Protocol of the Session on September 14, 2017

Ich bin vieles, wie fast alle Menschen in unserem bunten Berlin. Wenn Sie glauben, ein einziges Merkmal könne eine Identität prägen und definieren, dann sind Sie leider komplett auf dem Holzweg.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Wir haben heute den Antrag zum Thema sprachliche Vielfalt abzustimmen. Dabei geht es auch um die Qualität des Unterrichts, aber vor allem um die Verbesserung der Bildungschancen der Berliner Kinder und Jugendlichen. Wir bitten um Zustimmung zur Erarbeitung eines Mehrsprachigkeitskonzepts. Zudem sollen mehr Sprachangebote, insbesondere in den Herkunftssprachen, die große Bevölkerungsgruppen in Berlin sprechen, gemacht werden. Ich darf noch darauf hinweisen, dass Mehrsprachigkeitskonzept auch heißt, dass man im Deutschunterricht, in den in Deutsch gehaltenen Fächern der Tatsache Rechnung trägt, dass die Kinder mit unterschiedlichen Sprachen aufgewachsen sind. Man muss überlegen, wie man die Kinder da abholt, wo sie stehen. – Manchen von Ihnen geht Fachliches aber heute sowieso zu weit. – Wir wollen, dass die Sprachangebote durchgängig von der Grundschule – ich gebe zu, dass Kita hier nicht drinsteht, aber eigentlich geht es auch um sie – bis hin zum möglichen Abitur gemacht werden. Es soll die Chance bestehen, in den Herkunftssprachen zu absolvieren. Wir

(Vizepräsidentin Cornelia Seibeld)

wollen uns herzlich bedanken bei allen Konsulaten, die bis jetzt Fremdsprachenunterricht in diesem Sinn in Berlin angeboten haben. Wir möchten aber den Schritt gehen, dass Berlin das jetzt selber in die Hand nimmt. Wir denken, all das ist allerhöchste Zeit.

Sie sagen jetzt vielleicht, das stünde schon im Koalitionsvertrag und sei insofern nicht neu. Es ist für uns aber ausgesprochen wichtig, dass wir bei diesem fachlich schwierigen Thema jetzt einen Aufbruch unternehmen. Wir wollen keine Ausrede gelten lassen, auch nicht die, dass wir die Lehrkräfte nicht hätten und es keine Nachfrage gäbe. Das ist die dümmste aller Ausreden, denn die Nachfrage ist eklatant und offensichtlich.

Wir sind ebenfalls ungeduldig, weil wir wissen, dass man besser Deutsch lernt, wenn man auch in seiner Muttersprache bildungssprachlich kompetent ist. Ich bitte die AfD, das endlich einmal zur Kenntnis zu nehmen, wenn Sie Sätze sagen wie: Man muss erst einmal Deutsch lernen.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Wenn Sie wollen, dass sich die Menschen integrieren, dürfen Sie solche Hürden gerade nicht aufbauen, solche Grausamkeiten, wie ihnen ihre Muttersprache zu nehmen, was ihnen auch das Deutschlernen erschwert. Integration muss man umsetzen, nicht blockieren, wie Sie das wollen.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Wir haben auch eine gewisse Ungeduld und Dringlichkeit in der Frage, insbesondere für das breite Interesse an Türkischunterricht ein eigenes Berliner und deutsches Angebot machen zu müssen und damit anzufangen, Lehrkräfte auszubilden. Ich glaube, der Kontext ist allen klar. Es steht mir jetzt nicht an, höhere Diplomatie zu betreiben. Ich möchte noch einmal aus unserer Ausschussdiskussion wiederholen: Es ist für uns keine Alternative, den Konsulatsunterricht ersatzlos zu streichen. Wir müssen Ersatz schaffen und dafür schleunigst Vorkehrungen treffen.

Es hat mich sehr betrübt, dass es schwerfällt, mit manchen der Kollegen hier über Sprachen zu sprechen. Sie wollen immer nur über Integration sprechen. Dazu habe ich das Erforderliche gesagt. Nur wer seine Muttersprache kann, kann auch gut Deutsch lernen und sich in seiner Bilingualität mit diesem Land identifizieren, was übrigens in allen Ländern der Welt der Normalfall ist.

Frau Kollegin! Sie müssen zum Schluss kommen.

Ich komme gleich sehr gern zum Schluss.

[Stefan Franz Kerker (AfD): Danke!]

Es trägt auch nicht, dass Sie das Thema Sprache immer mit den Themen Religion oder Politik vermischen. Lassen Sie uns das trennen! Es geht um Sprachkompetenz und gerade nicht darum, Religionsunterricht zu machen oder politische Staatsgebiete neu zu definieren. Gerade dafür haben wir Partner, gerade dafür treten die Communitys an uns heran wie der Türkische Elternverein BerlinBrandenburg: Sie möchten ein sprachliches Angebot. Gerade deshalb treten die Kurden an uns heran, die dabei sind, mit dem Langenscheidt-Verlag ein kurdisches Wörterbuch zu schreiben – unabhängig von den politischen Verbänden. Das müssen wir in Berlin im Sinne des gedeihlichen weltoffenen Miteinanders in Vielfalt vorantreiben. – Vielen Dank!

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Vielen Dank! – Für die CDU-Fraktion hat die Kollegin Bentele das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Remlinger! Sie sind ungeduldig, aber Sie haben jetzt sehr wenig Konkretes gesagt,

[Beifall von Stefan Franz Kerker (AfD)]

das Sie konkret angehen wollen. Wir haben heute die zweite Rederunde zu diesem wichtigen und guten Thema „Sprachliche Vielfalt in Berlin“, aber leider keine neuen Informationen, wie wir diese Sache weiterbringen wollen oder wie Sie uns umstimmen wollen.

Zum Schuljahresbeginn hat Frau Senatorin Scheeres verkündet, dass bis zu den letzten Sommerferien berlinweit an allen Schulen eine Sprachenabfrage stattgefunden hat. Auch wenn eine solche Abfrage nicht ausreichend ist – denn damit muss man seriöserweise mindestens in den Kitas anfangen –, ist es doch essenziell, für mögliche Ausbaupläne zu wissen, wie sich die Zahlenverhältnisse und v. a. die Wünsche der Eltern darstellen. Ohne Faktenbasis können wir keine guten politischen Entscheidungen treffen, und diese Fakten liegen uns weiterhin nicht vor.

Sie haben auch keine Zahlen dazu vorgestellt, wie viele und welche Sprachlehrer Sie ausbilden und einstellen wollen. Das wäre aber wichtig zu wissen, um einschätzen zu können, ob es wirklich einen Ausstieg aus dem türkischen Konsulatsunterricht geben wird – den wir dringend brauchen, auch angesichts der Tatsache, dass in den letzten Monaten Erdoğan-kritische Lehrer entlassen wurden und mittlerweile statt Evolutionslehre die Lehre vom Dschihad gelehrt wird.

(Stefanie Remlinger)

Frau Kollegin! Gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Buchholz von der AfD-Fraktion?

Bitte sehr!

Kurze Verständnisfrage: Was meinen Sie mit „den wir dringend brauchen“? Meinen Sie den Konsulatsunterricht oder den Ausstieg?

Den Ausstieg aus dem Konsulatsunterricht!

Wir müssen zu Schulbeginn zur Kenntnis nehmen, dass die zweite internationale Schule zwar endlich gestartet ist, aber nur mit einer Klasse. Die Nachfrage an der Nelson-Mandela-Schule ist fünfmal so hoch wie das Platzangebot. Noch nicht einmal Diplomaten gelingt es, ihre Kinder dort anzumelden, sodass sie sie im Heimatland zurücklassen müssen. Dass Berlin nicht schon längst weiter ist, ist ein Armutszeugnis, es ist ein Ausweis an Provinzialität und schlicht standortschädigend. Dies zeigt auch, wie wenig der SPD mehr Mehrsprachigkeit und mehr Internationalität im Schulsystem wirklich wert ist.

[Beifall bei der CDU – Beifall von Paul Fresdorf (FDP)]

Gleichzeitig darf Kollege Langenbrinck unwidersprochen gegen freie Schulen auskeilen, die genau diese Lücke schließen, die der Staat offenlässt.

Die Europaschulen sollen mit einem Programm zur Entfaltung der europäischen Dimension als Instrument der Schulentwicklung abgespeist werden. Sie brauchen aber verbindliche Zusagen zum Ausbau und zur Standortsicherung. Dazu war heute wieder nichts zu hören und auch nichts zu bilingualen Kitas, die wir ebenfalls dringend brauchen. – Insofern bleibt es für uns dabei: Diese Eckpunkte sind unzulänglich, und zwar so unzulänglich, dass auch ein Änderungsantrag keinen Sinn macht, nur ein eigener neuer Antrag, den ich Ihnen hiermit verspreche.

Aus den Haushaltsberatungen haben wir bisher keine Hinweise auf eine Erhöhung von Personal- und Sachmitteln, die darauf schließen lassen könnte, dass Mehrsprachigkeit wirklich ausgebaut werden soll. Insofern ist das für uns weiterhin zu unkonkret. Wir bleiben bei unserem ablehnenden Votum. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der CDU – Beifall von Paul Fresdorf (FDP)]

Vielen Dank! – Für die SPD-Fraktion hat jetzt der Kollege Buchner das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Debatte, wie wir die sprachliche Vielfalt in Berlin weiter nutzen und im Schulunterricht weiterentwickeln, haben wir Anfang Mai im Plenum und danach auch ausführlich im Ausschuss geführt. Wir haben die wesentlichen Argumente ausgetauscht, und sie sind auch deutlich geworden. Heute möchte ich mich auf vier wichtige Punkte beschränken.

Erstens: Es ist völlig unstrittig, dass die sprachliche Ausbildung im Schulsystem in allererster Linie darauf angelegt ist, die deutsche Sprache zu vermitteln. Deswegen gehen auch alle Versuche von interessierter Seite fehl, den Deutschunterricht gegen die Vermittlung der Herkunftssprache von Schülerinnen und Schülern auszuspielen.

Zweitens: Wir begreifen das korrekte Erlernen der Herkunftssprache als Vorteil für die betreffenden Schülerinnen und Schüler. Das sind in aller Regel Schülerinnen und Schüler nichtdeutscher Herkunft, die ohnehin beim Start in den Beruf oft schon wegen ihres fremd klingenden Namens größere Schwierigkeiten haben als Bewerber mit deutschen Namen – übrigens sogar dann, wenn ihre schulischen Leistungen nachweislich vergleichbar oder besser sind. Insoweit ist die Vermittlung und das perfekte Erlernen der Herkunftssprache dann eine Art Nachteilsausgleich für diese Schülerinnen und Schüler, die so die Chance haben, mit mindestens zwei perfekt gelernten Sprachen einen leichteren Einstieg in den Beruf zu bekommen.

Drittens: Völlig unabhängig davon, um welche Herkunftssprache es geht, sind uns alle Berliner Schülerinnen und Schüler gleich viel wert. Das ist auch der wesentliche Unterschied zu den Rechtspopulisten. Sie haben in der Debatte, die wir im Mai geführt haben, sehr deutlich gemacht, dass es für Sie offensichtlich der Untergang des Abendlandes ist, wenn ein arabischer Schüler neben der deutschen Sprache auch seine Muttersprache vernünftig spricht. Wenn Sie schon behaupten, dass diese Zielgruppe ohnehin nur arabisches Fernsehen schauen würde, gönnen Sie ihr doch wenigstens, dass sie es dann auch versteht! – Uns ist übrigens egal, ob die Herkunftssprache Polnisch, Russisch, Türkisch, Chinesisch, Vietnamesisch oder eben Arabisch ist – die korrekte Beherrschung ist die Grundlage für einen guten Bildungserfolg der Schülerinnen und Schüler.

Viertens: Mit dem Antrag machen wir klar, das Ziel ist, dass die Sprachbildung in den Herkunftssprachen in den Schulen durch dort beschäftigte und gut ausgebildete Lehrerinnen und Lehrer erfolgt. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass uns das sicherlich in den Sprachen leichter gelingen wird, die häufiger vorkommen und für die die Zielgruppe entsprechend größer ist.

[Georg Pazderski (AfD): Was kommt denn häufiger vor? Chinesisch?]

Bei anderen Sprachen werden wir auch in den nächsten Jahren noch auf die Unterstützung von Konsulaten angewiesen sein. Das ist für uns immer noch besser, als im Zweifel gar keinen Unterricht anbieten zu können.

Berlin ist eine Stadt der Vielfalt, die in den vergangenen 15 Jahren als Lebens- und Arbeitsort für Menschen aus aller Welt interessant geworden ist, die ihre Kinder mitbringen oder hier bekommen. Darauf können wir insgesamt stolz sein. Mit einer weiteren Stärkung der Sprachbildung in den Berliner Schulen tragen wir auch dieser Tatsache einer zunehmenden Internationalität in Berlin Rechnung, und darauf können wir gemeinsam stolz sein. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Vielen Dank! – Für die AfD-Fraktion hat der Abgeordnete Kerker das Wort.

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Liebe Berlinerinnen und Berliner! Die parlamentarische Sommerpause ist vorbei, die Haushaltsverhandlungen haben turnusgemäß begonnen, und natürlich waren wir gespannt, welche Akzente der rot-rot-grüne Senat in diesem ersten Plenum setzt. Werte Kollegen von Rot-Rot-Grün! Naturgemäß sind unsere Erwartungen an Sie gering, und Sie haben uns nicht enttäuscht.

[Beifall bei der AfD]

Schon als Sie hier erstmalig Ihren Antrag „Sprachliche Vielfalt in Berlin als Reichtum begreifen und im Unterricht weiterentwickeln!“ einbrachten, musste man sich fragen, ob das wirklich ernst gemeint ist. Natürlich ist es ein Gewinn, neben seiner Muttersprache noch eine weitere Sprache fließend zu beherrschen, und wir unterstützen es natürlich auch, diesen Sprachunterricht an den Berliner Schulen zu etablieren.

Ihr Antrag fordert, dass die rechtliche Grundlage geschaffen werden soll, mit der die erlernte Herkunftssprache bei Prüfungen und Abschlüssen als erste bzw. zweite Fremdsprache anerkannt werden kann. Sie haben auch eine

klare Vorstellung, welche Sprachen dabei Priorität genießen sollen. Es wurde schon mehrfach erwähnt: Türkisch, Arabisch, Kurdisch – also genau die Ausländergruppen, die den nachweislich geringsten Integrationserfolg vorweisen können.