Menschen wohnen nicht nur, Menschen stehen morgens auf, verlassen ihre Wohnung, sie brauchen eine Bushaltestelle, sie brauchen eine Parkbank
sie brauchen einen Supermarkt, und sie brauchen noch vieles mehr, was einen Ort nicht nur zu einem Wohnungsbaustandort macht, sondern zu einem Kiez, zu einer Nachbarschaft, die funktioniert und in der Berlinerinnen und Berliner gerne leben. Dafür haben wir eine Reihe von Punkten definiert: ÖPNV-Anbindung, soziale Infrastruktur. Kleinteilige Planung ist das Gegenteil von Großinvestorenparzellen, das bedeutet: Nutzungsmischung, Vergabe auch an private Genossenschaften oder Baugruppen.
Das bedeutet, dass wir hier die Grundlage für die Berliner Mischung gelegt haben. Darauf sind wir sehr stolz.
Das heißt aber auch, dass man vielleicht einmal an der einen oder anderen Stelle ein Experiment wagen muss. Nicht nur die Verkehrsplanung, die Grünflächenplanung und die Sozialplanung, nein, man muss sich vielleicht auch einmal trauen, eine verrückte Dachbegrünung vorzunehmen
oder eine Fassadenbegrünung. Warum haben wir uns denn als Stadtentwicklungsausschuss 2015 Madrid angeguckt mit Beispielen wie Bosco Verticale? Warum haben wir das in Berlin noch nicht?
Mir reicht das nicht. Ich möchte, dass Berlin nicht nur Bundeshauptstadt ist, sondern dass es die coolste Hauptstadt ist.
Das möchte ich unter anderem, weil ich diese Stadt für die nächsten hundert Jahre im Sinne von Lebensqualität gestalten will. Das mache ich aber auch, weil ich für dieses Thema brenne, weil es der Grund war, dass ich irgendwann einmal mich ins Abgeordnetenhaus habe wählen lassen.
Deshalb, meine Damen und Herren, fällt es mir nicht leicht, feststellen zu müssen, dass das hier meine letzte Rede als stadtentwicklungspolitische Sprecherin ist. Ich werde trotz alledem diesen Sprechertitel nächste Woche abgeben, um mich vollumfänglich auf meine Rolle als Fraktionsvorsitzende konzentrieren zu können.
Deshalb möchte ich diese Rede ganz kurz dafür nutzen, all denjenigen zu danken, mit denen ich in den letzten Jahren konstruktiv, auch streitbar, aber immer leidenschaftlich und in der Sache zusammengearbeitet habe – davon möchte ich Sie gar nicht ausnehmen, Herr Evers. Auch wir hatten viel Spaß zusammen. Ich möchte mich auch bei dem jungen Kollegen Herrn Förster bedanken. Sie haben zumindest eine sehr humoristische Art und sind immer sehr sachorientiert. Das gefällt mir gut. Ich möchte mich bei meinen beiden Koalitionskollegen Daniel und Katalin bedanken, bei Senatorin Lompscher, Senatsbaudirektorin Lüscher und auch Staatssekretär Scheel. Ich möchte mich auch bei all denjenigen bedanken, die in dieser Stadt aktive Stadtentwicklungspolitik in Initiativen und Netzwerken machen. Gerade eben saß noch Christian Wiesenhütter dort oben. Ich glaube, er ist wie wenige Männer ein Beispiel dafür, dass es in dieser Stadt un
heimlich viel Engagement gibt. Deshalb lohnt es sich, mit diesen Menschen auch weiterhin gemeinsam Berlin zu gestalten. Ich werde mich nicht rausnehmen. Auch als Fraktionsvorsitzende brennt mein Herz für diese Stadt. Spätestens wenn es darum geht zu sagen: Ich will ihr ein Gesicht geben –, werden Sie hier mit mir rechnen können. – Vielen Dank!
Für die Fraktion der FDP hat jetzt der Abgeordnete Herr Förster das Wort. – Bitte schön! Sie sind ja schon angekündigt worden.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Buchholz! Sie haben vorhin so eine martialische Rede gehalten. Dabei war doch Ihr Fraktionsvorsitzender gar nicht im Raum. Ich weiß also nicht, ob Ihnen das Pluspunkte gebracht hat für die mögliche Wiederaufstellung in Spandau. Ich glaube, eher nicht.
Aber im Ernst: Wenn Sie die Defizite der vergangenen 30 Jahre an Stadtentwicklungspolitik in Berlin aufgezählt haben, frage ich Sie: Wer hat denn drei Jahrzehnte den Bausenator dieser Stadt gestellt? – Das waren doch immer die Sozialdemokraten.
Das ist genauso lustig, wie wenn Sie sich im Bund darüber beklagen, in den letzten 20 Jahren sei die Bundesrepublik unsozialer geworden. Davon haben Sie 15 Jahre mitregiert. Guten Morgen!
Ansonsten haben wir gerade erfahren, dass das kein konkreter Antrag, sondern nur ein Leitbild sein soll. Das wusste ich nicht. Ich hatte mich eingehend damit beschäftigt und genauso wie der Kollege Evers wenig Substanz darin vorgefunden. Aber wenn ich jetzt höre, dass sei nur ein Leitbild, dann sei das entschuldigt. Dann hatte ich mehr erwartet, als tatsächlich darin vorzufinden ist.
Wenn man auf die elf Quartiere schaut, die dort aufgeführt sind – ohne Elisabeth-Aue, aber mit Tegel, wozu Kollege Evers schon das Nötige gesagt hat – auf der einen Seite sagen Sie, Sie nähmen Bürgerbeteiligung ernst, auch bei den neuen Stadtquartieren, aber einen
erfolgreichen Volksentscheid zu ignorieren, bedeutet, dass es mit der Bürgerbeteiligung nicht weit her ist. Das sei noch einmal so deutlich hier gesagt.
Das eigentliche Problem bei der Realisierung dieser Quartiere ist dann aber nicht, dass es da keine Straßen geben wird – ich glaube schon, dass es dort Straßen gibt und dass man da auch Autos abstellen kann –, das Problem ist die lange Vorlaufzeit, die diese Quartiere haben werden. Bis auf den Blankenburger Süden und Köpenick sind wir im Augenblick nirgendwo in einer konkreten Projektphase, in der irgendetwas auf die Gleise gesetzt wird. Selbst da – über Köpenick kann ich als meiner Heimat berichten –, wo im Vorfeld üppige Bürgerbeteiligung gewesen ist, wo dann Menschen hinkommen, die nicht ansatzweise im Umfeld wohnen, wo Menschen aus Kreuzberg auftraten und erklärten, man benötige kein Auto in Köpenick, weil die S-Bahn nah dran sei, das ist dann nicht unbedingt die Art von Bürgerbeteiligung, die man braucht. Die Einbeziehung der Nachbarschaft, das wäre notwendig gewesen. Aber der Nachbarschaft, den Leuten, die da wohnen, hat man erklärt, sie könnten ihre Gärten für die Neubebauung mit Wohnungen abgeben. So geht es dann auch nicht, dass die dann hinterher davon erfahren. Bürgerbeteiligung bitte in der richtigen Reihenfolge und nicht allgemein, global – konkret.
Ich bin auch sehr für ambitionierte architektonische Planungen. Es hindert keinen daran, die Hufeisensiedlung im Jahr 2017 ff. modern zu interpretieren. Ich bin sehr dafür, wegweisende Architektur auf den Weg zu bringen. Aber es liegt an denjenigen, die sie gestalten und entwerfen. Insofern schauen wir uns einmal an, was dort geplant ist. Nur preiswert zu bauen, dann aber auch einen weltweiten Architektenpreis einzuheimsen, ist manchmal schwierig. Ich hatte auch – wie Kollege Evers – viel über landeseigene Gesellschaften und Genossenschaften gelesen – wogegen überhaupt nichts spricht –, aber sehr wenig über private Investoren. Vielleicht haben Sie einfach in der Koalition eine andere Vorlage verteilt, als wir sie bekommen haben. Das kann ja sein. Aber so steht es jedenfalls hier nicht drin – auch wenn es nur ein Leitbild ist.
Wenn wir einmal auf den Erfolg des Berliner Modells schauen: Bis jetzt null abgeschlossene Verträge –, dann kann man noch so viele Modelle entwerfen, man kann auch sozialen Wohnungsbau darin verankern – wenn dann diejenigen, die die Verträge abschließen sollen, sich nicht daran halten bzw. sie nicht abschließen wollen zu diesen Konditionen, sondern lieber im Land Brandenburg bauen, dann haben wir nachher ein Problem. Da hilft es auch nicht zu sagen, wir wollen geschlossene Verträge nachverhandeln. Bestehende Verträge sind einzuhalten. Das wäre erst einmal was, denn dann würden diejenigen auch bauen. Wenn sie aber wissen, dass die Verträge nicht mehr gelten, fangen sie erst recht nicht an zu bauen.
Das Ganze kommt mir ein bisschen vor wie das berühmte Pfeifen im Walde. Wir haben das Leitbild und nehmen es zur Kenntnis. Aber es ist noch sehr viel Luft nach oben – auch bei der Entwicklung der Quartiere. Vielleicht kann ja die engagierte Rede von Frau Kapek da helfen. Wenn sie sich künftig gelegentlich von außen ins Spiel einmischt, wäre das sehr schön. Wir hätten dann vielleicht die eine oder andere pointierte Sichtweise von der Regierungsseite. Dagegen hätte ich nichts. In diesem Sinne: herzlichen Dank!
Aber beim Thema Stadtquartiere ist noch sehr viel Luft nach oben. Wir werden es aber trotzdem konstruktiv begleiten, weil es ganz wichtig ist. – Herzlichen Dank!
Zu diesem Tagesordnungspunkt hat der fraktionslose Abgeordnete Wild gemäß § 64 Abs. 2 der Geschäftsordnung einen Redebeitrag angemeldet. Ihre Redezeit beträgt bis zu drei Minuten. – Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort. – Bitte schön!
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Vergrößerung der Wohnbevölkerung ohne die Vergrößerung der Siedlungsfläche ist ein Vorhaben, das der Quadratur des Kreises ähnelt. Wozu müssen wir in der Stadt weiter verdichten, wenn hinter den Stadtgrenzen schier unendliche Weiten vorzufinden sind und die Mauer, die das Ausweiten der Stadt von 1991 bis 1989 verhinderte, nun seit 27 Jahren nicht mehr da ist? Ob in Rudow, Lichtenrade, Marienfelde, Lichterfelde, Spandau oder Frohnau – überall finden sich direkt hinter der Stadtgrenze landwirtschaftliche Flächen, die wir bebauen können. Solange die DDR existierte, konnte man mit diesen Flächen nichts Sinnvolles anfangen, außer vielleicht Teltower Rübchen anzupflanzen. Aber diese Zeiten sind lange vorbei. Warum sind wir nicht mit unseren Nachbarn in Brandenburg dabei und entwickeln diese Flächen? Meist sind diese Flächen einfach an den öffentlichen Personennahverkehr anzuschließen. Die Straßen müssen wir ausbauen, aber das müssen wir ohnehin.
Jede andere Stadt der Welt würde sich glücklich schätzen, über solche Reserveflächen zu verfügen. Berlin ist nicht von Gebirgen eingeschnürt und auch nicht von einem Ozean am Wachsen gehindert. Ostberlin wuchs natürlich in die DDR hinein. In Hönow, Ahrensfelde und Zepernick kann man das beobachten. Langfristig ist anzunehmen, dass Berlin und Brandenburg als eigenständige Bundesländer einer künftigen Reduzierung der Bun
desländer zum Opfer fallen werden. Warum soll also Berlin nicht flächenmäßig nach Brandenburg hineinwachsen?
Wir brauchen keinen Genius Loci zu entwickeln. Der entwickelt sich von ganz allein. Ein Kiez braucht keinen Regierungsschutz. Hören Sie auf, kreative und ökonomisch mündige Bürger zu bevormunden! Lassen Sie Berlin wachsen und gedeihen! – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit!
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Es wird die Überweisung des Antrags an den Ausschuss für Stadtentwicklung und Wohnen – federführend – sowie mitberatend an den Ausschuss für Umwelt, Verkehr, Klimaschutz empfohlen. – Widerspruch höre ich nicht. Dann verfahren wir so.