Dass eine wissenschaftliche Laufbahn heute wie vor 100 Jahren immer noch einem Glücksspiel gleicht, hat viel mit überkommenen, nur auf die Professur orientierten Strukturen, aber auch mit versäumter Personalentwicklung an unseren Hochschulen zu tun.
Der vorliegende Gesetzentwurf geht nun eine von vielen Lücken diesbezüglich an, denn er schafft transparentere und verlässlichere Wege zur Professur. Wie schon Max Weber es tat, können wir uns dabei etwas von den Hochschulstrukturen im angloamerikanischen Raum abschauen. Unser Stichwort für Personalentwicklung kommt von dort, und es heißt: „Tenure-Track“. Tenure-Track bedeutet, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die auf eine befristete Juniorprofessur berufen werden, beschreiten damit einen verbindlichen Weg in Richtung Le
Zugleich sollen die Universitäten erstmals klare Regeln für Berufungen in ihren Satzungen transparent und demokratisch festschreiben. Solch ein System für Berufungen wollen wir nun im Hochschulgesetz verankern. Das wäre nicht nur ein Fortschritt hin zu mehr Gerechtigkeit, es ist eine schlichte Notwendigkeit, wenn man kreative Köpfe für die Wissenschaft gewinnen und auch halten will. Die Zeiten, in denen diese kreativen Köpfe aus purem Enthusiasmus jede noch so prekäre, befristete und abhängige Teilzeitstelle antreten und sich von Vertrag zu Vertrag hangeln, sind endlich. Prekarität ist kein Qualitätsmerkmal.
Nur wer transparente Wege zur Professur definiert, kann mehr kreative und innovative Männer, und übrigens besonders auch Frauen, dafür begeistern. Das hat nun selbst die Bundesregierung erkannt. Sie gibt in den kommenden zehn Jahren 1 Milliarde Euro zur Finanzierung von 1 000 Tenure-Track-Professuren aus. Etwa 65 davon wollen wir in unsere Stadt Berlin einwerben; auch dafür brauchen wir das Gesetz, das zur Debatte steht. Dieser Gesetzentwurf ist ein Baustein für eine moderne Personalentwicklung im Sinne guter Arbeit an Berlins Hochschulen. Weitere Bausteine werden folgen. Rot-Rot-Grün liefert hier. – Vielen Dank!
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Beim vorgelegten Entwurf zur Änderung des Berliner Hochschulgesetzes wird der Fokus ganz klar auf die strukturelle Einführung von unbefristeten Professuren gelegt. Das ist ein richtiger, ein sehr guter Ansatz, um den wissenschaftlichen Nachwuchs zu fördern. Der Entwurf birgt aber leider einige Mängel.
In medias res: Mit § 94 Abs. 2 des Entwurfs weiten Sie die Ausnahmen von der Ausschreibungspflicht enorm aus. Hier entsteht leider der Eindruck, Professuren sollen grundsätzlich nicht mehr transparent ausgeschrieben werden. Entsprechende Kritik hierzu gab es bereits im Anhörungsverfahren. Ja, wir wollen die besten Professoren und Professorinnen, aber der Qualität in Lehre und Forschung tun Sie hier mit einer eingeschränkten Ausschreibungspflicht keinen Gefallen.
Kommen wir zu § 102 Abs. 2 Nr. 4 des Entwurfs! Was, verehrte Koalition, hat Sie dazu bewogen, eine befristete Professur auch dann zuzulassen – ich zitiere:
Wer definiert denn bitte schön, was gesellschaftlich geboten ist? Sie definieren „gesellschaftlich geboten“ ausweislich der Entwurfsbegründung mit Gender oder mit Diversity. Ich definiere den Begriff „gesellschaftlich geboten“ durch Gesundheit, soziale Gerechtigkeit. – Kurzum, dieser Begriff ist uferlos anwendbar, und damit ist auch die Voraussetzung für eine Befristung der Professur uferlos anwendbar. – Diese Nummer 4 gehört ersatzlos gestrichen.
In der Begründung zu diesem Entwurf lässt sich hierzu finden, dass im Anhörungsverfahren bereits der deutsche Hochschulverband und die GEW ganz klare Bedenken zu Ihrem Entwurf geäußert haben. „Wissenschaftsadäquate Personalentscheidungen“ heißt der Vorwurf der Angehörten im Anhörungsverfahren in der Entwurfsbegründung. Das heißt nichts anderes, als dass Leute in Professorenstellen gedrückt werden können, die es eigentlich so nicht verdient hätten. Allen Bedenken zum Trotz wird in der Entwurfsbegründung erwidert, das sei alles gar nicht so schlimm, denn zumindest müssten die Bewerber die Einstellungsvoraussetzungen in § 100 BerlHG erfüllen. – Lesen Sie bitte einmal § 100 BerlHG! Das sind hohe, aber nicht allzu hohe Voraussetzungen, ganz zu schweigen von der Öffnungsklausel in § 100 Abs. 4 BerlHG.
Dieser Entwurf hätte ein wahrlich großer Entwurf sein können. – Nein, er ist es nicht. Sie verpassen hier eine große Chance. – Danke sehr!
Vielen Dank! – Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Zunächst einmal danke ich dem Senat, dass es so schnell gelungen ist, einen Gesetzentwurf für die Änderung des Hochschulgesetzes vorzulegen, der in einigen Aspekten mehr Verfahrenssicherheit schafft, vor allem aber im Sinne der Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler – ich bleibe einmal bei dem Begriff „Nachwuchs“ – Regelungen schafft, die eine bessere Karriereplanung, eine bessere Berücksichtigung individueller Lebenswege, Qualifikationspfade und fachspezifischer Unterschiede bei Berufungen ermöglichen.
Zu oft mussten wir in der Vergangenheit feststellen, dass Exzellenz auch bedeutete: Exzellenz ohne Familie, und zwar zunehmend für junge Frauen und Männer. Zu viele exzellent ausgebildete Forscherinnen und Forscher stehen vor der Wahl, in Strukturen zu arbeiten, die keine Übernahme von Verantwortung in Erziehung oder Pflege ermöglichten, oder die Wissenschaft zu verlassen. – Stellen Sie sich einmal vor, Sie werden schwer krank und wissen, dass es ihre Tochter oder ihren Sohn die wissenschaftliche Karriere kostet, wenn sie oder er sich um Ihre Pflege kümmern will! Das ist nicht nur im Einzelfall eine schmerzliche Entscheidung, sondern für unsere Wissenschaftsinstitutionen ein schädlicher Braindrain, wenn ich das so sagen darf. So geht Diversität verloren, so werden Kompetenzen aufgegeben. – Auch Pflegezeiten werden daher während der Qualifizierungsphase berücksichtigt.
Der Gesetzentwurf geht im Punkt der Kindererziehungszeiten über die Regelungen des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes hinaus und verlängert die Vertragsdauer um die Zeit der Kinderbetreuung. So ermöglichen Änderungen des Hochschulgesetzes nun, die wissenschaftliche Arbeitswelt familienfreundlicher zu gestalten, aber auch der immer weiter fortschreitenden Internationalisierung unserer Hochschulen Rechnung zu tragen und gemäß den international gebräuchlichen Beschäftigungsformen – siehe Tenure-Track, es wurde ja erklärt, worum es da geht – Angebote zu machen.
Das war auch der Vereinbarung mit dem Bund zum wissenschaftlichen Nachwuchs geschuldet. Die Hochschulen können diese Form der Beschäftigung nun wählen, wenn es bei ihnen bei der Gewinnung qualifizierten Personals, insbesondere im Ausland, hilft – sie können, müssen aber nicht. Manchmal werden gute und richtige Regelungen trotzdem zum Problem. Das kann die Verhinderung der Hausberufung sein, wenn es aus persönlichen, vor allem aber aufgrund von besonderen Qualifikationen eine Berufung im eigenen Haus trotzdem sinnvoll und richtig wäre. Es kann aber aus ähnlichen Gründen auch einmal im gut begründeten Ausnahmefall, eine Berufung ohne Ausschreibung erfolgen. Dafür gibt es dann klar formulierte Verfahren, die die Beteiligung der Frauenvertreterin z. B. vorgeben. Dieses Verfahren wird durch den Gesetzentwurf klarer und nicht ausgeweitet und schon gar nicht zum Regelfall.
Es geht hier um Beschleunigung und um einige andere Aspekte noch. Ich denke, die in diesem Gesetzentwurf vorgelegten einzelnen Regelungen sind sinnvoll. Sie werden ihre Wirkung aber nur entfalten, wenn im Rahmen der Struktur- und Entwicklungsplanung der Hochschulen Konzepte auch für Personalentwicklung und Karriereplanung entwickelt werden.
Über die Details werden wir dann im Ausschuss beraten und auch die Vertreterinnen und Vertreter der Hochschulen und z. B. der Gewerkschaften oder wen wir sonst noch zu unserer Anhörung einladen anhören. Ich freue mich sehr auf die Debatte. – Vielen Dank!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist bemerkenswert, dass der Senat in seiner Begründung für die vorgeschlagenen Änderungen des Hochschulgesetzes auf die weit verbreitete Kinderlosigkeit des wissenschaftlichen Nachwuchses rekurriert, ein Problem, auf das wir von der AfD immer hingewiesen haben. In der Tat scheitern Familiengründungen bei jungen Wissenschaftlern besonders häufig, und die vielfach prekären Beschäftigungsverhältnisse an Hochschulen tragen ihren Teil dazu bei. Vor diesem Hintergrund ist es richtig, dass sich die Fraktionen dieses Hauses über verbesserte Möglichkeiten zur Familiengründung für Nachwuchswissenschaftler verständigen. Wir müssen Sorge dafür tragen, dass Elternschaft und wissenschaftliche Karriere besser miteinander in Einklang zu bringen sind und dass sich der Anteil der Eltern unter den Wissenschaftlern erhöht.
Aber wie erreichen wir das? Wie erreichen wir, dass junge Wissenschaftler ihre Familiengründung nicht zum Teil über das 40. Lebensjahr hinaus aufschieben und dann oftmals kinderlos bleiben? – Eine Antwort des Gesetzgebers muss sein, dass wir die Karriereförderung an den Hochschulen stabiler machen und damit die Planbarkeit der wissenschaftlichen Karrieren erleichtern. Es kann nicht sein, dass mehr als die Hälfte des wissenschaftlichen Nachwuchses die akademische Karriere erfolglos abbricht, die meisten davon erst nach dem 35. Lebensjahr. Dieser Zustand bedeutet eine unglaubliche Verschwendung von Ressourcen und vermeidbares menschliches Leid. – Ein geeignetes Mittel, um mehr Verlässlichkeit zu schaffen, kann die vorgeschlagene Ausweitung von Tenure-Track-Professuren sein. Deswegen tragen wir die Intention der vorliegenden Novelle ausdrücklich mit.
Über einige Pferdefüße des Entwurfs, auf die Herr Dr. Hausmann dankenswerterweise hingewiesen hat, müssen wir im Ausschuss reden. Und man muss natürlich auch ehrlich sagen, welche Veränderungen für das Hochschulsystem dadurch dauerhaft auf uns zukommen. Denn nur unter der Voraussetzung, das dauerhaft, das heißt über das Jahr 2032 hinaus, zusätzliche Mittel bereitstehen, können die neuen Professuren eine Ergänzung der
bestehenden Strukturen sein, ohne an anderer Stelle zu Einsparungen zu führen. Wahrscheinlicher ist, dass durch die Erhöhung der Zahl der Professuren die Anzahl der Stellen im wissenschaftlichen Mittelbau sinkt. Im Zuge dieser Entwicklung könnte sich das lehrstuhlinhaberzentrierte deutsche Modell dem mehr kooperativen amerikanischen Department-Modell mit flacheren Hierarchien annähern. Das muss kein Nachteil sein. Entscheidend für den nachhaltigen Erfolg des Tenure-TrackModells wird sein, dass sich die Universitäten trotz verminderter Ausschreibungspflicht, nicht von der Außenwelt abkapseln und die nötige Flexibilität bewahren, um auf Herausforderungen reagieren zu können. Vor allem aber müssen die neuen Dauerstellen in Verfahren besetzt werden, die tatsächlich die grundgesetzlich gebotene Auswahl der Besten sicherstellten Nur wenn TenureTrack dauerhaft zum Erfolg des Wissenschaftsstandorts Deutschland beiträgt, kann es den zukünftigen Nachwuchswissenschaftlern auch die nötige Sicherheit für ihre Karriereplanung und damit bessere Möglichkeiten zur Familiengründung geben. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!
Vielen Dank! – Für Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt Frau Kollegin Bangert das Wort. – Bitte schön, Frau Kollegin!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wer aktuell überlegt, nach dem Studium in die Wissenschaft zu gehen, der braucht mehr als einen guten Abschluss und den Drang zu forschen. Zu der Entscheidung, eine Wissenschaftskarriere zu beginnen, gehört derzeit eine ausgeprägte Frustrationstoleranz, denn die meisten Arbeitsverhältnisse in der Wissenschaft sind prekär. In Berlin waren am Ende des letzten Jahres 86 Prozent der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit befristeten Verträgen angestellt, fast die Hälfte davon in Teilzeit. Das hat fatale Folgen. Viele kluge Köpfe schlagen gleich andere Karrierewege ein oder verlassen irgendwann ernüchtert unsere Hochschulen. Diejenigen, die bleiben, hangeln sich von Vertrag zu Vertrag, in der Hoffnung, vielleicht doch noch irgendwann Professorin oder Professor werden zu können. So kann exzellente Wissenschaft auf Dauer nicht funktionieren!
Deshalb ist unsere Koalition mit dem Ziel angetreten, die bestehenden Verhältnisse zu ändern und einen Paradigmenwechsel bei den Arbeitsbedingungen in der Wissenschaft einzuleiten.
Die vorliegende Novelle des Berliner Hochschulgesetzes trägt dazu bei. Wir ermöglichen zukünftig den Berliner
Hochschulen, jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern eine verlässliche Karriereperspektive über klare Berufungsordnungen und den sogenannten TenureTrack anzubieten. Das bedeutet, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler werden als Juniorprofessorinnen und -professoren angestellt und bewähren sich akademisch. Wenn sie vorher definierte Leistungsziele erfüllen – Herr Dr. Hausmann! Es sind definierte Leistungsziele, es ist nicht so, dass jede oder jeder Professorin oder Professor werden kann –, können sie sich darauf verlassen, am Ende eines geordneten Verfahrens als vollwertige Professorin oder vollwertiger Professor wissenschaftlich zu arbeiten. Sie haben eine klare Perspektive, anstatt wie bisher ständig in Gefahr zu schweben, am Ende einer Projektlaufzeit aus dem Wissenschaftsbetrieb zu fliegen.
Zudem sorgen wir mit diesem Gesetz dafür, dass Erziehungszeiten angemessen berücksichtigt werden. Sicher, diese Instrumente allein sind kein Allheilmittel gegen jedes prekäre Arbeitsverhältnis in der Wissenschaft. Wir versetzen unsere Hochschulen allerdings in die Lage, ihr Personal langfristig, verbindlich und nachhaltig zu entwickeln. Dieses Gesetz löst nicht das Problem knapper Kassen und befristet vergebener Drittmittel, aber es ist gemeinsam mit den neuen Hochschulverträgen ein wichtiger Baustein im Kampf dieser Koalition für gute Arbeitsbedingungen in der Wissenschaft. – Ich danke Ihnen!
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Gäste! Wenn man als sechster hier im Bunde spricht, gerade bei einem solchen Thema, das nicht hochemotional und vollkommen umstritten ist, ist es natürlich schwierig, nicht noch einmal das zu wiederholen, was die zahlreichen Vorrednerinnen und Vorredner schon gesagt haben.
In dem Fall nicht, aber wir können beim nächsten Mal wieder darüber reden. – Um es gleich vorwegzunehmen: Die vorliegenden Änderungen des neuen Berliner Hochschulgesetzes sind in nicht wenigen Punkten sinnvoll. Und sie werden von mir jetzt auch keine Oppositionsbrandrede hören, gleichwohl aber auch keine Jubelrede, weil ich ein paar kritische oder verbesserungswürdige Punkte an dieser Stelle gern noch anbringen möchte.
Das Hauptziel, das dieser Vorlage zugrunde liegt, nämlich die Einführung der Tenure-Track-Professuren, wird von den Freien Demokraten ausdrücklich unterstützt. Wir
haben das auch in unserem Wahlprogramm stehen gehabt, es ist auch unsere Bundesbeschlusslage, gar keine Kritik daran. Als Einstieg in die Hochschullaufbahn ist es auch wichtig, eine längerfristige Perspektive zu bieten. Gleichwohl – und ich bin bei vielen Kritikpunkten des Kollegen Hausmann, die er aufgeführt hat, die ich nicht alle einzeln noch einmal vortragen möchte – frage ich mich auch, ob die umfänglichen Tatbestände eines Verzichts auf Ausschreibungen wirklich dieser Maßnahme gerecht werden, nämlich Exzellenz im Wissenschaftsbereich zu fördern.