Protocol of the Session on September 27, 2018

Danke, Herr Präsident! – Bereits in der ersten Legislaturperiode des sozialdemokratisch geführten Senats unter Klaus Wowereit ab 2001 kam Berlin allmählich aus der Provinzialität des Denkens der Neunzigerjahre heraus und begann sich zu einer tatsächlich internationalen

(Christian Gräff)

Metropole zu entwickeln, von der zuvor nur vollmundig geredet worden war.

Heute können wir auf eine gesunde Grundstruktur der Berliner Wirtschaft blicken, und was noch wichtiger für die Zukunft ist, es gibt eine hohe Innovationsfähigkeit und den Innovationswillen, der die Basis für eine auch künftig starke wirtschaftliche Entwicklung bietet. Der jüngsten Erhebung der Technologiestiftung Berlin zufolge

[Holger Krestel (FDP): Sie sollten mal den Redenschreiber wechseln!]

haben Berliner Unternehmen 2016 fast 2,5 Milliarden Euro in Forschung und Entwicklung investiert. Am innovativsten waren demnach die Elektro- und Optikbranche, die Software- und Datenverarbeitungsbranche, dicht gefolgt von Chemie und Pharmazie. Berlin liegt bei der Innovation in diesen Feldern deutlich über der deutschlandweiten Vergleichsquote.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN]

Da im Vorjahr ein Rekordwert erreicht wurde, drängt sich die Schlussfolgerung auf, dass es sich um eine Stabilisierung der Investitionsausgaben auf hohem Niveau handelt.

Auch im Medienbereich, bei den Verlagen, beim Film, bei Rundfunk und Telekommunikation steigen die Investitionen im Vergleich zum Vorjahr signifikant über den Bundesdurchschnitt und zeigen, dass dieser Branche ebenfalls eine erhebliche Bedeutung für Berlin zukommt. Gerade auch kleine und mittelständische Unternehmen erweisen sich in Berlin als Innovationstreiber. Bei uns bestreiten sie 26 Prozent der Innovationsausgaben, im Bund sind es nur 14,5 Prozent. Deutlich erkennbar ist dabei eine starke Bereitschaft, mit Hochschulen und anderen Forschungseinrichtungen zu kooperieren.

Diese Entwicklung nimmt den Arbeitsmarkt mit. Sie kommt also auch bei den Bürgerinnen und Bürgern an. Berlin liegt bei der Zunahme der Zahl der versicherungspflichtigen Beschäftigten seit Februar 2012 an der Spitze aller Bundesländer. Im Vorjahresvergleich stieg die Zahl der Beschäftigten zum Jahresende 2017 um 54 400 an, das heißt, ein Beschäftigtenzuwachs von 3,8 Prozent.

Als Sozialdemokrat kann und will ich nicht verschweigen, dass gerade im Hinblick auf den Arbeitsmarkt und die Arbeitslosigkeit, insbesondere die Langzeitarbeitslosigkeit, noch viel getan werden muss, aber die berüchtigte rote Laterne im Vergleich der Bundesländer hat Berlin nicht mehr. Es kommt nun darauf an, die Nachhaltigkeit dieses Trends zu sichern und gleichzeitig dafür zu sorgen, dass er auch überall in der Gesellschaft ankommt.

Das solidarische Grundeinkommen, wie es der Regierende Bürgermeister Michael Müller in die Diskussion ge

bracht hat, kann hierbei ein wichtiger Baustein sein. Es handelt sich hierbei um ein wohldurchdachtes, strategisches Konzept, das darauf abzielt, wirklich alle bei der ökonomischen Entwicklung mitzunehmen und zu verhindern, dass Menschen abgehängt werden oder als sogenannte Aufstocker in prekären Arbeitsverhältnissen festsitzen. Die zahlreichen Irritationen, die die politische Landschaft seit einiger Zeit durchziehen, haben doch damit zu tun, dass viele Menschen genau dies befürchten oder ihre eigene Lage sogar schon so wahrnehmen. Dem gilt es politisch entgegenzusteuern.

Wir müssen Innovationen in Berlin als Chance ergreifen. Die Digitalisierung schreitet unaufhaltbar voran. Sie wird das nicht stetig und langsam tun, sondern mit wachsender Geschwindigkeit. Selbstverständlich kann das disruptive Effekte mit sich bringen, die sich auch auf dem Arbeitsmarkt zeigen können. Für Berlin aber ergeben sich im Kontext dieser Entwicklung besondere Chancen, die wir nutzen können und nutzen sollten. Wir können tatsächlich so etwas wie eine Hauptstadt der Digitalisierung werden, da Fachkräfte aus aller Welt, die man hierfür braucht, gerne in unserer weltoffenen Stadt leben wollen. Die vielzitierte Industrie 4.0 könnte tatsächlich einen ähnlich starken Entwicklungsschub auslösen, wie ihn vor gut hundert Jahren die Elektrifizierung für Berlin bewirkte. Aber heutzutage ist dies nur in einer internationalen Metropole denkbar.

Ich möchte das anhand eines Beispiels aus meinem Wahlkreis erläutern. Dort fand vorgestern Abend die offizielle Eröffnung des Berliner Studios des Videospieleherstellers Ubisoft statt. Ubisoft wurde 1986 gegründet und ist heute einer der Großen dieser Branche auf dem Weltmarkt. Weltweit beschäftigt das Unternehmen 14 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die Entwicklungsarbeit ist dabei dezentral und vernetzt angelegt, das heißt, die global verteilten Studios kooperieren ständig miteinander. Dank der Unterstützung durch den Berliner Senat, Berlin Partner und die Bundesregierung, siedelt Ubisoft nun auch in Charlottenburg, im ehemaligen Gebäude der Berliner Bank. Bereits in der kurzen, achtmonatigen Anlaufphase hat das Unternehmen seine Wachstumsziele für das ganze erste Jahr schon um 40 Prozent übertroffen.

Der Arbeitsmarkt, in dem eine Marke wie Ubisoft agiert, ist ein Arbeitnehmermarkt. Hier geht es darum, gute und nachhaltige Stellen zu schaffen, um Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu werben. In einem solchen Markt hat eine Stadt wie Berlin herausragende Chancen, denn hier sind kulturelle Vielfalt, Urbanität, Weltoffenheit selbstverständlich.

[Zuruf von Marcel Luthe (FDP)]

Dumpfbackiger Nationalismus, wie ihn manche hier immer wieder zu propagieren versuchen, wäre natürlich Gift für eine solche Entwicklung. Für den digitalen Strukturwandel werden gelebte Internationalität und Urbanität

zu harten Standortfaktoren, die es erlauben, Unternehmen anzusiedeln, die sichere, qualifizierte und gute Arbeitsplätze garantieren können.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN]

In diesem Zusammenhang auch ein Wort zu Berlins größtem industriellen Arbeitgeber, Siemens. Auch dieser global tätige Konzern versucht, sich natürlich weltweit zukunftsorientiert aufzustellen, verschiebt und verdichtet seine Kompetenzen, gerade auch vor dem Hintergrund der Energiewende. Es ist kein Widerspruch hierzu, die Verantwortung eines Konzerns für seinen Heimatstandort und die hiesigen Arbeitsplätze einzufordern.

[Beifall von Iris Spranger (SPD)]

Die deutsche und auch die Berliner Politik haben hier Flagge gezeigt und für die Siemens-Standorte eine Menge erreicht. Das Dynamowerk am Spandauer Standort soll nun nicht mehr geschlossen, sondern verstärkt auf Forschung und Entwicklung ausgerichtet werden. Zu verdanken haben wir das allerdings nicht vornehmlich dem Siemens-Vorstand, sondern der Verhandlungsführung der IG Metall und des Berliner Senats, insbesondere des Regierenden Bürgermeisters Michael Müller.

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN – Zurufe von Oliver Friederici (CDU), Henner Schmidt (FDP) und Florian Swyter (FDP) – Weitere Zurufe von der FDP]

So ist es auch gelungen, den Stellenabbau deutlich geringer als geplant zu halten und betriebsbedingte Kündigungen zu verhindern. Künftig soll es in Siemensstadt vor allem auch um innovative Ideen wie 3D-Druck, Isolierung und Kühlung gehen. Die ins Auge gefasste Investition in der Größenordnung von 600 Millionen Euro in einen neuen Innovationscampus in Siemensstadt würde einen gewaltigen Sprung bedeuten und neue Arbeitsplätze schaffen. Der Senat schafft hierfür bereits die planerischen Voraussetzungen.

[Lachen von Holger Krestel (FDP)]

Der Standort Moabit soll zum weltweiten Kompetenzzentrum für große Gasturbinen werden. Das heißt, Arbeitsplätze bleiben, Produktion bleibt in Berlin und für einen späteren Neuaufwuchs von Arbeitsplätzen werden die Voraussetzungen geschaffen. Das klingt nicht nur gut, das ist auch gut.

[Holger Krestel (FDP): Jetzt kommt der lustige Teil!]

Herr Kollege! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Swyter von der FDP-Fraktion?

Na gut, bitte schön!

[Oliver Friederici (CDU): Das ist aber schlecht für Ihre Rede!]

Vielen Dank, Herr Jahnke! Das ist aber schön, dass Sie eine Zwischenfrage zulassen. Das ist auch eine Chance für Sie zur Korrektur. Ob Sie tatsächlich meinen, dass der Siemens-Vorstand mit der Entscheidung, das Dynamowerk nicht zu schließen, nichts zu tun hat? Wollen Sie diese Aussage aufrechterhalten?

[Frank Zimmermann (SPD): Zuhören!]

Dann haben Sie nicht richtig zugehört. Ich empfehle Ihnen hinterher den Blick ins Protokoll – die Reden werden ja auch schon vorzeitig online gestellt –: Ich habe gesagt, es liegt nicht allein am Siemens-Vorstand. Das war meine Aussage. Okay?

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Und das Thema Energiewende ist für Berlin auch ein Megathema und eine riesige Chance. Ich kann auch nicht verstehen, Herr Gräff, weshalb Sie hier das Berliner Stadtwerk, das wir endlich, nachdem wir die CDU nicht mehr in der Regierung haben, nun starten konnten,

[Beifall bei der SPD]

dass wir nun einen Faktor der Energiewende daraus machen. Dass Sie das herunterreden, das ist mir unbegreiflich.

Ich möchte auch noch mal die Start-up-Szene, die für Berlin eine riesige Bedeutung hat, hervorheben. Ich muss nicht alles wiederholen, was Frau Ludwig völlig zu Recht gesagt hat. Die Digi-Hubs, auch die Digitalagentur, diese Dinge habe ich auch auf dem Schirm.

Wichtig erscheint mir aber noch, dass man den Punkt der Arbeitskräfte hervorhebt. Wir haben hier einen Arbeitsmarkt, wo sich langsam auch ein Fachkräftemangel abzeichnet. Wir müssen, um auch die Berlinerinnen und Berliner stärker dort einzubinden, in Weiterbildung investieren. Dies geschieht sowohl in den Unternehmen als auch beim Senat.

Zu den Rahmenbedingungen gehören auch die Zukunftsorte – begonnen bei Adlershof, einem riesigen Erfolgsmodell, bis hin zum Campus Charlottenburg oder demnächst auch in Dahlem. Sie sind eine wichtige Ansiedlungsvoraussetzung für viele Unternehmen. Dort entsteht Wachstum weit über dem Durchschnitt.

Wir können insgesamt feststellen, dass sich Berlin auf einem wirtschaftlich erfolgreichen Weg befindet. Diese Entwicklung geht jedoch nicht automatisch immer so weiter, sondern bedarf auch weiterhin der richtigen Impulse aus der Berliner Politik. – Es bleibt noch viel zu tun. Das müssen und werden wir tun. Hierfür steht gerade auch diese Koalition. – Ich danke für die Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Für die AfD-Fraktion hat jetzt Herr Christian Buchholz das Wort. – Bitte schön!

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kollegen Abgeordnete! Liebe Gäste! Ausgerechnet Rot-Rot-Grün meldet mit Koalitionsmehrheit das Thema „Die Chancenstadt Berlin – starker Wirtschaftsstandort durch Innovation“ an. Ausgerechnet! Wäre das Thema von der FDP gekommen, könnte man es noch nachvollziehen,

[Paul Fresdorf (FDP): Es ist ja nicht so, dass wir die Idee nicht gehabt hätten! oder von einer CDU von vor 20 oder 30 Jahren. Aber hier wollen uns Veganer erzählen, wie ein Mettbrötchen zu schmecken hat. Das kann eigentlich nur ein Scherz sein. [Beifall bei der AfD – Beifall von Kay Nerstheimer (fraktionslos) und Andreas Wild (fraktionslos)]

Sehen wir uns doch einfach mal die Wirtschaftskompetenz derjenigen an, die hier so ein Loblied singen, bevor wir einen Blick auf die Stadt und deren Entwicklung werfen. Da will uns doch wirklich eine Fraktion – in diesem Fall Die Linke – erzählen, wie chancenreich und innovativ die Wirtschaft hier ist. Als ob Die Linke schon ein positives Verhältnis zur sozialen Marktwirtschaft und zur privaten Wettbewerbswirtschaft entwickelt hätte.

[Kurt Wansner (CDU): Die weiß gar nicht, wie man das schreiben soll!]

Innerhalb der Partei Die Linke gibt es immer noch die sehr aktive Kommunistische Plattform, die, wie wir gerade festgestellt haben, mehrmals im Monat Mitteilungen veröffentlicht und auch gute Beziehungen in die Linksfraktion hier im Hause hat, besonders zu deren wirtschaftspolitischem Sprecher, Herrn Gindra. In der Mitteilung der Kommunistischen Plattform vom September 2018 schreibt ein Tim Engels über einen DAXKonzern, der auch in Berlin tätig ist. Tim Engels ist sehr echauffiert über die Übernahme eines Saatgutkonzerns durch die Bayer AG aus Leverkusen. Ich zitiere Tim Engels von der Kommunistischen Plattform:

Noch leuchtet das Bayer-Kreuz über Leverkusen. Es bleibt die Aufgabe der antimonopolistischen, der kommunistischen wie Arbeiterinnen- und Arbeiterbewegung, dieses Kreuz zum Erlöschen zu bringen.

Das ist doch mal richtig wirtschaftsfreundlich.