Protocol of the Session on January 24, 2019

Antrag der Fraktion der FDP Drucksache 18/1592

Erste Lesung

Ich eröffne die erste Lesung zu dem Gesetzesantrag. In der Beratung beginnt die Fraktion der FDP. Jetzt hat das Wort der Abgeordnete Swyter. – Bitte schön!

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Meine sehr geehrten Damen und Herrn! Nach dieser ganzen Links-rechtsGeschichte, die uns übrigens für diese Stadt überhaupt nicht weiterbringt, freue ich mich, dass wir hier einen Antrag der FDP vorstellen dürfen, der eins ins Zentrum stellt, nämlich die funktionierende Stadt. Reden wir doch mal wieder über die funktionierende Stadt.

[Beifall bei der FDP – Sebastian Schlüsselburg (LINKE): Bisschen weitgegriffen!]

Mangel in Berlin: Es gibt kaum ein politisches Feld, wo wir nicht über Mangel sprechen. Wir sprechen über Mangel an Sicherheitspersonal, Mangel an Polizei, Mangel an Lehrern, Mangel an Wohnraum, neuerdings Personalmangel bei der BVG. Eins haben wir allerdings im Überfluss: Bürokratie. Das haben wir wahrlich im Überfluss. Das sagt auch Lütke Daldrup völlig zu Recht. – Ich nehme mal einen Kronzeugen aus der SPD. – Er sagt zu Recht: Vor 20 Jahren hatten wir nur 25 Prozent der Normen, die wir heute haben.

[Zuruf von Holger Krestel (FDP)]

Ließe man von diesen die Hälfte weg, wäre es generell einfacher, billiger und effizienter, in Deutschland zu bauen. Was Lütke Daldrup da gesagt hat im Bereich des Baurechts, gilt auch in vielen anderen Bereichen in Berlin und auch in vielen Bereichen der Landesverwaltung.

[Sebastian Schlüsselburg (LINKE): Komplizierte Gesellschaft, komplizierte Gesetze!]

Herr Schlüsselburg, wenn Sie etwas sagen und sich mit mir unterhalten wollen, dann drücken Sie sich ein! Ich warte auch auf Ihren Beitrag.

[Paul Fresdorf (FDP): Tolles Angebot! – Sebastian Schlüsselburg (LINKE): Mache ich!]

Wir wissen nämlich eins auch: Ganz ohne Vorschriften, Regulierungen und auch Bürokratie geht es nicht. Entscheidend ist das richtige Maß. Daher ist es an der Zeit, dem Beispiel zu folgen, bei dem der Bund und einige Bundesländer schon vorausgegangen sind, nämlich ein Expertengremium einzurichten, das unabhängig ein

Preisschild auf Regulierungen klebt. Das ist erst einmal die wichtigste Aufgabe, damit wir wissen, was kostet eigentlich was, welche bürokratischen Belastungen hat der eine oder andere Gesetzesvorschlag zur Folge. Preisschilder fehlen bislang in den allermeisten Berliner Gesetzen, ob es nun das Zweckentfremdungsverbot ist oder übernachtungssteuerliche Vorschriften, Wohnraumgesetz. Überall liest man bei diesen Gesetzen und Gesetzentwürfen „Kosten: keine“ oder „Kosten: ja, die können wir aber nicht beziffern“. Das scheint wohl nicht zu interessieren. Doch es interessiert, und deswegen brauchen wir dieses Expertengremium.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Dieses Expertengremium hat zwei wesentliche Aufgaben. Das eine ist die Vermeidung von künftiger Bürokratie, aber auch darüber hinaus Vorschläge zu unterbreiten zum Abbau von bestehender und unnötiger Bürokratie. Dafür gibt es Methoden, das nennt sich Standard-KostenModell, um bei bestehenden Gesetzen und auch Gesetzesentwürfen zu evaluieren und zu berechnen, welche Kosten damit verbunden wären. Was nicht damit verbunden wäre, ist, die Frage nach dem Ziel des Gesetzes zu stellen. Das ist natürlich auch Aufgabe des Gesetzgebers. Aber die Zweck-Mittel-Relation in den Vordergrund zu stellen, ist bitter nötig, gerade in dieser Stadt.

[Beifall bei der FDP – Zuruf von Sebastian Schlüsselburg (LINKE) – Heiterkeit von Stefan Franz Kerker (AfD)]

Herr Schlüsselburg hat den silbernen Knopf immer noch nicht gefunden.

[Steffen Zillich (LINKE): Aber für Zwischenrufe muss man gar nicht drücken!]

Erfolge gibt es tatsächlich. Der Normenkontrollrat Bund hat von 2006 von 2012 immerhin 25 Prozent an Bürokratie einsparen können. Natürlich muss man auch dazusagen: Wir sind damit noch nicht am Ende, auch auf Bundesebene, aber es ist ein Beitrag zum Kulturwandel der Gesetzgebung. In Nordrhein-Westfalen wird der Auftrag noch einmal erweitert, mit der christlich-liberalen Koalition, die dort ist. Der dortige NKR soll neben der Evaluierung noch Vorschläge vorlegen und prüfen, ob Verwaltungsaufgaben überhaupt von der einen oder anderen Verwaltungsstelle vorgenommen werden müssen oder ob es nicht z. B. bei Selbstverwaltungseinrichtungen der Wirtschaft laufen kann.

[Beifall bei der FDP]

Der Normenkontrollrat ist, und das ist eine wichtige Funktion, die ich auch in meiner Tätigkeit vorher im Verband gelernt habe,

[Sebastian Schlüsselburg (LINKE): Aha!]

ein wichtiger Ansprechpartner für Verbände und auch – das betone ich hier ganz ehrlich und ausdrücklich – für die Wirtschaft, die einen Großteil der Folgen kostenmä

ßig schultern muss. Da ist es wichtig, dass man dort eine Instanz hat, die Ansprechpartner ist, und, wie gesagt, das Preisschild an Normen und Regulierungen dranmacht. Es wäre also – und das kommt hier in Berlin besonders dazu – ein wichtiger Beitrag auch für die Verwaltungsmodernisierung. Sie kann dort einen wichtigen Beitrag leisten, um systematisch aufzuarbeiten, welche Gesetze wie nötig sind oder ob man sie auch effizienter machen kann. Wir haben einen ersten Anwendungsfall, auf den ich mich freue, das ist der Gesetzesentwurf zum Vergaberecht. Er ist jetzt schon voller unnötiger Bürokratie. Das wäre schon einmal der wunderschöne erste Anwendungsfall des Normenkontrollrats, um zu sagen, wo man Bürokratie wirklich vermeiden kann.

Zuletzt muss ich sagen: Ein Normenkontrollrat wird ganz sicher nicht jede Bürokratie vermeiden können, leider nicht. Es ist auf jeden Fall ein erster Schritt, um mit dem Kulturwandel anzufangen und Bürokratie zu vermeiden und zu reduzieren. Lassen Sie uns also heute damit beginnen, einen Kulturwandel einzuleiten! Unterstützen Sie unseren Vorschlag! Ich freue mich auf konstruktive Änderungsvorschläge und freue mich in dem Fall ganz ehrlich auf die Ausschussdebatte. Die wird sicher konstruktiver sein als zu dem vorigen Thema. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Für die SPD-Fraktion hat jetzt Herr Kollege Dörstelmann das Wort.

Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Bürokratieabbau als Wort kommt immer erst einmal gut rüber. Jeder wird sich mit einem Reflex oder auch bewusst oder aus dem Verständnis heraus dazu bekennen. Allerdings will ich eines gleich vorwegnehmen: Es gibt auch sehr viel notwendige Bürokratie. Wenn ich mir den Antrag anschaue, Herr Kollege Swyter, dann frage ich mich, ob durch den Aufbau neuer Bürokratie in jedem Fall auch effektiv Bürokratie abgebaut werden kann.

[Beifall von Sebastian Schlüsselburg (LINKE) – Sebastian Schlüsselburg (LINKE): Hört, hört!]

Das kann so sein. Wer sparen will, muss investieren. Es gibt vergleichbare Überlegungen. Trotzdem ist es an dieser Stelle nicht ohne Weiteres nachgewiesen. Das, was wir in den Blick nehmen müssen, ist das Ziel. Das Ziel ist eine ebenso effektive wie effiziente Verwaltung. Das steht, glaube ich, auch außer Streit. Allerdings haben wir natürlich inzwischen einige Erfahrung. Das haben wir gesehen. Der Bund hat auf nationaler Ebene den Normenkontrollrat bereits seit Langem. Wir dürfen nicht vergessen, dass Bundesrecht in aller Regel deutlich komplexer ist als Landesrecht. Das heißt, dass der Nor

(Florian Swyter)

menkontrollrat dort Sinn macht, ist kein zwingendes Gebot, ihn auch auf Landesebene einzuführen. Das heißt aber nicht, dass ich ihn an der Stelle ausschließe. Ich sage nur, es gibt auch einige Punkte, mit denen man an dieser Stelle skeptisch umgehen muss. Der wichtigste Baustein ist also die funktionierende, gut ausgestattete Verwaltung, und da tut diese Koalition eine Menge.

Die Verwaltung muss materiell und vor allem personell in die Lage versetzt werden, ihre Aufgaben zu bewältigen. Ich glaube, das ist der beste Garant, dass überflüssige Abläufe ausgeschaltet werden. Dort, wo weitere Expertise notwendig ist, Sie haben das am Beispiel der Steuerungsgruppe um Heinrich Alt gesehen, wird sie eingeholt. Viele Wege führen nach Rom. Es muss nicht zwingend dieser sein, er ist aber auch nicht zwingend auszuschließen. Ich habe mir Ihren Gesetzesentwurf im Einzelnen angeschaut. Ich finde es dankenswert, dass Sie einen solchen Text vorlegen. Das finde ich gut. Ich habe auch gesehen, dass er im Wesentlichen den Regelungen des Nationalen Normenkontrollrats nachempfunden ist.

Ich finde allerdings, dass man auf ein paar Punkte eingehen sollte, die nicht ganz klar sind. Wir werden im Ausschuss Gelegenheit haben, sie in der Tiefe noch zu erörtern, aber ich will sie hier einmal ansprechen. Tatsächlich haben Sie in § 1 Abs. 4 das Recht, eigene Vorschläge zu machen, für den Kontrollrat eingearbeitet. Jetzt frage ich mich an der Stelle, an wen diese eigenen Vorschläge zu richten sind und welchen Umfang sie haben sollen. Wollen Sie eine Ersatzexpertise einfordern, oder wollen Sie eine ergänzende einfordern? Das sind Fragen, die man zwingend beantworten muss, wenn man einen solchen Text vorlegt und verabschieden will.

Dann gibt es möglicherweise eine Ungenauigkeit zwischen Ihrer Begründung und Ihrem Gesetzestext in § 3 Abs. 1, wo Sie von sechs Mitgliedern sprechen, in Ihrer Begründung aber von acht. Ich gehe davon aus, dass sechs gemeint sind. Das sollte man aber klären.

In § 3 Abs. 6 haben Sie die Beratungsfunktion eingebaut. Das legt aus meiner Sicht nahe, dass auf die Expertise in Beratungen vollumfänglich zurückgegriffen werden soll. Dann verstehe ich nicht, dass an der Stelle Sondervoten nicht möglich sein sollen. Das wäre doch gerade der interessante Punkt. Die Experten werden sich nicht immer einig sein. Aber wenn ich mir schon die Mühe mache, einen solchen Rat einzurichten, dann ist es auch sinnvoll, alle seine Facetten zu kennen, die in der internen Erörterung in diesem Rat besprochen wurden. Dann muss sich ohnehin am Schluss der Senat, oder wer auch immer dann angerufen ist, sein eigenes Bild machen.

Dann habe ich gesehen, dass Sie in § 4 Abs. 3 die Prüfung der Regelungsentwürfe an die Stelle – vor Weiterleitung an den Senat – aufgenommen haben, was richtig ist und was man so machen kann. Dann allerdings würde ich

auch empfehlen, dass man in § 1 einen Abs. 6 einfügt, der es den Fachressorts erlaubt, diese Expertise bereits während der Erstellung der Gesetzesentwürfe, die nachher eingebracht werden sollen, direkt bei einem solchen Rat anzufordern, wenn man das machen will.

An dieser Stelle: Ich freue mich ebenfalls auf die Beratung im Fachausschuss. Bisher bin ich nicht ganz überzeugt, dass man diesen Weg gehen muss oder dass man ihn gehen sollte. Ich schließe es nicht völlig aus, aber ich glaube, dass man mit der Weiterverfolgung der von der Koalition bereits eingeleiteten Maßnahmen mindestens das Gleiche, aber wahrscheinlich sehr viel mehr erreichen wird. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN]

Danke schön! – Für die CDU-Fraktion hat jetzt Herr Kollege Goiny das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der Tat ist der Gesetzesentwurf der FDP-Fraktion, der uns heute vorgelegt wird, ein sehr interessanter Ansatz. Auf der Bundesebene ist damals bereits 2006 auf Initiative der CDU der Nationale Normenkontrollrat eingerichtet worden, und auch der konnte in der letzten Zeit eine ganze Reihe von Bürokratiekosten für Bürger, Wirtschaft und Verwaltung senken. Das zeigt im Prinzip, dass der Weg ein richtiger ist, und deswegen begrüßen wir diese Initiative ausdrücklich.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Andere Bundesländer wie Sachsen und Baden-Württemberg haben 2016 und 2018 einen ähnlichen Weg eingeschlagen. Es ist also durchaus etwas, was in der Bundesrepublik Deutschland Nachahmung gefunden hat. Viele von uns sind auch regelmäßige Leser des Checkpoints vom „Tagesspiegel“, und da finden sich fast täglich Beispiele dafür, die eigentlich eine gute Begründung dafür wären, warum wir ein solches Gesetz und ein solches Gremium in Berlin gut gebrauchen können.

Ich glaube allerdings auch, und der Kollege von der SPDFraktion hat es eben auch schon deutlich gemacht, dass es da in der Formulierung und bei den Kompetenzen und in den juristischen Konstruktionen des Gesetzes im Detail noch einigen Beratungsbedarf gibt. Das stimmt uns aber nicht grundsätzlich gegen diese Initiative. Ein Teil der Bedenken, die von der SPD-Fraktion angesprochen worden sind, teilen wir auch ausdrücklich. Wir glauben aber, dass das erstens für Berlin ein sinnvolles Instrument ist, das es uns ermöglicht, hier die entsprechenden Schlussfolgerungen zu ziehen und mit solch einem Gremium

(Florian Dörstelmann)

dann tatsächlich einen Beitrag dafür zu leisten, dass wir im Bereich des Bürokratieabbaus und der Kontrolle von Normen einen deutlichen Schritt vorankommen. Wir diskutieren an anderer Stelle immer wieder – zum Beispiel im Bereich des Tempos, das wir an den Tag legen, bei der Errichtung oder Sanierung von Bauvorhaben –, welche Hürden sich da auftun. Wer sich einmal mit den Vorschriften und Prozessen näher beschäftigt hat, was wir im Hauptausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses regelmäßig tun, der wird relativ schnell nachvollziehen können, dass auch in diesem Bereich, der für uns von überragender Bedeutung ist, gerade wenn man viel in dieser Stadt investieren möchte, entsprechende Kontrollen und Überprüfungen von Rechtsnormen sinnvoll sind. Deswegen finden wir es in der Tat diskussionswürdig, das hier möglichst zügig im Berliner Parlament zu diskutieren und in den entsprechenden Ausschüssen, in die das überwiesen wird, auch zeitnah aufzurufen. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Für die Fraktion Die Linke jetzt der Kollege Schlüsselburg.

Vielen Dank, Herr Präsident! – Sehr geehrte Damen und Herren! Werte Gäste und Zuhörer! Liebe FDP! Ich freue mich ja über fast jedes rechtspolitische Thema, das wir in diesem Hohen Hause miteinander beraten können, aber diese Anmeldung hat mich denn doch ein wenig überrascht, und zwar die Art und Weise, dass Sie dieses Thema zu Ihrer Priorität machen und auch, wie. Ich glaube, die Berlinerinnen und Berliner haben tatsächlich andere, dringendere Probleme – wir hatten gerade die Aktuelle Stunde –, als sich um die Einführung eines Normenkontrollrats zu scheren.

[Stefan Evers (CDU): Genau! Feiertage!]