Protocol of the Session on March 8, 2018

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Hier und heute in diesem Saal liegt der Frauenanteil bei gerade mal 33 Prozent. Da besteht also immer noch ein deutliches Ungleichgewicht. Das liegt jedoch weniger an uns, den Koalitionsfraktionen, sondern eher an den zahlreichen Herren und wenigen Damen auf der Oppositionsbank,

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Beifall von Lars Düsterhöft (SPD)]

die sich im Gegensatz zu uns festen Quoten verschließt. Hier sehen wir ungefähr 17 Prozent Frauen bei der FDP und traurige 13 Prozent bei AfD und CDU. Meiner Meinung nach gibt es für dieses Armutszeugnis nur zwei Möglichkeiten: Die erste wäre, Sie engagieren sich alle in einer Partei, die ihre gleichstellungspolitische Verantwortung ernst nimmt, oder Sie führen die Quote ein.

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Lachen bei der AfD]

Die am lautesten lachen, haben am meisten Angst vor der Quote.

[Lachen bei der AfD]

Wir brauchen endlich in allen Parteien paritätisch quotierte Wahllisten, außerdem gesetzliche Quoten in der Legislative, Exekutive und Judikative, schließlich auch verbindliche Quoten für Mandate, Ämter und Gremien. Eine solche Repräsentationslücke hat in einer Demokratie nichts zu suchen und muss konsequent auf allen Ebenen der Politik beseitigt werden, von der kleinsten Kommune bis hoch zum Bundestag.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN – Zurufe von der AfD]

In der Wirtschafts- und Arbeitswelt stoßen wir auf noch größere Ungerechtigkeiten. Es gibt natürlich auch positive Entwicklungen. So stieg z. B. der Frauenerwerbstätigkeitsanteil von 1950 mit 44 Prozent auf 74 Prozent bis zum heutigen Tage.

[Zuruf von Ronald Gläser (AfD)]

Fakt bleibt, Frauen verzichten immer noch häufiger als Männer auf höhere akademische Abschlüsse und besetzen lediglich 23 Prozent der Professuren. Ob hier wohl alle im Saal wissen, dass die Frauen bundesweit die besseren Abschlüsse haben, egal ob es die Universitäten oder die Schulen sind?

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Fakt ist außerdem, die Berufswahl folgt immer noch traditionellen Rollenklischees, vermittelt durch Medien, Schulen und Werbung.

[Zuruf von Kurt Wansner (CDU)]

Und Fakt ist am Ende auch die klaffende Lücke zwischen Frauen- und Männergehältern. Dieses Gender-Pay-Gap liegt aktuell bei 21 Prozent, und das schon seit Jahren unverändert.

[Zuruf von Anja Kofbinger (GRÜNE)]

Diese Ungleichbehandlung setzt sich im Privat- und Familienleben fort. Zwar wollen sich glücklicherweise viele Frauen und Männer inzwischen Kindererziehung, Pflege von Angehörigen und Hausarbeit partnerschaftlich gerecht teilen, doch wenn Männer ein verlässlicheres und höheres Einkommen als Frauen erhalten: Wer bleibt dann

(Vizepräsidentin Dr. Manuela Schmidt)

zu Hause? – Genau! Die Frauen mit den geringen Einkommen! Der Gender-Pay-Gap führt so zum GenderCare-Gap, und dieser bewegt sich bei über 52 Prozent. Frauen leisten also satte 52 Prozent mehr unbezahlte Sorgearbeit als Männer. Das geht zulasten ihrer Karriere, ihrer finanziellen Eigenständigkeit und ihres Selbstwertgefühls.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Nach einer beruflichen Auszeit liegen die Chancen auf Wiedereinstieg in die gleiche Position in den ersten fünf Jahren noch bei 50 Prozent und sinken danach dramatisch auf 16 Prozent. Ein Knochenbruch wächst wieder zusammen, ein Bruch in der Erwerbsbiografie bleibt. Rund 47 Prozent der Frauen insgesamt und 67 Prozent der Mütter mit minderjährigen Kindern arbeiten in Teilzeit. Das somit geringere Erwerbseinkommen unterstützt den Teufelskreis aus Lohn- und Sorgelücke. Hier ist der Staat in der Pflicht, um Frauen wie Männern eine Vollzeitbeschäftigung zu ermöglichen. Es müssen kostenlose öffentliche Kinderbetreuung, Erziehungs- und Bildungsangebote und bezahlbare Pflegedienste in hoher Qualität bereitgestellt werden.

Die Spirale der Ungerechtigkeit führt direkt in die Rentenlücke. Aus Gender-Pay-Gap und Gender-Care-Gap entsteht am Lebensabend der sogenannte Gender-Pensions-Gap. Über alle drei Säulen der Alterssicherung betrachtet, bekommen Frauen 53 Prozent weniger Rente als Männer. Wir reden hier von jetziger und zukünftiger Altersarmut!

[Frank-Christian Hansel (AfD): Haben Sie völlig recht!]

Zum Schluss noch ein Wort zu zwei aktuellen Debatten. Seit gut 45 Jahren können wir Frauen in Deutschland straffrei einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen lassen. Bis heute werden jedoch die transparente Information über diesen Eingriff und die damit verbundenen Kosten allen Ernstes strafrechtlich verfolgt. Im Bundestag stellt sich die CDU zusammen mit der AfD quer und möchte mit dieser Bevormundung weitermachen.

[Zuruf von der AfD: Das ist auch gut so!]

Ich sage Ihnen an dieser Stelle: Der § 219a ist eine Entwürdigung für jede moderne Frau und gehört aus dem Strafgesetzbuch ersatzlos gestrichen.

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Eine Anmerkung zu der Me-too-Kampagne: Sexualisierte Gewalt, sexuelle Belästigungen und Übergriffe sind für viele Frauen und Mädchen grausame Realität –

[Unruhe]

auf der Straße, am Arbeitsplatz und im schlimmsten Fall sogar in den eigenen vier Wänden. – Möchtest du hier

vorne reden? Dann gehe ich so lange und setze mich bei dir hin. Damit habe ich kein Problem!

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Im letzten Jahr gab es 133 000 registrierte Fälle von häuslicher Gewalt; davon haben 149 Frauen nicht überlebt. Wir brauchen eine breite Offensive für Gewaltschutz und Prävention sowie einen grundlegenden Wandel unserer Gesellschaft. Das Machtgefälle zwischen Männern und Frauen muss endlich der Vergangenheit angehören.

Wir, die Fraktionen Die Linke, SPD und Grüne, beantragen daher, dass sich das Abgeordnetenhaus hier und heute zu einer zukunftsweisenden Frauen- und Gleichstellungspolitik bekennt. Wir sehen uns in der Verantwortung, auf folgende Ziele hinzuwirken: die paritätische Beteiligung von Frauen in Parlamenten, Ämtern und Gremien, die gleichberechtigte Aufteilung von Erwerbs- und Sorgearbeit, dass Frauen sich auf einer staatlichen Webseite über Schwangerschaftsabbrüche informieren können, die gleiche Bezahlung bei gleicher Arbeit, den gleichen Zugang zu Führungspositionen und die gleiche Anerkennung von Lebensleistungen im Alter. Wir werden nicht warten, dass Frauen und Männer im Jahr 2133 – so die Aussage des Global-Gender-Gap-Reports – in der Arbeitswelt gleichgestellt sind, sondern fordern hier und heute eine Umsetzung der aktiven Genderpolitik. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

[Anhaltender Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Meine Herren! Gestatten Sie mir, bevor ich die nächste Rednerin aufrufe, eine Zwischenbemerkung: Es wäre schön, wenn es wenigstens heute gelingen würde, dass Frauen ohne Zwischenrufe reden können. – Vielen Dank!

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD und den GRÜNEN]

Nächste Rednerin ist Frau Vogel von der CDU-Fraktion. – Frau Vogel, Sie haben das Wort! Bitte schön!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Frauen! Auch von meiner Fraktion herzlichen Glückwunsch zum Weltfrauentag! Als ich den vorliegenden Antrag gelesen habe, hatte ich ein kleines Déjà-vu: Vor fast genau einem Jahr haben wir ein ähnliches Thema diskutiert, damals im Rahmen der Aktuellen Stunde: „Die Hälfte der Macht den Frauen – Berlin tritt ein für Gleichstellung und Selbstbestimmung“ war damals das Thema. Anstatt sich mit den wirklichen und aktuellen Problemen der Stadt auseinanderzusetzen, wollten Sie lieber über Gender-Mainstreaming, Gender-Budgeting und Unisex

(Ines Schmidt)

toiletten lamentieren, und daran hat sich offensichtlich nichts geändert, wie der vorliegende Antrag zeigt.

[Anja Kofbinger (GRÜNE): Das ist verlogen!]

Was haben Sie in der Frauen- und Gleichstellungspolitik inzwischen erreicht? Was haben Sie konkret getan, um ihr Plakat zum Equal-Pay-Day nicht jedes Mal wieder hervorholen zu müssen? – Sie haben im Haushalt ein paar Träger von Frauenprojekten mit mehr Geld versorgt und ein paar mehr Plätze in den Frauenhäusern geschaffen.

[Beifall von Anne Helm (LINKE)]

Das findet auch unsere Unterstützung, aber das war es dann auch schon. Anspruch und Realität laufen bei Ihnen offensichtlich in völlig gegensätzliche Richtungen.

Mit dem vorliegenden Antrag wollen Sie eine paritätische Beteiligung von Frauen in Parlamenten, Ämtern und Gremien. Also, mal ganz ehrlich: Soll der Gesetzgeber jetzt entscheiden, wer in die Parlamente gewählt wird? Mein Demokratieverständnis ist wirklich ein anderes! Der Wähler muss frei und ohne Einschränkung entscheiden können, wer ihn politisch vertreten soll.

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der AfD und der FDP]

Und wie ernst es Ihnen wirklich mit der Beteiligung von Frauen in Ämtern ist, beweist allein die Auswahl Ihrer Staatssekretäre und Staatssekretärinnen. Hier hätten Sie mit gutem Beispiel vorangehen können, ohne auf Bewerbungsverfahren oder Ähnliches Rücksicht nehmen zu müssen. Wie sieht das Ergebnis bei Ihnen aus? – Gerade mal acht von 24 Staatssekretären sind weiblich.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Frau Bangert?

Nein! Keine Zwischenfragen!