Protocol of the Session on June 22, 2017

Im Bereich der Gefahrenabwehr können wir auch den Verfassungsschutz nicht ausblenden. Der fehlt in Ihrem Antrag. Selbstverständlich müssen wir den Verfas

(Frank Zimmermann)

sungsschutz verstärken. Wir haben ihn in der letzten Legislaturperiode um 25 Prozent personell verstärkt. Die Bedrohungslage ist nicht gesunken, weswegen wir anregen, dass er verstärkt wird. Das gilt auch für den Staatsschutz, der uns vor den Terrorbedrohungen schützt. Sie haben dankenswerterweise die Observationsteams genannt. Diese sind zu verstärken, Das fehlt leider in Ihrem Antrag. Aber wenn Sie es auf andere Weise tun, erfährt das unsere Unterstützung.

Sie haben darauf hingewiesen, wie wichtig es ist, dass wir bundesweit mit den gleichen Ermächtigungsgrundlagen operieren. Da haben Sie recht. Aber das fehlt. Stellen Sie sich mal vor: Die Gefährderüberwachung mit der elektronischen Fußfessel wird in fast allen deutschen Bundesländern möglich sein. Nur in Berlin soll ein weißer Fleck entstehen. Sie wollen also, dass Berlin zum Magneten für Gefährder wird, weil ihre Überwachung hier nur eingeschränkt möglich ist.

Das Gleiche gilt für die Schleierfahndung. Sie ist in fast allen Bundesländern zur Bekämpfung von grenzüberschreitender Kriminalität, aber auch von Terror möglich. Sie lehnen das ab. Auch das bedeutet, dass die Gefahrenabwehr in Berlin nicht in gleicher Weise möglich ist, wie es anderswo Standard ist. Ich kann Sie nur dringend auffordern, da nachzubessern.

Elektronische Dokumentenprüfsysteme in den Bürgerämtern habe ich schon häufig thematisiert. Ich hoffe, dass das endlich auf den Weg gebracht wird, damit falsche Dokumente identifiziert werden können und der daraus entstehende Missbrauch verhindert werden kann.

Die Abschiebehaft für Gefährder, die Nutzung der Paragrafen 58a und 62 Aufenthaltsgesetz, ist noch unzureichend. Auch da müssen wir aktiv werden.

Und die Überwachung der Messengerdienste – der Innensenator hat anlässlich der Innenministerkonferenz erklärt, dass er sich dafür ausspricht – wollen Sie nur im Rahmen der StPO machen. Das ist aber auch ein gefahrenabwehrrechtliches Mittel. Das müssen wir auch im Rahmen des ASOG machen und auf Landesebene bewegen.

Kommen Sie langsam zum Ende Ihrer Rede!

Sofort, Frau Präsidentin! – Letzter Satz: Die Aufgaben, die vor uns liegen, sind weit umfassender, als Ihr Antrag den Eindruck erweckt. Deswegen werden wir sie kritisch begleiten und darauf hinwirken, dass die von mir genannten weiteren Ergänzungen vorgenommen werden. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der CDU]

Vielen Dank! – Für die Fraktion Die Linke hat jetzt der Abgeordnete Herr Taş das Wort. – Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Kolleginnen und Kollegen! In Anbetracht der Lage empfinde ich es als notwendig, zunächst einmal ein paar grundlegende Aussagen zu treffen. Niemand wird als Terrorist geboren, weder als nationalistisch-rassistischer Terrorist noch als islamistischer Terrorist. Prävention ist eine überragend wichtige Aufgabe. So ist unser Antrag darauf ausgerichtet, durch ein Bündel von Maßnahmen zu verhindern, dass sich Menschen, insbesondere junge Menschen, von demokratischen Werten abwenden, sich radikalisieren, gar zu Terroristinnen und Terroristen werden.

Hierzu sollen vorhandene Projekte und Maßnahmen zur Verhinderung von Terror und Radikalität vermehrt ins Leben gerufen, vorhandene verstärkt und ihre Effektivität wissenschaftlich überprüft werden. Insbesondere ist ein Augenmerk darauf zu richten, wo, wie und unter welchen Umständen Menschen, insbesondere Jugendliche, radikalisiert werden. Entsprechende Gegenmaßnahmen sollen ergriffen werden. Für Fälle, in denen bereits eine Radikalisierung stattgefunden hat, müssen Mittel und Wege gefunden werden, die Betroffenen zurückzuführen. Offensichtliche Ansatzpunkte sind dabei die Orte, in denen sich Menschen regelmäßig schon in einer kontrollierten Umgebung befinden, wie zum Beispiel in der Schule, aber auch im Gefängnis, und in denen daran gearbeitet wird, dass sie gesellschaftlich wertvolle Beiträge leisten. An diesen Orten darf aber nicht Schluss sein.

Ein weiterer wichtiger Aspekt unseres Antrags beinhaltet ein sicherheitspolitisches Paket an Maßnahmen, um potenzielle Terrorakte zu verhindern, unter anderem die Errichtung der neuen kooperativen Leitstelle von Polizei, Feuerwehr und Rettungsdiensten und die Überprüfung, ob uns die Schaffung eines gemeinsamen Einsatztrainingszentrums mit dem Bund und Brandenburg weiter voranbringen kann.

Von Bedeutung ist für uns auch die Unterstützung der Menschen, die solche Terrorakte überlebt haben. Die Angehörigen der Terroropfer sowie auch die Situation nach einem Anschlag sind uns sehr, sehr wichtig.

[Beifall bei der LINKEN – Beifall von Benedikt Lux (Grüne)]

Das Zusammenspiel der unterschiedlichen Einsatzkräfte Polizei, Feuerwehr, Rettungsdienste, müssen wir weiter verbessern bzw. optimieren. Gemeinsame Einsatzszenarien mit allen Beteiligten müssen entwickelt, erprobt und auch geübt werden. Überdies ist die Schaffung einer Zentralstelle für Anfragen von Angehörigen, Hinter

(Burkard Dregger)

bliebenen und Hilfseinrichtungen sowie die Einbeziehung des Opferbeauftragten des Landes Berlin vorgesehen.

Der Fall Amri zeigte uns auch, wie wichtig Informationsbearbeitung im Vorfeld und die Aufarbeitung im Nachhinein ist. Das ist von enormer Bedeutung. An welchen Stellen haben Sicherheitsbehörden möglicherweise Fehler gemacht, und wie können diese verhindert werden? Die Antworten sind dabei nicht neue Grundrechtseinschränkungen. Die bereits vorhandenen Eingriffsbefugnisse müssen vielmehr optimal genutzt werden, um so einen angemessenen Ausgleich zwischen Sicherheitspolitik und den Grundrechten der Bürger zu finden.

[Beifall bei der LINKEN – Beifall von Benedikt Lux (Grüne)]

Uns allen sollte bewusst sein, dass es in einem demokratischen Rechtsstaat keine hundertprozentige Garantie gegen Terror geben kann. Jedoch werden wir es den Terroristen auch nicht erlauben, unsere demokratischen und rechtsstaatlichen Errungenschaften zu beseitigen. Wir werden entschlossen gegen Terror und Gewalt vorgehen. Wir wollen und werden alle erdenklichen sozialpolitischen und sicherheitspolitischen Maßnahmen ergreifen, um Terror in der Stadt zu begegnen. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD und den GRÜNEN]

Vielen Dank! – Für die Fraktion der AfD hat jetzt der Abgeordnete Herr Bachmann das Wort. – Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Antrag der Koalition ist leider schlicht ein sicherheitspolitischer Offenbarungseid. Er mag den unter R2G zu erzielenden Minimalkonsens abbilden, ein ernsthaftes Antiterrorkonzept ist darin aber nicht einmal ansatzweise zu erkennen.

Der Antrag befasst sich eingangs mit der Prävention gegen Radikalisierung, wobei Sie aber keine einzige konkrete, jetzt greifende Präventionsmaßnahme aufzeigen. Vielmehr sind Sie geschlagene sechs Monate nach dem Terroranschlag am Breitscheidplatz zu der wahrhaft bahnbrechenden Erkenntnis gelangt, dass Sie nunmehr eine Strategie erarbeiten und dafür ein Kompetenznetzwerk aufbauen wollen. Dabei drängen sich konkrete Maßnahmen doch geradezu auf, sofern man in den Blick nimmt, in welchem Umfeld Radikalisierung gedeiht und wer sie fördert. Wer es mit der Prävention ernst meint, muss endlich die Finanzierung von Moscheen insbesondere durch die Golfstaaten, welche hierüber eine rück

schrittliche Interpretation des Koran verbreiten, unterbinden.

[Beifall bei der AfD]

Gleichfalls muss die Entsendung ausländischer Imame, die eine ebensolche Interpretation des Korans predigen, ein Ende haben. Statt ihrer brauchen wir bei uns ausgebildete und auf Deutsch predigende Imame.

[Beifall bei der AfD]

Unabdingbar ist schließlich die Ausweisung von islamischen Hasspredigern und ein konsequentes Vorgehen gegen extremistische Moscheen und die sie tragenden Vereine.

[Beifall bei der AfD]

Wie viel Zeit, Herr Innensenator – jetzt spreche ich Sie direkt an –, wollen Sie sich eigentlich noch mit der Schließung der Al-Nur Moschee in Neukölln lassen, welche bereits 2015 von der BVV befürwortet und Anfang dieses Jahres noch einmal nachdrücklich von der Bezirksbürgermeisterin, einer SPD-Bezirksbürgermeisterin, wohlgemerkt, angemahnt worden ist? Zu alledem schweigt Ihr Pseudokonzept.

Die wirksamste Prävention könnten im Übrigen die Muslime selbst leisten, indem sie Gewalt im Namen ihres Glaubens konsequent ächteten und ein mit dem Grundgesetz kompatibles, aufgeklärtes Verständnis ihrer Religion entwickelten und vorlebten. Deshalb begrüßen wir ausdrücklich das von Seyran Ateş ins Leben gerufene Projekt einer liberalen Moschee und fordern Sie auf, diesem alle erdenkliche Unterstützung zuteilwerden zu lassen, das auch und gerade mit Blick auf die aktuellen Anfeindungen dieses Projekts.

Auf der Ebene der Sicherheitsbehörden legt Ihr Papier in Punkt 2 den klaren Fokus auf eine wohlorganisierte Reaktion auf einen bereits eingetretenen Terrorakt. Dagegen ist per se nichts zu sagen, nur hätten wir gern auch gewusst, wie Sie Terrorakte schon vor deren Durchführung verhindern wollen, denn darum muss es primär gehen. Es hilft doch die beste Leit- und Einsatzzentrale wenig, wenn es der Polizei an den nötigen Befugnissen zur vorbeugenden Terrorabwehr fehlt. Hier hat sich Rot-Rot- Grün jedoch auf eine trotzige Totalverweigerung festgelegt, obwohl es hierzu Vorschläge in dieser Legislatur bereits zur Genüge gab – der Kollege Dregger hat bereits einiges aufgezählt –, wie den maßvollen Ausbau der Videoüberwachung, der von Ihnen abgelehnt wurde, die Fußfessel für Gefährder, die auch von Ihnen abgelehnt wurde. Die Wiedereinführung GE Ident wurde ebenfalls abgelehnt. Die Schleierfahndung, Sie ahnen es, wurde abgelehnt. Insofern finde ich es schon bizarr, wenn der Kollege Zimmermann hier einem einheitlichen Standard bundesweit das Wort redet, de facto aber Berlin mit Blick auf die Befugnisse den anderen Ländern weit hinterherhinkt. Die Schleierfahndung wurde jetzt auch kürzlich in NRW in einer abgewandelten Form eingeführt. Berlin

(Hakan Taş)

und Bremen sind, so glaube ich, die einzigen Länder, wo das noch fehlt. Kommen Sie also erst einmal zu Potte und führen Sie die entsprechenden Befugnisse ein, um wieder im Gleichklang mit den anderen Bundesländern agieren zu können!

[Beifall bei der AfD]

Auch zum Umgang mit Gefährdern schweigt Ihr Papier. Dabei ist es doch ein zwingender Schluss aus dem Fall Amri, dass ausländische Gefährder im Sinne der Risikominimierung, wenn es irgendwie möglich ist, abgeschoben werden müssen. Ebenso wenig ist es länger hinzunehmen, dass Menschen trotz ungeklärter Identität nach Belieben unsere Grenze überschreiten können.

[Benedikt Lux (GRÜNE): Welche Grenze hat Berlin denn?]

Ein ernst zu nehmendes Antiterrorkonzept würde auch hier Lösungen, beispielsweise in Form von Transitzonen, aufzeigen.

[Beifall bei der AfD – Benedikt Lux (GRÜNE): In Berlin?]

Wir als AfD-Fraktion haben bereits am 5. Januar 2017 ein zehnseitiges Antiterrorkonzept vorgelegt und auf einer Pressekonferenz vorgestellt. Rot-Rot-Grün benötigte dagegen bis zum 24. Mai, um den heute behandelten Antrag zuwege zu bringen, einen Antrag von zwei Seiten. Es bleibt dem unvoreingenommenen Betrachter überlassen, hieraus die Schlüsse zu ziehen, welche Priorität die innere Sicherheit bei den jeweiligen Parteien genießt.

Als Fazit muss man bedauerlicherweise ziehen: Ausgerechnet Berlin, das vom bisher schlimmsten islamistischen Anschlag in Deutschland heimgesucht wurde und das als Hauptstadt besonders exponiert ist, ist und bleibt unter Rot-Rot-Grün eine Stadt mit reduzierter Sicherheit. Wir werden es jedenfalls nie akzeptieren, dass der Terror ein Teil unseres Alltags sein soll. Mit der Plattitüde, dass es absolute Sicherheit nicht gebe, können Sie sich Ihrer Verantwortung, die bestmögliche Sicherheit für die Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt zu gewährleisten, nicht entziehen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der AfD]

Vielen Dank! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt der Abgeordnete Herr Lux das Wort. – Bitte schön!

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der vorliegende Antrag beweist, Berlin und diese rot-rotgrüne Koalition handeln. Sie handelt gegen Terror, übrigens nicht gegen den Islam, wie man bei meinem Vorredner hätte meinen können, sondern sie handelt effektiv

gegen Terror, indem sie die Prävention und Vorbeuge verbessert, indem sie die Sicherheitsarchitektur stärkt und indem sie den Opferschutz auch nachhaltig verbessert. Man muss langfristig an dieser Sicherheitsstruktur arbeiten, diese fördern und sie Schritt für Schritt jeden Tag umsetzen und dabei realistisch bleiben, denn der islamistische Terror wird wohl eine Daueraufgabe bleiben – leider. Aber ich sage auch, wir lernen daraus, wie wir unsere Sicherheitsinfrastruktur, die letztendlich bei allen Gefahrenlagen verbessert werden muss, neu aufbauen können.

Man sollte die Präventionsarbeit nicht so kleinreden, wie das vorher gemacht wurde. Jeder, der daran gehindert wird, in ein dschihadistisches Kriegsgebiet zu fahren, jeder, der dort herausgeholt werden kann, weil es noch Bezüge hier in dieses Land gibt, jeder Lehrer, jeder Jugendamtsmitarbeiter, der erkennen kann: Wo radikalisieren sich Leute? –, ist einer mehr, der unsere Gesellschaft effektiv schützen kann. Deswegen ist es richtig, dass diese Koalition die Stärkung der Prävention um über 1 Million Euro in diesem Jahr erhöht hat.

[Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und der SPD]