Protocol of the Session on June 14, 2018

das Problem: Die Genossenschaften haben Interesse zu bauen, haben auch einen soliden Stock an Eigenkapital, aber verfügen über keinerlei Grundstücke, auf denen sie bauen können.

Und die Genossenschaften dieser Stadt sind auch wirkungsvolle Dämpfer bei Mietsteigerungen.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Die Genossenschaften haben im Schnitt eine Durchschnittsmiete von 5,28 Euro, gerade auch im innerstädtischen Bereich, in Gegenden, wo der Mietspiegel im Durchschnitt 6,39 Euro ausweist. Selbst die landeseigenen Gesellschaften verlangen im Schnitt 5,86 Euro. Es zeigt sich also: Wer bei Genossenschaften wohnt, wohnt in Berlin am preiswertesten. Er wohnt in Wohnungen, die auch sehr nachgefragt sind: Die Leerstandsquote beträgt – das haben wir gestern erfahren – 0,9 Prozent. Darüber hinaus wohnt er auch in sanierten Wohnungen – also, all das, was wir immer wollen. Deswegen verstehe ich nicht, dass gerade Rot-Rot-Grün kein Herz für die Genossenschaften dieser Stadt hat.

[Beifall bei der FDP – Beifall von Heiko Melzer (CDU)]

Das lässt sich auch gut belegen. Im Jahr 2017 wurden nur drei landeseigene Grundstücke an Genossenschaften übertragen; die drei zusammen haben gerade mal 5 300 Quadratmeter Fläche. Da kann man sich vorstellen, wie viele Wohnungen man auf diesen Flächen bauen kann. Auch aktuell, wenn man beim Senat oder bei der BIM nachfragt, sind nur sehr wenige Vergabeverfahren am Start, eines ist unter anderem für ein kleines Areal in der Türrschmidtstraße 32/32a in Lichtenberg. Da ist dann das K.-o.-Kriterium, dass bei der ohnehin kleinen Fläche von nur ein paar Hundert Quadratmetern von den wenigen Wohnungen, die übrigbleiben, noch 30 Prozent im Rahmen des Vergabeverfahrens mietpreisgebundene Sozialwohnungen mit 30-jähriger Laufzeit sein müssten und das Grundstück gleichzeitig nur per Erbbaupacht für 60 Jahre vergeben werden soll. Wie soll denn das funktionieren, selbst für Genossenschaften, da wirtschaftlich agieren zu können? Das ist doch ganz großer Unfug. So werden Sie nie die Wohnungsnot in der Stadt beseitigen können!

[Beifall bei der FDP – Zuruf von der AfD: Das wollen die auch gar nicht!]

Und dann kommt in dem Fall auch noch der hohe Pachtzins hinzu, den die Genossenschaften aufbringen müssen: 4,5 Prozent des Bodenwertes bei dem genannten Grundstück. Das ist nicht zu machen. Und mit den Förderungen, die pro Quadratmeter bei Sozialwohnungen gezahlt werden – die 1 300 Euro –, können sie nicht vernünftig wirtschaften.

Gleichzeitig – und das ist das Paradoxum an der Angelegenheit – wurden seit 2013 – man höre und staune – 171 Grundstücke den sechs städtischen Gesellschaften kostenlos übertragen und damit auch auf Verkaufserlöse in dreistelliger Millionenhöhe verzichtet. Schön und gut, aber was ist das Ergebnis nach fünf Jahren? – Von den 171 Grundstücken sind sage und schreibe drei bebaut, mit 150 Wohnungen. – Na, prima! Die Genossenschaften hätten mittlerweile das Zehnfache hingestellt, wenn sie die Grundstücke bekommen hätten. Das gehört eben auch zur Wahrheit dazu!

[Beifall bei der FDP]

Stattdessen kümmert man sich lieber um spekulativen Leerstand, den es in dieser Stadt – wir haben es gestern wieder erfahren – praktisch, bis auf ganz wenige Ausnahmefälle, gar nicht gibt, erst recht nicht bei den Städtischen und schon gar nicht bei den Genossenschaften. Die haben ja ein Interesse daran, dass voll vermietet wird, und werden künftig wahrscheinlich noch lange darauf warten, Grundstücke zu bekommen.

Wir fordern deshalb den Senat und Rot-Rot-Grün auf: Gebt den Genossenschaften endlich die Grundstücke, und zwar zu vertretbaren Konditionen! Dann wird in dieser Stadt auch gebaut werden. Genossenschaftliches Wohnen wollen doch in Sonntagsreden alle. Wir wollen auch, dass die Genossenschaften ihre Grundstücke bekommen. Machen Sie endlich mit, um die Wohnungsnot in dieser Stadt zu lindern! – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Vielen Dank! – Für die SPD-Fraktion hat die Kollegin Domer das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich habe mich erst über Ihren Antrag gefreut, Herr Förster, denn er zeigt mir, dass Sie unseren Koalitionsvertrag durchgelesen haben und sich ebenfalls mit der Förderung unserer Berliner Wohnungsbaugenossenschaften befassen wollen. Die Freude währte allerdings nicht lange, denn ich musste feststellen, dass der Antrag, den wir exakt zu dieser Forderung der Flächenvergabe an Berliner Wohnungsbaugenossenschaften in der Koalition vorbereiten, viel weiter geht, als der von Ihnen hier vorgelegte. Ich wundere mich, dass Sie in Ihrem vorgelegten, recht kurzen Antrag erneut die Bedürfnisse der Mieterinnen und Mieter nach bezahlbarem Wohnraum in unserer Stadt nicht berücksichtigen.

Das Anliegen, die Berliner Wohnungsbaugenossenschaften zu fördern, haben wir in R2G nicht nur im Koalitionsvertrag vereinbart, sondern wir haben bereits im

(Stefan Förster)

Haushalt 2018/2019 für Neugründungen von Wohnungsbaugenossenschaften 20 Millionen Euro eingestellt. Was Sie nicht wissen können: Wir haben in der Koalition bereits einen inhaltlich viel weitergehenden Antrag in der Endabstimmung, denn die Wohnungsbaugenossenschaften Berlins leisten einen wichtigen Beitrag für die Versorgung mit Wohnraum für unsere Stadt. Deshalb wollen auch wir als R2G die Versorgung mit landeseigenen Baugrundstücken für unsere Berliner Wohnungsbaugenossenschaften sicherstellen.

Unser Antrag geht aber inhaltlich weiter als der Ihrige, denn wir haben auch die Bedürfnisse der Mieterinnen und Mieter Berlins im Blick und die steigenden Wohnkosten im Hinterkopf – im Gegensatz zu Ihnen. Im Wesentlichen sind es zwei Dinge, die den Unterschied zur Mieten- und Wohnungspolitik von R2G und der FDP anhand Ihres Antrags und unseres Ansatzes erneut mit aller Deutlichkeit zeigen. Erstens: In unserem Antrag möchten wir die Genossenschaften verpflichten, nach einer erfolgreichen Grundstücksvergabe 30 Prozent der neu zu bebauenden Wohnungen mit Belegungs- und Mietpreisrechten für 30 Jahre zu sichern. So ermöglichen wir die Entstehung von dringend benötigtem Wohnraum für WBS-Berechtigte auch in den Beständen der Genossenschaften. Zweitens: Zusätzlich wollen wir das Vergabeverfahren entbürokratisieren und einfache und schnellere Interessenbekundungsverfahren für die Genossenschaften ermöglichen, wenn sich die zu entwickelnden landeseigenen Grundstücke in räumlicher Nähe zu den Genossenschaftsstandorten befinden.

Die Vorteile unseres Ansatzes zur Förderung des Wohnungsneubaus der Berliner Wohnungsbaugenossenschaften im Rahmen der Neuausrichtung der Berliner Liegenschaftspolitik liegen somit klar auf der Hand. Wir schaffen so schneller als bisher Voraussetzungen, damit die Grundstücke schnell bauplanungsrechtlich erschlossen werden können. Wir sichern durch die anteiligen Mietpreis- und Belegungsrechte günstige Mieten auch im Bereich Neubau der Genossenschaften. Wir fördern damit die wachstumsorientierten Berliner Wohnungsbaugenossenschaften als verantwortungsvolle Vermieter, die ein soziales, familien- und auch altersgerechtes Wohnen ermöglichen. Letztlich fördern wir damit eine lebendige und vielfältige Mieterschaft.

Es ist klar, die Berliner Wohnungsbaugenossenschaften mit ihrem Bestand von 190 000 Wohnungen haben eine stabilisierende und mietpreisdämpfende Wirkung auf den überhitzten Berliner Wohnungsmarkt. Wir müssen und wollen deshalb die Genossenschaften mit der Vergabe von Baulandflächen fördern, aber das müssen wir auch zu Ende denken und diese Förderung mit einer Auflage verbinden, anteilig günstigen Wohnraum, wahlweise auch im Bestand, einzurichten. Deshalb freue ich mich auf die umfassende Beratung im Ausschuss unter Berücksichti

gung der Interessen von Mieterinnen und Mietern. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Vielen Dank! – Für die CDU-Fraktion hat der Kollege Gräff das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, die Rede von Frau Domer hat gezeigt, wo die Koalition steht. Das muss man ehrlicherweise sagen: Sie brauchen dafür keinen Antrag. Ich weiß, der eine oder andere hat es noch nicht gemerkt, aber Sie regieren seit anderthalb Jahren bzw. Sie versuchen, seit anderthalb Jahren zu regieren.

[Vereinzelter Beifall bei der FDP]

Und das Ergebnis – darauf hat Herr Förster hingewiesen – ist in einer Schriftlichen Anfrage festgehalten, wonach Sie nahezu null Grundstücke den Wohnungsbaugenossenschaften in Berlin zur Verfügung gestellt haben, damit gebaut werden kann. Und da brauchen Sie sich an der Stelle auch nicht hinzustellen – das haben wir in den Haushaltsberatungen live erlebt – und zu loben, dass Sie nach dem Druck – da hat Druck der Opposition wirklich einmal gewirkt –, einknicken und zugeben mussten, dass Sie die Genossenschaften im Doppelhaushalt vergessen hatten.

[Katrin Schmidberger (GRÜNE): Das stimmt doch gar nicht! – Zuruf von Steffen Zillich (LINKE)]

Auf Druck der Opposition wurde das eingerichtet!

[Beifall bei der CDU und der FDP – Antje Kapek (GRÜNE): Wir haben 10 Millionen Euro zur Verfügung gestellt!]

Aber ich glaube, selbst bei dem Thema haben Sie es immer noch nicht verstanden, weil es gar nicht darum geht, die Genossenschaften zu fördern. Sie selbst sagen es immer: Die Kapitalmärkte sind aus den Fugen geraten. – Das Problem ist im Moment nicht, dass die Wohnungsbaugenossenschaften keine Kredite bekommen. Das ist überhaupt kein Problem, sondern das Problem ist, dass Sie den Wohnungsbaugenossenschaften in Berlin nicht das Schwarze unter dem Fingernagel gönnen und keine Grundstücke für den Neubau zur Verfügung stellen. Das ist das Problem!

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der FDP]

Herr Kollege! Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

(Bettina Domer)

Nein, vielen Dank! – Da brauchen Sie auch keine Anträge vorbereiten mit Punkt a, b, c und zehn weiteren Punkten, sondern machen Sie es einfach! Sorgen Sie mit dem Finanzsenator und der Nicht-Wohnungsbausenatorin dafür, dass die Wohnungsbaugenossenschaften Grundstücke bekommen. Mehr brauchen Sie überhaupt nicht zu machen an der Stelle.

[Stefan Förster (FDP): Den Rest machen die alleine!]

Ich sage Ihnen eines: Ich glaube, Sie wollen das überhaupt nicht. Sie wollen die Wohnungsbaugenossenschaften überhaupt nicht fördern. Hier, in der Tat, sind die beiden Seiten dieses Parlaments gespalten bei dieser Frage. Sie wollen es ausschließlich über die öffentlichen Wohnungsbaugesellschaften richten, und was daraus wird, sehen wir jeden Tag nicht nur an den Umfragen, sondern auch an den Ergebnissen die schwarz auf weiß dastehen, was wir an Wohnungsneubau bekommen und was Sie nicht hinbekommen.

Deswegen finden wir den Antrag der FDP-Fraktion richtig und gut. Es gibt viele Genossenschaften, die in Berlin bauen wollen. Es gab Gespräche bei der Senatorin über einen Genossenschaftscampus, auf dem verschiedene Genossenschaften, die auch hier und da im Wettbewerb miteinander stehen, sagen: Wir hätten gern einmal ein Grundstück. – Jetzt haben Sie gesagt, Sie wollten die Vergabeverfahren beschleunigen. Haben Sie sich einmal mit dem einzigen Konzeptverfahren, das im Moment einen, ich sage einmal, aktiven Stand im Land Berlin erreicht hat, beschäftigt? Haben Sie sich einmal mit den Unternehmen und Genossenschaften, die sich beim Thema Schöneberger Linse beworben haben, unterhalten, was die Ihnen zu Ihrem Konzeptverfahren erzählen, das Sie im Moment durchführen, das möglicherweise enden wird wahrscheinlich im nächsten oder übernächsten Jahrzehnt, und wahrscheinlich am Ende keine Genossenschaft – kleine, innovative, aber auch langjährige Genossenschaften in Berlin –, die sich dafür beworben haben, ein Grundstück bekommen wird? Dann wollen Sie uns ernsthaft erzählen, dass Sie Vergabeverfahren verkürzen wollen? – Nein! Sie tun nichts für die Genossenschaften, weil Sie nach wie vor der Auffassung sind, die kommunalen Wohnungsbaugesellschaften sollen es alleine richten.

Es ist traurig, weil gerade die Genossenschaften ein Modell haben, das gegenüber manchen anderen Modellen privater Vermieter und Projektentwickler mit Sicherheit darauf bedacht ist, die Genossenschaftsmitglieder mit preiswertem Wohnraum auszustatten und zu bedienen. Ich kann es jedenfalls nicht nachvollziehen, reden Sie jedenfalls nicht von irgendwelchen Anträgen, die kommen, sondern machen Sie es! Geben Sie den Genossenschaften endlich Grundstücke in Berlin, damit auch diese bauen können! Ich verstehe überhaupt nicht, dass Die Linke – gut, bei den neuen Themen und den neuen Ziel

gruppen, die Sie sich gesucht haben, spielt das möglicherweise in den Innenstadtbezirken gar keine Rolle mehr –, dass eine Partei wie Die Linke – die Genossenschaften, das müsste eigentlich ein Modell sein, das Sie gut finden – die Genossenschaften so sträflich vernachlässigt. Erzählen Sie hier keinen Unsinn! Nicht ein einziges Grundstück werden Sie in den nächsten Monaten den Genossenschaften geben. Das ist ein unglaublicher Vorgang! – Vielen Dank, meine Damen und Herren!

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Vielen Dank! – Für die Linksfraktion hat der Abgeordnete Dr. Nelken das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Bei dem ersten Blick auf den Antrag der FDP-Fraktion „Damit das Bauen vorankommt – Gebt den Wohnungsbaugenossenschaften endlich städtische Grundstücke!“ dachte ich: Wow, Rot-Rot-Grün wirkt! Die marktliberale Berliner FDP setzt sich dafür ein, dass der Senat die Ziele der Koalition hinsichtlich der Förderung der Genossenschaften – es ist hier schon darauf eingegangen worden, was dazu alles im Koalitionsvertrag steht – endlich umsetzt.

[Sibylle Meister (FDP): Genau! Jetzt nur noch machen!]

Etwas Besseres kann uns nicht passieren, als dass hier die Opposition – und jetzt die geeinte Opposition, Herr Gräff hat sich gerade angeschlossen – hier sagt: Genossenschaften, Genossenschaften, Genossenschaften! Im Prinzip hat er hier das Bild aufgebracht: Die rechte Seite des Hauses ist die, die die Genossenschaften unterstützt.

[Stefan Förster (FDP): Exakt!]

Die Linken haben es seit 40, 50 Jahren immer erzählt, aber die machen gar nichts, und wir müssen denen jetzt Beine machen. – Das ist eine schöne Situation für jemanden, der die Genossenschaften unterstützen will, Herr Gräff, und es auch macht und mit ihnen redet.

[Christian Gräff (CDU): Sie?]

Insofern, etwas Besseres kann uns gar nicht passieren.

Es kommt kein Vorwurf: Klientelpolitik, kein Vorwurf: Diskriminierung der privaten Bauträger oder der Immobiliendealer, kein Einfordern von diskriminierungsfreien Angeboten städtischer Grundstücke an alle, also auch an die freie Wirtschaft. Alle diese Vorwürfe, die wir sonst von Ihnen in den letzten Jahren immer gehört haben, kommen nicht, sondern Sie sagen: Wir sollen den Genossenschaften Grundstücke geben.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Bettina Domer (SPD)]