Protocol of the Session on June 22, 2017

[Holger Krestel (FDP): Es ist doch jetzt still! – Georg Pazderski (AfD): Ganz still können wir auch nicht sein! – Zuruf von der CDU: Friedhofatmosphäre!]

Es kommt jetzt

lfd. Nr. 3.5:

Priorität der Fraktion der CDU

Tagesordnungspunkt 40

Wenn schon, denn schon – Kuppel mit Kreuz wiederherstellen!

Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 18/0373

In der Beratung beginnt die Fraktion der CDU, und für die Fraktion hat das Wort Frau Abgeordnete Seibeld. – Ich gehe davon aus, Sie haben jetzt die volle Aufmerksamkeit des Hauses.

Vielen Dank! – Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Was wir derzeit in Berlin erle

ben, ist symptomatisch für diesen Senat: eine ideologische Debatte – einmal mehr geführt vor allem von der Linken – über längst entschiedene Fragen. An dieser Stelle wollte ich eigentlich in Erinnerung rufen, welche Entscheidungen bereits gefällt worden sind, die alle für das Kreuz auf der Kuppel des Schlosses sprechen: die Bundestagsbeschlüsse zur Rekonstruktion der Fassade in den Jahren 2002 und 2003; die bewilligten Bundestagsmittel für den Architekturwettbewerb. 2008, als SPD und Linke regierten, hat die Jury unter Beteiligung von Staatssekretär André Schmitz und Senatsbaudirektorin Regula Lüscher den Stella-Entwurf, mit Kreuz auf der Kuppel, gekürt. 2011 wurde die Baugenehmigung entsprechend erteilt, und im Oktober 2013 erteilte die Stadtentwicklungsverwaltung unter dem damaligen Senator Michael Müller den ersten Nachtrag zur Baugenehmigung für eine Vollrekonstruktion der historischen Außenkuppel einschließlich Laterne und Kreuz. Im Jahr 2015 schließlich stiftete Maren Otto das Geld für die Wiedererrichtung des Kuppelkreuzes. – Es ist also eine eigentlich längst entschiedene Frage.

Dank der Berichterstattung der Morgenpost vom heutigen Tage ist klar, dass sich am Montag auch der Stiftungsrat dafür entschieden hat, das Kreuz auf die Kuppel des Stadtschlosses zu bauen, wie es seit mehr als zehn Jahren bereits beschlossene Sache sein sollte – und diesmal hoffentlich abschließend. Die Linke hat in dieser Frage eine völlig haltlose und ausschließlich ideologische Diskussion vom Zaun gebrochen, übrigens ohne dass das Kreuz auch nur einen Vertreter einer anderen Religion gestört hätte.

Das Kreuz ist Symbol für die universelle Botschaft des Christentums: für Frieden, Liebe, Gerechtigkeit und Barmherzigkeit. So wie im Humboldt-Forum außereuropäische Kultur präsentiert werden soll, ist die Hülle des Humboldt-Forums, das zu rekonstruierende Stadtschloss, Produkt der europäischen Kultur. Dazu gehört neben anderem ganz selbstverständlich auch das Kreuz auf der Kuppel.

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der AfD]

Warum lag der Fokus nur auf dem Kreuz? Das Stadtschloss ist voller historischer Anspielungen. Der Neubau des Berliner Stadtschlosses ist zwar keine komplette Rekonstruktion des gesamten Baukörpers, doch ist die Fassade mit sehr viel Aufwand nach historischem Vorbild rekonstruiert worden. Ziel war es, das äußere Erscheinungsbild des Berliner Schlosses vor seiner endgültigen Zerstörung wiedererstehen zu lassen. Das Stadtschloss war im Zweiten Weltkrieg stark zerstört und ausgebrannt, doch Fassade und Treppenhäuser, wie sie heute rekonstruiert werden sollen, haben die Angriffe im Zweiten Weltkrieg überstanden. Auch das Kuppelkreuz war noch an seiner Stelle, als das Stadtschloss 1950 unter dem SED-Regime gesprengt wurde.

Das Gebäude beziehungsweise die Fassade ist voll von allegorischen Figuren uns Andeutungen, die an die preußische Vergangenheit erinnern, aber keiner, nicht einmal die Linke, kommt auf die Idee, die preußischen Adler als Sinnbild für preußischen Militarismus aus der Fassade entfernen zu wollen.

[Paul Fresdorf (FDP): Bringen Sie sie nicht auf Ideen!]

Warum also gerade das Kreuz? – Das Kreuz ist zum Glück trotz allem nicht Opfer eines unnötigen, von den Linken angezettelten Kulturkampfes geworden.

[Beifall von Holger Krestel (FDP)]

Die von den Linken angezettelte Debatte hat die Entscheidung für das Kreuz nur noch manifestiert. Die Mehrheit der Stadtgesellschaft möchte eine Schlosskuppel mit Kreuz, und so hat es nun auch der Stiftungsrat entschieden. Deswegen bedarf es auch eines klaren Signals – nein, sogar eines Bekenntnisses – aus diesem Hause für das Kreuz, nachdem sich schon der Senat dazu nicht durchringen konnte. Deswegen haben wir zu diesem Tagesordnungspunkt heute Sofortabstimmung beantragt. – Danke schön!

[Beifall bei der CDU, der AfD und der FDP]

Vielen Dank! – Für die Fraktion der SPD hat jetzt der Abgeordnete Herr Jahnke das Wort. – Bitte schön!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es sind schon eigenartige Anträge, die von der CDU in letzter Zeit regelmäßig gerade zu Themen im Zusammenhang mit dem Humboldt-Forum und seiner Umgebung vorgelegt werden. Haben wir beim letzten Mal auf Antrag der CDU über das Freiheits- und Einheitsdenkmal diskutiert, wobei es in Wahrheit mehr um den Frust darüber ging, dass die Linkspartei die CDU als Regierungspartner abgelöst hat,

[Zuruf von der CDU: Was?]

so heißt die Partie heute nicht CDU gegen Linkspartei, sondern im Grunde CDU gegen CDU. – Die Debatte über das geplante Kreuz auf der Kuppel des Humboldt-Forums wurde nämlich von niemand anderem als dem früheren CDU-Senator Hassemer losgetreten. Daher wundert mich Frau Seibelds Wahrnehmung doch sehr, dass das eine ideologische Debatte sei, die die Linken losgetreten hätten.

[Beifall bei der SPD und der LINKEN – Beifall von Silke Gebel (GRÜNE)]

Nun ist es sicherlich auch einem Mitglied der ChristlichDemokratischen Union gestattet, eine persönliche Meinung zur Verwendung christlicher Symbole zu haben,

wie sich im Übrigen auch bekennende Atheisten für das Kuppelkreuz ausgesprochen haben. Nur: Hassemer tat das mit seiner Stiftung Zukunft Berlin bewusst im politischen Raum, um eine Debatte anzustoßen, die in diametralem Gegensatz zu allem steht, was die CDU in ihrem Antrag fordert. Offensichtlich hat er damit in ein Wespennest gestoßen, denn wie es sich bei den Debatten um das Humboldt-Forum schon oft gezeigt hat, gibt es keine größeren Aufreger als solche im Zusammenhang mit dem Äußeren des rekonstruierten Schlosses und seiner Umgebung. Hier schlagen die Wellen regelmäßig sehr viel höher als bei allen inhaltlichen Diskussionen über das Humboldt-Forum.

Das liegt sicherlich auch darin begründet, dass gegensätzliche städtebauliche Vorstellungen von Beginn an, seit den frühen Neunzigerjahren, die Debatte beherrscht haben und nicht so sehr die Frage, welche Funktionen man an diesem wichtigen Ort im Stadtzentrum konzentrieren will. Traditionalisten waren und sind vorrangig daran interessiert, den Postkartenblick eines unzerstörten Berlins so weit wie möglich wiederherzustellen, und hierbei spielen das Schloss und seine Umgebung natürlich eine zentrale Rolle, während Modernisten sich genau an einer solchen Illusionsarchitektur stören und sie daher auch gerne als Disneyland abqualifizieren. Mit der Idee des Humboldt-Forums versuchte Anfang des neuen Jahrhunderts der damalige Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, den Gordischen Knoten zu durchtrennen, indem er einen Brückenschlag zwischen traditioneller preußisch-nationaler Architektur und einer völlig anders gearteten weltoffenen Nutzung vorschlug. Architekt Franco Stella hat dann versucht, diese anspruchsvolle Aufgabe in seinem Entwurf umzusetzen. Das Bildprogramm der Skulpturen an den Schlossfassaden, das der königlichen Machtlegitimation des 18. Jahrhunderts untergeordnet war, steht allerdings in keinerlei Zusammenhang mit den Weltkulturen, die im Innern des Gebäudes dargestellt werden sollen.

Die von Volker Hassemer und seiner Stiftung Zukunft Berlin angestoßene Diskussion greift nun ein Element dieses Spannungsfeldes zwischen Inhalt und äußerer Gestaltung des Humboldt-Forums auf, eben jenes Kuppelkreuz. Es sei unvereinbar mit dem multikulturellen und multireligiösen Ansatz, der dem Humboldt-Forum zugrunde liegt, wird behauptet. Dankbar greifen die Feuilletons der Zeitungen diese Debatte auf, und zahlreiche Experten – oder solche, die sich dafür halten – dürfen Seiten mit ihren Erwägungen hierzu füllen. Natürlich werden hierbei vor allem auch Aspekte der Religion bemüht, und das Kreuz wird, je nach Sichtweise, als ein andere Religionen ausgrenzendes Symbol gebrandmarkt oder, wie es die CDU in ihrer Antragsbegründung tut, als ein Symbol für die universelle Botschaft des Christentums – Friede, Liebe, Gerechtigkeit, Barmherzigkeit – gesehen.

(Cornelia Seibeld)

Beides erscheint mir in diesem Zusammenhang maßlos dick aufgetragen, und ich bin versucht zu sagen: Lasst mal die Kirche im Dorf, auch wenn dieses Bild gerade in diesem Zusammenhang nicht ganz stimmig ist.

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Das Humboldt-Forum ist keine Kirche und will auch keine sein, wie übrigens auch andere ehemals kirchliche Bauten, die heute kulturellen Nutzungen dienen, keine Kirche mehr sind, aber oft noch voll von christlicher Symbolik. Ich erinnere nur an die Nikolaikirche oder die Friedrichswerdersche Kirche in Sichtweite des Humboldt-Forums. Es handelt sich bei den christlichen Symbolen an diesen Bauten um historisch bedingte architektonische Merkmale, die man weder in der einen noch in der anderen Richtung überhöhen sollte. Ich kann nur davor warnen, lustvoll von allen Seiten über das Stöckchen zu springen, das von der Stiftung Zukunft Berlin hingehalten wird.

Auch der Nebenschauplatz der privaten Finanzierung des Kreuzes sollte die Diskussion nicht bestimmen. Natürlich ist dieses Kreuz nicht ein Gedenkkreuz für eine einzelne Person, auch wenn die Witwe des Verstorbenen einen wichtigen finanziellen Beitrag geleistet haben mag. Die Finanzierung des Humboldt-Forums steht nun einmal insgesamt auf verschiedenen Säulen, wovon Privatspenden eine Säule sind. Der Schlossförderverein mag symbolisch bei der Spendenwerbung zur Förderung bestimmter Steine oder Skulpturen aufrufen, aber hierdurch werden keine Eigentumsrechte begründet und dies gilt ebenso für das Kuppelkreuz.

Der Stiftungsrat der Stiftung Humboldt-Forum hat gerade die Ausführung der Kuppel in der bisher vorgesehenen Form beschlossen – und zwar mit Sicherheit nicht deshalb, weil die CDU Berlin es in ihrem Antrag fordert, den wir ablehnen sollten. – Ich danke für die Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Vielen Dank! – Für die AfD-Fraktion hat jetzt der Abgeordnete Dr. Berg das Wort. – Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herzlich willkommen zur ersten Debatte über ein Schlossgespenst in diesem hohen Hause. Aufgescheucht hat dieses Schlossgespenst ausgerechnet die Stiftung Zukunft Berlin mit ihrem Versuch, aus den Tiefen uralter Schlossdebatten die Frage der historischen Rekonstruktion neu aufzuwerfen. Bei der bekannten Prioritätensetzung dieses Senates, seien es abstruse Klosettkategorien, die Metropole

der Einwegbecher oder Haftverschonung für Berufsverbrecher, kann es kaum verwundern, dass Kultursenator Lederer sich sogleich an diesem Gespenstertanz beteiligt hat. Die Linke bläst die Sache nun zu einem Nachhutgefecht in einem erfolglosen Kulturkampf auf. Offensichtlich ist ihr der Phantomschmerz über den Verlust von Hammer und Sichel an der Stelle des jetzigen Schlossportals in die Glieder gefahren.

[Beifall bei der AfD – Bravo! von der AfD – Zuruf von Carsten Schatz (LINKE)]

Die linken Kulturkämpfer haben eine Tonlage eingelegt, als ob es darum ginge, dass wiedererstandene Schloss durch einen finsteren Spendencoup plötzlich in einen Kirchenbau umwidmen zu wollen. Was für ein Blödsinn! Deshalb sagen wir: Das Kreuz an dieser Stelle ist kein Zeichen einer christlichen Inbesitznahme, sondern ein historisches Zitat. Durch den Traditionsbruch vom Gottesgnadentum hin zur Volkssouveränität hat das Kuppelkreuz seine damalige Symbolwirkung verloren. Dass die Linke dieses Zitat löschen will, ist genau jene Art von Geschichtsverachtung, die schon immer Gesinnungsdiktaturen ausgezeichnet hat.

[Beifall bei der AfD]

Wer den neuen Menschen schaffen möchte, für den sind die Wurzeln der Vergangenheit kein Halt, sondern eine Bedrohung. Niemand wird durch das Kreuz auf der Kuppel gezwungen, Christ zu werden, aber auch das Kreuz und nicht nur das auf der Kuppel, gehört zum Bestandteil unserer Geschichte.

[Beifall bei der AfD]

Die CDU versucht mit ihrem Antrag, den Glanz des goldenen Kreuzes auf der Schlosskuppel auf ihr verblassendes C umzulenken.

[Heiterkeit und Beifall bei der AfD – Oliver Friederici (CDU): Wer hat Ihnen das aufgeschrieben?]

Das ist ebenso durchsichtig wie vergeblich. Es ist doch reiner Zeitgeistopportunismus, wenn die CDU das Schloss als Produkt der europäischen Kultur darstellt.

[Zuruf von Oliver Friederici (CDU)]

Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Dr. West?

Wo ist sie?

Geradezu!