Protocol of the Session on December 14, 2017

Wozu wollen Sie aber diese Netze kaufen? Es ist ein hochregulierter Markt. Es ist kein Nutzen für die Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt erkennbar, wenn Sie sich damit befassen, diese Netze zu kaufen.

[Zuruf von Dr. Stefan Taschner (GRÜNE)]

Es ist eine Lose-lose-Situation. Entweder Sie verlieren die Prozesse gegen diese Unternehmen, dann wäre es schade um das Geld, aber immer noch besser, als wenn Sie gewönnen und dann auch noch Milliarden Euro für diese Investition ausgeben. Sie haben in diesem Haushalt schon über 10 Millionen Euro dafür eingestellt. Hoffentlich werden diese nicht ausgegeben. Es besteht jedenfalls dafür wirklich kein Bedarf.

[Beifall bei der FDP – Zuruf von Dr. Stefan Taschner (GRÜNE)]

Schon allein wegen diesen falschen Schwerpunktsetzungen lehnen wir diesen Haushalt ab. Wir haben in dieser wirtschaftlichen Situation die Gefahr eines Esels, der sich auf das Eis wagt, weil es ihm zu gut geht. Schauen Sie, dass das Eis fest und der Esel an Land bleibt. Sie können es sich nicht leisten, die Wirtschaft durch eine solche Fehlsteuerung und ein so wirtschaftsfeindliches Klima zu schädigen. Insofern unterstützen wir alles, was ich genannt habe und wo wir Anknüpfungspunkte sehen, um die wirtschaftliche Situation in dieser Stadt zu verbessern. Die Schwerpunkte sind aber dermaßen falsch gesetzt, dass wir diesen Haushalt an der Stelle überhaupt nicht unterstützen können. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der FDP – Beifall von Christian Buchholz (AfD) und Andreas Wild (fraktionslos) – Bernd Schlömer (FDP): Bravo!]

Für den Senat hat jetzt das Wort Frau Senatorin Pop. – Bitte schön!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zu später Stunde kommen diejenigen an die Reihe, die das Geld für diesen Haushalt erwirtschaften, Wirtschaft und danach Finanzen. Wenn man sich das Volumen unseres Einzelplans anschaut, kann ich sagen, dass wir mit einem knapp 20-prozentigen Aufwuchs in diesem Einzelplan durchaus das erfüllen, was der eine oder andere hier gefordert hat, selbst aber nicht in der Lage gewesen ist, in den letzten Jahren zu leisten: der Wirtschaftsförderung noch einmal einen richtigen Schub zu geben. Die verzweifelten Versuche, Berlin hier schlechtzureden, werden keine Früchte tragen. Die Zahlen sprechen Bände, und die Zahlen sind hier sehr deutlich.

Wir wachsen wirtschaftlich in Berlin im vierten Jahr in Folge über dem Bundesdurchschnitt. Wir wachsen überdurchschnittlich bei den Arbeitsplätzen. In den letzten Jahren sind jeweils 60 000 Beschäftigte pro Jahr hinzugekommen. Ich möchte darauf hinweisen: Das sind sozialversicherungspflichtig Beschäftigte, also gute Arbeitsplätze mit guter Entlohnung.

(Florian Swyter)

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Beifall von Jörg Stroedter (SPD)]

Die Arbeitslosenquote hat sich allein in der Zeit, in der ich hier im Abgeordnetenhaus bin, halbiert, auf inzwischen 8,5 Prozent im November 2017. Wer hätte das eigentlich vor zehn oder zwölf Jahren gedacht, dass die Berliner Wirtschaft einen solchen Aufholprozess hinlegen wird?

Und ja, es ist nicht alles nur Gold, was hier glänzt in Berlin. Keine Frage, wir haben in den letzten Tagen nicht allzu gute Botschaften bekommen, sowohl von Siemens als auch von Ledvance oder auch General Electric. Keine Frage, daran zeigt sich, dass der Strukturwandel hier immer noch in vollem Gange ist. Was aber hier definitiv nicht stattfindet, ist das, was Sie hier beschworen haben: die Deindustrialisierung der Berliner Wirtschaft. Die hat tatsächlich einmal stattgefunden, nach der Teilung und der Wiedervereinigung der Stadt hat sie stattgefunden.

[Unruhe]

Wenn man sich aber heute die Zahlen anschaut, liebe Herren von der Opposition, können wir nur feststellen: Wir liegen stabil bei der Industriebeschäftigung. Die wächst sogar leicht um 1,6 Prozent. Über 100 000 Arbeitsplätze im Schnitt, von Deindustrialisierung kann man zumindest heute nicht sprechen. Ja, es gibt einen weiteren Strukturwandel. Wir sehen aber eben auch, dass die Berliner Wirtschaft dort erfolgreich ist, wo sie mit Innovation und Digitalisierung zusammen gedacht wird. Wir sehen, dass große Konzerne, Industriekonzerne und Automobilkonzerne, mit ihren Digitalsparten nach Berlin kommen und hier neue Entwicklungen, neue Arbeitsplätze schaffen.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN]

Die Digitalwirtschaft ist der Treiber, ganz eindeutig, mit überproportionalen Wachstumsraten. Jeder sechste neue Job entsteht in der Digitalwirtschaft. Vielleicht haben Sie das nicht mitbekommen, lieber Herr Pazderski, weil Sie offensichtlich keine Zahlen lesen: Das Durchschnittseinkommen der Digitalwirtschaft liegt ein Drittel höher als das Berliner Durchschnittseinkommen. Also von wegen, da würden nur Billiglöhne gezahlt. Da liegen Sie absolut falsch.

[Beifall von Benedikt Lux (GRÜNE), Christian Gräff (CDU) und Florian Swyter (FDP)]

Sie liegen auch falsch damit, wenn Sie den Gegensatz zwischen Industrie und Digitalwirtschaft hier ausmachen und betonen. Das ist wahrlich von vorgestern. Gerade wir zeigen hier, wie beides in Berlin zusammen erfolgreich ist und Arbeitsplätze schafft.

Wir haben den Masterplan Industrie wieder neu aufgelegt, mit Leben gefüllt und auch mit einigen Mitteln versehen, um Entwicklungen voranzutreiben. Ich bin davon überzeugt, dass auch bei Unternehmen wie Siemens

durchaus noch Musik drin ist, dass sich Dinge bei den Zahlen, die sie verkündet haben, durchaus noch verändern. Da sind wir im Gespräch und befinden uns auf einer guten Diskussionsgrundlage.

Wir schaffen mit diesem Haushalt die finanziellen Grundlagen, um dem Wachstum in unserer Stadt eine Richtung zu geben. Wir investieren in die Infrastruktur, auch in die Wirtschaftsinfrastruktur unserer Stadt, in eine urbane und vernetzte Infrastruktur. Das tun wir mit Wirtschaftsfördermitteln, allein jährlich 150 Millionen Euro an GRWMitteln, mit denen wir Infrastruktur für Unternehmen, aber eben auch touristische Infrastruktur in der Stadt finanzieren.

Unsere Landesunternehmen, die BVG und die Wasserbetriebe investieren gemeinsam rund 5 Milliarden Euro in die Infrastruktur, in die Erneuerung des Wagenfuhrparks, in den Ausbau von Tramlinien bei der BVG, die Wasserbetriebe investieren in die Trinkwassergüte, in bessere Qualität und auch die Modernisierung ihrer Anlagen.

Wir werden die Parkreinigung ausweiten für die Berlinerinnen und Berliner und auch für die Touristinnen und Touristen, und erfüllen damit auch ein Versprechen für eine sauberere Stadt.

[Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Frank Jahnke (SPD), Jörg Stroedter (SPD) und Steffen Zillich (LINKE)]

Ich habe es gerade schon angesprochen: Die Digitalwirtschaft ist der Haupttreiber der Entwicklung, die wir hier erleben. Ja, es ist tatsächlich so, dass es auf der einen Seite die Start-ups der Digitalwirtschaft gibt, für die es zum Lebenselixier gehört, sich im Digitalen zu bewegen, und wir auf der anderen Seite kleine und mittlere Unternehmen sowie das Handwerk haben, die noch nicht mit Digitalisierung in Verbindung gebracht werden oder selbst noch den Weg dorthin suchen. Deshalb werden wir ganz gezielt auch den Breitbandausbau vorantreiben. Wir werden mit der Digitalagentur, die, glaube ich, auch von Teilen der Opposition gelobt worden ist, genau das tun: die Vernetzung zwischen kleinen, mittleren Unternehmen, dem Handwerk und der Digitalwirtschaft in Berlin vorantreiben. Wir sind davon überzeugt, dass das zu einem weiteren Boom führen wird. Wir haben die Schwerpunkte sehr deutlich gesetzt – mit Unterstützung des Bundes –, indem wir die beiden Digital Hubs – einmal für Industrie 4.0 oder „Internet of Things“ und „FinTech“ hier in Berlin gesetzt haben, damit verbunden sind unglaubliche Wachstumspotentiale. Wir unterstützen mit rund einer Viertelmillion Euro diese Entwicklungen.

Digitalisierung und Energiewende gehören im Übrigen auch zusammen oder sind zwei Seiten einer Medaille. Wir haben hier in Berlin mit den anderen NordostBundesländern ein großes Schaufensterprojekt namens WindNODE, mit dem wir zeigen werden, dass volatile erneuerbare Energien mithilfe von Digitalisierung in das

(Bürgermeisterin Ramona Pop)

Netz einzuspeisen sind. Das ist ein riesig angelegtes Projekt mit allen Netzbetreibern, mit großen Energieunternehmen, mit kleinen Start-ups aus Berlin, die zeigen, wie sehr sich diese Dinge inzwischen einander bedingen und wie sehr die Energiewende hier in Berlin von uns vorangetrieben wird mit dem Kohleausstieg, den wir gesetzlich auf den Weg gebracht haben, und auf der anderen Seite mit dem Stadtwerk, das als starker Energiewendeakteur hier in Berlin in den nächsten Jahren wirken wird. Bereits jetzt hat das Stadtwerk mehr Windkraftkapazitäten als die GASAG aufgebaut. Diesen Weg werden wir weitergehen mit der Mieterstromplattform und das Potenzial von 25 Prozent Dächern hier in Berlin für die Energiewende nutzen.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Frau Senatorin! Gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Wild?

Nein, leider nicht, weil ich nicht mehr allzu viel Zeit habe, und wir haben so unglaublich viele Maßnahmen in diesem Haushalt, die ich gerne noch vorstellen möchte.

[Beifall von Benedikt Lux (GRÜNE)]

Wir ermöglichen Teilhabe an Mobilität, indem wir das Sozialticket im Preis gesenkt haben, und in NordrheinWestfalen rudert die Regierung schwer zurück mit ihrem Rückschlag, den sie dort gelandet hat, das Sozialticket abzuschaffen. Wir gehen andere Wege: Für Schüler und Schülerinnen wollen wir den Preis senken und auch für Wohngeldempfänger und -empfängerinnen wollen wir Teilhabe an Mobilität sichern. Das ist sozial gerechte und auch nachhaltige Politik im öffentlichen Nahverkehr.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Nicht zuletzt werden wir mit einem neuen Tourismuskonzept, das stärker auf Qualität und Stadtverträglichkeit setzt, also Qualität statt Quantität in den Vordergrund stellt, etwas dafür tun, dass Berlin weiterhin als gastfreundliche und weltoffene Metropole in die Welt strahlt. Aber ja, wir wollen verhindern, dass die Stimmung hier in der Stadt kippt, und deshalb werden wir mit vielen Maßnahmen zu den Themen Sauberkeit, Infrastruktur und Stadtverträglichkeit auch beim Tourismus steuern. Wir sind damit europaweit einzigartig, und ich bin stolz darauf, dass wir es Anfang nächsten Jahres hier gemeinsam hinbekommen werden, das zu beschließen und auf den Weg zu bringen.

Ein letzter Punkt, ein Wirtschaftsfaktor, der tatsächlich auch etwas mit Qualitätstourismus zu tun hat, ist das

ganze Kongress- und Messegeschäft hier in Berlin. Lange ist darüber gesprochen worden, den Masterplan Messe – immerhin auch 450 Millionen Euro schwer – umzusetzen. Wir bringen das auf den Weg, was andere vorher nicht hinbekommen haben, nämlich die Grundstücksübertragung an die Messe, und damit befähigen wir die Messe, endlich in das Messegelände zu investieren und auf den Stand zu bringen. Das ICC werden wir schadstoffsanieren und damit einen ersten Schritt gehen, um das ICC wieder funktionsfähig zu machen. Das haben andere vorher auch nicht hinbekommen.

Insofern: Eine Fülle an Themen und Aufgaben. Ich bin frohen Mutes, dass wir mit diesem Haushalt das alles anpacken werden und in zwei Jahren, wenn wir uns hier zu den nächsten Haushaltsberatungen wiedersehen, vieles davon abgearbeitet haben. – Vielen Dank!

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Vielen Dank! – In der zweiten Rederunde beginnt erneut die Fraktion der SPD und hier der Kollege Stroedter. – Bitte sehr!

[Stefan Förster (FDP): Jetzt geht es gleich um Reinickendorf!]

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mich erst einmal bei Frau Senatorin Ramona Pop für die gute Zusammenarbeit bedanken,

[Ah! von der CDU]

und dafür, wie kollegial und fair das war. Ich glaube, wir haben gemeinsam eine Menge durchgesetzt. Auch dafür herzlichen Dank von der SPD-Fraktion.

[Beifall bei der SPD und den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Zum Zweiten, Herr Kollege Swyter: Das, was Sie hier erzählt haben, war echt lustig. Wir haben das ja gemeinsam im Wirtschaftsausschuss erlebt, als der Geschäftsführer von Knorr-Bremse aufgetreten ist. Ich sage es einmal für die Kollegen, damit sie verstehen, wie die Wirtschaftspolitik der FDP aussieht: Die Mitarbeiter dort dürfen jetzt statt 38 Stunden 45 Stunden arbeiten, bekommen aber das gleiche Geld. Das heißt, sie haben 20 Prozent weniger Einkommen. Das ist ein Skandal, Herr Swyter! Dass Sie das hier noch verteidigen, finde ich unerhört.

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN – Zuruf von Stefan Förster (FDP)]

(Bürgermeisterin Ramona Pop)

Und, ehrlich gesagt: Die ganze Art und Weise, wie die dort auftreten und dann damit drohen, dass sie Arbeitsplätze nach Tschechien oder sonst wohin verlegen – das ist eine spätkapitalistische Politik, die wir nicht akzeptieren und die wir auch nicht wollen!

[Beifall bei der SPD und der LINKEN]