Protocol of the Session on November 30, 2017

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich frage den Senat, ich glaube, den Umweltsenat: Welche Auswirkungen sehen Sie bezüglich der gesundheitlichen Gefahren der Feinstaubbelastung? – Die WHO und auch das Umweltbundesamt gehen ja von 60 000 Todesfällen im Jahr in Deutschland aus. Wie schätzen Sie das auf Berlin heruntergebrochen?

Frau Senatorin Günther, bitte sehr!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Abgeordneter! In Berlin, was wir sehen, ist das Problem Feinstaub gar nicht so virulent. Zum allergrößten Teil werden die Grenzwerte eingehalten. In Berlin ist vielmehr das Stickoxidproblem eine Gefahr, natürlich auch für die Berlinerinnen und Berliner. Hier sind 50 000 Menschen gefährdet durch Stickoxide, nicht so sehr durch Feinstaub. Das hat sich in der Vergangenheit wirklich etwas stabilisiert. Deshalb ist auch die öffentliche Debatte konzentriert auf Stickoxide. Wir stehen da nicht so viel anders da als andere Städte, bei Stuttgart sieht es ein bisschen anders aus, aber das überwiegende Problem ist bundesweit NOx. Deshalb hat die Debatte sich sehr stark darauf fokussiert.

Auf Ihre konkrete Frage, wie das heruntergebrochen ist, kann ich Ihnen gerade bei Feinstaub, weil es augenblicklich bei uns nicht so im Fokus ist wie NOx, keine belastbare Antwort geben. Die können wir Ihnen aber gerne nachreichen.

Dann der Kollege Isenberg mit einer Nachfrage – bitte sehr!

Vielen Dank noch mal für die Differenzierung zwischen Feinstaub und NOx. Würden Sie bei NOx eine unterschiedliche Gesundheitsgefahr oder Gesundheitslast für die Berlinerinnen und Berliner sehen, je nachdem, wo sie in Berlin wohnen? Welcher Maßnahmenmix wäre da geeignet?

Frau Senatorin!

Ja, natürlich, das ist ein riesiger Unterschied. Es gibt Straßen, da ist der Grenzwert um 100 Prozent überschritten: Leipziger Straße ist dieses Beispiel, da haben wir nicht 40, sondern 80 Mikrogramm. Bei anderen Straßen ist der Grenzwert ganz weit in der Ferne, da haben wir nur 10 Mikrogramm. Also je nachdem, wie stark befahren die Straße ist, je nachdem, wie viele Autos mit hohen NOx-Werten durchfahren, sind die Bewohnerinnen und Bewohner betroffen. Nach unseren Modellrechnungen sind 50 000 Berlinerinnen und Berliner betroffen, besonders die, die von ihrer Konstitution her noch nicht so stark sind wie Kinder, aber auch die, die nicht mehr so robust sind, das sind die älteren Menschen.

Deshalb setzen wir uns in Berlin stark dafür ein, dass die Grenzwerte eingehalten werden. Nur, man muss sehr klar sehen, eine Kommune hat nicht wirklich das Instrumentarium. Es gibt zwei Wege, die Grenzwerte einzuhalten: Entweder wir lassen die Autos auf der Straße, dann müssen sie nachgerüstet werden, damit die bisher gesetzten Grenzwerte dann eingehalten werden. Oder wir müssen Autos runternehmen. Und dann sind wir in der Debatte der Fahrverbote. Wir alle in der Koalition haben da eine sehr klare Haltung, dass wir alles versuchen werden, das zu vermeiden, weil es auch die Falschen trifft. Es müsste die Autohersteller treffen, die zahlen müssen und die dafür in die Verantwortung genommen werden müssen, und nicht die Verbraucherinnen und Verbraucher, die im sehr guten Glauben ein Auto gekauft haben, im besten Sinne noch, das besonders umweltfreundlich ist.

Nur, wie die Handhabung da ist, das sehen Sie auch in der Debatte, das liegt nicht ganz in unseren Händen. Die Gerichte haben hier zunehmend eine sehr klare Haltung entwickelt, dass gesagt wird, Gesundheit ist durch das Grundgesetz geschützt, das ist auch die Verpflichtung, und deshalb werden Fahrverbote in großem Maßstab ausgesprochen. Das wird jetzt am obersten Gericht

überprüft, und dann muss man gucken. Wir erwarten im Februar das Urteil und wissen dann, was das für Berlin bedeutet.

Wir sind den Weg gegangen zu sagen, wir wollen den Verkehr verstetigen. Wir sehen bei unseren eigenen Modellversuchen, aber auch in anderen Städten, dass das doch zu einigen Prozentsätzen die Emissionen nach unten gebracht hat. Insofern macht das Land Berlin alles, was in seinen Möglichkeiten liegt, um die Grenzwerte einzuhalten. Nur eigentlich – das muss man sagen – ist der Bund in der Pflicht, die Autohersteller zu verpflichten und Maßnahmen zu ergreifen, dass wir unter Umständen, wenn wir gezwungen sind, Autos von der Straße zu nehmen, differenzieren können. Das heißt, Stichwort blaue Plakette, dass wir nicht mit der Holzhammermethode sagen müssten, wir nehmen alle Diesel von der Straße, das wäre worst case, sondern dass wir dann noch ein Instrumentarium hätten zu sagen: Diejenigen, die besonders belastend sind, nehmen wir dann von der Straße und eben nicht alle.

Vielen Dank! – Für die letzte Nachfrage hat der Kollege Moritz das Wort.

Genau hier möchte ich ansetzen. Wenn die Gerichte sich für Fahrverbote aussprechen werden und die blaue Plakette vom Bund nicht kommt, welche Möglichkeiten der Kennzeichnung der Fahrzeuge gibt es denn eigentlich, um gezielt Fahrverbote auszusprechen? Mir ist keine Diesel-Plakette in dem Sinne bekannt, dass ich Dieselfahrzeuge direkt kennzeichnen könnte und da in dem Bereich ausschließe. Welche Möglichkeiten hat denn das Land Berlin bei Fahrverboten? Wie kann man die kennzeichnen, und wie kann man diese Fahrverbote dann überhaupt durchsetzen?

[Kurt Wansner (CDU): Autos werden alle verboten!]

Frau Senatorin Günther!

Vielen Dank! – Ich glaube, es besteht Einigkeit darüber, dass es wenig Sinn macht, wenn Städte anfangen, blaue Plaketten zu vergeben, weil wir dann einen Flickenteppich an unterschiedlichen Kriterien hätten, wie Autos in Städte hineinfahren dürften oder nicht. Insofern gibt es die Möglichkeit einer Halterabfrage. Diese Halterabfrage ist aber ein sehr aufwendiges Verfahren. Das heißt, die Durchsetzung eines solchen Fahrverbots, die uns die Gerichte aufgeben, wäre dann sehr wahrscheinlich nur in

einem großen Maßstab realisierbar, indem wir vielleicht Diesel insgesamt verbieten. Aber auch das ist schwierig. Wir prüfen das gerade, welche Möglichkeiten es da gibt. Aber die Chancen, wirklich punktuell die großen Verschmutzer rauszunehmen, sind sehr schwierig.

Vielen Dank! – Damit ist die Fragestunde beendet.

Nun kommen wir zur

lfd. Nr. 3:

Prioritäten

gemäß § 59 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Abgeordnetenhauses von Berlin

Ich rufe auf

lfd. Nr. 3.1:

Priorität der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen

Tagesordnungspunkt 27

Das Flussbad Berlin zum Fließen bringen

Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Die Linke, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der Fraktion der FDP Drucksache 18/0665

In der Beratung beginnt die Fraktion Bündnis 90/Grüne und hier die Kollegin Gebel. – Bitte sehr!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich freue mich erst mal, dass wir diesen Antrag einbringen, denn der Antrag, aber auch das Thema hat einen sehr langen Vorlauf in diesem Parlament. Ich freue mich vor allem, dass wir den Antrag gemeinsam einbringen, dass es ein fraktionsübergreifender Antrag ist

[Frank-Christian Hansel (AfD): Fast!]

und dass er breit in diesem Haus getragen wird.

An dieser Stelle noch einmal der große Dank an alle, die an diesem Antrag mitgearbeitet und ihn ins Parlament gebracht haben.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD, der CDU, der LINKEN und der FDP]

Warum ist das Flussbad eigentlich so wichtig?

[Zuruf von der AfD: Warum eigentlich?]

Für mich ist es aus zwei Gründen wichtig. Der erste Punkt: Es zeigt das Problem auf, das wir in unserer Kanalisation haben, über das an vielen Stellen viel zu wenig geredet wird. Es ist aber eine Mammutaufgabe, die wir in diesem Jahrhundert angehen müssen. Immer wenn es zu stark regnet, läuft die Kanalisation über, das Abwasser fließt in die Spree. Das führt dazu, dass die Fische in den

(Senatorin Regine Günther)

Gewässern sterben und wir dort die Toilettenabwässer haben. Deswegen kann man in der Spree natürlich nicht baden. Es ist eine Mammutaufgabe, das zu stemmen. Das Flussbad hat dazu geführt, dass diese Debatte in der Mitte der Stadt geführt wurde und sich viele Leute kreative Ideen überlegt und gesagt haben: So oder so könnte man das lösen. Hier gibt es noch diesen Filter usw. – Das ist der Weg, wie man Problem in der Stadt löst, indem kreative Menschen aus der Stadt sagen: Das ist ein Problem, das wollen wir lösen –, und die Politik sagt: Das nehmen wir hier ins Haus. Das gehen wir an, das bringen wir auf den Weg und unterstützen das.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD, der CDU, der LINKEN und der FDP]

Der zweite Punkt ist: Das Flussbad schafft mehr öffentlichen Raum für alle. Gerade in der Mitte der Stadt ist der öffentliche Raum für die Berlinerinnen und Berliner rar gesät. Öffentlicher Raum, der sehr natürlich ist, ist noch rarer gesät. Die Idee knüpft an die lange Berliner Tradition der Flussbäder an, die leider seit mehreren Jahrzehnten passé ist. Das letzte Berliner Flussbad wurde 1925 geschlossen. Flussbad Berlin e. V. hat sich vorgenommen, das Flussbad vor dem hundertjährigen Jubiläum wieder in die Mitte der Stadt zu bringen. Das sollte uns allen Ansporn sein. Ich möchte, dass meine Kinder in diesem Flussbad regulär baden können und mich angucken und fragen: Mama, kannst du dir vorstellen, dass das früher irgendwie nicht ging? –, und ich dann sage: Ja, ich kann mir das vorstellen, aber wir haben alle daran gearbeitet, dass es klappt. – Das ist eine Vision, an der wir alle arbeiten sollten. Sie wird die Innenstadt viel lebenswerter machen.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der CDU und der FDP]

Es gibt viele Schwierigkeiten, das habe ich habe eben schon gesagt. Es wird ein Marathon und kein Kurzstreckenlauf sein. Deshalb haben wir uns entschieden, den Antrag einzubringen, um dem Ganzen Rückenwind zu geben und deutlich zu machen, dass wir das ressort- und ebenenübergreifend anschieben und unterstützen. In dem Gebiet laufen jetzt bereits Planungen. Fatal wäre es, dass Dinge in dem Areal gebaut werden, die dem Flussbad am Ende des Tages zuwiderlaufen würden, obwohl vielleicht alle Akteure gesagt hätten: Mensch, das wäre doch eine schöne Idee. – Es darf nicht konträr sein, deshalb haben wir gesagt, wir brauchen ein Arbeitsgremium, wo das alles gebündelt wird und wo wir als Politik darauf achten, dass es weiterhin kompatibel ist.

Die Eigentumsverhältnisse sind, gelinde gesagt, kompliziert. Vor allen Dingen das Wasserschifffahrtsamt, mit dem wir im stetigen Dialog stehen, braucht noch die eine oder andere Brücke, die wir aber sicherlich auch schlagen werden. Die Reinigung des Wassers ist natürlich auch eine große Aufgabe. Wenn man es aber schafft und dort einen ganz tollen Filter hinbaut, der gerade getestet wird,

kann man daraus auch Erkenntnisse für andere Gewässer wie die Wuhle oder die Panke ableiten und für die gesamte Stadt noch einen ökologischen Benefit schaffen.

Wir haben jetzt Geld in den Haushalt eingestellt, damit das Projektteam weiterdenken und weiterarbeiten kann. Wir wollen mit dem Antrag noch einmal Rückenwind für das Projekt und dafür schaffen, dass die Arbeitsgruppe ebenenübergreifend arbeitet. Ich hoffe, dass, wenn 2018 der nächste Flussbadpokal ansteht – der hoffentlich nicht ausfällt, wie es dieses Jahr der Fall war, wo 400 Leute, die eigentlich baden wollten, in die Röhre geguckt haben –, wir einen Bericht vorliegen haben und sagen können: Wir sind hier echt einen großen Schritt weitergegangen. – Darauf freue ich mich. – Vielen Dank!

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der FDP]

Vielen Dank! – Für die CDU-Fraktion hat der Kollege Dr. Ludewig das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Silke Gebel! Ich kann bei ganz vielen Punkten einfach nur anschließen und zustimmen. Ich freue mich ganz besonders, dass wir es geschafft haben, den Antrag fraktionsübergreifend ins Plenum zu bringen, um dem Projekt Rückenwind zu geben und deutlich zu machen, dass wir als gesamtes Parlament hinter diesem Projekt stehen, für das wir schon so viele Jahre fraktionsübergreifend gearbeitet haben.

Ich erinnere mich an viele Aspekte, beispielsweise an das Thema Wasserqualität, wo Danny Freymark aus unserer Fraktion immer ein ganz großer Treiber war. Schon vor vielen Jahren haben wir die Themen angepackt und es gemeinsam geschafft, dass dieses Projekt, das viele für eine Fantasterei gehalten haben, Gelder erstmalig über Lottomittel bekommen hat, dann über das Programm Nationale Projekte des Städtebaus – bis zu 4 Millionen Euro am Ende über Bundes- und Landesförderung. Wir haben gezeigt, dass wir dieses Projekt nicht nur schön finden und prüfen wollen, sondern dass wir es wirklich umsetzen und ein Flussbad schaffen wollen, in dem man später schwimmen kann. Ich gebe zu, bei dem aktuellen Wetter fällt es wahrscheinlich etwas schwer, sich das vorzustellen und Leidenschaft dafür zu entwickeln. Vielleicht sollten wir die Debatte beim nächsten Mal eher in die Sommermonate verlegen, wo wir uns dann alle an dem Gedanken erfreuen können, wie es wäre, in der historischen Mitte unserer Stadt, an dem Ort, wo Berlin entstanden ist, nämlich an der Spree, eine Zugänglichkeit zum Wasser zu schaffen.