Protocol of the Session on February 9, 2012

Ja, es ist ein bisschen spät.

[Beifall von Benedikt Lux (GRÜNE)]

Danke! – Wie kann man sicherstellen – Kollegin Bayram hat es schon angesprochen –, dass gerade diese traumatisierten Menschen es schaffen, ihre Situation darzustellen und diesen Anspruch auf Asyl einzulösen? Wieso sollte ein Unterschied gemacht werden zwischen dem Flughafen BER und dem Flughafen Tegel? Sie hatten gesagt, es sollte sich an der Größe des Flughafens orientieren, BER werde ein internationaler Flughafen. Das ist richtig. Ich bin selbst vor einigen Wochen von Tegel abgeflogen. Ich möchte betonen, ohne Upgrade und ohne erste Klasse. Und was glauben Sie, der Flug ging nicht nach München, sondern nach Ungarn. Das ist, glaube ich, nicht in Deutschland. Also ist Tegel auch ein internationaler Flughafen. Ich möchte übrigens anmerken, das war ohne Upgrade und ohne erste Klasse.

Wie können wir also sichergehen, wie können wir bemessen, ob es ein großer Flughafen ist oder nicht? Ich glaube, internationale Flüge könne keine Bemessungsgrenze sein. Woran sollen wir das denn bemessen? An der Anzahl der Flüge? An der Größe des Geländes? – Ich weiß es nicht. Können Sie es mir sagen? – Ich glaube, das Einzige, woran Sie wirklich bemessen können, dass es ein großer Fughafen ist, bei dem ein Asylverfahren am Flughafen durchgeführt werden sollte, oder ein kleiner, an dem kein Flughafenverfahren durchgeführt werden sollte, wäre vielleicht die Anzahl der Verfahren, die dort durchgeführt würden. So beißt sich die Katze dann in den Schwanz: Viele Verfahren gleich großer Flughafen, großer Flughafen gleich Flughafenverfahren. Das wäre doch mal ein Vorschlag für Sie.

Warum also brauchen wir dieses Verfahren? Wir brauchen es natürlich nicht. Es ist auch klar geregelt: Im Asylverfahrensgesetz, § 18a, steht klar drin: „soweit dies am Flughafen möglich ist“. Kein Knast – unmöglich! Also fände ich es auch schön, wenn die Kollegen von der Linksfraktion nicht so tun würden, als wäre es eine Dringlichkeit, dass dieses Verfahren durchgeführt würde.

Denn nach dem Asylverfahrensgesetz ist es nicht notwendig. Wenn wir den Knast nicht bauen, dann können auch keine Verfahren durchgeführt werden, und dann müssen wir das auch nicht tun.

[Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Warum soll denn so dringend ein Flughafengefängnis gebaut werden? Warum soll dieses unwürdige Verfahren durchgeführt werden, obwohl es in ganz Berlin erst einen einzigen Fall gegeben hat, dass jemand wirklich unbegründet einen Antrag gestellt hat und dann vom Flughafen direkt wieder zurückgeschickt wurde? Ich sage Ihnen, warum es so ist. – Es liegt auf der europäischen Ebene begründet. Es ist so, dass dort gerade die Aufnahmerichtlinie für Flüchtlinge neu verhandelt wird. Das heißt, das Interesse der Union in der Bundesregierung, diese Aufnahmerichtlinien in ihrem Sinne zu verändern, zu verschärfen und gerade keine Erleichterungen für die Asylbewerber zuzulassen, das ist nämlich das, was dahintersteckt. Das heißt, Berlin und Brandenburg machen sich hier zum Büttel der Bundesregierung, einer Regierung, die versucht, eine Erleichterung der internationalen EURichtlinien zu verhindern. Und das ist nicht das, was wir hier zulassen sollten.

Ich kann Ihnen nur sagen: Lassen Sie uns jetzt nicht weiterhin diesen Versuch blockieren, den Flughafenknast zu stoppen. Kommen Sie mit zur Demo am 22. Februar gegen das Asylverfahren, gegen den Flughafenknast! Lassen Sie uns nicht weiterhin darauf beharren, Flughafenverfahren durchzuführen. Ein Verfahren, in dem Menschen 48 Stunden Zeit haben, Unmögliches zu leisten. Ein Verfahren, in dem, wie Frau Bayram es richtig gesagt hat, selbst Willy Brandt kein Asyl in Norwegen bekommen hätte. – Danke schön!

[Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Vielen Dank, Herr Kollege Reinhardt! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Zu den Anträgen wird die Überweisung an den Ausschuss für Inneres, Sicherheit und Ordnung empfohlen. – Ich höre keinen Widerspruch. Dann verfahren wir so.

Ich komme zur

lfd. Nr. 19:

Ombudsstelle für ALG-II-Empfänger/-innen

Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 17/0110

Für die Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die Kollegin Bangert von den Grünen. – Sie haben das Wort, bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Januar ist die hundertfünfzigtausendste Klage seit Inkrafttreten der Reform im Jahr 2005 beim Berliner Sozialgericht eingegangen. Die erneute Zunahme von Klagen beim Sozialgericht ist besorgniserregend. Und es ist zu vermuten, dass nicht nur unklare rechtliche Regelungen zu den Klagen führen, sondern dass eine große Zahl durch eine fehlerhafte Rechtsanwendung in den Berliner Jobcentern zustande kommt und die Arbeit der Berliner Jobcenter verbesserungswürdig ist. Derzeit gibt es über 40 000 offene Verfahren am Sozialgericht. Von einem effektiven Rechtsschutz können wir hier nicht mehr reden.

Der eigentliche Skandal aber ist, dass durch die jahrelange Untätigkeit und Nichtgestaltung von Politik dieser Zustand am Sozialgericht uns immer mehr mit Sorge erfüllt. Die öffentlichen Kassen werden dadurch belastet, schlimmer noch: Durch den vermehrten Einsatz von Richterstellen am Sozialgericht fehlen diese an anderen Stellen, wo sie ebenso dringend gebraucht werden. Die Situation an den Sozialgerichten ist aber auch ein unwürdiger Zustand für alle Betroffenen, die mit ihren vielfach berechtigten Klagen oft unerträglich lange auf eine Entscheidung warten müssen. Die Tatsache, dass nahezu die Hälfte aller Klagen vor dem Sozialgericht zugunsten der Leistungsbezieher und -bezieherinnen entschieden wird oder zumindest mit einem Teilerfolg endet, zeigt seit Jahren den dringenden Handlungsbedarf im Bund, aber auch auf Berliner Ebene.

Die Bundesregierung hat es versäumt, bei der Novellierung der SGB-II-Gesetzgebung die Rechtssicherheit zu vergrößern und für mehr Praxistauglichkeit zu sorgen. Aber der Berliner Senat hat es auch nicht geschafft, strukturelle Probleme bei der Neuorganisation der Jobcenter zu beseitigen. Und dafür tragen auch Sie von der Linken mit die Verantwortung.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Zuallererst geht es dabei um die bessere Kommunikation der Jobcenter mit den SGB-II-Empfängerinnen. Seit 2006 fordern wir Grünen die Einrichtung einer Ombudsstelle im SGB-II-Bereich. Seit 2006 werden unsere Initiativen, die sehr wohl zu einer Entlastung des Sozialgerichts geführt hätten, mit der Begründung „überflüssig“ oder „nicht notwendig“ abgewiesen. Die absurde Argumentation von SPD und der Linken in der letzten Legislaturperiode lautete: Besonders viele Konfliktfälle in Berlin, deshalb keine eigene Berliner Ombudsstelle. – Das ist ein Schlag ins Gesicht aller Betroffenen, die ein Jahr lang auf eine Entscheidung des Gerichts warten müssen. Und wenn Sie jetzt wieder auf den Petitionsausschuss verweisen: Nein, der Petitionsausschuss ist kein Ersatz für eine Ombudsstelle.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Ich weiß nicht, wie es den anderen Fraktionen geht. Aber bei uns melden sich tagtäglich Menschen mit Problemen, die von einer unabhängigen und nicht weisungsgebundenen Ombudsstelle profitieren könnten, die ihnen hilft, ihre Probleme zu lösen. Dabei geht es hauptsächlich um die Kosten für die Unterkunft, die Anrechnung von Einkommen auf Leistungen, Leistungskürzungen nach Sanktionen und verletzte Bearbeitungsfristen. Aber oft geht es auch um fehlenden Respekt im Umgang.

Wir brauchen in Berlin endlich eine unabhängige Ombudsstelle und Ansprechpartnerinnen in jedem Jobcenter, eine Ombudsstelle, die zwischen Erwerbslosen und Jobcentern vermittelt, die im Konfliktfall ohne großen bürokratischen Aufwand Klarheit schafft und gerichtliche Auseinandersetzungen möglichst vermeidet, die rechtliche Auslegungsspielräume bei Entscheidungen vorschlägt und die Rechte der Betroffenen stärkt. Mittlerweile arbeiten in zahlreichen Städten, z. B. in Aachen, Duisburg, Essen, Jena, erfolgreich Ombudsstellen. Sie werden vor Ort inzwischen nicht nur von den Grünen gefordert, sondern auch von der SPD, der CDU und selbst von der Linken, wie jetzt z. B. in Hamburg. Nach den Erfahrungen in anderen Städten können die Verfahren durch eine von der Ombudsstelle organisierte Vermittlung deutlich schneller und unbürokratischer gemeinsam mit den Jobcentermitarbeiterinnen und -mitarbeitern behoben werden. Eine Ombudsstelle könnte damit auch in Berlin viel Geld und Zeit sparen. Deshalb stimmen Sie unserem Antrag zu! – Vielen Dank!

[Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Gerwald Claus-Brunner (PIRATEN)]

Vielen Dank, Frau Kollegin Bangert! – Für die Fraktion der SPD hat die Kollegin Monteiro das Wort. – Bitte schön!

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Mir liegen der Antrag der Grünen vom 18. Januar 2007 – Ombudsstelle für ALG-II-Empfänger/-innen – und der Antrag der Grünen vom 18. Januar 2012 – Ombudsstelle für ALG-II-Empfänger/-innen – vor. Die Überschriften sind einschließlich des Bindestrichs und großen I deckungsgleich, die Inhalte der Anträge unterscheiden sich. Die Aufgaben der Ombudsstelle wurden inzwischen entschlackt. Waren es 2007 noch sechs umfangreiche Aufgabenfelder, heißt es nunmehr:

Der Senat wird aufgefordert, eine unabhängige Ombudsstelle einzurichten, welche in Konfliktfällen für eine schnelle Vermittlung zwischen den Job-Centern und den ALG-II-Empfänger/-innen sorgt.

Ombudsstellen: In Jena wurde im Jahr 2005 unter einer Koalition aus CDU und SPD eine Ombudsstelle eingerichtet, allerdings nicht bei der Stadt oder dem Jobcenter, sondern bei einem Verein. In Berlin stimmten 2007 SPD, Linke und FDP gegen den Antrag der Grünen, die CDU enthielt sich.

[Uwe Doering (LINKE): Was machen Sie denn diesmal?]

Die Debatte zur Einrichtung der Ombudsstelle war damals nicht besonders tiefgründig, da mehrere Anträge zu ÖBS und Jobcentern gemeinsam beraten wurden. Bei Tacheles Sozialhilfe fand ich im Netz zu jenem fernen Jahr 2007 folgende Notiz:

Paradox ist das Verhalten der Grünen allerdings in dem von ihnen regierten Bezirk FriedrichshainKreuzberg. Gemeinsam mit SPD und Linkspartei.PDS lehnten sie im Jobcenterausschuss der Bezirksverordnetenversammlung kürzlich einen von der Wahlalternative WASG eingebrachten Antrag zur Einrichtung einer unabhängigen Ombudsstelle ab.

Ab 2007 war der Sozialexperte und Sozialdemokrat Dietrich Schoch als bundesweit erster Ombudsmann in einer städtischen Hartz-IV-Verwaltung, nämlich in der ARGE Duisburg tätig. Als er anderthalb Jahre später seine Tätigkeit beenden musste, resümierte er, dass durch seine Arbeit 50 Prozent der als nicht korrekt empfundenen Bescheide korrigiert worden seien. 2009 brachte die Ratsfraktion, die Linke/DKP in Essen, einen Antrag auf Einrichtung einer Ombudsstelle ein. Die praktische Umsetzung in Essen wurde dann allerdings von ihr als „PRGag“ heftig kritisiert. Ende 2010 fordert die FDP unter anderem in Oldenburg einen Ombudsmann für ALG-II-Empfänger.

Die Positionen aller Parteien sind:

[Uwe Doering (LINKE): Wie ist denn Ihre?]

ja, nein, vielleicht! Das mag am Nebeneinander der verschiedenen Institutionen liegen. Petitionsausschuss, Widerspruchsstellen, Sozialgericht, Kundenreaktionsmanagement, Widerspruchspräventionsmanagement, Ombudsrat, Ombudsstellen – wer weiß schon, welche Stelle wofür zuständig ist und vor allem, wofür nicht. Wilhelm Uhl, seit vier Jahren Ombudsmann bei MainArbeit in Offenbach, gibt uns für unsere heutige Beratung mit auf den Weg:

Ich denke, dass eine solche Stelle deswegen wichtig ist, weil hier in einem frühen Stadium der Dampf zum Teil schon unter Hochdruck abgelassen werden kann und eine Befriedung noch möglich ist und auch eintritt. Man kann das auch anders regeln, auch mit einer Widerspruchsstelle. Sie hat den Nachteil, dass sie bei der Behörde angesiedelt ist und nicht unabhängig wie ich agieren kann.

Bevor wir entscheiden, brauchen wir Antworten auf wesentliche Fragen: Wie wirkt sich die Arbeit von Ombudsstellen auf die Qualität der ALG-II-Bescheide und die Zahl der Klagen aus? Welche Aufgaben haben die Ombudsstellen da, wo sie existieren? Was läuft gut, was weniger gut? Was kann ein ehrenamtlich arbeitendes Gremium angesichts der riesigen Zahl von zu bearbeitenden Fällen bewirken? Allein im Land Berlin wurden im Jahr 2011 über 30 000 Hartz-IV-Klagen neu eingereicht.

[Zuruf von Sabine Bangert (GRÜNE)]

Unter welchen Bedingungen befürworten Jobcenter die Einrichtung von Ombudsstellen? Warum lehnen andere diese vehement ab? Wohin gehört eine Ombudsstelle? Soll es eine pro Jobcenter geben oder eine für das gesamte Land Berlin? Der Fragen sind genug gestellt, stellen wir sie den Richtigen, den Experten, den Praktikern, im Ausschuss für Arbeit und Integration!

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Vielen Dank, Frau Kollegin! – Als Nächste hat für Die Linke Frau Breitenbach das Wort. – Bitte schön, Frau Kollegin!

[Beifall bei der LINKEN]

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Grünen, die ja immer wieder auf die Verantwortung der anderen verweisen! Liebe Frau Bangert, ich bitte um Ihr Ohr! Ich möchte an dieser Stelle auch noch mal auf die Verantwortung der Grünen verweisen, denn ich werde es auch nicht lassen: Sie gehören zu den Hartz-Parteien, und damit tragen Sie Verantwortung.

[Beifall bei der LINKEN – Özcan Mutlu (GRÜNE): Jetzt wird es langweilig! – Clara Herrmann (GRÜNE): Haben Sie eigentlich noch eine andere Schallplatte? – Weitere Zurufe von den GRÜNEN]

Ja, das wird bei euch genauso langweilig. Lasst ihr es, dann lasse ich es auch! – Jetzt komme ich zu dem Antrag der Grünen, und vielleicht kann ich noch mal ein bisschen dazu beitragen, die Debatte zu versachlichen.

[Zurufe von den GRÜNEN]

Frau Kollegin Breitenbach hat das Wort und nur sie!

Der Antrag der Grünen in der letzten Legislaturperiode besagte, dass die Grünen gerne eine Ombudsstelle für

Berlin fordern. Dies haben wir damals abgelehnt. Ich habe mir übrigens auch noch mal die Reden angeguckt, und das sollten andere vielleicht auch mal machen. Ich habe damals beispielsweise in meiner Rede kritisiert, dass eine Ombudsstelle für Berlin nicht reicht und dass es viel sinnvoller wäre, in allen Jobcentern Ombudsstellen einzusetzen. Außerdem haben Sie damals auch eine hauptamtliche Stelle gefordert.

Ich habe mir auch noch mal angeguckt, wie die Erfahrungen in anderen Städten sind. Ich habe da übrigens nicht so viele positive Erfahrungen gefunden wie Sie, aber ich sage noch mal, ich habe es das letzte Mal schon gesagt, wir unterstützen Ihr Anliegen. Und ich sage heute wieder: Wir unterstützen Ihr Anliegen, und wir unterstützen jetzt, weil Sie unsere Kritik auch aufgenommen haben, im Prinzip den Antrag, in jedem Jobcenter den Versuch zu starten, ehrenamtliche Leute einzusetzen. Allerdings möchten wir das nicht bei dem Versuch belassen, sondern wir müssen uns noch einmal gemeinsam überlegen, wie man das verbindlich für alle Jobcenter umsetzen kann. Da haben Sie keine Regelung. Darüber sollten wir im Ausschuss reden.