Das müssen Sie doch auch mal erklären: Auf der einen Seite Ihre Schaufensteranträge, auf der anderen Seite dann die Realität!
Sie schreiben, Sie wollen eine gleichberechtigte Aufteilung von Erwerbs- und Sorgearbeit. Das ist sicherlich gut gemeint, aber dann müssen Sie auch die Infrastruktur dafür bereitstellen.
Vor wenigen Tagen wurde beim RBB getitelt: Berlin bekommt den Kitamangel nicht in den Griff! – Nach dem Kitabedarfsatlas hat sich in nur drei von 138 vom Senat so bezeichneten Bezirksregionen die Lage gegenüber
2014 deutlich verbessert. In 50 Regionen hat sie sich sogar in den letzten vier Jahren verschlechtert. Was hilft es, Kitaplätze kostenfrei anzubieten, wenn nicht genug davon vorhanden sind? Das ist ein katastrophales Zeugnis der Bildungs- und Familienpolitik, die die SPD seit Jahren in dieser Stadt verantwortet.
Mit Ihrem Antrag kündigen Sie die Veröffentlichung einer Liste mit Ärzten und Kliniken an, welche Schwangerschaftsabbrüche vornehmen. Diese Liste soll auf der Senatswebseite veröffentlicht werden – offensichtlich, um § 219a des Strafgesetzbuches zu umgehen. Inwieweit das rechtlich zulässig ist, vermag ich nicht zu beurteilen, eine Notwendigkeit dafür kann ich jedoch nicht erkennen.
Jede Beratungsstelle verfügt über diese Liste und informiert betroffene Frauen, wo welche Schwangerschaftsabbrüche vorgenommen werden können. Die Anzahl der Schwangerschaftsabbrüche ist in Berlin in den letzten Jahren wieder angestiegen. Allein diese Tatsache sollte zum Handeln aufrufen und nicht dazu, Schwangerschaftsabbrüche zu bagatellisieren.
„Macht, Arbeit, Einkommen – für die gleichberechtigte Partizipation von Frauen am politischen und gesellschaftlichen Leben“ – so der Titel Ihres heutigen Antrages. Mit den von Ihnen dazu gemachten Vorschlägen werden Sie dieses Ziel wohl nicht erreichen können.
Lösen Sie die wirklichen Probleme dieser Stadt! Bauen Sie genügend Wohnungen und Schulen! Schaffen Sie Kitaplätze! Stellen Sie den Flughafen Willy Brandt endlich fertig! Bringen Sie ein sinnvolles Verkehrskonzept auf den Weg! Und bitte verabschieden Sie sich von Schaufensteranträgen wie dem vorliegenden! – Vielen Dank!
Für die Fraktion der SPD begrüße ich den einzigen männlichen Vertreter, der hier in dieser Rederunde auftritt. – Herr Düsterhöft! Sie haben das Wort! – Entschuldigung! Herr Schlömer kommt auch noch! Ich nehme alles zurück, aber ich freue mich auf Herrn Düsterhöft. – Bitte schön!
Danke schön! – Kommen wir zurück zum Antrag! – Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Wir haben heute tatsächlich etwas zu feiern. Dieser Plenartag fällt nicht nur auf den Internationalen Frauentag – das wurde schon mehrfach gesagt –, sondern wir feiern in diesem Jahr auch das hundertjährige Jubiläum des durch Sozialdemokratinnen erstrittenen Frauenwahlrechts. Ich freue mich, dass wir gerade heute einen Antrag einbringen können, der versucht, die Lebenswirklichkeiten vieler Frauen positiv zu verändern.
Denn wie meine Kollegin Frau Çağlar im letzten Jahr an dieser Stelle bereits gesagt hat: Gleichstellung ist kein Machtverlust und kein Umsturzversuch, Gleichstellung ist ein Menschenrecht.
Unsere gleichstellungspolitische Sprecherin Frau Çağlar darf ich heute hier vertreten, weil sie vor sechs Wochen ihr zweites Kind zur Welt gebracht hat und sie mich gebeten hat, an ihrer Stelle hier heute zu sprechen. Als Mann ist es mir eine besondere Ehre, das auch machen zu dürfen.
Der vorliegende Antrag der Regierungskoalition will das Tempo der Umsetzung der gleichstellungspolitischen Forderungen erhöhen und stellt vier Kernforderungen.
Erstens: Die Koalition lässt prüfen, ob und wie der Frauenanteil im Berliner Abgeordnetenhaus und in den Bezirksverordnetenversammlungen so erhöht werden kann, dass er dem gesellschaftlichen Durchschnitt entspricht. Hierzu hat die Koalition ein entsprechendes Gutachten in Auftrag gegeben. Bevor die Herren von rechts wieder „Leistung statt Quote!“ schreien oder denken, lassen Sie es mich auch Ihnen erklären: Wir müssen weg davon, dass Männer über das Leben von Frauen entscheiden.
[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN – Beifall von Frank-Christian Hansel (AfD) und Stefan Franz Kerker (AfD)]
Wir wollen, dass Frauen selbst über ihr Leben, über ihren Körper und über ihre Karriere entscheiden. Hierzu ist eine ausgewogene Verteilung der Mandate in den Parlamenten unerlässlich. Als Mann möchte ich ganz besonderes ergänzen, dass ich nicht Mitglied einer Fraktion sein möchte, deren Auftreten im Parlament oftmals vom aktuellen Testosteronspiegel geprägt wird.
Aber zurück zum Antrag! Der zweite Punkt des Antrags beschäftigt sich mit dem überholten § 219a des Strafge
setzbuches. Dieser Paragraf hindert Medizinerinnen und Mediziner daran, über ihr Leistungsspektrum zu informieren.
[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN – Stefan Franz Kerker (AfD): Oh! Das ist ja billig!]
Dies führt dazu, dass nicht umfassend über Schwangerschaftsabbrüche informiert wird. Im Sinne der Selbstbestimmung müssen jedoch alle Informationen hierzu frei verfügbar sein. Nur so kann eine so höchstpersönliche Entscheidung wie ein Schwangerschaftsabbruch getroffen werden.
Die Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung wird daher in Zukunft auf ihrer Internetseite darüber informieren, in welchen Arztpraxen rechtskonforme Schwangerschaftsabbrüche vorgenommen werden können. Darüber hinaus hoffen wir, dass unsere Bundesratsinitiative zur Abschaffung des § 219a erfolgreich sein wird. Somit könnten Frauen bundesweit diskriminierungsfrei alle Informationen für eine selbstbestimmte Entscheidung bekommen.
Drittens: Das Thema „Ungleiche Bezahlung für gleiche Arbeit“ ist leider ein Dauerthema, welches auch durch das Land Berlin ernster angegangen werden muss. Ohne Zweifel wurde viel erreicht. Das wurde auch schon mehrfach gesagt. Wir haben fast 40 Prozent der Geschäftsführungspositionen unserer Landesunternehmen in Frauenhand, und Frauen üben die Mehrheit der Aufsichtsratsmandate aus. Aber wir machen uns total unglaubwürdig, wenn es Tochterunternehmen landeseigener Betriebe gibt, die aufgrund fehlender Tarifverträge der ungleichen Bezahlung von Mann und Frau Tür und Tor öffnen.
Um einen weiteren wunden Punkt anzusprechen: Es kann nicht sein, dass das Management der Berliner Stadtwerke zu 100 Prozent mit Männern besetzt ist und das Landesgleichstellungsgesetz ignoriert wird. Die Verwaltung darf sich hier nicht hinter Ausreden wie Neugründung oder
Startup-Phase verstecken. Hier fordern wir in den kommenden Monaten und Jahren entschiedenes Handeln aller Senatsmitglieder.
Als vierter und letzter Punkt ist die familienfreundliche Gestaltung des Arbeitslebens zu nennen. Es muss für Arbeitgeber und Arbeitnehmer selbstverständlich werden, dass Männer Elternzeit nehmen. Eine Vaterschaft endet nicht mit dem Zeugungsakt. Im Gegenteil: Ab diesem Moment ist man als Vater dem neuen Leben genauso verpflichtet wie die Mutter.
Elternzeit von Männern darf nicht belächelt, nicht hinterfragt und erst gar nicht unterbunden werden, aber das ist ganz oft die Realität.
Eine Schwangerschaft ist noch zu häufig ein Risiko für die Karriere der Frau, und die Männer delegieren noch zu oft je nach Bedarf die Verantwortung an die Mütter. Dieses noch immer festgefahrene Rollenbild müssen wir endlich umstoßen, und vielleicht können wir heute einen kleinen Beitrag dazu leisten. Die neue Bundesregierung wäre auf jeden Fall gut beraten, endlich die gleichberechtigte Elternzeit in den Fokus der Gesetzgebung zu nehmen. – Ich danke Ihnen!