Abgesehen davon stellt die Einstufung beispielsweise von Ghana, Senegal oder Kosovo eine Verhöhnung der dort betroffenen Menschen dar. Jetzt sollen dieser Liste auch noch Marokko, Tunesien und Algerien zugefügt werden. Diese Staaten sind so sicher wie Horst Seehofers Lieblingsstaat Russland. Wir sollten Herrn Seehofer aber an der Stelle vielleicht nicht unrecht tun: Der Lieblingsstaat der Bundesregierung ist zurzeit die Türkei – dieselbe Türkei, die noch vor Kurzem als EU-untauglich gehandelt wurde.
Zur Frage der zahlenmäßigen Obergrenzen für Asylsuchende und Geflüchtete hat der wissenschaftliche Dienst des Bundestages in einer Ausarbeitung vom 16. Dezember 2015 festgestellt – ich darf mit Ihrer Erlaubnis, Herr Präsident, zitieren –:
Insgesamt ist festzuhalten, dass das geltende primäre und sekundäre EU-Asyl- und Flüchtlingsrecht keine Regelungen enthält, die eine zahlenmäßige Begrenzung der Aufnahme von international Schutzsuchenden vorsehen.
Dort steht übrigens nicht: Die deutsche Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung. Abgesehen von dem Auftrag des Grundgesetzes: Glaubt jemand ernsthaft daran, dass Kinder ohne Eltern, Männer und Frauen ohne Partnerin und Partner oder Menschen, die nicht wissen, ob sie einen Daueraufenthaltstitel erhalten werden, die von der Union so gepriesene sogenannte Integration besser schaffen werden?
Die Grünen-Chefin Simone Peter hat davon gesprochen, dass der großen Koalition eigentlich nichts mehr heilig ist.
Sie hat recht. Wir hoffen, dass alle rot-grün bzw. rot-rotgrün regierten Bundesländer – Baden-Württemberg an der Stelle natürlich ausgenommen – diesem erneuten Abbau des Asylrechts nicht zustimmen werden. Das erwarten wir selbstverständlich auch von Berlin. – Herzlichen Dank!
Vielen Dank, Kollege Taş! – Für die Fraktion der SPD spricht jetzt der Kollege Zimmermann, und ich erteile ihm das Wort. – Bitte schön!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Herr Kollege Taş! Sie sprechen viel über das, was alles nicht geht. Leider hören wir von Ihnen viel zu wenig bis gar nichts, was man alles Positives machen müsste, um dieses Flüchtlingsthema zu bewältigen.
Ich möchte die große und hervorragende Leistung der Bundeskanzlerin hervorheben, die mit ihren drei Worten eine Haltung bewiesen und Orientierung in der Bundesrepublik gegeben hat, die einzigartig ist, die sehr viel Respekt verdient und die in der Bundesrepublik wie auch international etwas ausgelöst hat. Das ist auch hier als
Vorgabe einer richtigen Linie und Orientierung in der Flüchtlingspolitik zu würdigen. Wichtig ist auch, festzuhalten, dass diese Orientierung Folgeentscheidungen verlangt. Diese Folgeentscheidungen sind es, worüber wir diskutieren müssen. Da gibt es einige, die nicht zum Thema Ihres Antrags gehören. Eine Folgeentscheidung ist ganz klar, dass, wenn die Integration gelingen soll, für alle in Deutschland die nötigen integrativen Maßnahmen finanziert werden müssen, was Arbeitsmarkt, Sozialwohnungen und andere Dinge angeht. Das ist etwas, was für alle Desintegrierten oder alle nicht Bevorzugten in der Bevölkerung geschehen muss. Nur wenn das gelingt, wird auch die Integration gelingen. Deswegen weist die Ansage des Bundesfinanzministers, dass dieser Kosten wegen endlich wieder ein Sparhaushalt kommen müsse, genau in die falsche Richtung. Wir brauchen Einnahmen, um das zu finanzieren, keine erneuten Sparhaushalte,
Ja, das war einleitend, aber durchaus wichtig, denn: Es ist auch eine Folgeentscheidung, die man treffen muss, wie man die Verfahren vernünftig handhabt und eine Regulierung schafft. – Insofern nur kurz zum Stichwort sichere Herkunftsstaaten. Sie diskreditieren diese Maßnahme als eine solche Einschränkung des Asylrechts, dass es dahinter verschwinde. Nein, sichere Herkunftsstaaten bedeuten keine Einschränkung des individuellen Asylrechts. Es kann weiterhin jeder individuell Asylrecht beantragen, es gibt lediglich vereinfachte Verfahren. Materiell wird es aber, das ist alles entschieden, nicht beeinträchtigt.
Deswegen stimmt Ihr Vorwurf nicht. Es ist einfach eine Frage, ob man die Länder richtig einschätzt oder nicht. Da gibt es Einschätzungen der Maghreb-Staaten, die wir nicht selbst kontrollieren; das haben das Auswärtige Amt und andere gemacht. Und wir sagen, dass man das so machen kann.
Es gibt andere Punkte, über die man diskutieren kann – Familiennachzug. Sie wissen, es gibt unterschiedliche Meinungen dazu, ob man diesen einschränken sollte oder nicht. Auch ich habe da im Detail eine etwas andere Auffassung, sage aber, dass wir den Vorschlag des Bundes zur Regulierung dieses Themas nicht verhindern sollen. Wir sollten vielmehr in Bund und Ländern gemeinsam für eine vernünftige Umsetzung sorgen und damit gemeinsam für ein Gelingen der verschiedenen Integrationsmaßnahmen eintreten. Das muss auch unser Ziel in Berlin sein, das müssen wir diskutieren. Dieser Antrag ist nicht für eine Sofortabstimmung geeignet. Deswegen –
Vielen Dank, Kollege Zimmermann! – Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat Frau Kollegin Bayram als Rednerin benannt, und ich erteile ihr das Wort. – Bitte schön!
Vielen Dank, Herr Präsident! – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mal wieder beschäftigen wir uns mit dem Thema sichere Herkunftsstaaten. Noch viel schlimmer ist, dass jetzt sogar dazugekommen ist, den Familiennachzug einzuschränken – so heißt es, faktisch soll er aber abgeschafft werden. Ich fange mal mit dem Familiennachzug an. Was heißt das eigentlich, den Familiennachzug nicht zuzulassen? – Ich spreche mit vielen Menschen in den verschiedenen Einrichtungen, in Turnhallen und Gemeinschaftsunterkünften. Deren gesamte Gedankenwelt dreht sich allein um die Kinder und Ehefrau, die sich teilweise noch in Kriegsgebieten, teilweise in angrenzenden Ländern aufhalten. Sie hoffen und warten darauf, endlich wieder als Familie zusammenleben zu können. Gerade wir, die wir in Sicherheit mit unseren Familien leben, sollten doch die Verantwortung erkennen, die in dieser Fragestellung steckt. Deswegen lehnen wir die Einschränkung beim Familiennachzug eindeutig ab.
Wir reden hier viel von Traumatisierung der Geflüchteten, die zu uns kommen. Lassen Sie uns auch darüber reden, welche Traumatisierung es für die Familienmitglieder bedeutet, die nicht kommen dürfen, weil SPD und CDU das nicht wollen! Das ist ein falscher Weg, und wir sollten all unsere Energie einsetzen, um das zu verhindern.
[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN – Beifall von Fabio Reinhardt (PIRATEN)]
Die sicheren Herkunftsstaaten werden der neue Renner in der Flüchtlingspolitik und immer wieder als Allheilmittel diskutiert. Die Liste wird mittlerweile soweit erweitert, dass sich tatsächlich die Frage stellt, wann Afghanistan und Syrien zum sicheren Drittstaat erklärt werden. Die Absurdität bei den sicheren Herkunftsstaaten habe ich jetzt etwas überspitzt. Das ist mir klar. Aber es macht doch deutlich, dass wir in eine Spirale geraten, immer wieder Instrumente, wie eben die sicheren Herkunftsstaaten, zu diskutieren, ohne jemals zu fragen, welche Wirkung sie denn erzielen. Da stellt sich schon die Frage: Wenn doch halbwegs kluge Menschen solche Instrumente vorschlagen, geht es darum Lösungen zu finden, oder
Ich halte es für einen Fehler, Scheinlösungen vorzuschlagen, denn die verschlimmern nur die Ängste. Man müsste den Mut haben, die Wahrheit zu sagen, dass wir eine Verpflichtung haben, auch als europäisches Land, weil wir von der Ausnutzung der Länder profitieren, in denen die Menschen teilweise in schwierigen Situationen leben, weil Deutschland dorthin Waffen liefert, oder in den afrikanischen Ländern davon profitiert, indem dort die Wirtschaft ausgebeutet wird.
Das ist die Verantwortung, die wir tragen, und deswegen sind wir auch für die Menschen verantwortlich, die zur Flucht gezwungen werden. Dann dürfen wir es uns hier nicht so leicht machen, an der Tür die Kontrolle zu übernehmen, wer reindarf und wer nicht, und dann auch noch auf so eine schäbige Art und Weise, Grundsätze über Bord zu werfen, bei einem Thema, das wir hier gerne diskutieren, wo wir uns darüber einig sind, dass wir Gleichheit, Gleichstellung in vielen verschiedenen Bereichen haben wollen, auch in dem Bereich queer. Was haben wir hier schon für schöne Aussagen gemeinsam beschlossen. Aber in diesen sogenannten sicheren Herkunftsstaaten lebt kein Homosexueller in Sicherheit. Der ist immer bedroht, sowohl durch den Staat als auch durch die Gesellschaft, und auch Zwangsverheiratungen sind in diesen Ländern keine Seltenheit. Da kann es doch nicht sein, dass wir ihnen den individuellen Schutz absprechen, wenn sie da rauswollen, wenn sie eine Alternative wollen, wenn sie genauso wie wir frei leben und lieben wollen.
[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN – Beifall von Martin Delius (PIRATEN)]
Herr Kollege Zimmermann! Sie haben die Probleme und Schwierigkeiten der SPD beschrieben, und ich habe ja, wie bekannt ist, auch eine Sympathie. Aber ich würde Sie wirklich noch einmal bitten, darüber nachzudenken, wie weit die SPD diese Spirale eigentlich noch mitdrehen will. – Vielen Dank!
Danke schön, Frau Kollegin Bayram! – Für die CDUFraktion erteile ich jetzt das Wort dem Kollegen Dr. Juhnke. – Bitte schön!
Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, man kann froh sein: Das Gesetz zur Einführung beschleunigter Asylverfahren, das sogenannte Asylpaket II, kommt jetzt endlich in den Bundestag. Nachdem Herr Zimmermann die Kanzlerin gelobt hat, lobe ich den Bundesjustizminister Maas.
Es gab jetzt eine Einigung zwischen ihm und dem Bundesinnenminister de Maizière, dass wir diesen Entwurf der Koalition praktisch unverändert im Bund einbringen können. Es gibt jetzt ausnahmsweise in Härtefällen, auch bei minderjährigen Flüchtlingen mit eingeschränktem Schutz, einen Nachzug der Eltern. Aber das muss dann auch gemeinsam zwischen dem Auswärtigen Amt und dem Innenressort abgestimmt werden. Von daher begrüßt die CDU-Fraktion ausdrücklich dieses weitere Instrument zur Flüchtlingsbegrenzung. Die gute Nachricht ist: Auch nach der Einigung der Minister wird der Familiennachzug für eine große Gruppe von Flüchtlingen für die nächste Zukunft nicht erlaubt sein, denn ansonsten müssten wir mit einem weiteren enormen Zuzug einer großen Gruppe von Flüchtlingen in diesem Land rechnen.
Das ist auch ein wichtiges Signal an die Herkunftsländer: Es lohnt sich nicht, Kinder allein auf diese riskante Reise zu schicken, damit sie die Eltern im Wege des Familiennachzugs nachholen können. Das ist für die Kinder gefährlich und entspricht auch nicht dem Wohl des Kindes.
Ich hoffe nun, dass das Paket zügig im Bundestag beraten werden kann, damit es dann bei dem klaren Signal bleibt, dass der Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtigte ausgesetzt wird.
Aber das ist ja nur ein Teil der Regelungen, die zur Debatte stehen. Wir werden auch ein beschleunigtes Asylverfahren für bestimmte Gruppierungen haben, die dann in Aufnahmezentren behandelt werden. Und da ich heute wieder sehr viel Unsinn gehört habe: Selbstverständlich ist der individuelle Schutz in jedem Fall gewährleistet. Darüber hinaus werden Verstöße gegen die räumliche Beschränkung stärkere Sanktionen erfahren. Ich glaube, das ist gerade für einen Ballungsraum wie Berlin eine gute Nachricht. Und wir werden auch die Rahmenbedingungen für die Erstellung ärztlicher Atteste im Zusammenhang mit den Abschiebungen präzisieren und klarstellen. Auch das ist grundsätzlich zu begrüßen, wie auch die Tatsache, dass der Bund bei der Beschaffung der nötigen Papiere für Personen, die Deutschland wieder verlassen müssen, auch stärker helfen wird, denn bei Abschiebungen ist es nach wie vor so, dass wir dort schneller handeln müssen. Berlin tut hier einiges, aber das ist leider nicht in allen Bundesländern der Fall.