Protocol of the Session on March 17, 2016

Sie kommen bitte zum Ende, Herr Kollege Buchholz?

Ja! – Frau Matuschek! Haben Sie es vergessen, verdrängt, oder von wem bekommt heute die Linkspartei eingeflüstert, wie sie zum Automatenspiel stehen soll? Es ist aus meiner Sicht wirklich ein Armutszeugnis, was Sie hier heute argumentiert haben.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Zur Erwiderung hat Frau Matuschek das Wort und danach für eine zweite und letzte Zwischenbemerkung zu diesem Debattenvortrag dann Herr Kollege Behrendt. – Bitte schön, Frau Matuschek!

Herr Buchholz!

[Daniel Buchholz (SPD): Bitte konkret antworten!]

Ihr Eiferertum in allen Ehren, aber das macht es nicht einfacher. Sie beschimpfen mich hier persönlich, und ich

kann Ihnen sagen, ich bin auch dafür bekannt, dass ich nachdenke,

[Lachen von Dr. Manuel Heide (CDU)]

dass ich Argumente abwäge. Ich habe es nicht nötig, irgendwelchen Lobbyistenverbänden hinterherzulaufen, aber ich rede mit der Automatenwirtschaft wie Sie auch. Ich weise das strikt zurück, dass Sie mich hier quasi als Abgesandte der Automatenwirtschaft darstellen! Das können Sie nicht belegen, das ist auch falsch, und es hat im Übrigen auch nichts mit Linkssein zu tun. Wenn man hier den Eindruck erweckt – und diesen Eindruck erwecken Sie –, dass jegliches Spielen sofort zur Sucht führt: Das ist nicht richtig!

[Daniel Buchholz (SPD): Erzählen Sie doch nicht so einen Unsinn! Das habe ich nie gesagt!]

Zum Thema und zum Wort „Berufsverbot“: Die IHK hat den Vorwurf Berufsverbot erhoben. Und da sage ich, man muss sich doch wenigstens einmal dem Gedanken hingeben: Wenn das Ziel Ihrer Gesetzesverschärfung – und das haben Sie verkündet, Herr Buchholz! – die Reduzierung der legalen Spielstätten auf unter 10 Prozent sein soll,

[Stefan Evers (CDU): Wo kommen denn die 10 Prozent her? Die Zahl ist doch absurd!]

dann hat das schon etwas damit zu tun, dass ein legales Gewerbe an der Berufsausübung gehindert werden soll. Das kann ja so sein, aber dann machen Sie ein anderes Gesetz, und das heißt dann: Verbot jeglichen Spielbetriebes! Dann müssen Sie mir aber erzählen – und das können Sie eben nicht –: Was passiert eigentlich mit den Verdrängungseffekten? – Ich habe Herrn Buschkowsky zitiert, und Herr Buschkowsky weiß doch wohl genau, wovon er spricht: Wenn man die Sonnenallee hoch und runter läuft – –

[Lachen bei den GRÜNEN – Dr. Manuel Heide (CDU): Das ist ja ganz was Neues! – Andreas Gram (CDU): Ihre Fraktion ist gerade in Schockstarre verfallen!]

Das Problem der Verdrängung lösen Sie mit diesem Gesetz nicht. Und es wird eine Folge dieses Gesetzes sein, dass – übrigens, diese Befürchtung hat er Evers selbst geäußert – aus dem legalen Spielhallenbetrieb in halblegales und illegales Spiel ausgewichen werden wird. Das sollten Sie in Ihre Überlegungen einbeziehen.

[Stefan Evers (CDU): Das tun wir!]

Um dagegen vorzugehen, hätten Sie in den letzten fünf Jahren mehr Aktivitäten zeigen können!

Nun noch mal zu Ihrer Frage: Was haben wir gemacht?

[Stefan Evers (CDU): Nichts!]

Sie sind Regierung! Wir machen in der Opposition auch die Kontrolle der Regierung. Aber Sie haben es nicht vorgelegt.

(Daniel Buchholz)

[Daniel Buchholz (SPD): Das haben Sie doch 2011 selbst beschlossen!]

Und jetzt auf andere zu zeigen: Ein schlechtes Gesetz liegt da auf dem Tisch, ein besseres hat die Opposition nicht geschrieben!

[Stefan Evers (CDU): Wir haben es als Opposition vorgelegt!]

Lassen Sie doch mal die Kirche im Dorf und bleiben dabei: Die Regierung hatte Regierungsarbeit zu leisten, und die Regierungsarbeit der letzten fünf Jahre war katastrophal, auch im Bereich der Bekämpfung von halblegalem und illegalem Spielen, genauso wie das Ersinnen einer ordentlichen, nachvollziehbaren Regelung, wie mit den Konzessionen umzugehen ist und wie eine Abstandsregelung durchzusetzen ist. Das haben Sie als Regierungsfraktion nicht geleistet, und diese Kritik bleibt stehen.

[Daniel Buchholz (SPD): Haben Sie doch selbst beschlossen!]

Wir waren nicht fünf Jahre in der Regierung – das waren Sie!

Sie kommen jetzt bitte zum Ende, Frau Matuschek! – Danke schön! – Für die zweite Zwischenbemerkung hat jetzt Herr Kollege Behrendt das Wort.

Kollegin Matuschek! Sie haben mich konkret angesprochen und hier die Behauptung aufgestellt, ich hätte mich im Ausschuss am Montag für ein vollständiges Verbot von Spielhallen und Glücksspiel im Lande Berlin ausgesprochen. Ich stelle das richtig: Das ist nicht zutreffend. Eine solche Aussage habe ich weder im Ausschuss gemacht noch heute in meiner Rede. Ich habe vielmehr versucht zum Ausdruck zu bringen, dass wir die Bemühungen des Landes Berlin, getragen damals noch von der rot-roten Koalition aus dem Hause Wolf, das Spielhallengesetz hier vorzulegen – – Kollege Evers! Sie haben völlig recht: Den Stein ins Wasser geworfen hat die CDU 2007 mit einem Gesetzesentwurf, den Sie aus der Opposition eingebracht haben, damals aus der Feder von Prof. Scholz. Da waren Sie noch viel radikaler,

[Stefan Evers (CDU): So geht Oppositionsarbeit! – Andreas Gram (CDU): Schärfer vielleicht, nicht radikaler!]

als das Spielhallengesetz von Rot-Rot war. Ich darf daran erinnern, Sie wollten pro 50 000 Einwohner eine Spielhalle in Berlin haben. Sie können mal ausrechnen, wie viele von den heutigen denn noch übrig bleiben würden. Aber das ist ein anderes Thema.

Ich habe mich ja zu Frau Matuschek gemeldet. Ich habe im Ausschuss – und das habe ich auch heute hier gesagt –

zum Ausdruck bringen wollen und habe das auch so gesagt, dass wir Grünen jede Spielhalle, die im Lande Berlin aufgrund der Gesetzgebung schließen wird, begrüßen. Das heißt aber beileibe nicht, dass ich jede Spielhalle ordnungsrechtlich-regulativ schließen möchte. Ich kann ja Entwicklungen begrüßen, ohne dass ich daraus gleich ein Verbot konstituieren möchte.

[Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

In einem haben Sie recht, Frau Matuschek: Es gibt im Internet einen erheblichen Wildwuchs an Glücksspiel. Die Regulierung dieses Glücksspiels ist ausgesprochen kompliziert. Ich bin der Meinung, man wird das nur über die Bezahlungsvorgänge in den Griff kriegen, indem man an die Kreditkartenunternehmen rangeht, auch das viele illegale Glücksspiel, das da stattfindet. Nur: Da fehlt ja nun dem Berliner Landesgesetzgeber jede Gesetzgebungskompetenz, hier tätig zu werden, um das zu regulieren. Und nur, weil ich feststelle, im Internet gibt es ganz viel Wildwuchs, heißt das ja nicht, dass ich darauf verzichte, in dem Bereich, wo wir zuständig sind – und das ist das Spielhallenrecht im Lande Berlin –, tätig zu werden.

[Zuruf von Steffen Zillich (LINKE)]

Das eine will ich nicht hinnehmen, kann es aber nicht abstellen, was im Internet alles passiert. Das ist auch gefährlich; das ist auch für Spielsüchtige zum Teil noch unerträglicher und noch gefährlicher, weil sie hier viel schneller noch viel mehr Geld verlieren, als das in den Spielhallen passiert – das stimmt. Aber das heißt doch nicht, dass ich diesen Wildwuchs so laufen lassen muss! Deshalb ist die Linie hier weiterhin richtig. – Ich danke Ihnen!

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Zur Erwiderung hat dann noch mal Frau Kollegin Matuschek das Wort.

Herr Behrendt! Da wir ja ein Wortprotokoll von der Sitzung im Wirtschaftsausschuss haben werden, können wir das alles dann schön nachlesen. – Was Sie jetzt gerade beschrieben haben, ist ein wichtiges Thema, nämlich Spielsucht im Internet. Davon ist im Zusammenhang mit dem Spielhallengesetz und Mindestabstandsumsetzungsgesetz bisher nicht die Rede gewesen. Das empfinde ich als großes Manko, und da warte ich auch auf entsprechende Anträge und entsprechende Initiativen. Da haben Sie uns an Ihrer Seite.

Und wenn wir noch mal über Spielsucht reden: Ja, Spielsucht ist eine Krankheit, und es ist eine schreckliche Krankheit. Aber nicht jeder, der spielt, ist auch spiel

süchtig, und nicht jeder, der Wein trinkt, ist alkoholsüchtig. Da müssen wir einfach mal wirklich die Kirche im Dorf lassen! Aber die Spielsucht zu bekämpfen und präventiv dagegen vorzugehen, ist eine wichtige Aufgabe. Dafür hat die Koalition im letzten Jahr die Mittel gekürzt. Da, denke ich, muss man drauflegen, und dann kann man sich auch gerne mal anschauen, was bei der Stelle für Suchtprävention diesbezüglich an Angeboten vorhanden ist: Da ist sehr viel gegen Alkoholsucht, sehr viel gegen Drogensucht vorhanden, weniger gegen Spielsucht. Das, denke ich, ist ein Thema, dem man sich unter dem Aspekt der Gesundheitspolitik sehr viel stärker und umfänglicher widmen muss. Aber man kann das nicht alles in einen Topf schmeißen und sagen: Wenn es in Berlin keine Spielhallen mehr gäbe, dann hätten wir keine Spielsucht! – Das ist Quatsch!

Vielen Dank! – Für die Piratenfraktion jetzt der Kollege Mayer.

Vielen Dank, Herr Präsident! – Liebe Kollegen! Werte Gäste! Tatsächlich ein historischer Moment: Eine neue Kenia-Koalition hier im Haus verabschiedet heute das Glücksspielkriminalitätsförderungsumsetzungsgesetz, mit dem Sie das legale Spiel möglichst ganz in die Hinterzimmer und ins Internet vertreiben werden. Und wir tun endlich was, um das Gewissen des Finanzsenators zu erleichtern, auf dem die Vereinnahmung von Vergnügungsteuer aus diesem unmoralischen Glücksspiel lastet. Es ist auch wunderbar, dass wir endlich etwas gegen diese Großunternehmen mit oft Dutzenden oder gar Hunderten von teuren sozialversicherungspflichtigen Mitarbeitern tun, wo keine Jugendlichen reindürfen und wo man nicht einmal ein Glas Wasser kriegt. Schließlich geht der Trend ohnehin zum erlaubnisfreien Café-Casino – da sind die Kosten und Auflagen viel geringer: Eine einfache Gewerbeanmeldung reicht – Spielautomaten aufhängen, fertig!

Dass die Grünen hier mit der Koalition in einem Boot sitzen, verwundert nur ein wenig. Aber sie sind ja immer für eine Überraschung gut. Und ich habe mich tatsächlich auch gefragt, ob – wenn in Berlin denn eines Tages die Zahl der Coffeeshops mit legalem Cannabis überhandnimmt – die Grünen dann auch dafür sein werden, dass Geschäft wieder in die Illegalität zurückzudrängen.

[Zuruf von Andreas Gram (CDU) – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Aber mal im Ernst: Wir sehen natürlich auch, dass eine hohe Spielhallendichte aus vielen Gründen unerwünscht ist, sozial wie städtebaulich. Aber Sie schießen mit dem Gesetz nicht nur weit über das Ziel hinaus – sie zielen auch noch daneben. Eigentlich müssten Sie vor allem gegen die Café-Casinos vorgehen. Die kommen aber nur

an zweiter Stelle, und Sie hätten das auch ohnehin bisher mit dem Gesetz problemlos machen können. Es ist tatsächlich nicht zu sehen, warum der Vollzug in Zukunft besser laufen soll. Mich erinnert das Ganze an Maos Spatzenkrieg – ich weiß nicht, ob Sie von dem gehört haben: Angeblich fraßen in China 1958 die Spatzen die ganze Ernte weg, und dann haben die Leute halt an drei Tagen an der Spatzenausrottung mitgemacht. Die Spatzen – zwei Milliarden – waren schließlich tot, und dann kamen die Insekten, und dann kam nämlich wirklich die Hungersnot. – Das erinnert mich so ein bisschen daran.

[Beifall von Jutta Matuschek (LINKE)]

Jedenfalls wir halten das Gesetz für so schlimm, dass wir es beim besten Willen nicht unterstützen können. Ja, wir haben uns sogar im Ausschuss enthalten, weil man selbst bei der Ablehnung das Gefühl hat, sich die Hände schmutzig zu machen. – Vielen Dank!