Protocol of the Session on November 16, 2017

[Zurufe von Anja Kofbinger (GRÜNE) und Dr. Wolfgang Albers (LINKE)]

Herr Kollege! Sie sagen, es gehe hier nicht mehr um Selbstversorgung. Sind Sie sicher, dass es bei Grünen und Linken nicht immer darum geht, Freundeskreise zu versorgen, wenn es darum geht, neue Jobs zu schaffen?

[Beifall bei der AfD – Lachen bei der LINKEN und den GRÜNEN]

Herr Scholtysek! Bitte!

Da bin ich mir nicht ganz sicher, aber die Wahrscheinlichkeit ist groß, ja.

[Heiterkeit und Beifall bei der AfD – Anja Kofbinger (GRÜNE): Alles Lüge!]

Wie gesagt: Sie auf der grünen Bank lassen doch keine Möglichkeit aus, darauf hinzuweisen, dass die Berliner Bevölkerung unmittelbar vor dem kollektiven Gifttod steht, Feinstaub und Stickoxide bedrohen uns doch alle, wie Sie uns immer wieder erzählen. Und dann wollen Sie in diesem völlig kontaminierten Umfeld auch noch Nahrungsmittel anbauen?

[Heiterkeit und Beifall bei der AfD]

Gestatten Sie jetzt eine Zwischenfrage des Abgeordneten Kössler?

[Zuruf von Dr. Wolfgang Albers (LINKE)]

Nein. – Einen letzten Punkt will ich erwähnen, meine sehr verehrten Genossen. Ist Ihnen schon einmal der Gedanke gekommen, dass all diese schönen Grünflächen

zu einer weiteren Gentrifizierung der Kieze beitragen könnten? Aufwertung des Wohnumfeldes führt letztlich immer zu Preissteigerungen. Preissteigerungen führen letztendlich zu Verdrängungen.

[Zuruf von Anja Kofbinger (GRÜNE)]

Darüber sollten Sie einmal nachdenken.

[Beifall bei der AfD]

Aber ich bin mir sicher, das wissen Sie genau.

[Georg Pazderski (AfD): Ist auch Absicht!]

Wir sollten uns im Ausschuss noch einmal etwas genauer mit diesem Antrag beschäftigen.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Gennburg?

Nein. – Ich danke Ihnen!

[Beifall bei der AfD – Anja Kofbinger (GRÜNE): Das war wieder ein Highlight, schwer zu toppen, obwohl wir noch viel Zeit haben!]

Für die Fraktion Die Linke hat jetzt die Abgeordnete Frau Platta das Wort.

Meine Damen! Meine Herren! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Man hätte jetzt natürlich jede Menge Fragen beantworten können, die hier im Raum gestellt worden sind, aber wir beschäftigen uns wieder viel lieber mit unserem Antrag. Der im Antrag formulierte Auftrag der Koalition an den Senat trägt im hohen Maße den bestehenden und den sich ständig ändernden Bedürfnisse der Berlinerinnen und Berlinern bei der besonderen Art von Nutzung städtischer Flächen Rechnung. Es geht ums Gärtnern, allein oder in einer solidarischen Gemeinschaft, als Prinzessin oder Gartenzwerg, für eine Saison oder auch länger bis hin zum Gärtnern ein Leben lang für all jene, für die dies zu einem guten Leben dazugehört, auch in einer Stadt wie Berlin.

Es geht mit dem Antrag aber auch um eine Umsetzung der Berliner Strategie Stadtlandschaft und die Weiterentwicklung des Kleingartenentwicklungsplans, die Weiterentwicklung der Plattform produktive Landschaft und um weite Aspekte der Ökologie und der Umweltbildung. Hier wollen wir nachhaltig vorankommen. Deshalb brauchen wir auch diesen Antrag. In den vergangenen Jahren war es immer wieder die Auffassung des Senats, dass für das Stadtgärtnern schon angemessen viel getan wurde.

(Frank Scholtysek)

Dennoch gab es und gibt es von verschiedenen Verbänden, von Akteuren in den Kleingartenanlagen einschließlich von Einzelpersonen mit grünem Daumen ohne eigenes Gartenland das starke Bedürfnis zur Unterstützung der auch für die Stadt insgesamt wertvollen Anliegen bei der Planung und Umsetzung von Stadtgartenprojekten. Oft geht es um Flächen, die gesichert werden müssen oder befristet genutzt werden können, und natürlich um kompetente Menschen, mit denen verbindliche Vereinbarungen in der Sache erzielt werden können.

Wir als Linke setzen in die Ansprechpartnerin oder den Ansprechpartner hohe Erwartungen. Für uns ist es nicht vordringlich entscheidend, ob es sich dabei um eine hauptamtliche oder um eine ehrenamtliche Ansprechperson handelt – so viel zum Thema Versorgung von Mitgliedern aus Parteien. Entscheidend sind die Regularien und die Bereitschaft zur Zusammenarbeit. Als Mittlerin bzw. Mittler zwischen den Akteuren des Stadtgärtnerns und den Verwaltungen brauchen sie oder er ein hohes Maß an sozialer Kompetenz, insbesondere im Umgang mit den Stadtgärtnerinnen und Stadtgärtnern, und Durchsetzungsvermögen, insbesondere bei den Entscheidungsträgern in den Verwaltungen.

Dass fachübergreifende Arbeit der Verwaltungen bei der Umsetzung von Strategien den Erfolg sichert, ist nicht neu. Aber gerade darin liegt gleichzeitig auch ihre deutlichste Schwäche. Das Konzept und die Ansprechperson werden daher für das Gemeinwohl nützlich sein. Beides dient auch der Anerkennung des Engagements der Bürgerinnen und Bürger für das Stadtgrün und für das Leben in der Stadt.

Für die Koalition ist das städtische Gärtnern eine Bereicherung für die Stadt, weil diese Aktivität Identifikation mit Orten und in Kiezen schafft, Gemeinschaft fördert und trotzdem individuelles Entdecken von Lebensgrundlagen möglich macht. Der Wunsch nach der essbaren Stadt ist keine wirklich neue Sache. Essbares haben die Menschen schon immer in der freien Natur gesucht und gefunden, auch in Städten. Da greifen wir verschüttetes Wissen und Handeln wieder auf und verknüpfen es mit der Moderne, wenn es darum geht, Digitalisierung mit einfließen zu lassen.

Durch die Überweisung des Antrags in die Fachausschüsse wollen wir uns über die bereits vorhandenen Ansätze in den Bezirken und den Senatsverwaltungen für ein gesamtstädtisches Konzept austauschen sowie über Hemmnisse und beste Lösungen diskutieren. Da wir im Land Berlin nicht bei null anfangen und auf viele Akteure in der Stadt zählen können, werden wir mit hohem politischen Bewusstsein für das gute Leben starke Wurzeln des vielfältigen Gärtnerns in Berlin schaffen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Vielen Dank! – Für die Fraktion der FDP hat jetzt der Abgeordnete Herr Schmidt das Wort. – Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Urban Gardening, das Gärtnern in der Stadt, ist wirklich eine klasse Sache. Es nutzt der Natur, es verschönert die Stadt, man hat unglaublich Spaß dabei, und es gibt sehr viele Menschen, die begeistert mitmachen und auch Erfolgserlebnisse haben, wenn sie sehen, wie etwas wächst und blüht. Da meine ich gerade auch die Leute außerhalb von Kleingärten. Herr Gräff! Das ist eine völlig andere Sache. Da haben Sie recht. Aber es gibt unheimlich viele Leute, die sich kleinteilig damit beschäftigen, und wir – alle anderen – profitieren dabei von einer schöneren und lebenswerteren Stadt.

[Beifall bei der FDP, der LINKEN und den GRÜNEN]

Nun wird Urban Gardening auch durch bürokratische Hürden und Verwaltungshandeln in dieser Stadt oft behindert, und darüber sind auch viele engagierte Beteiligte ausgesprochen frustriert. Da besteht echter Handlungsbedarf. Statt nun aber Bürokratie abzubauen, staatliche Hürden zu reduzieren, Verwaltungsirrsinn wegzunehmen und für alle die Dinge einfacher zu machen, will jetzt Rot-Rot-Grün als Koalition irgendwie noch einen koordinierenden Apparat darüberbauen. Was ich von Frau Platta und Herrn Altug gehört habe, bestärkt mich in dieser Überzeugung, dass das alles sehr bürokratisch angegangen wird.

Dass die Verwaltung sensibilisiert werden soll, wie im Antrag steht, ist sicherlich dringend nötig, aber was soll ein gesamtstädtisches Konzept? Urban Gardening entsteht doch kleinteilig, lokal, in den Kiezen durch Einzelinitiativen.

[Beifall bei der FDP]

Wenn die Koalition in ihrer Begründung sagt, dass sie das nicht von oben steuern will, so läuft doch die Umsetzung des Antrags in seinem Wortlaut genau darauf hinaus, dass von oben gesteuert wird. Wie bei vielen anderen Themen wiederhole ich meine Bemerkung: Ich habe den Eindruck, dass Rot-Rot-Grün versucht, an allen Ecken und Enden kleinteiliges, bürgerschaftliches, ehrenamtliches Engagement in irgendeinen staatlich gesteuerten, koordinierten Rahmen zu pressen.

[Beifall bei der FDP]

Das ist für uns Freie Demokraten nicht das Verständnis von bürgerschaftlichem Engagement, Eigeninitiative und Ehrenamt.

[Beifall bei der FDP]

Die rot-rot-grüne Koalition hat also nicht nur im wirtschaftlichen Bereich einen Verstaatlichungsfimmel,

(Marion Platta)

sondern auch bei ehrenamtlichem Engagement und Aktivitäten der Bürgergesellschaft will sie überall mit Politik und Verwaltung mitmischen.

[Beifall bei der FDP]

Das halten wir als Freie Demokraten für den falschen Ansatz. Wir brauchen für Urban Gardening keinen Koordinationsapparat des Landes, wir brauchen keine Senatsstrategie mit Plänen, Budgets und Koordinatoren, die am besten noch beamtet sind. Lassen Sie doch die Menschen und die vielen engagierten Initiativen einfach mal machen! Reißen Sie unnötige bürokratische Hürden nieder! Machen Sie eine klare Ansage, dass z. B. Bezirksämter nicht einfach mal privat bepflanzte Baumscheiben verwüsten dürfen! Stellen Sie auch temporär Flächen zur Verfügung, und trauen Sie den Menschen einfach mal was zu!

[Beifall bei der FDP]

Denn wie in allen anderen Bereichen ist bürgerschaftliches Engagement doch zuallererst eine Sache der Bürgerinnen und Bürger und nicht der Politik und der Verwaltung. Also mehr Mut, Leute, Mut zum Machenlassen, weniger Verwaltung und Koordination und so ein Kram! Dann klappt das auch besser mit dem Gärtnern in der Stadt. – Vielen Dank!

[Beifall bei der FDP]

Vielen Dank! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Es wird die Überweisung des Antrags federführend an den Ausschuss für Stadtentwicklung und Wohnen und mitberatend an den Ausschuss für Umwelt, Verkehr, Klimaschutz empfohlen. – Widerspruch dazu höre ich nicht. Dann verfahren wir so.