Protocol of the Session on April 26, 2018

Die geborene Bremse ist also die ständige Rotation und die Ausbildung von Neulingen. Ich meine zu diesem Änderungsgesetz: Bevor wir hier ein falsches Gesetz machen, sollten wir lieber gar kein Gesetz machen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der FDP]

(Stephan Lenz)

Für die Grünen hat jetzt Herr Kollege Lux das Wort. – Bitte schön!

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist immer schön, wenn man in diesem Haus über die Kontrolle des Verfassungsschutzes reden kann. Das ist auch bitter geboten. Wir leben in einer rechtsstaatlichen Demokratie, in der jede Bürgerin, jeder Bürger erst mal unverdächtig ist. Wir nehmen uns aber mit dem Verfassungsschutz heraus, Bürgerinnen und Bürger zu beobachten, wenn der Verfassungsschutz glaubt, dass sie demokratiefeindliche Bestrebungen haben. Das zu kontrollieren ist nötig, und das ist auch grundsätzlich wichtig. Wir im Verfassungsschutzausschuss leisten dazu auch ein Stück Arbeit. Wir haben als Verfassungsschutzausschuss die Möglichkeit, den Verfassungsschutz zu kontrollieren, aber viel wichtiger ist, dass der Verfassungsschutz auch bereit ist, transparent zu handeln und sich an Recht und Ordnung zu halten.

Der Berliner Verfassungsschutz hat eine ziemlich üble Geschichte hinter sich, in Westberliner Zeiten: Die Älteren erinnern sich an den Schmücker-Prozess, da wurde ein V-Mann ermordet. Die Tatwaffe, eine Pistole, lag über 15 Jahre in den Tresoren des Westberliner Verfassungsschutzes, was sich nach 15 Jahren Prozess irgendwann aufgeklärt hat. Ende der Neunzigerjahre wurde das Sozialforum von links noch und nöcher beobachtet, mit V-Leuten durchsetzt – auch kein Ruhmesblatt. In der letzten Wahlperiode wurden Aktenordner, die NSUBezug hatten, also Bezug zum Nationalsozialistischen Untergrund, der für die schlimmste Mordserie in der bundesrepublikanischen Geschichte verantwortlich war, einfach mal so geschreddert. Weiterhin wurden Reichsbürger, die sich bewaffnet haben, zwar beobachtet, aber der damalige Innensenator hat trotz Kenntnis nichts getan. Deswegen finde ich es sinnvoll, dass wir heute – ausgelöst von der CDU – über die Kontrolle des Verfassungsschutzes diskutieren. Das ist tätige Reue.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Solche Worte habe ich von der CDU noch nie gehört. Ich habe auch unmittelbar nach diesen Skandalen von Ihnen nichts von Kontrollmaßnahmen gehört, obwohl das jetzige Gesetz das durchaus hergegeben hätte. § 36 Verfassungsschutzgesetz, wie er jetzt auch geschrieben ist, sieht vor, dass im Einzelfall der Verfassungsschutzausschutz so einen Kontrolleur, so eine Vertrauensperson ernennen kann, die sich dann bestimmte Skandale anschaut. Davon haben Sie damals, obwohl Sie eine parlamentarische Mehrheit gehabt hätten, keinen Gebrauch gemacht, und heute wollen Sie sagen: Wir gehen das als Daueraufgabe an.

Herr Lenz! Ich will das gerne diskutieren, will aber auch Vor- und Nachteile abwägen. Sie haben die Vorteile hier aufgezählt, vor allen Dingen Kapazitäten usw. Die Nachteile sind aber auch – und das passt eigentlich nicht in Ihren Auftritt hier –, dass der Verfassungsschutzausschuss sich selbst verzwergt, denn wenn ein Sonderermittler oder ein Kontrolleur dran ist, dann wird er zuvörderst die Kontrolle machen, dann wird er in die Abstimmung des Verfassungsschutzes gehen, und der Verfassungsschutzausschuss wird seinem grundsätzlich parlamentarischen Auftrag als erste Gewalt der Volksvertreterinnen und Volksvertreter in diesem Land vielleicht nicht ganz so gerecht.

Deswegen würde ich vorschlagen: Lassen Sie uns das Gesetz in Ruhe debattieren und lassen Sie uns zwischendurch – im Verfassungsschutzausschuss, aber auch im Amri-Untersuchungsausschuss – genau gucken, wo der Verfassungsschutz eigentlich gerade steht, um den es komischerweise sehr ruhig geworden ist. Ich denke, er hat mehr Kontrolle verdient, auch durch uns, durch tägliches Leben. Und dazu würden wir als Grüne gerne stehen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Für eine Zwischenbemerkung hat der Kollege Lenz das Wort.

Vielen Dank! – Ich möchte jetzt auch noch mal auf das, was der Kollege Lux gesagt hat, etwas entgegnen, weil immer versucht wird, das mit so einem Spin „der schlimme Berliner Verfassungsschutz“ zu versehen. Dafür gibt es überhaupt keine Veranlassung. Das, was Sie da alles bemühen, Herr Lux, ist so lange her, dass es nicht mehr wahr ist.

[Benedikt Lux (GRÜNE): Was? NSU!]

Ich will das jetzt nicht im Detail sagen. Es geht hier aber eben nicht um „tätige Reue“.

Wir haben damals – damals heißt 2001 – ein neues Verfassungsschutzgesetz gemacht. Da durfte ich schon mitmachen. Da hatten wir diese Ideen in Teilen schon. Da hatten wir die Idee, eine Vertrauensperson zu installieren. Und jetzt sage ich mal: Ist ja egal, wer schuld ist, wir als Parlament haben es nicht hinbekommen, das mit Leben zu füllen. Ist auch egal, warum das so ist. Wenn etwas nicht funktioniert, dann muss man es überarbeiten. Insofern ist es richtig, den § 36 anzufassen. Wir können debattieren, wie wir das machen wollen. Es ist nicht nötig, weil der Verfassungsschutz im Moment schlecht arbeitet, es ist nötig, weil wir – da bin ich mir ganz sicher – den

Verfassungsschutz noch weiter ausbauen werden müssen. Das werden wir alle erleben.

Und wenn wir das tun, dringen wir in einen Bereich der Grundrechtseingriffe vor, der sensibel ist. So viel Konsens ist natürlich. Und dafür brauchen wir eine ziemlich gute Rechtfertigung, und wir müssen die Rechtfertigung stets überprüfen, und zwar effektiv. Ohne Veränderung der Rechtslage werden wir das nicht hinbekommen, Herr Kollege Lux! Wir sind so lange dabei, und wir kennen unsere Grenzen. Wir müssen die Instrumente so einstellen, dass wir effektiv etwas tun können, und zwar explizit, ohne die Arbeit des Verfassungsschutzes in Berlin zu beeinträchtigen. Im Gegenteil, wir wollen ihn stärken. Aber wir müssen eine Möglichkeit finden, sozusagen mit dabei zu sein und darauf zu achten, dass die Grenzen eingehalten werden. Stärkung kann es nicht geben ohne Ausbau der Kontrolle.

[Anne Helm (LINKE): Immerhin!]

Und Stärkung wird es geben, da bin ich mir sicher. Die muss es auch geben, damit unsere wehrhafte Demokratie sich den Herausforderungen stellen kann. Aber dann müssen wir es richtig machen, und dazu gehört eine effektive parlamentarische Kontrolle.

Noch einmal: Wenn jemand eine bessere Idee hat, technisch, dann können wir darüber diskutieren. Das tun wir schon lange. Aber so, wie es ist, kann es nicht bleiben.

[Beifall bei der CDU]

Herr Lux! Wünschen Sie zu erwidern? – Sie können, Sie müssen nicht!

Ich habe darüber nachgedacht, Herr Präsident, aber ich halte es für einen respektvollen Umgang für angemessen, wenn ich Herrn Lenz erklären darf, wo wir uns vielleicht unterscheiden.

Erstens, Herr Kollege Lenz: Ihr Gesetzentwurf ist kein großer Wurf, das haben Sie selbst auch gesagt. Deswegen sehe ich überhaupt nicht den Druck, ihn zu beschließen. Vieles von ihm ist jetzt schon möglich.

Zweitens: Sie haben es als zwingend erachtet, dass man den Verfassungsschutz ausbaut. Das kann man auch anders sehen. Fragen Sie Polizistinnen und Polizisten, fragen Sie das Landeskriminalamt, befragen Sie sie über die Zusammenarbeit mit dem Verfassungsschutz! Viele von ihnen werden Ihnen über Unzulänglichkeiten berichten. Ich glaube, dass das historisch bedingt ist, denn der Tatbestand, den der Verfassungsschutz beobachtet, ist eine extremistische Bestrebung, die dazu geeignet ist, die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu beseitigen.

Das kam aus einer Zeit, in der man Angst vor Massenaufständen hatte. Man hatte die Studentenrevolte der Achtundsechziger im Blick, man hatte alte Nazis, die vielleicht den Staat unterwandern, im Blick usw., usw.

Heute sehen wir uns einer ganz anderen Gefahr ausgesetzt, der auch strafrechtlich durch die Justiz und auch durch die Kriminalpolizei begegnet wird, und auch durch das Strafrecht, indem wir gucken: Wie ist es möglich, islamistische Terroristen, wie Nazis, die Gewalt anwenden, wie linksextremistische Straftäter, wie Spione aus dem Ausland, die hier Straftaten begehen, hier zu bekämpfen? – Ich glaube, diese können besser bekämpft werden durch eine rechtsstaatliche Polizei, der auch die Mittel zur Verfügung stehen, um ordentlich zu ermitteln, die durch die Justiz kontrolliert werden, die sich Strafverteidigerinnen und Strafverteidigern stellen müssen und dann vor den Gerichten verantworten müssen. Das ist ein Kontrollregime, das sich in der Bundesrepublik etabliert hat, das auch durchaus mit geheimen Möglichkeiten auskommt. Der Verfassungsschutz ist aus meiner Sicht aus der Zeit gefallen. Das man ihn nicht sofort abschaffen können wird, das ist mir auch klar. Aber Ihre Litanei, dass man ihn immer weiter, immer weiter stärken muss, ich glaube, der muss man nicht folgen, erst recht nicht, wenn man an eine ordentliche Sicherheitsarchitektur in diesem Land denkt. – Vielen Dank!

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. – Es wird die Überweisung des Gesetzesantrags der Fraktion der CDU sowie des Änderungsantrags der AfD-Fraktion an den Ausschuss für Verfassungsschutz empfohlen. – Widerspruch höre ich nicht, dann verfahren wir so.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 8:

Wahl von 29 Personen zu Mitgliedern von zwei Besuchskommissionen

Wahl Drucksache 18/0946

hierzu:

Dringliche Empfehlung des Ausschusses für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung vom 23. April 2018 Drucksache 18/1015

Ich habe die Wahlvorlage vorab an den Ausschuss für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung überwiesen und darf Ihre nachträgliche Zustimmung feststellen.

Zwischenzeitlich hat der Ausschuss für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung eine Empfehlung auf Drucksache

(Stephan Lenz)

18/1015 abgegeben. Der Ausschuss empfiehlt einstimmig mit allen Fraktionen, den Wahlvorschlag der Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung anzunehmen. Die von der Senatsverwaltung vorgeschlagenen Mitglieder und stellvertretenden Mitglieder für die beiden Besuchskommissionen können Sie namentlich der Ihnen vorliegenden Tischvorlage entnehmen. Die Fraktionen haben einvernehmlich vereinbart, die Wahl in einfacher Abstimmung und verbunden durchzuführen.

Damit komme ich zur Wahl. Wer die vorgeschlagenen Personen zu Mitgliedern und stellvertretenden Mitgliedern der zwei Besuchskommissionen gemäß der vorliegenden Empfehlung des Ausschusses für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung wählen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind alle Fraktionen und ein fraktionsloser Kollege. Gibt es Gegenstimmen? – Sehe ich nicht. Enthaltungen? – Auch nicht. Damit einstimmig gewählt. Damit sind die genannten Personen gewählt. Herzlichen Glückwunsch an alle!

Tagesordnungspunkt 9 steht auf der Konsensliste. Tagesordnungspunkt 10 war die Priorität der FDP unter der laufenden Nummer 3.3. Tagesordnungspunkt 11 steht wiederum auf der Konsensliste.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 12:

Schlussfolgerung aus dem Volksentscheid: Bebauung der endlich vorantreiben

Beschlussempfehlung des Ausschusses für Stadtentwicklung und Wohnen vom 21. Februar 2018 und Beschlussempfehlung des Hauptausschusses vom 14. März 2018 Drucksache 18/0932

zum Antrag der Fraktion der FDP Drucksache 18/0588

In der Beratung beginnt die FDP-Fraktion. – Herr Kollege Förster, Sie haben das Wort!

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Verehrte Gäste! Die Elisabeth-Aue zu bebauen oder nicht, ist hier offenbar ein Reizthema – auch in der Koalition. Wenn es nach der SPD ginge, würden die Planungen sofort wieder aufgenommen. Wenn es nach den Grünen und Linken ginge, dann eher nicht. Aber es wird trotzdem in den nächsten Jahren notwendig werden, über dieses Thema zu reden. Wir haben heute Morgen in der Eingangsdebatte bereits gehört: Berlin fehlen Zehntausende Wohnungen. Der Senat kommt beim Wohnungsbau nicht voran. Deswegen schlagen wir Ihnen noch einmal deutlich vor, das Thema Elisabeth-Aue aktiv anzugehen.

[Beifall bei der FDP – Anja Kofbinger (GRÜNE): Nee, wir bebauen Tegel!]

Tegel können Sie voraussichtlich erst 2035 bebauen, wenn der BER am Netz ist. Das ist keine Alternative. Damit brauchen Sie gar nicht zu kommen. Das ist immer nur der Wurf mit Nebelkerzen.