Protocol of the Session on May 18, 2017

(Melanie Kühnemann)

Bitte schön!

Vielen Dank, Frau Bentele! – Ich frage Sie vor dem Hintergrund der Ausführungen von Frau Kollegin Kühnemann, wie Sie die von ihr geschilderten Erkenntnisse der Instruktionspsychologie zu der Kognitionsentwicklung von Vorklasse und Nicht-Vorklasse bewerten. Ich fand die Zahlen recht beeindruckend.

Ich kann nichts bewerten, was ich selbst nicht kenne. Sie können mir die Studie gern geben, und dann können wir uns darüber unterhalten, wie sie zu bewerten ist. Aber meine Erfahrungen mit Studien, die in Auftrag gegeben werden, insbesondere im Hinblick auf die ausgesuchten Experten, sind so, dass ich skeptisch bin. Das sind meistens SPD-Parteigänger.

[Zuruf von Melanie Kühnemann (SPD)]

Insofern bin ich da etwas vorsichtig.

[Beifall bei der CDU und der AfD]

Um fortzusetzen: Die Vorklassen sind uns unwiederbringlich verloren gegangen. Das waren Strukturen, die Rot-Rot wirklich zerstört hat. Insofern bleibt uns für eine konzentrierte Vorbereitung auf die Schule eigentlich nur noch die Kita. Wir sprechen uns dafür aus, dass im letzten Kitajahr obligatorisch eine Vorschulvorbereitung stattfindet und die Kinder an diesen Programmen in eigens eingerichteten Gruppen obligatorisch teilnehmen müssen. Braucht man aber bei einer Kitabesuchsquote im letzten Kitajahr von weit über 90 Prozent, ich glaube, es sind 98 Prozent, und bei Gebührenfreiheit sowie der Verpflichtung zum Kitabesuch bei nachgewiesenen Sprachdefiziten – das hatten wir in der letzten Legislaturperiode noch eingeführt –

[Zuruf von Marianne Burkert-Eulitz (GRÜNE)]

wirklich noch einen Besuchszwang und die Einführung des Sitzenbleibens in der Kita? Ich finde, wir brauchen vor allem die Pflicht, ein entsprechendes inhaltliches Schulvorbereitungsprogramm an allen Kitas einzurichten und auch umzusetzen. Darüber hinaus brauchen wir die Pflicht, das Schulvorbereitungsprogramm ausreichend und mit entsprechend qualifiziertem Personal auszustatten.

Aber, Herr Fresdorf, ich mag die Spandauer in meiner Partei sehr. Deshalb dürfen auch Sie gern versuchen, mich in weiteren Gesprächen von Ihrem Vorschlag zu überzeugen. – Danke!

[Beifall bei der CDU]

Für die Fraktion Die Linke hat die Kollegin Möller das Wort.

Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Präsidentin! Frau Bentele! Selbstverständlich werden die Kinder in den Kitas auch auf die Schule vorbereitet.

[Vereinzelter Beifall bei der LINKEN der SPD und den GRÜNEN]

Was glauben denn Sie, was dort den ganzen Tag passiert? Aber es geht eben nicht nur um die ökonomische Verwertbarkeit von Bildungspolitik, sondern auch um eine gelingende Persönlichkeitsentwicklung. Auch das wird in unseren Kitas gemacht. Wir haben ein hervorragendes Bildungsprogramm. Schauen Sie da einmal hinein! Stichprobenbesuche sind auch gut, aber das Bildungsprogramm ist vor zwei Jahren gerade überarbeitet worden und ist super.

Was die FDP uns heute für einen Antrag vorgelegt hat, der ist – gelinde gesagt – ziemlich enttäuschend, nachdem die Überschrift so schön zutrifft, denn „Beste Bildung schon vor der Schule“ ist in der Tat eine wichtige Voraussetzung für mehr Chancengleichheit. Das war es dann aber auch schon. Sie schlagen uns, wie Frau Bentele schon bemerkt hat, vor, eine Kitapflicht im letzten Jahr vor Schuleintritt einzuführen. Sie nennen es „Schulvorbereitungsjahr“, vor Zeiten nannte die FDP es noch „Starterklasse“. Dieser Antrag war damals schon überholt und ist es heute erst recht. Ich will das nur mit einigen wenigen Anmerkungen begründen.

Erstens: Es besteht für eine vorgezogene Schulpflicht kein Bedarf, denn fast 95 von 100 Kindern besuchen schon jetzt im letzten Jahr vor Schuleintritt eine Kita. Wir sollten uns lieber gemeinsam darum kümmern, dass die Qualität der vorschulischen Bildung weiter wächst und ermöglicht wird, dass die Voraussetzungen dafür, vor allem mit der Deckung des enormen Fachkräftebedarfs geschaffen werden.

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Unser anspruchsvolles Kitabildungsprogramm realisiert sich nämlich nicht von allein. Investieren wir also in die Qualität.

Zweitens: Wir sind bereits auf dem richtigen Weg, wenn wir als Koalition die Zugangsbeschränkungen für den Kitabesuch weiter abbauen und den Rechtsanspruch weiter ausbauen, wie es in der Koalitionsvereinbarung versprochen worden ist. Was ist nämlich mit den besagten 5 Prozent, mit den 5 von 100 Kindern, die wir nicht erreichen? Ganz davon abgesehen, dass es dafür viele Gründe geben kann, wie wollen Sie eigentlich Ihre Kitapflicht bei

diesen Eltern durchsetzen und Nichterscheinen sanktionieren? Sie müssen Sie finden, und dann? Greift dann die Polizei ein? Geht es dann in den Knast, oder gibt es Geldstrafen? Das scheitert bereits jetzt bei den verpflichtend eingeführten Sprachtests. Es funktioniert nicht. Lassen wir also das Sanktionieren und leisten wir Überzeugungsarbeit!

Drittens: Wir setzen in der vorschulischen Bildung auf individuelle Förderung. Jedes Kind ist etwas ganz besonderes. Das Erkennen seiner Talente, deren Förderung und die Beseitigung von Benachteiligung, das muss im Vordergrund stehen. Was wollen Sie? – Eine Art Uniformität. Alle Kinder sollen sich auf einem einheitlichen Grundniveau befinden hinsichtlich der von Ihnen genannten Kriterien für ein gelungenes Kitakind. Wie wollen Sie das erreichen, zum Beispiel bei der Frustrationstoleranz, bei der Konzentrationsfähigkeit oder realistischer Selbsteinschätzung? Das funktioniert nicht, nicht einmal bei Erwachsenen, da muss ich mich nur einmal hier ganz vorsichtig umschauen.

Viertens: Sie machen einen erfolgreichen Abschluss des Vorbereitungsjahres zur zwingenden Voraussetzung für die Einschulung. Anhand welcher Kriterien wollen Sie das denn bitte bewerten? Wollen Sie eine Kitaabschlussprüfung im Fach Frustrationstoleranz und Selbstmotivation einführen? Und was hat Nichtbestehen für Konsequenzen? Sitzenbleiben in der Kita, wie die AfD in ihrem Änderungsantrag den Quatsch noch quätscher gemacht hat? Über Rückstellungen entscheidet das Elternrecht, gemeinsam mit den Pädagoginnen und Pädagogen und der Einschulungsuntersuchung und zum Glück nicht die FDP. Schließlich haben wir eine Schulpflicht und mit dem Anspruch der Inklusion die Verpflichtung zur individuellen Förderung.

Zuletzt: Woran messen Sie den Schulerfolg? Sehr geehrte FDP, da trennen uns tatsächlich Welten. Erfolgreiche Bildung beschränken Sie auf ihre ökonomische Verwertbarkeit. Das ist uns zu wenig.

[Henner Schmidt (FDP): Wer behauptet das denn!]

Lesen Sie einmal Ihren eigenen Antrag, da steht es genauso drin!

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Zumindest bietet diese Drucksache die Gelegenheit, im Ausschuss über das zu reden, was tatsächlich unter eine solche Überschrift gehört.

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Für die AfD-Fraktion hat Herr Kerker das Wort.

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Berlinerinnen und Berliner! Die FDP hat dieses Mal eine ganze Kaskade von Anträgen im Bildungsbereich eingebracht. Wir finden das an und für sich ganz gut. Da ist auch etwas Brauchbares dabei. Aber wie der Kollege Fresdorf schon sagte: Im Endeffekt muss man fragen: Was bringt es? – Lieber Kollege Fresdorf! Gern setzen wir uns auch einmal im Vorfeld solcher Anträge mit Ihnen und uns zusammen. Sie hatten ja nach der Abgeordnetenhauswahl – –

[Torsten Schneider (SPD): Wir setzen uns auch mit uns zusammen! – Weitere Zurufe von der SPD]

Sehr gern Herr Schneider! Auch Sie sind eingeladen, damit man da mal gemeinsam an einem Strang zieht.

Eine Ausweitung der Schulpflicht auf ein vorbereitendes Jahr zur Erlangung der für die Schule notwendigen Kompetenzen ist unseres Erachtens grundsätzlich eine gute Idee. Ihr Antrag hätte auch den Titel tragen können: Wiederbelebung der Vorschule. Frei nach dem Motto: Neue Ideen findet man in alten Akten. Wie gesagt, ein durchaus guter Antrag, hätte er nicht diese kleine Schattierung, dass nicht jedes Kind einer solchen Förderung bedarf. Hier müssen wir den Individualismus doch bitte hochhalten, der unsere westliche Kultur auszeichnet. Förderung soll kein Gießkannenprinzip sein, denn damit werden die Kinder, die das nötig haben, am wenigsten erreicht. Förderung ist etwas Individuelles, und wie sollen Einzelne gefördert werden, wenn alle zwangsgefördert werden?

[Beifall bei der AfD]

Offen gestanden kann man diesen Antrag wie ein Anflirten der FDP an die Koalitionäre verstehen. Der von der FDP viel beschworene Liberalismus und der Freiheitsgedanke sind in Ihrem Antrag völlig verlorengegangen. Wenn man es nicht besser wüsste, könnte man denken, dass dieser Antrag aus der Feder eines Sozialisten stammt. Die Kinder sollen möglichst frühzeitig der elterlichen Fürsorge so weit wie möglich entrissen und in die Obhut und Erziehung des Staates gegeben werden, ohne dabei zu differenzieren, ob dies im Einzelfall tatsächlich notwendig ist. Wir als AfD wollen keine generelle Bevormundung der Berliner Eltern.

[Beifall bei der AfD]

Die AfD spricht sich daher ganz klar dafür aus, dass dieses Vorschuljahr an Bedingungen geknüpft und eine Fördermöglichkeit gegeben ist. Dies soll durch eine Prüfung aller Kinder im Alter von fünf Jahren passieren, um genau diese Kompetenzen, die Sie in Ihrem Antrag bereits formuliert haben, aber insbesondere auch die Sprachkompetenz der deutschen Sprache zu prüfen. Seien wir doch einmal ehrlich: Ein wichtiger Aspekt einer eventuellen Wiedereinführung der Vorschule ist doch die Tatsache, dass mittlerweile, und das ist statistisch nun

(Katrin Möller)

einmal so belegt, jedes sechste Kind in Berlin nur noch schlecht Deutsch spricht, und das ist etwas, wo wir gegensteuern müssen.

[Beifall bei der AfD]

Meine Mutter, Sybill Kerker, leitete bis zu ihrer Pensionierung die Kinderbibliothek im Wedding. Ein besonderes Merkmal war es, dass diese Bücherei mit einem sogenannten Bücherbus etliche Grundschulen im Wedding wöchentlich anfuhr und die Kinder der besagten Schulen unmittelbar vor Ort ihre Bücher ausleihen konnten, um die Lesekompetenz zu stärken. Schon damals klagten in etlichen Gesprächen Grundschullehrer über die mangelnden Sprachkenntnisse der Migrantenkinder, von denen leider viele mangels Sprachkenntnissen dem Unterricht in der ersten Klasse nur wenig oder oftmals auch gar nicht folgen konnten. Dass sich dies negativ auf den gesamten Lernprozess auswirkt, liegt auf der Hand, und dieses Problem ist nach wie vor nicht beseitigt. Im Gegenteil, es ist schlimmer geworden. In den Bürgersprechstunden in meinem Weddinger Wahlkreis erscheinen regelmäßig Eltern, die genau dieses schwache Leistungsniveau beklagen und bedauerlicherweise nach Möglichkeiten fragen, ihre Kinder auf andere Schulen zu schicken. So sieht die Realität in Berlin aus.

Meine Damen und Herren von SPD, Grünen und Linken! In jeder Diskussion betonen Sie immer, wie wichtig Ihnen soziale Gerechtigkeit ist. Jetzt haben Sie die Chance, den Berlinerinnen und Berlinern zu zeigen, dass es Ihnen damit ernst ist. Wenn Sie wollen, können Sie unseren Antrag auch gerne abschreiben und als Ihren eigenen ausgeben. Hauptsache, es passiert am Ende etwas in die richtige Richtung. Und, werter Herr Schneider! Das Kopieren von AfD-Forderungen ist Ihnen aktuell ja nicht ganz fremd. So konnte man am Anfang dieser Woche tatsächlich den Medien entnehmen, dass SPD-Politiker fordern, kriminelle Ausländer schneller abzuschieben. Schau mal einer an, was drei verlorene Landtagswahlen bei Ihnen bewirken können!

[Beifall bei der AfD – Sebastian Schlüsselburg (LINKE): Reden Sie – zur Sache! – Zuruf von Anne Helm (LINKE ]

Kopieren Sie uns also fleißig weiter! Unser Programm zur Bundestagswahl ist jetzt übrigens auch online gestellt. Nutzen Sie das, und holen Sie sich da Inspiration! – Vielen Dank!

[Beifall bei der AfD]

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grüne hat die Kollegin Burkert-Eulitz das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich erspare es uns, auf die letzten Äußerungen des Herrn Kerker einzugehen.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Sehr geehrter Herr Fresdorf! Sie haben mich überrascht, als ich die Überschrift Ihres Antrags gelesen habe. Sie haben mich neugierig gemacht, welche innovativen Ideen Ihre Fraktion entwickelt und hier vorlegt, ganz am Puls der fachlichen Kitadiskurse, und dann habe ich gelesen. Herr Fresdorf! Haben Sie die Zeit verschlafen? Vorschulklassen, Kitapflicht, das haben wir Anfang der Zweitausender diskutiert, und dann erwähnen Sie die Kitapflicht, eine Idee von Herrn Saleh am Anfang der letzten Legislatur. Es ist alles verworfen worden, und das war gut so. Ihr formuliertes Ziel wollen wir alle: die Fähigkeiten von Kindern stärken, individuell fördern, sie befähigen und bilden. Da stimmen wir Grünen Ihnen auch zu. Sie nennen wichtige basale Fähigkeiten wie Konzentration, Selbstmotivation, soziale Interaktion und Sprachbildung. Hätten Sie sich ein bisschen mehr Zeit für Ihre Recherche genommen, hätten Sie festgestellt: Das, was Sie fordern, wird in den Berliner Kitas bereits seit vielen Jahren umgesetzt. Sie wissen, dass seit 2004 das verbindliche Berliner Bildungsprogramm für alle Kitas existiert.