündet, dass er sein bestehendes Regelwerk erweitert – Stärkung des SODA-Vermögens und grundsätzliche Abkehr vom Grundstücksverkauf –, wundert man sich doch ein bisschen, denn wenn der Senat uns erst heute mitteilt, dass er Beschlüsse der Koalition aus der letzten Wahlperiode umsetzt, fragt man sich natürlich schon: Ist das ein schweres Versäumnis des Senats in der Umsetzung von Parlamentsbeschlüssen? Oder versucht man hier ein bisschen Etikettenschwindel, indem man
Dinge, die schon längst beschlossen sind, noch einmal neu verkaufen möchte? – Ihr Antrag baut ja darauf auf.
Frau Kollegin Schillhaneck! Wie Sie wissen, haben wir uns in der letzten Wahlperiode mit den Sozialdemokraten darauf verständigt, dass wir im Wesentlichen keine Grundstücke mehr verkaufen und Erbbaurechtsverträge, Vermietung oder Verpachtung wollen, um einfach einmal das große Immobilienvermögen des Landes vernünftig zu bewirtschaften. Wir kritisieren es auch nicht erst seit heute, dass uns dieser Prozess viel zu langsam geht. Wir würden vom Senat erwarten – das werden wir sicherlich auch in der Antragsberatung in den Ausschüssen deutlich machen können –, dass dieser Prozess schneller geht, dass wir uns schneller einen Überblick darüber verschaffen können, welche Flächen wir bereits haben und wofür wir sie nutzen wollen. Da gibt es Fortschritte, aber wie gesagt, wir arbeiten schon mindestens drei, vier Jahre daran, und das geht uns eindeutig zu langsam.
Beim Thema Grundstücksankauf ist das im Grundsatz richtig. Wir sind da auch für eine Einzelfallprüfung offen und gespannt, welche Konzepte uns der Senat vorlegen wird. Wir haben in der Vergangenheit – Beispiel Dragoner-Areal – durchaus die Bestrebungen des Senats, auch Grundstücke vom Bund anzukaufen, unterstützt. Und wir finden es, wenn es ein vernünftiges Konzept dazu gibt, auch nachvollziehbar, dass man sich damit beschäftigt.
Allerdings betone ich noch einmal, dass für uns auch Voraussetzung ist, dass es ein entsprechendes Konzept dafür gibt. Wir erwarten im Rahmen des Berichts, den Sie hier selber im Antrag adressieren, dass der Senat uns nicht nur Listen mit Grundstücken präsentiert, sondern auch das Verfahren transparent macht und auch die strategischen Ziele, die er damit erreichen möchte, vorträgt.
Natürlich – und das haben wir ja bereits in der letzten Wahlperiode begonnen – ist das SODA-Konstrukt, also dieses Sondervermögen Daseinsvorsorge, in dem diese strategischen Grundstücke gehalten und bewirtschaftet werden, ein richtiges Instrument, um diese Grundstücke zu sammeln. Insofern geht Ihr Antrag an dieser Stelle aus unserer Sicht in die richtige Richtung. Wir erwarten vom Senat, dass er hinsichtlich seiner Gesamtkonzeption, sowohl was die Grundstücke betrifft, die bereits im Landesvermögen sind, im Zuge der Clusterung eine klare Antwort gibt, wie das Potenzial ist, wie diese Grundstücke genutzt und nach welchen Kriterien sie, übrigens jetzt auch bewirtschaftet/vergeben werden sollen. Das muss dann, ergänzt durch Ihre Idee einer Ankaufsreserve, ein Gesamtkonzept werden. Sonst haben wir a) weiterhin keinen Überblick und können b) nicht strategisch handeln. Auf diese Diskussion im Ausschuss und die Einlassungen der Koalition und des Senats ebenfalls sind wir gespannt. – Herzlichen Dank!
Vielen Dank! – Frau Präsidentin! Meine Damen, meine Herren! Herr Goiny! Sie wissen, dass ich Sie sehr schätze. Aber über eine Sache war ich jetzt doch ein bisschen erstaunt, als Sie sagten: Das Ganze ist intransparent und, und, und. – Ich dachte immer, Sie sind Mitglied im Vermögensausschuss; Sie sind Mitglied im Hauptausschuss.
Im Hauptausschuss sind Sie aber! Insofern können Sie sich doch jederzeit mit entsprechenden Anfragen im Hauptausschuss an die zuständige Verwaltung wenden. Deshalb bin ich immer sehr erstaunt, dass Sie das dann nicht machen.
Dass die Bodenfrage die Schlüsselfrage für eine sozial gerechte Wohnungs- und natürlich Stadtentwicklungspolitik ist, haben beide Vorredner schon gesagt. Ich denke, da ist sich nicht nur dieses Haus einig, sondern auch die Expertinnen und Experten – egal, ob das die Wohnungsverbände, Universitäten, außeruniversitäre Forschungseinrichtungen, unser Haus oder die Verwaltung sind. Man kann wirklich sagen: Am Grund und Boden hängt alles! – Es ist im wahrsten Sinn des Wortes das Fundament für eine nachhaltige Stadtentwicklungspolitik, und weil dem eben so ist, sind Grund und Boden auch im Grundgesetz besonders geschützt.
Das Bundesverfassungsgericht meint dazu – und ich darf zitieren: Die Nutzung des Bodens darf nicht dem unübersehbaren Spiel der Kräfte und dem Belieben des Einzelnen vollständig überlassen werden. – Recht haben sie! – Für uns als SPD-Fraktion ist ganz klar: Wir setzen uns für eine strategische und langfristige Bodenreserve in der öffentlichen Hand ein, so, wie wir das unter Rot-RotGrün auch immer sagen. Denn nur so können wir die Entwicklung Berlins künftig sinnvoll steuern.
Diesen Weg verfolgen wir konsequent seit mehreren Jahren – Herr Goiny, Sie haben es gesagt. 2014 haben wir eine Neuausrichtung der Berliner Liegenschaftspolitik damals gemeinsam mit der CDU auf den Weg gebracht. Diese setzen wir unter Rot-Rot-Grün weiter mit noch stärkerem Nachdruck fort. Vor zwei Jahren haben wir als eines der großen Gesetzesvorhaben unserer rot-rot-grünen Koalition das Sondervermögen für Daseinsvorsorge geschaffen. Dieser Bodenfonds namens SODA ist in Berlin der Inbegriff für verantwortliche Bodenpolitik. … Mit dem SODA entwickeln wir die Liegenschaftspolitik des Landes Berlin weiter. Der heutige Antrag bildet den nächsten Schritt dazu; das hat meine Kollegin von den Grünen schon gesagt. Denn in dem Antrag geben wir den Rahmen für unsere strategische Ankaufspolitik.
Das erste zentrale Kriterium ist die langfristige Perspektive unserer Bodenpolitik. Schauen wir auf die letzten 20 Jahre zurück, so hat sich Berlin eigentlich immer – das kann ich hier einmal so sagen – anders entwickelt, als zunächst angenommen worden war. Erst ist die Stadt in den Neunzigerjahren geschrumpft, obwohl alle mit einem Wachstum gerechnet hatten. Dann stiegen die Bevölkerungszahlen wieder schneller und stärker als prognostiziert. Auch wir können heute natürlich nicht alle Entwicklungen voraussehen – das ist völlig klar –, sodass eine langfristige, angedachte Bodenpolitik von zentraler Bedeutung ist.
Ein zweiter wichtiger Punkt ist, dass wir mit unserem Bodenfonds Reserven für alle relevanten Nutzungsarten schaffen wollen: Wohnungsnutzung, Gewerbeflächen, Platz für Verwaltung, ökologische und soziale Zwecke – alles gleichermaßen. Beispielsweise – das ist ja erst geschehen – haben wir als rot-rot-grüne Koalition uns dazu bekannt, alle landeseigenen Kleingärten eben nicht für den Wohnungsbau zu verwenden. Denn es gibt nicht nur Flächen auf städtischem Gebiet, sondern beispielsweise auch riesige Flächen der Deutschen Bahn. Darauf befinden sich viele Kleingartenanlagen. Wir haben gesagt: Diese strategische Reserve für den stadtökologischen Ausgleich zu erwerben, ist auch hier ein Schritt, den wir prüfen müssen – und den wir natürlich dann auch machen werden.
Ebenso wichtig ist, die Ankaufspolitik von Flächen für den zukünftig landeseigenen Wohnungsbau bereitzustellen. Einen Teil des aktuellen Haushaltsüberschusses in Höhe von 70 Millionen Euro stecken wir in unseren Grundstücksankaufsfonds. Das muss man hier noch einmal sehr deutlich sagen. Dabei werden wir genau darauf achten, das Vorkaufsrecht und die Flächenankäufe als zwei eigenständige und sich gegenseitig nicht ersetzbare Teilinstrumente zu betrachten. Das ist sehr, sehr wichtig, weil Herr Goiny das hier so ein bisschen durcheinandergebracht hat. Denn so wichtig Wohnungsankäufe sein mögen, sie schaffen eben keine einzige Wohnung.
Aber genau diese neuen Wohnungen brauchen wir. Bei einer Leerstandsquote von unter 2 Prozent und einem anhaltenden Bevölkerungswachstum brauchen wir nicht nur für die heutigen, sondern auch für die zukünftigen Mieterinnen und Mieter bezahlbaren Wohnraum.
Die Kinder, die in diesem Frühling Konfirmation oder Jugendweihe haben, suchen in einigen Jahren eine bezahlbare Wohnung. Wir sind es ihnen schuldig, ein