Protocol of the Session on May 31, 2018

Ja, das Problem Antisemitismus verändert sich auch durch unsere von Migration geprägte Gesellschaft, durch Zuwanderung von betroffenen Jüdinnen und Juden aus Israel und allen anderen Teilen der Welt, aber auch durch die Zuwanderung aus Ländern, deren Regierungen Antisemitismus bewusst als Propagandainstrument einsetzen. Deswegen will ich an dieser Stelle unseren zivilgesellschaftlichen Partnerinnen und Partnern danken, die bereits auf vielfältige Weise in diesen Themenfeldern arbeiten. Ich danke herzlich dem Jüdischen Forum für seine Aufklärungsarbeit. Ich danke der Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus für ihre Dokumentation und ihre Beratung, der Amadeu-Antonio-Stiftung

[Lachen bei der AfD]

für ihre intensive Jugendarbeit in ihrer Praxisstelle und der Kreuzberger Initiative gegen Antisemitismus, die auch intensiv mit Geflüchteten und in Moscheen arbeitet, und allen, die ich jetzt bedauerlicherweise möglicherweise unterschlagen habe. Herzlichen Dank!

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Sie können sicher sein, diese Stadt schätzt sie, und diese Stadt braucht sie. Wir werden ihre Arbeit absichern und noch enger an das Abgeordnetenhaus koppeln. Auch die Ausbildung, Sensibilisierung und Spezialisierung der Polizei in Bezug auf Antisemitismus werden wir noch mal einer Prüfung unterziehen und uns hierbei auch interkulturelle Kompetenzen innerhalb der Behörde besser zunutze machen.

Ich bitte Sie abschließend noch einmal ganz herzlich, sich auch dieses Jahr zahlreich an den Bündnissen gegen den al-Quds-Marsch zu beteiligen und der Kriegshetze, die dort jedes Jahr auf antisemitische Weise betrieben wird, deutlich zu widersprechen und diese als Stadtgesellschaft zurückzuweisen. – Ich bedanke mich herzlich für Ihre Unterstützung!

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der CDU und der FDP]

Für die AfD-Fraktion hat jetzt der Abgeordnete Herr Hansel das Wort. – Bitte schön!

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Liebe Kollegen! Liebe Gäste! Der gemeinsame Appell gegen Hass und Intoleranz, für Menschenwürde und Religionsfreiheit vor vier Wochen hätte beinahe die Plenardebatte gesprengt, weil die Verlogenheit innerhalb des Anti-AfD-Kartells offenbar wurde, das bestimmte Themen, nur weil wir sie aufgreifen, stets relativiert und verharmlost. Die Liebes- und Lebensethik des Judentums mit dem mosaischen Gebot „Du sollst nicht töten“ ist eben nicht das Gleiche wie der Aufruf Allahs: „Tötet die Ungläubigen, wo ihr sie trefft!“

[Beifall bei der AfD – Beifall von Andreas Wild (fraktionslos)]

Weil die AfD aber das Signal gegen Hass und Intoleranz, für Menschenwürde und Religionsfreiheit selbstverständlich unterstützt, haben wir mit unserer Zustimmung dafür gesorgt, dass der Antrag durch ein einhelliges Votum doch noch ein Erfolg für das Abgeordnetenhaus insgesamt wurde.

[Lachen von Anja Kofbinger (GRÜNE)]

Deshalb haben wir auch konsequent eine Entschließung zur politisch-gesellschaftlichen Ächtung des antijü

dischen al-Quds-Tags eingebracht, die Sie aber allesamt lieber auf die lange Bank in den Ausschuss geschoben haben, anstatt unmittelbar ein gemeinsames Zeichen gegen diesen konkreten Hass zu ermöglichen.

[Zuruf von Torsten Schneider (SPD)]

Auch heute besteht leider die Gefahr, dass das von uns gewollte klare und eindeutige Signal „Berlin steht geschlossen gegen Antisemitismus, woher immer er auch komme“

[Dr. Wolfgang Albers (LINKE): Halten Sie die Rede mal auf Ihrem Parteitag!]

von der Alle-gegen-einen-Rhetorik überlagert wird, denn wieder glaubt die Totalkoalition von der Linkspartei bis zur FDP, die Alternative für Deutschland ausgrenzen zu müssen, obwohl wir doch nur staatspolitisch und grundgesetzlich geboten verhindern wollen, dass Sie eine Alternative zu unser aller Deutschland schaffen.

[Beifall bei der AfD]

Wir werden Ihnen den Gefallen aber nicht tun, von unseren lauteren Überzeugungen abzulassen, und werden auch diesem Antrag zustimmen, wenngleich wir ihn mit zwei kurzen Ergänzungen besser machen wollen. Wir laden Sie ein, unserem Verbesserungsvorschlag zuzustimmen, der darin besteht, erstens zu überprüfen, ob die bisherigen Programme den Herausforderungen gerecht werden, die durch die große Zahl der Zuwanderer aus Nordafrika und dem Nahen Osten entstanden sind, wo Hass auf den Staat Israel und auf Juden von den jeweiligen Staatsführungen oft aktiv gefördert wird – das haben Vorredner schon richtig und dankenswerterweise bemerkt –, denn offenkundig haben all die vielen staatlich geförderten Programme bisher diesen Antisemitismus nicht eindämmen können,

[Beifall bei der AfD]

zweitens gemäß der Mahnung des Antisemitismusbeauftragten des Bundes antisemitische Straftaten bei der Erfassung präziser zuzuordnen, denn die bisherige pauschale Einordnung fast aller antisemitischen Straftaten als rechtsextremistisch entspricht eben nicht der Realität der vielfältigen verabscheuungswürdigen Erscheinungsformen des Antisemitismus in Berlin und erschwert die Entwicklung effektiver Gegenstrategien und Gegenmaßnahmen.

Gegen diese beiden Punkte kann eigentlich keiner etwas haben, der Antisemitismus wirklich bekämpfen und nicht nur das eigene Feindbild pflegen will.

Also klare Ansage: Ja, wir werden in der Erwartung, dass Sie in kleinlicher Ignoranz unserem Verbesserungsantrag wieder nicht zustimmen, uns dann auch dem Hauptantrag anschließen – auch weil er dankenswerterweise zum islamisch importierten Antisemitismus Stellung bezogen hat. Wir verweigern uns im Interesse unserer Stadt nicht, wenn es erneut darum geht, ein gemeinsames Signal

gegen Antisemitismus zu senden. Für die Unzulänglichkeit dieses Antrags sind dann allerdings Sie verantwortlich.

Eine Frage noch an die Kollegen von FDP und CDU: Warum sind Sie immer noch auf die Zusammenarbeit mit der Linksaußenfront erpicht, während Sie immer wieder glauben, sich von der AfD-Fraktion abgrenzen zu müssen? Im Bundestag kuscheln Sie mit denen auch nicht, und da gibt es klare Beschlüsse Ihrer Parteien.

Gerade in der Frage des Antisemitismus ist das ein Armutszeugnis und eine moralische Kapitulation, denn in der Linkspartei – die Kollegin hat ein bisschen darauf hingewiesen – sitzen ausgewiesene Antisemiten und Israelhasser, und zwar nicht am Rand, sondern im Zentrum der Partei, die für ihre eigene politische Hygiene einen Bundesarbeitskreis Shalom benötigt. Dessen Notwendigkeit allein spricht schon Bände.

[Anne Helm (LINKE): So etwas fehlt in Ihrer Partei!]

Ist den Kollegen von CDU und FDP möglicherweise entgangen, dass es nicht die AfD war, sondern Die Linke, die als einzige Fraktion im Deutschen Bundestag nicht für die Berufung des Antisemitismusbeauftragten gestimmt hat? Wenn das Ihre politischen Freunde sind, liebe Kollegen von FDP und CDU, dann: Prost Mahlzeit!

[Beifall bei der AfD]

Auch, wenn jetzt wieder irgendeiner meint, er müsse mit irgendwelchen Zitaten irgendwelcher Randfiguren irgendwoher aus der AfD kommen: Es wird Ihnen nicht gelingen, gegen den politischen Kern der AfD zu argumentieren. Dieser politische Kern ist u. a. ein klares und eindeutiges Bekenntnis zum Existenzrecht Israels – anders als bei der Linkspartei oder einigen von Ihnen. Und wir bekennen uns dazu, dass das Judentum zu Deutschland gehört.

[Anne Helm (LINKE): Was ist denn das für eine Unterstellung? Wir haben den Antrag eingereicht! Da steht das Bekenntnis drin!]

Das ist ja das Problem. Wir unterstützen den ja auch. Aber Sie grenzen aus, meine liebe Frau Helm. – Insofern geht von hier heute vermutlich wieder das politische Signal an die Berliner: Auf diese Union und diese FDP ist kein Verlass, wenn es um einheitliche, vernünftige Politik für Berlin und Deutschland geht. – Die Wähler verstehen das jeden Tag besser, und irgendwann begreifen Sie es auch: Mehrheiten für eine bürgerliche Politik gibt es nur mit und nicht gegen die AfD. – Shalom!

[Beifall bei der AfD]

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt das Wort Frau Abgeordnete Tomiak. – Bitte schön!

(Frank-Christian Hansel)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir sprechen heute über den überfraktionellen Antrag „Gegen jeden Antisemitismus! – Jüdisches Leben in Berlin schützen“. Das Thema war in der letzten Zeit immer wieder in der öffentlichen Debatte präsent. Im letzten Jahr hat der Vorfall an der Friedenauer Schule die Stadt beschäftigt, vor einigen Wochen gab es eine breite Debatte, weil ein Mann in Prenzlauer Berg als Jude beschimpft und mit einem Gürtel geschlagen worden ist. Das waren zwei der prominentesten Beispiele von antisemitischen Übergriffen, die wir in der letzten Zeit in Berlin zu verzeichnen hatten. Doch sie bilden leider nur die traurige Speerspitze der Statistik. Nach Gründen für die Notwendigkeit dieses Antrags muss man also nicht lange suchen.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Christian Buchholz?

Nein, danke! Ich möchte keine Zwischenfragen beantworten. – Antisemitismus darf in Berlin keinen Platz haben. Doch von dieser Realität sind wir noch weit entfernt. Gerade deswegen arbeiten wir hart daran, Antisemitismus in all seinen Formen zu bekämpfen. Dazu gehört es auch, Probleme klar zu benennen und Forderungen und Maßnahmen zu formulieren. Das tun wir mit diesem Antrag.

Antisemitisches Gedankengut durchzieht unsere Gesellschaft in vielen Bereichen. Es ist nichts, das erst durch Mitbürger mit Migrationsgeschichte nach Berlin gebracht wurde. Die Debatte darauf zu reduzieren, wird dem Ausmaß des Problems nicht gerecht und ignoriert vollständig die Komplexität der Thematik. Antisemitismus können wir nur nachhaltig bekämpfen, wenn wir differenzieren. Antisemitismus bekämpft man nicht mit Rassismus. Wir stellen uns ausdrücklich gegen jede Form von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Antisemitismus hat besonders die Geschichte Europas ständig begleitet: von der antiken Judenfeindschaft im Römischen Reich über den Antijudaismus im Mittelalter, den Antisemitismus Luthers, die Berliner Bewegung, die im Kaiserreich ein Sammelbecken für diverse Antisemiten war, bis hin zur Shoah mit der Ermordung von 6 Millionen Jüdinnen und Juden.

Einer der wichtigsten Aspekte dieses Antrags ist, dass er Antisemitismus in seinen verschiedensten Formen erkennt und verurteilt, ausdrücklich auch den sekundären und israelbezogenen Antisemitismus. Doch bei der Ver

urteilung des Problems allein kann es natürlich nicht bleiben. Wir wollen, dass sich ganz konkret die Situation in Berlin verändert. Wir wollen, dass Jüdinnen und Juden sich in unserer Stadt frei und sicher fühlen können, und zwar überall. Das gilt auch für Israelis.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD, der CDU, der LINKEN und der FDP – Beifall von Frank-Christian Hansel (AfD)]

Deshalb beauftragen wir mit diesem Auftrag den Senat, bis Ende Februar 2019 ein Konzept zur Weiterentwicklung der Antisemitismusprävention in Berlin zu erarbeiten. Dazu gehört, dass das Landesprogramm „Demokratie. Vielfalt. Respekt. Gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus“ weiterentwickelt und die Arbeit von zivilgesellschaftlichen Trägern verstetigt wird, dass die Arbeitsdefinition Antisemitismus in der von der Bundesregierung empfohlenen Form auch in Berlin Anwendung finden soll, dass das Präventionskonzept auch die Aus- und Fortbildung von Justiz und Polizei umfasst und dass ein Konzept für koordiniertes Handeln zwischen Schule, Verwaltung, Zivilgesellschaft und Politik erarbeitet wird, um antisemitischer Alltagsdiskriminierung insbesondere in den Bereichen Jugend- und Sozialarbeit und Schule zu begegnen. Wir möchten, dass Justiz und Polizei gemeinsam daran arbeiten, Instrumente weiterzuentwickeln, die das Anzeige- und Meldeverhalten von von antisemitischer Gewalt und Diskriminierung Betroffenen verbessert. Die Diskrepanz zwischen den Zahlen der Berliner Polizei und den Zahlen der zivilgesellschaftlichen Träger, wie RIAS, ist weiterhin bedrückend groß.

Dass dieser Antrag nicht nur von der Koalition, sondern gemeinsam mit allen demokratischen Fraktionen dieses Hauses

[Frank-Christian Hansel (AfD): Unverschämtheit!]

und in Kooperation mit zivilgesellschaftlichen Trägern entstanden ist, freut mich und macht mich stolz. Dieser Antrag hat Symbolkraft, und die braucht er auch, denn der Kampf gegen Antisemitismus ist auch immer eine Haltungsfrage. Ich freue mich sehr, dass wir mit diesem Antrag klare Haltung zeigen und als Berliner Abgeordnetenhaus unmissverständlich sagen: Gegen jeden Antisemitismus! – Vielen Dank!

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD, der CDU, der LINKEN und der FDP]