Protocol of the Session on March 22, 2018

[Paul Fresdorf (FDP): Deshalb sind wir auch zwei Parteien!]

Mal ganz ehrlich, finden Sie es nicht auch selbst verantwortungslos, durch derlei Medikamente noch mehr Hormone in die Natur und den Wasserkreislauf freizusetzen als es ohnehin schon der Fall ist?

[Frank Zimmermann (SPD): Haben Sie mal irgendeinen Vorschlag?]

Aber davon abgesehen, es gibt bereits entsprechende Verbote, zu füttern oder Gartenabfälle illegal abzulegen. Das Landeswaldgesetz sieht hierfür Bußgelder bis zu 10 000 Euro vor, das Berliner Naturschutzgesetz beinhaltet Bußgelder bis zu 50 000 Euro und eine Reihe weiterer Gesetze, wie zum Beispiel das Berliner Straßengesetz und das Grünanalagengesetz sehen ebenfalls Bußgelder für die unterschiedlichsten Tatbestände vor. Es wird nur nicht verfolgt. Es gilt als Erstes, hier anzusetzen. Aufklärung und verstärkte Streifen der Ordnungsämter wären ein erster Schritt.

[Zuruf von links: Was sollen die denn noch alles machen?]

Die Jagd in der Stadt, wie von FDP und CDU gefordert, wird ebenfalls bereits durchgeführt und die Anzahl der Stadtjäger ist durchaus ausreichend, zumal innerhalb der Stadt nur sehr gezielt gejagt werden kann und darf.

Wir brauchen keine weiteren Stadtjäger, die dann tagein, tagaus mit ihrer Flinte durch die Stadt patrouillieren. Davon abgesehen ist es ohnehin höchst fraglich, ob die stärkere Bejagung irgendeinen dauerhaften Erfolg bringt. Ebenso zu hinterfragen ist, warum diese Tiere ihr Leben lassen sollen für eine Situation, für die der Mensch selbst

(Andreas Kugler)

verantwortlich ist, noch dazu, wo das erlegte Wildschwein dann oftmals nicht einmal einer sinnvollen Verwertung zugeführt wird, weil dafür die Kapazitäten fehlen. Es wird also erschossen und dann der Tierkörperbeseitigung zugeführt. Nein, wir müssen mit der derzeitigen Situation einfach leben und schnellstens umfangreiche Aufklärungskampagnen starten: Aufklärung im Umgang mit wilden Tieren und Aufklärung darüber, dass wilde Tiere nicht gefüttert werden dürfen – und sei der Winter noch so hart –, denn das ist Natur. Zur Natur gehören auch der Kampf ums Überleben und gegebenenfalls auch der Tod kranker und schwacher Tiere. Dazu eine Kampagne, die der Verwahrlosung unserer Stadt entgegentritt, wie sie bereits von uns angestoßen worden ist, Kein herumliegender Müll bedeutet nämlich auch, keine wilden Tiere in der Stadt. – Vielen Dank!

[Beifall bei der AfD]

Für die Fraktion Die Linke hat jetzt Dr. Efler das Wort. – Bitte schön, Herr Kollege!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ich bin erst einmal ganz beeindruckt vom Engagement von CDU und FDP, jeweils mit eigenen Anträgen zum Thema Wildschwein ins Rennen zu gehen. Ich muss aber sagen, Herr Schmidt, ich hätte mir Ihr Engagement auch ein bisschen mehr im Ausschuss gewünscht. Sie haben selber vorhin die kurze Ausschussbehandlung gerügt, aber Sie haben dort selbst gar nicht das Wort ergriffen. Das ist ein ziemliches Eigentor. Warum haben Sie denn im Ausschuss nichts gesagt? – Das finde ich etwas merkwürdig.

[Beifall von Steffen Zillich (LINKE) und Daniel Buchholz (SPD)]

Was wir gemacht haben, wir haben die Anträge von Ihnen, sowohl von CDU als auch FDP zum Anlass genommen, mit Fachleuten außerhalb der staatlichen Strukturen und auch innerhalb dieser zu sprechen, also zum Beispiel mit dem Wildtierexperten des Landes Berlin, den Bundesverdienstkreuzträger Derk Ehlert. Ich will dazu zunächst einmal ganz generell sagen: Es gibt Probleme mit Wildschweinen in Berlin. Es gibt Schäden. Das dürfen wir nicht kleinreden. Die Sorgen der Bürgerinnen und Bürger sind ernst zu nehmen. Mein Wahlkreis zum Beispiel ist im Grunewald, deshalb weiß ich sehr wohl, was Wildschweine sind und welche Probleme damit verbunden ist – gar keine Frage. Aber Alarmismus ist vollkommen fehl am Platze. Wir haben keinerlei verlässliche Zahlen.

[Frank-Christian Hansel (AfD): Wie bei Asbest!]

Und was Sie vorhin gesagt haben, mit der Jagdstrecke, war schon wieder ein Eigentor. Ich habe vorhin mal

nachgesehen, im Jahr 2008 hatten wir eine Jagdstrecke von 3 500 erlegten Wildschweinen, im Jahr 2017 1 800. Das würde bedeuten, die Zahl der Wildschweine hätte sich in zehn Jahren halbiert. Das halte ich nun auch für Quatsch. Die Jagdstrecke schwankt sehr stark hin und her. Wirklich zu sagen, wir haben hier einen dramatischen Anstieg, kann man einfach nicht wirklich bestätigen. Da finden Sie keinerlei wissenschaftliche Evidenz noch keinen Experten, der das so klar bestätigen würde.

Nach meiner Wahrnehmung haben sich erhebliche Teile der Bevölkerung mittlerweile sehr gut im Umgang mit Wildschweinen arrangiert, Schutzmaßnahmen getroffen und sind sehr viel besser informiert als noch vor, sagen wir mal, fünf oder zehn Jahren.

[Beifall von Katalin Gennburg (LINKE)]

Der Senat tut auch einiges dafür. Wir haben z. B. im Haushalt die Finanzierung des Wildtiertelefons abgesichert. Wir haben Öffentlichkeitsarbeit betrieben. Wir haben Broschüren herausgegeben. Ich habe schon auf Herrn Ehlert verwiesen. Ich habe auf das gesetzliche Fütterungsverbot noch nicht verwiesen, aber das haben schon meine Kollegen gemacht. Das haben Sie ja auch übersehen. Es ist da schon einiges am Laufen.

Die anderen Maßnahmen, die die CDU, aber auch die FDP fordert, sind nutzlos bzw. kontraproduktiv. Die Beschäftigung von mehr Stadtjägern wird eher zu einer Verdrängung von Wildschweinen führen, vielleicht sogar zu einer Vermehrung, aber nicht zu einer Populationskontrolle. Richtig problematisch – das muss ich wirklich noch mal sagen – ist das, was die FDP in dem Antrag in der Begründung fordert, nämlich die Jagd in befriedeten Gebieten zu erlauben. Das bedeutet nichts anderes, als dass in einer wachsenden Stadt die Jagd in Wohnsiedlungen, Grünanlagen und auf Friedhöfen erlaubt bzw. erleichtert werden soll. Das ist das Spiel mit dem Feuer, das wir auf gar keinen Fall mitmachen.

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Auch zur Antibabypille ist schon viel gesagt worden. Ich lasse das einfach mal weg.

Deswegen zusammengefasst: Beide Anträge sind leider kontraproduktiv, nutzlos, bzw. wir machen schon die Dinge, um die Wildschweinpopulation zu begrenzen. Ich kann mir aber vorstellen und würde das auch in diesem Haus zur Diskussion stellen, uns im Lauf dieser Wahlperiode die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Jagd generell mal anzusehen, denn aus meiner Sicht sind die nicht mehr auf der Höhe der Zeit. Ich will nur einen Punkt nennen. Es wird auf Berliner Jagdflächen teilweise immer noch mit Blei geschossen. Das haben viele Bundesländer abgeschafft. Ich halte das für fragwürdig und schwierig. Ich finde, darüber sollten wir reden, aber nicht über solche scheinbaren Probleme mit den Wildschweinen. – Vielen Dank!

(Frank Scholtysek)

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Für die FDP-Fraktion hat Herr Kollege Henner Schmidt das Wort. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Anders als Herr Efler es eben gesagt hat, erleben wirklich viele Menschen dieser Stadt Wildschweine als echte Plage.

[Beifall bei der FDP – Beifall von Georg Pazderski (AfD)]

Ich bin auch überrascht, dass Herr Kugler als Kleingärtner seine Wildschweingäste so cool empfängt, wie er es hier gesagt hat, denn diese Tiere zerstören Grünanlagen und private Gärten, auch öffentliche Parkanlagen genauso Spiel- und Sportplätze bis hin zu Friedhöfen, die verwüstet werden. Angesichts der Schäden und der hohen Anzahl von Betroffenen gibt es wirklich keinen Grund, das kleinzureden, auch nicht so wie Herr Scholtysek, das sei eben Natur. Das ist schon ein echtes Problem und eine ernsthafte Belastung der Menschen in den betroffenen Gebieten.

[Beifall bei der FDP – Zuruf von Frank Scholtysek (AfD)]

Wer einmal so einen betroffenen Garten gesehen hat, durch den ein Wildschwein durchgepflügt ist, der weiß, dass das wirklich kein Witz ist. Ich habe in diesen Gebieten auch viele Menschen angetroffen, die sich nicht mehr aus dem Haus trauen, gerade ältere Menschen, die eben Angst vor den Wildschweinen haben. Es sind auch sehr viele Gebiete betroffen: am Eichkamp, um die Heerstraße, in Köpenick, in Spandau, in Steglitz, in Wannsee.

[Heiko Melzer (CDU): Reinickendorf!]

Überall um die Innenstadt herum gibt es wildschweingefährdete Gebiete. Es hat auch gefährliche Situationen gegeben. Dazu zwei Pressemeldungen: September 2017, „120-kg-Wildschwein greift Rentner und Hund in Tegel an“, und November 2017, „ICE rast in eine Wildschweinrotte, ICE nicht mehr fahrbereit“. – Es gibt tatsächlich ernsthafte Gefahren, die von diesen Tieren ausgehen.

Richtig ist, man kann jetzt die Population der Wildschweine insgesamt nicht reduzieren, jedenfalls nicht im Wald. Wildschweine können sich stark vermehren und kompensieren auch Verluste schnell. Aber man kann dafür sorgen, dass die angerichteten Schäden nicht so groß werden und dass in den betroffenen Siedlungsgebieten gezielt gegen Wildschweine vorgegangen wird. Wildschweine, die in kleinen Stadtparks hausen, wie z. B. am Fehrbelliner Platz, oder mitten in Einfamilienhaussiedlungen an den Komposthaufen leben oder die Wildschweine, die sich am Hüttenweg regelmäßig von den

Leuten, die da vorbeikommen, füttern lassen, das sind doch Wildtiere, die sich nicht artgerecht verhalten. Die müssen entnommen werden, da sonst ihr Fehlverhalten auf ganze Wildschweinrotten übertragen wird.

Die CDU-Fraktion hat das Problem aufgenommen. Übrigens in der letzten Legislatur hat es gar keiner aufgenommen. Das finde ich interessant. In der vorletzten war es auch die FDP.

[Beifall bei der FDP]

Die CDU fordert den Senat nun zu Maßnahmen auf. Nur zu Maßnahmen aufzufordern, ist ein bisschen wenig bei dem Senat. Der denkt sich ja nicht von alleine was. Wir Freien Demokraten listen deshalb auch gleich mal ein paar Maßnahmen in unserem Antrag dafür auf.

Dazu gehört schon, die Bejagung in der Stadt zu vereinfachen. Herr Efler! Befriedete Gebiete sind alle Gebiete, wo heute die Stadtjäger unterwegs sind. Deshalb heißen die ja Stadtjäger, weil es eben keine normalen Jäger sind, sondern weil sie in Gebieten, in denen sonst eigentlich nicht gejagt werden darf, mit Sondergenehmigung jagen dürfen. Natürlich bringt das auch was, Herr Scholtysek, denn zumindest sorgt es dafür, dass die betroffenen Grundstücke freigehalten werden. Dass die Wildschweine im Wald leben, dagegen hat ja keiner was. Und weil die Grundstücke freigehalten werden müssen, ist es auch wichtig, die Formalismen zu vereinfachen. Da jeder Eigentümer eine extra Genehmigung für die Stadtjäger geben muss, sollen diese aus unserer Sicht verstärkt abgefordert werden. Auch die Bezirke sollen von sich aus ihre Flächen für die Stadtjäger freigeben.

Natürlich gehört dazu auch, bestehende Regelungen durchzusetzen. Das haben schon mehrere Redner gesagt, u. a. das hier schon öfter zitierte Fütterungsverbot mit mehreren Tausend Euro Geldstrafe. Wie immer leiden wir in Berlin nicht unter zu wenig Regelungen, aber darunter, dass sie nicht durchgesetzt werden.

Zusammengefasst: Wildschweine sind eine echte Plage in vielen Gegenden dieser Stadt. Deshalb müssen gezielt Maßnahmen umgesetzt werden. Mit relativ beschränktem Aufwand könnte man die Situation für viele Betroffene deutlich verbessern und auch viele Sachschäden verhindern. Dazu jetzt wirksame Schritte aufzuzeigen und einzuleiten, dazu dient unser Antrag. Deshalb bitte ich Sie um Ihre Zustimmung. Natürlich werden wir auch dem Antrag der CDU zustimmen, die sich desselben Problems angenommen hat. – Vielen Dank!

[Beifall bei der FDP und der CDU]

Für Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt Dr. Taschner das Wort. – Bitte schön!

Sehr geehrter Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Berliner „tageszeitung“ schrieb im letzten Sommer: CDU-Abgeordneter beklagt Riesensauerei. – Ja, Herr Schmidt, damit waren Sie gemeint, Sie und Ihr düsteres Bild, das Sie von unseren Berliner Wildschweinen zeichnen. Die Opposition, also CDU und FDP, auch heute hier, spricht ja von Vandalismus, stilisiert das Wildschwein zu einem größten Sicherheitsrisiko hoch.

[Heiko Melzer (CDU): Da hatte Herr Schmidt ja schon im Sommer recht!]

All das bestätigt sich überhaupt nicht, wenn man sich mit dem Thema näher beschäftigt und sich mal wirklich mit Experten unterhält, z. B. dem Wildtierexperten der Senatsverwaltung, Herrn Ehlert. Vielleicht sollten Sie das auch öfter machen. Dann bleibt von diesem Schreckensbild, das Sie hier zeichnen, relativ wenig übrig.

Meine lieben Herren von der CDU und der FDP! Ich sage es hier ganz deutlich gleich zu Beginn meiner Rede: Die Wildschweine gehören zu Berlin wie der Fernsehturm, ob es Ihnen passt oder nicht.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN – Christian Gräff (CDU): Unterhalten Sie sich mal mit Betroffenen!]

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des – –

Nein, keine Zwischenfragen!